Was genau ist Stalinismus?

Das ist auf mein Begriff "sozialistische Diktaturen" bezogen, richtig?
Nun, nur Diktaturen zu schreiben wäre ungenau gewesen un deine Mehrzahl von Sozialismus erschien mir ebenfalls unbrauchbar. Bliebe sozialistische Länder oder Systeme, aber das nimmt sich ja dann nichts mehr.
Wie hättest du es formuliert? (Antwort lieber per PN)

@askan hat meine Frage schon beantwortet, der ich zugestimmt habe.
 
Ist das so? (Mal abgesehen davon, daß ohnehin kein System "auf Dauer" Bestand hat).

Die SU hat ja nun von Lenin bis Gorbatschow lange gehalten, und Terror gab es und nach Stalin (auch wenn wir uns hier wohl einig sind, daß er da speziellen Wert drauf legte).

Ein Saddam Hussein war 30 Jahre an der Macht - und wäre es heute noch, wenn er nicht außenpolitischen Ärger bekommen hätte.

Auch Mao und Nachfolger haben ein dauerhaftes System installiert - weitere Beispiele würden sich wohl ohne Probleme finden lassen, da gibt es Monarchen/Diktatoren zu Hauf', die mit großer Grausamkeit ihren Hofstaat und ihre Untertanen in Schach hielten...
Ja - Kuba mit Fidel Castro z. B., aber findest du 30-70 Jahre aus historischer Sicht eine lange Epoche? Ich eigentlich nicht. Für mich existieren die USA bereits eine längere Epoche und von einigen Staaten in Europa wie die Königreiche Dänemark, Schweden oder die Niederlande will ich erst gar nicht reden. Aber alle Diktaturen, die es im 20. Jh. so gab, waren kurzlebiger. In sofern würde ich Scarlett recht geben.
 
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aber findest du 30-70 Jahre aus historischer Sicht eine lange Epoche?
Nicht unbedingt - aber das ist wohl nicht der Punkt.

Denn die diversen Diktaturen existieren entweder noch, oder sie wurden gewaltsam von außen beendet, oder sind pleite gegangen.
Es gibt m. W. sehr wenige Diktaturen die deswegen beendet wurden, weil das mit dem Terror nach innen nicht mehr geklappt hätte.

Und wenn man etwas weiter zurück geht findet man natürlich viele Reiche, die nicht "Diktaturen" im modernen Sinne waren, aber genauso funktioniert haben: Es regiert, wer sich machtpolitisch durchsetzt und die Konkurrenz einen Kopf kürzer macht.

Die Aussage "mit Terror kann man nicht lange und stabil regieren" ist daher m. E. widerlegt. Wobei ich jetzt Scarletts Aussage etwas umformuliert habe, um es deutlicher zu machen - das war vielleicht aber nicht, was sie wirklich sagen wollte.
 
Die Aussage "mit Terror kann man nicht lange und stabil regieren" ist daher m. E. widerlegt. Wobei ich jetzt Scarletts Aussage etwas umformuliert habe, um es deutlicher zu machen - das war vielleicht aber nicht, was sie wirklich sagen wollte.

Wenn Du denn als Gegenthese aufstellst, eben dies sei möglich, dann ist es kaum logisch, dass etwa Stalin selbst 1939 äußert, es werde keinen Massenterror mehr geben und es nach 1945 außer "punktuellem Terror" (Leningrader Affäre 1949 & die berühmte Verschwörung der Ärzte) keine derart gewaltsamen Methoden gab.

Was ich sagen wollte, war, dass der Terror zweifellos wichtig für den Stalinismus war, aber nicht eben er allein. Es muß zudem noch andere Komponenten geben, die eine Identifikation mit dem jeweiligen Staat ermöglichen.
Und ich führte eben den Massenterror als Beispiel an, dass extreme Gewaltausübung über einen längeren Zeitraum kontraproduktiv ist. Die Sowjetunion befand sich in den 30gern dadurch, wie ein Historiker mal schrieb, "am Rande des Abgrundes".
Ich glaube zudem auch nicht, das etwa Chruschev aus altruistischen Motiven bei der Entstalinisierung die Terrormethoden zurückfuhr, sondern vielmehr aus Gründen der eigenen Machtsicherung und letztendlich auch der Stabilisierung des Landes.
Der Terror allein hat dies nicht vermocht.

Oder ein anderes Beispiel: Ungarn nach 1956. Das dortige (stalinistische!) Regime hatte zunächst aus politischen Gründen (die Kommunisten hatten vor dem Machtzugriff etwa nur 17% Stimmanteil in der Bevölkerung) ziemlich willkürlichen Terror ausgeübt - anders etwa als in der Tschechoslowakei - und konnte dennoch die Ablehnung der Bevölkerung nicht überwinden (!).
Nach der Niederschlagung des Aufstandes 1956 kommt es interessanterweise zu einem Konsens - die Kommunisten verzichten auf übermäßigen Gewaltgebrauch und die Bevölkerung - nicht zuletzt unter Eindruck der übermächtigen Sowjets - akzeptiert das Regime. Erst dann kommt es zu einer Stabilisierung.

Etwas ähnliches läßt sich auch in den anderen osteuropäischen Staaten beobachten, dort müht man sich, die Bevölkerung duch den "bourgeoisen" Konsum ruhigzustellen... letztendlich auch hier eine Rücknahme bzw Drosselung der Gewalt.
 
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Wenn Du denn als Gegenthese aufstellst, eben dies sei möglich, dann ist es kaum logisch, dass etwa Stalin selbst 1939 äußert, es werde keinen Massenterror mehr geben
Nun vom "Massenterror" habe ich auch nicht geschrieben, sondern "nur" vom "normalen" Terror.

Dieser normale Terror ist m. E. in wohl jeder Diktatur üblich, der Machthaber sichert seine Macht, weil die Leute Angst haben.
Und das kann durchaus langfristig stabil funktionieren.

Massenterror dagegen kann es tatsächlich nur über begrenzte Perioden geben, selbst die Roten Kmher (die waren zwar nicht in absoluten Zahlen am schlimmsten, haben aber wohl in Relation die meisten Untertanen ermordet) mußten das irgendwann zurückfahren, sonst hätten sie kein Volk mehr gehabt zum Beherrschen.

Stalin hatte einige Phasen mit Massenterror - aber andere hatten diese auch (z. B. Mao), es ist also kein "Alleinstellungsmerkmal" für den Stalinismus.

Was ich sagen wollte, war, dass der Terror zweifellos wichtig für den Stalinismus war, aber nicht eben er allein.
Richtig - aber ich schließe eben daraus, daß "Stalinismus" als Begriff recht sinnlos ist, weil man da sonst nicht mehr viel Brauchbares bzw. Typisches findet.

Es muß zudem noch andere Komponenten geben, die eine Identifikation mit dem jeweiligen Staat ermöglichen.
Kann, muß nicht.
M. E. war Stalins Macht so sicher, daß es ziemlich unerheblich war, ob die Leute nun wirklich noch an den Kommunismus oder sonstwas geglaubt haben.
Andere Diktaturen kommen durchaus ohne solche Identifikations-Komponenten aus.

Ich glaube zudem auch nicht, das etwa Chruschev aus altruistischen Motiven bei der Entstalinisierung die Terrormethoden zurückfuhr, sondern vielmehr aus Gründen der eigenen Machtsicherung und letztendlich auch der Stabilisierung des Landes.
Richtig.
Wie eben bei Pol Pot: Man will ja am Ende noch Leute übrig behalten, die man beherrschen kann.
Chrutschow konnte seine Macht mit nur dem normalen Terror sichern und brauchte daher nicht mehr die Massensäuberungen.
 
Nun vom "Massenterror" habe ich auch nicht geschrieben, sondern "nur" vom "normalen" Terror.

Dieser normale Terror ist m. E. in wohl jeder Diktatur üblich, der Machthaber sichert seine Macht, weil die Leute Angst haben.
Und das kann durchaus langfristig stabil funktionieren.

Was ist normaler Terror?

Stalin hatte einige Phasen mit Massenterror - aber andere hatten diese auch (z. B. Mao), es ist also kein "Alleinstellungsmerkmal" für den Stalinismus.

So etwas kannst Du sicher auch für den italienischen und den deutschen Faschismus sagen, der Nationalsozialismus bleibt jedoch ein Spezifikum in der deutschen Geschichten, so wie der Stalinismus eines in der sowjetischen / russischen Geschichte ist.

Richtig - aber ich schließe eben daraus, daß "Stalinismus" als Begriff recht sinnlos ist, weil man da sonst nicht mehr viel Brauchbares bzw. Typisches findet.

Ach doch, das findet man, aber dazu muß man sich die "bolschewistische Ära" zumindest von den 1920gern - 1950ger ansehen.

Kann, muß nicht.
M. E. war Stalins Macht so sicher, daß es ziemlich unerheblich war, ob die Leute nun wirklich noch an den Kommunismus oder sonstwas geglaubt haben.

Dessen war er sich offenbar nicht so sicher, denn Zeit des Bestehens der Stalin-Ära gab es immer wieder Vorgehen gegen sogenannte oligarchische Strukturen, die für Stalin Gefährdungen seiner Macht darstellten.

Andere Diktaturen kommen durchaus ohne solche Identifikations-Komponenten aus.

Gib' mir Beispiele.

Ich würde behaupten, dass diese Identifikation für kommunistische System im Besonderen von großer Bedeutung sind.

Richtig.
Wie eben bei Pol Pot: Man will ja am Ende noch Leute übrig behalten, die man beherrschen kann.
Chrutschow konnte seine Macht mit nur dem normalen Terror sichern und brauchte daher nicht mehr die Massensäuberungen.

.. vor allem aber die eigene Position sichern, so dass zumindest die oberen politischen Eliten (und damit Chrustschow selbst!!) vor Verfolgung sicher sind. Um die lieben Untertanen ging es da wohl nicht wirklich. ;)
 
Was ist normaler Terror?
Die Herrschaft durch Furcht, d.h. die wesentliche Legitimation des Chefs besteht darin, daß er seine Gegner jederzeit und nach Belieben töten oder ins Lager stecken kann.

Ach doch, das findet man, aber dazu muß man sich die "bolschewistische Ära" zumindest von den 1920gern - 1950ger ansehen.
Und was findet man da an Besonderheiten (eben außer dem Massenterror), die jetzt die Stalinzeit so stark von den Perioden vorher und nachher unterscheiden?

Dessen war er sich offenbar nicht so sicher,
Ja, aber das scheint doch eher die persönliche Paranoia Stalins gewesen zu sein. Objektiv war seine Herrschaft doch in keiner Weise gefährdet.

Gib' mir Beispiele.
Die meisten lateinamerikanischen und afrikanischen Diktaturen kommen m. W. ohne wesentliche ideologische Komponente aus.
Natürlich wird da manchmal etwas an den Patriotismus appelliert - aber das ist nebensächliche Folklore. Entscheidend ist letztlich die physische Gewalt.

Ich würde behaupten, dass diese Identifikation für kommunistische System im Besonderen von großer Bedeutung sind.
Sie wird dort wegen der besonderen Vorgeschichte der kommunistischen Machthaber besonders hervorgehoben.
Aber ob es real wirklich wichtig ist, daß die Untertanen das auch glauben, da kann man zweifeln.
Deine Beispiele Ungarn und Polen liefen doch eher darauf hinaus, daß keiner so recht an die offizielle Propaganda geglaubt hat, aber man sich arrangiert hat.
Oder siehe auch das heutige China: Da wird offiziell immer noch groß sozialistische Lehre gepredigt - aber von der Führung bis zum letzten Bauern scheint da überhaupt keiner mehr dran zu glauben, das ist nur noch Formel.
 
Ein Biograph schrieb ungefähr folgendes:
Es sei eine Überraschung, dass nach Stalins Tod im März 1953 im Kreml die Verfolgungs- und Verratsparanoia schlagartig abgelegt wurde und mit seinem Tod der Stalinismus starb.
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Sein späterer Nachfolger Chrustschow (ein immer ergebener Paladin Stalins, wie auch Breshnew, wer überlebte musste sich intensiv mit Denunziationsarbeit unter Stalin beschäftigt haben - auch wenn ihnen die ständige Angst im Nacken saß vom stalinistischen System gefressen zu werden) hat im Sommer 1953 Lawrenti Berija als Spion Titos, Spion des englischen Geheimdienstes sowie Spion der muslimischen Opposition im Kaukasus angeklagt, zudem würde Berija die sozialistische Entwicklung in Ostdeutschland (der Name "DDR" wurde von den Sowjets erst nach dem 17.Juni 1953 anerkannt) untergraben.
Kurz nach Stalins Tod erliess Berija eine umfangreiche Amnestie, die nun ihm zum Verhängnis wurde, weil sie angeblich viel zu weitläufig gewesen sei. Ein weiterer Anklagepunkt.

Der Stalinismus hat also noch ein halbes Jahr gedauert, um zumindest im Kampf um die Nachfolge Stalins zu wirken.
Berija wurde gleich nach der Gerichtsverhandlung im angrenzenden Flur erschossen.

Der Stalinismus nach innen wirkt noch heute in Russland nach. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und Gorbatschows Aufruf zu Glasnost und Perestroika sahen sich sehr viele Bürger nicht im Stande, selbständig denken und zu handeln. Freiheit war ihnen suspekt.
 
...(der Name "DDR" wurde von den Sowjets erst nach dem 17.Juni 1953 anerkannt)...
Das ist mir jetzt aber neu.
Warum sollten die Russen einen Staat erst 4 Jahre nach dem sie diesen (inoffiziell) selbst geschaffen haben anerkennen?
Übrigens: Im RGW war die "DDR" bereits seit 1950. Unter welchem Namen, wenn nicht unter "DDR"?
 
Das ist mir jetzt aber neu.
Warum sollten die Russen einen Staat erst 4 Jahre nach dem sie diesen (inoffiziell) selbst geschaffen haben anerkennen?
Übrigens: Im RGW war die "DDR" bereits seit 1950. Unter welchem Namen, wenn nicht unter "DDR"?

Wo steht geschrieben, dass Stalin ein halbes sozialistisches Deutschland akzeptierte? Stalin liess nach Gründung der Bundesrepublik den Ulbrichts freie Hand, im Osten auch irgendwas auszurufen. Die "DDR" in den dann bestehenden Grenzen bis 1989 war nicht sein Ziel!!
 
Und was findet man da an Besonderheiten (eben außer dem Massenterror), die jetzt die Stalinzeit so stark von den Perioden vorher und nachher unterscheiden?

Was war die Sowjetunion nach Stalin? Eine der führenden Industrienationen, das ist definitiv als Leistung und starke Veränderung zu verbuchen.
Und einige Punkte, die auf die Besonderheiten des Stalinismus hindeuten, hatte ich doch schon gebracht.

Ja, aber das scheint doch eher die persönliche Paranoia Stalins gewesen zu sein. Objektiv war seine Herrschaft doch in keiner Weise gefährdet.

Nun, objektiv gesehen mag seine Herrschaft nicht gefährdet gewesen sein, aber er reagierte äußerst scharf auf mögliche oligarchische Tendenzen. Das zieht sich wie ein roter Faden durch seine Herrschaft - mit den bekannten katastrophalen Folgen.

Die meisten lateinamerikanischen und afrikanischen Diktaturen kommen m. W. ohne wesentliche ideologische Komponente aus.
Natürlich wird da manchmal etwas an den Patriotismus appelliert - aber das ist nebensächliche Folklore. Entscheidend ist letztlich die physische Gewalt.

Die haben aber doch - soweit mir bekannt ist - eine wesentlich kürzere "Lebensdauer".

Sie wird dort wegen der besonderen Vorgeschichte der kommunistischen Machthaber besonders hervorgehoben.
Aber ob es real wirklich wichtig ist, daß die Untertanen das auch glauben, da kann man zweifeln.

Du hast sicher recht, dass nicht alle Untertanen daran glaubten. Vmtl ist es für Historiker auch nur sehr bedingt herauszufinden, ob und in welchem Maß
dis der Fall war, aber ob sich jemand so lange halten kann - bzw ein ganzes System - ohne jegliche Identifikation der Untergebenen oder zumindest williger Kooperation, bezweifle ich schlicht.

Faktisch hielten sie sich an die durch die Ideologie vorgegebene Verhaltensweisen, wußten, wie sie sich zu verhalten und zu leben hatten.
Zudem besteht - gerade wenn man den Blick auf den Zerfall richtet - offensichtlich eine Art Identifikation mit dem Staat, der Kapitalismus scheint aber eine geraume Zeit eben keine (!) Alternative gewesen zu sein.

Deine Beispiele Ungarn und Polen liefen doch eher darauf hinaus, daß keiner so recht an die offizielle Propaganda geglaubt hat, aber man sich arrangiert hat.
Oder siehe auch das heutige China: Da wird offiziell immer noch groß sozialistische Lehre gepredigt - aber von der Führung bis zum letzten Bauern scheint da überhaupt keiner mehr dran zu glauben, das ist nur noch Formel.

Meine Beispiele spielten auf die nötige Akzeptanz eines Regimes an.. und damit auch auf dessen Stabilität.
Sie unterscheiden sich schon deshalb von der UdSSR, weil ihnen ein sowjetisches System "übergestülpt" wurde.

In der CZ, die ja auch zu den Ostblockstaaten gehörte, war dies durchaus anders. Hier hatten - zumindest in der Tschechei - die Kommunisten eine Mehrheit hinter sich, und die Repression war dort nicht so stark.
In Ungarn gab es keine Mehrheit, dort wütete der Terror ziemlich wahllos, die dortigen Machthaber folgten also stalinistischen Prinzipien.

Wenn man in Betracht zieht, dass der Einsatz von Gewalt auch eine Reaktion auf die jeweilige Akzeptanz und Loyalität ist, so liegt ihr schon eine gewisse Logik inne.
 
Was war die Sowjetunion nach Stalin? Eine der führenden Industrienationen, das ist definitiv als Leistung und starke Veränderung zu verbuchen.

Das glaube ich für kaum. Wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, der die SU bis auf die Rüstungsindustrie, ansonsten in den westlichen Regionen weithin in Trümmern zurückgelassen hat, wäre das auch kaum möglich gewesen.


Die Aufbauleistung müßte man auch differenziert betrachten. Ein großer Beitrag ist auf den Wiederaufbau in den osteuropäischen Ländern zurück zu führen, deren Industriekapazitäten über die Verrechnungspreis- und Liefersysteme für die SU 40 Jahre "nutzbar" gemacht wurden. Das lief bis in die 80er Jahre, man könnte es auch als verdeckte Reparationen bezeichnen.
 
Das glaube ich für kaum. Wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, der die SU bis auf die Rüstungsindustrie, ansonsten in den westlichen Regionen weithin in Trümmern zurückgelassen hat, wäre das auch kaum möglich gewesen.


Die Aufbauleistung müßte man auch differenziert betrachten. Ein großer Beitrag ist auf den Wiederaufbau in den osteuropäischen Ländern zurück zu führen, deren Industriekapazitäten über die Verrechnungspreis- und Liefersysteme für die SU 40 Jahre "nutzbar" gemacht wurden. Das lief bis in die 80er Jahre, man könnte es auch als verdeckte Reparationen bezeichnen.

It was not until the five-year plans that the Soviet Union became a major industrial power, telescoping into a few decades the industrialization that had taken a century and a half in Britain.

Union of Soviet Socialist Republics, or Russia, or Sojuz Sovetskich Socialisticeskich Respublik, or Sovetsky Soyuz, or Soviet Union, or Soyuz Sovetskikh Sotsialisticheskikh Respublik, or U.S.S.R. (historical state, Eurasia) --*Encyclopaedia Britannic
In these years the Soviet Union was transformed from a predominantly agrarian country into a major industrial power. These developments resulted in great economic achievements at great human cost.
Soviet Economic Development from Lenin to Khrushchev - Cambridge University Press

P.S. Ich habe nicht vom II Wk gesprochen, sondern bezog mich nur auf die Industrialisierung und den Aufstieg zur Industriemacht.
 
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P.S. Ich habe nicht vom II Wk gesprochen, sondern bezog mich nur auf die Industrialisierung und den Aufstieg zur Industriemacht.

Ich hatte das "nach Stalin" anders verstanden, ok.

"This book provides a comprehensive survey of Soviet economic development from 1917 to 1965 in the context of the prerevolutionary economy. In these years the Soviet Union was transformed from a predominantly agrarian country into a major industrial power."
Es geht also um die Zeit bis 1965 ("in these years"). Die Ausplünderung der osteuropäischen Staaten seit 1945 steht für mich eigentlich außer Frage.

Man sollte sich aber nicht an der Überschrift aufhalten, sondern etwas ins Detail gehen. Das erfordert vielleicht ein eigenes Thema, aber dazu einige erste Hinweise:

Für die 20/30er Jahre würde ich aus dem Bauch heraus den gleichen Vorbehalt setzen, dass müßte man sich wirklich einmal näher anschauen. Die Frage ist hier, woran man den Stand einer Industriellen Bedeutung messen soll.

Ohne Frage ist die Rohstoffgewinnung und die industrielle Grunderzeugung weit entwickelt worden (zB Kohle und Stahl), hier standen die erforderlichen Mengen zur Verfügung und wurden auch für Exporte benutzt. Für einen Industriestaat und eine Aufholung des Abstands wäre aber mehr erforderlich gewesen. Dazu folgende Überlegungen als Beispiel:

1. den Stand der Verkehrsentwicklung 1940
2. die Unfähigkeit, einen zeitgemäßen Maschinenbau zu entwickeln. Hier darf man sich nicht von der sowjetischen Rüstungsindustrie blenden lassen, die zwar in der Lage war, Kampfflugzeuge und Panzer etc. in großer Stückzahl herauszubringen, die für diese Produktion notwendige Werkzeugmaschinen aber nicht produzieren konnte. Übrigens wurden mW Ende der 30er die Militärausgaben bis auf die Hälfte der Güterproduktion getrieben. Auch das zeigt a) eine Einseitigkeit, b) den geringen industriellen Grundstock, der natürlich auch solche hohen Prozentsätze hervorbrachte.
3. Die Nahrungsmittelproduktion, die aufgrund der großen Räume wesentlich auf Logistik und Fuhrpark angewiesen war, wurde durch Engpässe in diesen Bereichen wesentlich begrenzt.

Da die "industrielle SU" in den dreißiger Jahren für eine Ausland in vielen Belangen eine black box darstellt (die Sphinx im Osten, bis auf die wenigen, vermutlich gefälschten offiziellen Statistiken), kann man den Vorkriegs-Stand der SU nur anhand des Leistungsvermögens vorsichtig erschließen. Außer der (in Teilen mit ausländischer Hilfe explorierten) Rohstoffproduktion, Grunderzeugung von Stahl etc. und Rüstung war da nicht viel.

Interessante Fragestellung, die sprengt aber hier wohl das Thema Stalinismus.
 
Ich hatte das "nach Stalin" anders verstanden, ok.

"This book provides a comprehensive survey of Soviet economic development from 1917 to 1965 in the context of the prerevolutionary economy. In these years the Soviet Union was transformed from a predominantly agrarian country into a major industrial power."
Es geht also um die Zeit bis 1965 ("in these years"). Die Ausplünderung der osteuropäischen Staaten seit 1945 steht für mich eigentlich außer Frage.

Man sollte sich aber nicht an der Überschrift aufhalten, sondern etwas ins Detail gehen. Das erfordert vielleicht ein eigenes Thema, aber dazu einige erste Hinweise:

Für die 20/30er Jahre würde ich aus dem Bauch heraus den gleichen Vorbehalt setzen, dass müßte man sich wirklich einmal näher anschauen. Die Frage ist hier, woran man den Stand einer Industriellen Bedeutung messen soll.

Ohne Frage ist die Rohstoffgewinnung und die industrielle Grunderzeugung weit entwickelt worden (zB Kohle und Stahl), hier standen die erforderlichen Mengen zur Verfügung und wurden auch für Exporte benutzt. Für einen Industriestaat und eine Aufholung des Abstands wäre aber mehr erforderlich gewesen. Dazu folgende Überlegungen als Beispiel:

1. den Stand der Verkehrsentwicklung 1940
2. die Unfähigkeit, einen zeitgemäßen Maschinenbau zu entwickeln. Hier darf man sich nicht von der sowjetischen Rüstungsindustrie blenden lassen, die zwar in der Lage war, Kampfflugzeuge und Panzer etc. in großer Stückzahl herauszubringen, die für diese Produktion notwendige Werkzeugmaschinen aber nicht produzieren konnte. Übrigens wurden mW Ende der 30er die Militärausgaben bis auf die Hälfte der Güterproduktion getrieben. Auch das zeigt a) eine Einseitigkeit, b) den geringen industriellen Grundstock, der natürlich auch solche hohen Prozentsätze hervorbrachte.
3. Die Nahrungsmittelproduktion, die aufgrund der großen Räume wesentlich auf Logistik und Fuhrpark angewiesen war, wurde durch Engpässe in diesen Bereichen wesentlich begrenzt.

Da die "industrielle SU" in den dreißiger Jahren für eine Ausland in vielen Belangen eine black box darstellt (die Sphinx im Osten, bis auf die wenigen, vermutlich gefälschten offiziellen Statistiken), kann man den Vorkriegs-Stand der SU nur anhand des Leistungsvermögens vorsichtig erschließen. Außer der (in Teilen mit ausländischer Hilfe explorierten) Rohstoffproduktion, Grunderzeugung von Stahl etc. und Rüstung war da nicht viel.

Interessante Fragestellung, die sprengt aber hier wohl das Thema Stalinismus.

Irgendwann Ende der 1920er Jahre mussten die Lebensmittelmarken/Rationierung wieder eingeführt werden. Das dauerte bis nach dem 2. Weltkrieg. Durch die horrenden Abgabevorgaben sowie dem Aushungern der Bauernschaft (jeder ukrainische Bauer der auf dem Land wohnte wurde als Kulak/Spion denunziert, die ländliche Zwangskollektivierung - auch sozialistische Leibeigenschaft genannt - war erst nach dem Massenmord durch Aushungern der ukrainischen Landbevölkerung 1933 beendet) lag die Landwirtschaft brach. Sie hat sich nie wieder erholt.

Ich stimme dir zu.
Anfügend: man hatte durch die ständigen Säuberungswellen aller Art auch Ingenieure und sonstige ausgebildete Spezialisten in den Gulag geschickt oder erschossen. Durch die Hungersnot trieb es viele Ungelernte in die Städte, sie wurden Arbeiter. Durch Parteiauftrag hangelten sich welche zu Ingenieuren hoch, was der Produktion aber erst einmal nicht weiterhalf.
Als im 2. Weltkrieg über die Schiffskonvois KnowHow zur Herstellung von Traktoren aus den USA in die Sowjetunion kam, war man nicht in der Lage die Zeichnungen zu lesen. Weder die Zeichnung noch das Englische. Wer englisch im stalinschen Gottesreich konnte (zum 70.Geburtstag Stalins 1949 hing ein riesiges Gemälde des Führers/Woschd an einem Ballon über Moskau am Himmel und wurde nachts von Flakscheinwerfern angestrahlt), war ja sofort als ein Spion enttarnt.
 
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