...hatte ich den drohenden Untergang unserer Zivilisation (falls ihr das überhaupt drohen sollte...) irgendwo erwähnt?
Eigentlich waren nur die ersten beiden Absätze als Antwort auf Deinen Beitrag gedacht ... das hätte ich wohl irgendwie kenntlich machen sollen.
Wenn Thukydides nun von einer bestimmten Seuche berichtet, dass wer sie überlebt hat, sich nicht mehr anstecken kann, kann man dies Wissen nützen, indem nur Überlebende die Kranken pflegen.
Gerade dieses Beispiel zeigt sehr schön, wie riskant es sein kann, aus der Geschichte lernen zu wollen: In alten Schriften finden sich häufig medizinische oder auch naturwissenschaftliche "Erkenntnisse", die nicht unbedingt dem aktuellen Stand der Medizin/Naturwissenschaft entsprechen. (Ich würde z. B. keinem Vulkanologen raten, das anonyme lateinische Lehrgedicht "Aetna" zur Prognose von Vulkanausbrüchen heranzuziehen ...) Oft wurden Zusammenhänge hergestellt, die wohl eher Zufall waren.
Bei Seuchen kommt noch die Schwierigkeit hinzu, dass man oft nicht weiß, welche Krankheit genau eigentlich gemeint war. Wäre blöd, wenn man Erkenntnisse über eine Krankheit auf eine andere anwendet, bloß weil die Quelle unklar war oder fehlinterpretiert wurde.
Ich räume allerdings ein, dass man aus Naturkatastrophen tatsächlich für die Zukunft lernen kann: Wenn ein Küstenabschnitt schon einmal von einem Tsunami verwüstet wurde, sollte man dort auch für die Zukunft wieder damit rechnen. Allerdings handelt es sich dabei um einen der seltenen Fälle, in denen sich Zustände im Verlauf der Geschichte vielleicht tatsächlich nicht verändert haben. Sollte sich aber z. B. der Meeresspiegel seit dem letzten Tsunami verändert haben oder gar ein Küstenabschnitt infolge eines Erdbebens heute einige Meter höher liegen als beim letzten Tsunami, ist es mit dem aus der Geschichte lernen können schon wieder vorbei. (Mal ganz abgesehen davon, dass Tsunamis unterschiedlich stark sind. Wenn eine Gegend etwas weiter im Landesinneren vom letzten Tsunami verschont wurde, heißt das nicht, dass das beim nächsten wieder so sein muss, man dort also unbedenklich eine Großstadt hinstellen kann.) Oder ein anderes Beispiel: Die Bewohner von Pompeii meinten aus der Geschichte gelernt zu haben, dass der Vesuv harmlos sei. (Der letzte schwere Ausbruch war etwa 2000 Jahre früher, worüber es keinerlei Aufzeichnungen gab. Seither hatte es nur noch Erdbeben und seltene kleine Ausbrüche gegeben.) Falsch gelernt.
Was ist mit der Erkenntnis, dass Grundrechte besser grundlegender Bestandteil von Verfassungen sind, statt nur aufgesetzte Verzierung wie in der Weimarer Republik?
Was kann man daraus lernen? Das Problem ist doch, dass Grundrechte immer durch Verfassungsbruch oder gar nackte Gewalt ausgehebelt werden können, egal wie gut sie in der Verfassung verankert sind. Die beste Verfassung nutzt nichts, wenn sie ignoriert wird. Somit wird man die Verletzung von Grundrechten auch nie vermeiden können.
Wenn man also etwas lernen kann, dann dass auch eine Verankerung von Grundrechten in der Verfassung mitsamt einer Einklagbarkeit durch die Bürger keinen zuverlässigen Schutz vor Grundrechtsverletzungen bietet. Daraus könnte man dann die Lehre ziehen, dass man sich die Normierung von Grundrechten gleich sparen kann, weil sie gerade in den Situationen, in denen sie am meisten gebraucht werden, ohnehin nichts mehr nützen - sollte man aber nicht.
Oder - hoch aktuell -, der Erkenntnis des Friedrich von Spee, dass Folter dazu führt, dass Unschuldige verurteilt werden, und darum in jedem Rechtsstaat Unrecht ist?
Befürworter der Folter halten gerne mit Beispielen dagegen, wie viele Anschläge durch Folter verhindert worden oder wie viele Straftaten durch sie aufgeklärt worden seien. Geschichte kann hier - wie so oft - Argumente für beide Sichtweisen liefern.