Was war die Meinung des Koran zur Bildung?

Griffel

Mitglied
Mich würde mal interessieren, wie die Meinung des Koran zur Bildung war? Immerhin, ist es klar, dass die Araber, in der Spätantike um Frühmittelalter den "Europäern" um vieles Vorraus. Das muss man klar sagen.:cool:
Umso mehr verwundert es, dass die islamische Welt heute, der Bildung und dem Fortschritt so ablehend gegenübersteht.


Viel Wissen aus der Antike, wurde ja nur durch die Araber bzw. Muslime gerettet wurde. Und von dort, brachten auch Mönche dieses Wissen mit nach Europa zurück. Vieles was heute in den Klöstern als beheimat galt, stammt ursprünglich aus Arabien. Oder besser gesagt, aus dem Emirat Al Andalus. Heute besser bekannt als Andalusien. Auch Universitäten, soll es dort schon gegeben haben. Insbesondere würde mich interessieren, was in der mittelalterlichen Gesellschaft, die Bildung von (muslimischen) Frauen sagt.
 
Viel Wissen aus der Antike, wurde ja nur durch die Araber bzw. Muslime gerettet wurde.
Apropos "Muslime": Wenn man sich die Gelehrten ansieht, die das Wissen gerettet haben, stößt man auf Juden, Christen und Sabier (siehe Der Mathematische Monatskalender: Thabit Ibn Qurra (836–901) ).

Waren es anfänglich durchweg syrische Christen - wie Ḥunain b. Isḥāq (809-874) und seine Übersetzerschule in Ḥīra, später in Raqqa, u. a. -, die das klassische griechische Erbe an die Araber vermittelten, übernahmen ab dem 10. Jahrhundert vornehmlich Juden ihre Aufgabe und leisteten hier als Dolmetscher und Übersetzer ebensolche Vermittlungsdienste, wie sie es später dann auch an das christliche Europa getan haben:
Die arabische Welt und der Westen - Der Bürger im Staat 2/2006

Und von dort, brachten auch Mönche dieses Wissen mit nach Europa zurück.
Die Mönche brachten nichts nach Europa, Andalusien gehört bekanntlich schon zu Europa. Wichtig wurde hier die "Übersetzerschule von Toledo", an der wiederum jüdische Übersetzer entscheidenden Anteil hatten.


Zu Deiner Frage:
Sure 50 Vers 6 - Der Koran als Motor der Wissenschaft
 
Mich würde mal interessieren, wie die Meinung des Koran zur Bildung war? Immerhin, ist es klar, dass die Araber, in der Spätantike um Frühmittelalter den "Europäern" um vieles Vorraus. Das muss man klar sagen.:cool:
Umso mehr verwundert es, dass die islamische Welt heute, der Bildung und dem Fortschritt so ablehend gegenübersteht.

Viel Wissen aus der Antike, wurde ja nur durch die Araber bzw. Muslime gerettet wurde. Und von dort, brachten auch Mönche dieses Wissen mit nach Europa zurück. Vieles was heute in den Klöstern als beheimat galt, stammt ursprünglich aus Arabien. Oder besser gesagt, aus dem Emirat Al Andalus. Heute besser bekannt als Andalusien. Auch Universitäten, soll es dort schon gegeben haben. Insbesondere würde mich interessieren, was in der mittelalterlichen Gesellschaft, die Bildung von (muslimischen) Frauen sagt.

Wie üblich geht hier mal wieder viel durcheinander.
„Die islamische Welt heute“ umfasst ca. 500 Millionen Menschen verschiedener Glaubensrichtungen die man grob in zwei Hauptrichtungen unterteilen kann: Sunniten und Shi‘iten (und Islamwissenschaftler würden mir noch um die Ohren hauen, dass das noch zu unterkomplex ist), die islamische Welt reicht vom Atlantik bis nach Indonesien. Das Problem ist, dass Muslimbrüder, ash-Shabab, Boko Haram, al-Qa‘ida, Hamas, Da’esh und die Mullahs im Iran in der westlichen Welt im medialen Fokus liegen, weil das die Leute sind, die Probleme machen. Der normale Muslim, der sein Leben so lebt, wie er es eben lebt, kommt nicht in den Medien vor, was in der Natur der Nachrichten liegt: das Normale und Alltägliche ist keine Nachricht.
Was allerdings durchaus in den Nachrichten vorkommt (vielleicht eher zu wenig als zu viel) ist beispielsweise The Line.

So, springen wir in die Antike bzw. ins FMA: es waren zunächst Mönche, die Wissen bewahrt ODER AUCH NICHT bewahrt haben, mit welchen Motiven auch immer. Auch in Indien und Persien ist einiges Wissen generiert worden. Als die Abbasiden ihr Kalifat in Baghdad errichteten, haben sie Leute aus Persien und den eroberten Ostgebieten des römischen Reiches zusammengebracht und deren Schriften ins Arabische übersetzen lassen. In diesen arabischen - kommentierten - Übersetzungen sind die Schriften dann in die arabischsprachige Welt diffundiert worden und waren Grundlage für die arabisch-islamische Gelehrsamkeit, die durchaus auch einige achtbare wissenschaftliche Publikationen zu verzeichnen hat, etwa die Augenheilkunde al-Ghafiqi.
Etwas ähnliches, wie die Abbasidenkalifen versuchte aber auch der karolingische Hof (karolingische Renaissance), nur dass der Schwierigkeiten hatte, auf viele Texte zuzugreifen.
Die arabischen Texte wurden in Spanien dann ab dem 12. Jhdt. ins Lateinische und ab dem 13. Jhdt. ins Kastilische übersetzt.
 
Immerhin, ist es klar, dass die Araber, in der Spätantike um Frühmittelalter den "Europäern" um vieles Vorraus.
In der Spätantike?
Ja, es gab schon vor dem Islam eine arabische Literatur, Städte und Reichsbildungen, aber dass man dem Römischen Reich "um vieles voraus" gewesen wäre, halte ich trotzdem für eine gewagte Behauptung.

Viel Wissen aus der Antike, wurde ja nur durch die Araber bzw. Muslime gerettet wurde. Und von dort, brachten auch Mönche dieses Wissen mit nach Europa zurück. Vieles was heute in den Klöstern als beheimat galt, stammt ursprünglich aus Arabien.
Allerdings in Form von (mitunter bearbeiteten) Übersetzungen - die im Mittelalter zum Teil in Europa rückübersetzt wurden. Die lateinischen Originale überdauerten in Europa (primär in Klöstern) oder gingen verloren. Die griechischen Originale waren noch lange Zeit im Oströmischen Reich verfügbar und scheinen großteils erst im Zuge des Vierten Kreuzzugs oder der Osmanischen Eroberung verlorengegangen zu sein.
 
In der Astronomie und Astronavigation auch in der Konstruktion von Navigationsinstrumenten wie Quadranten und Astrolabien haben die Araber erstaunliche Leistungen vollbracht, was sich auch in zahlreichen Fremdworten niederschlug: neben Algebra, Azimuth, Horizont, Nadir und Zenit.

Die meisten Sternbilder tragen lateinisch-griechische Namen: Capricornus, Aquarius, Pisces, Aries, Taurus, Cander, Gemini, Leo, Virgo, Libra, Scorpio und Sagittarius

Ursa minor, Ursa maior, Kepheus, Cassiopeia, Orion, die meisten Sterne und Navigationssterne aber tragen heute noch in der Astronomie arabische Namen. Im kleinen Bär (kleiner Wagen) ist die Spitze der Deichsel Polaris. Mit bloßem Auge erkennt man bei bedecktem Himmel meist nur die beiden Sterne die die Wagenkasten bilden: Dubhe und Kochab. Die Sterne der Kassiopeia, das "Himmels-W oder M oder die 3 je nach Position heißen Ruchbar, Shedir, Segin, Caph und Cih.
 
Mich würde mal interessieren, wie die Meinung des Koran zur Bildung war? Immerhin, ist es klar, dass die Araber, in der Spätantike um Frühmittelalter den "Europäern" um vieles Vorraus. Das muss man klar sagen.:cool:
Umso mehr verwundert es, dass die islamische Welt heute, der Bildung und dem Fortschritt so ablehend gegenübersteht.


Viel Wissen aus der Antike, wurde ja nur durch die Araber bzw. Muslime gerettet wurde. Und von dort, brachten auch Mönche dieses Wissen mit nach Europa zurück. Vieles was heute in den Klöstern als beheimat galt, stammt ursprünglich aus Arabien. Oder besser gesagt, aus dem Emirat Al Andalus. Heute besser bekannt als Andalusien. Auch Universitäten, soll es dort schon gegeben haben. Insbesondere würde mich interessieren, was in der mittelalterlichen Gesellschaft, die Bildung von (muslimischen) Frauen sagt.

Was erwartest du zu hören?: Dass im Koran die eine (Lehr)-Meinung zu Bildung abgebildet ist, die in Stein gemeißelt und für alle Zeiten regelt was überhaupt Bildung ist, welche Inhalte sie umfasst, was unbedingt dazu gehört und was nicht, wer in den Genuss von Bildung kommt und wer nicht.

Im Koran gibt es mehrere Suren, die sich interpretieren lassen als, als Verpflichtung sich seines Verstandes zu bedienen.

Sure 96, 2-5

Lies! Im Namen deines HErrn, der den Menschen aus einem Klumpen Blut gemacht hat,
Der den Menschen mit dem Schreibrohr alles gelehrt,
was er nicht gewusst.

Es gibt zumindest ein Hadith des Inhalts:

Wer eine Tochter aufzieht und ihr eine gute Bildung und Erziehung gibt, erwirbt damit das Paradies.

Es gibt mehrere Stellen, die Muslime auffordern, Wissen zu erwerben, und grundsätzlich gilt die Aufforderung auch für Frauen.

Aber daraus wird doch noch lange keine Kausalkette weil dies und jenes im Koran steht, folgt daraus doch längst nicht, dass der Koran in irgendeinem Zusammenhang steht mit wissenschaftlichen Leistungen. Dass er gar Voraussetzung oder gar Motor wissenschaftlicher Erkenntnis war.

Leonardo da Vinci brauchte kein Neues Testament, um sich einen Fallschirm auszudenken, Sichelwagen oder Proto-Tanks.

Es brauchte auch keinen Koran, um naturwissenschaftliche Werke zu übersetzen, um Astrolabien zu konstruieren, mit denen sich auf bestimmter geographischer Breite. Sonnenauf- und Untergang und Auf- und Untergang der wichtigsten Sterne, wahre Ortszeit, Deklination (der Sonne), Rekazension, Himmelsrichtung, Zodiakos-Position, Gestirnshöhe und noch Hundert andere Funktionen erfüllen konnte. Das Astrolabium erforderte größere astronomische und mathematische Kenntnisse, als der Quadrant und es war vielseitiger. Mit Quadranten konnten sich aber Gestirnshöhen recht genau bis auf 1/2 Grad genau berechnen. Mit dem Astrolabium ließen sich aber auch Gebetszeiten berechnen. Al Sufi erwähnt in einem Werk über Astrolabien in 386 Kapiteln Tausend Anwendungsmöglichkeiten. Es war ein Astrolabium auch eine Sternenkarte für eine bestimmte Breite. Ein Astrolabium besteht aus mehreren Teilen der Mater, einer Einlegescheibe dem Tympanon und der Rete. Auf dem Tympanon sind die Höhenkreise Almukantare und die Azimuthlinien (richtungsweisende Peilung) verzeichnet. Für verschiedene Breiten konnte man verschiedene Einlegescheiben verwenden und konnte mit dem Astrolabium Auf- und Untergang der Sonne und der wichtigsten Navigationssterne simulieren und konnte damit auch Position berechnen.
Über der sogenannten Einlegeplatte ist eine Scheibe mit Öffnungen die sogenannte Rete. Ein Kreis symbolisiert die Ekliptik den Sonnenlauf im Jahreslauf und der Kreis ist in 30° Sektionen unterteilt, die den Tierkreis Zodiakos darstellen. Eine Drehung der Rete symbolisiert die Rotation der Sterne im Verlauf eines Tages.

Auf der Rückseite des Instruments waren Skalen je nach dem Datum der Hersteller. Alle Astrolabien hatten aber Skalen für die Winkelmessung und Skalen um Rektazension und Deklination der Sonne im Jahresverlauf zu bestimmen. Viele Astrolabien hatten auch Tabellen für Trigonometrische Berechnungen (Sinus, Cosinus und Tangens) Islamische astrolabien erkennt man meist daran, dass sie eine Cotangens-Skala hatten, um die korrekte Gebetszeit zu bestimmen, manche Instrumente besaßen auch eine Skala, um die korrekte Gebetsrichtung nach Mekka (Quibla) zu bestimmen. Alle Astrolabien haben natürlich auch auf der Rückseite einen Zeiger (ostensor) die sogenannte Alhidade, mit der man Gestirnshöhe misst oder Messergebnisse abließt. Um nicht in die Sonne blicken zu müssen, hatten Astrolabien eine Visiereinrichtung, um Gestirne anzupeilen.


Das Astrolabium war ein Vorläufer von Quadrant, Oktant und schließlich Sextant, es war nicht so präzise, Winkel zu messen, wie der Quadrant und seine Nachfolger, der Oktant und Sextant. Das Astrolabium war aber unglaublich vielseitig in seinen Funktionen.

Religionen tendieren häufig dazu Gebote, Normen und Verhaltensweisen als absolut und für alle Zeiten gültig zu betrachten.
Die Aufklärung ist natürlich nicht spurlos am Christentum vorbeigegangen, und die Aufklärung, die Haskala, wurde auch von Juden getragen, die Aufklärung wurde aber auch zur größten Krise des traditionellen Judentums, mit der Aufklärung wurden Verhaltensgebote des mosaischen Glaubens in Frage gestellt, und spätestens mit der Aufklärung wurde auch die Deutungshoheit der christlichen Kirchen in Frage gestellt.
 
Mich wundert nur die starke Veränderung! Wie so richtig beschrieben, waren es die Araber, die viel von dem Wissen erhielten und erweiterten, dass am Ende der Antike faktisch verloren ging. Das Ende des weströmischen Reiches, war sicherlich eine bittere und finstere Zeit.

Al Andalus war sicherlich eine Leuchtfakel der Bildung. Dort arbeiteten die drei Weltreligionen ja Anfangs sehr lange und produktiv zusammen. Leider änderte sich das im Laufe der Zeit. Wäre die Bildung nicht von den klerikalen Kräften bekämpft worden, die Welt hätte weiter sein können. Es lässt sich auch nicht leugnen, dass nach der sogenannten Rückerorberung, die Wissenschaft auch in Europa einen schweren Stand hatte. Nicht umsonst wurden Leute wie Leornardo Da Vinci verfolgt.
 
Wie so richtig beschrieben, waren es die Araber, die viel von dem Wissen erhielten und erweiterten, dass am Ende der Antike faktisch verloren ging. Das Ende des weströmischen Reiches, war sicherlich eine bittere und finstere Zeit.
Und das Ende des weströmischen Reiches hat genau was mit den Arabern zu tun?

Al Andalus [...] Dort arbeiteten die drei Weltreligionen ja Anfangs sehr lange und produktiv zusammen.
Arbeiteten die nun anfangs oder sehr lange zusammen?

Nicht umsonst wurden Leute wie Leornardo Da Vinci verfolgt.
Wusste Leonardo davon, dass er verfolgt wurde?

Wäre die Bildung nicht von den klerikalen Kräften bekämpft worden, die Welt hätte weiter sein können. Es lässt sich auch nicht leugnen, dass nach der sogenannten Rückerorberung, die Wissenschaft auch in Europa einen schweren Stand hatte.
Also eigentlich ist die so genannte Übersetzerschule von Toledo vom dortigen Bischof begründet worden und die Namen die uns bis heute bekannt sind sind neben den persischen und arabischen Autoren oder arabischsprachigen Kommentatoren griechischer Originaltexte vor allem die Mönche, welche am Übersetzungsprozess teilhatten.
 
Mich wundert die starke Veränderung. Wie so richtig beschrieben waren es die Araber, die viel von dem Wissen bewahrten, das am Ende der Antike verlorenging. Al Andalus war sicherlich eine Leuchtfackel der Bildung.

Wäre die Bildung nicht von den klerikalen Kräften bekämpft worden, die Welt hätte weiter sein können. Es lässt sich auch nicht leugnen, dass nach der sogenannten Rückerorberung, die Wissenschaft auch in Europa einen schweren Stand hatte. Nicht umsonst wurden Leute wie Leornardo Da Vinci verfolgt.

"Das Ausland" und "die Kirche" mal wieder?

Klar, wenn Leonardo nicht verfolgt worden wäre- Von wem eigentlich? Hätte die Welt viel früher schon Fallschirme, Panzer und Fluggeräte gehabt.

Ohne das Verdienst arabischer Übersetzer und Wissenschaftler klein reden zu wollen- die überwältigende Mehrheit an antiker Literatur in Europa verdankt seine Erhaltung vor allem dem ungeheuren Arbeitsfleiß mittelalterlicher Skriptorien.

Das es in der frühen Neuzeit überhaupt so etwas wie Humanismus oder eine Wiedergeburt (Renaissance) antiker Bildung geben konnte, dass Autoren wie Erasmus von Rotterdam auf antike Autoren zurückgreifen konnten, das war nicht zuletzt auch der Vorarbeit der karolingischen Renaissance zu verdanken, die antikes Wissen bewahrt und die sich stärker am klassischen Latein orientierten. Autoren wie Roswitha die Nachtigall von Gandersheim schrieben Latein wie Plinius und Tacitus.

Wer konnte denn überhaupt im frühen Mittelalter lesen und schreiben? Es waren Mönche und Nonnen, die Wissen der Antike bewahrt haben, die Verbesserungen in der Landwirtschaft, in der Fischzucht, in der Veredelung von Obstkulturen, in der Veterinärmedizin bewahrt und weitergegeben haben. Autoren wie Tacitus oder Sueton wurden durch mittelalterliche Skriptorien bewahrt. Irgendwann tauchten sie in einer Klosterbibliothek auf.

Es waren Mönche und Nonnen, eben jene "klerikalen Kräfte" die die "Fackel der Bildung" leuchten ließen.
Das waren auch Frauen vertreten! Roswitha "die Nachtigall" von Gandersheim schrieb elegantes Latein, nach dem Vorbild von Plautus und Terenz. Hildegard von Bingen war eine Pharmakologin, da hätten Galen von Pergamon und Hippokrates von Kos gestaunt.

Seneca und andere Autoren haben noch diskutiert ob die Frau eine Seele besitzt. Bei dem was mittelalterliche Klerikerinnen und Dunkelfrauen wie Hildegard so vom Stapel ließen, wären manche antike Autoren rot angelaufen:

Hildegard von Bingen schrieb über sexuelle Begierde, über vorzeitigen und nächtlichen Samenerguss, über das Lustempfinden der Frau, über Empfängnis und Empfängnisverhütung über Menstruationszyklen. Hildegard war vermutlich die erste Autorin, die den weiblichen Orgasmus en Detail beschrieb. Die die menschliche Sexualität untersuchte. Die sexuelle Begierde war für Hildegard so etwas wie eine "göttliche Kraft" und sie verlangte von ihren Nonnen nicht die totale Unterdrückung der Sexualität. Damit eckte sie natürlich an. Sie wurde aber nicht verfolgt- im Gegenteil Hildegard von Bingen war eine Koryphäe von Rang, und sie wurde schließlich posthum wenn auch spät heilig gesprochen.

Hildegard von Bingen beschäftigte sich mit Mystik, Musik, Botanik und Medizin. Man könnte sie durchaus als so etwas wie eine Universalgelehrte bezeichnen, auch wenn Hildegard selbst immer mit ihrer "Unwissenheit" kokettierte und sich als indoctus- ungelehrt bezeichnete, kann man sie durchaus mit Leonardo da Vinci vergleichen.

Hildegard von Bingen lebte von 1098 bis 1179 da war von der Renaissance noch keine Rede, und es gab auch noch keine Universitäten im Reich. Hildegard konnte auf antike Werke zurückgreifen, weil Skriptorien im frühen Mittelalter viel bewahrt haben, und sie haben sich dabei unendliches Verdienst erworben.

Was und wer im Mittelalter unter Kleriker so alles zu verstehen war, darüber müsste man einen eigenen Thread aufmachen. In historischen Romanen oder Schmonzetten finden sich grob gehauen 3-4 Typen:

1. den trinkfesten, volksnahen Mönch wie Friar Tuck oder Willem van Saaftinge, 2. der finstere Kleriker wie Dekan Claude Frollo aus Der Glöckner von Notre Dame 3. der Kirchenfürst wie Kardinal Richelieu in "Die drei Musketiere" und schließlich gibt es noch 4. den völlig durchgeknallten Inquisitor wie Bernado Gui in Der Name der Rose oder man könnte an den Verfasser des Hexenhammers Heinrich Kramer Institoris denken. 5. weise Frauen, Proto-Feministinnen, Hexen, Huren und Heilige treten vorzugsweise als Wanderhuren oder bogenschießende Äbtissinnen in Erscheinung Das historische Beispiel Hildegard von Bingen ist zu sperrig und stört auch bestimmte Narrative.

Klerus, im Mittelalter (auch in der Neuzeit nicht) das ist kein monolithischer Block, und es gehören Personengruppen dazu, die sich in Lebensformen sehr stark voneinander unterschieden.

In der Bewahrung antiker Literatur haben Mönche und Nonnen wie Hildegard von Bingen im frühen und hohen Mittelalter sich ungeheure Verdienste erworben. Sie, und sie allein, waren es, die antike Schriften kopiert, bewahrt und gesammelt haben. Die karolingische Renaissance war vor allem das Werk der "klerikalen Kräfte", und Klöster wie St. Gallen, Hersfeld oder Corvey waren "Fackeln der Bildung", und sie waren es, lange bevor die ersten Universitäten gegründet wurden, und die europäische Philologie sich von der Scholastik freischwamm.

Die karolingische Renaissance findet weit weniger Beachtung, als die Renaissance der Neuzeit, aber sie hat im Grunde die Vorarbeit dazu geleistet. Nicht nur das: Autorinnen wie Hildegard von Bingen oder Friedrich II. haben sich nicht damit begnügt, antike Literatur und Informationen daraus kritisch durch eigene empirische Beobachtungen zu ergänzen und notfalls auch Autoritäten wie Aristoteles in Frage zu stellen und zu korrigieren.
 
Nicht umsonst wurden Leute wie Leornardo Da Vinci verfolgt.

Höchstens von seinen Gläubigern. Leonardo hat eigentlich sein ganzes Leben für Familien wie die Sforza, die Medici und die Borgia gearbeitet, und das waren ja eigentlich genau die "klerikalen Kräfte" die deiner Meinung nach "die Bildung" bekämpften. Aus der Familie der Medici sind zwei Päpste, die Cousins Giovanni und Giulio de Medici Leo X. Clemens VII.) hervorgegangen aus den Borgia ebenfalls zwei: Kalixtus und Alexander VI.), Leonardos Auftraggeber Cesare Borgia war Sohn Alexanders VI. und er selbst war Kardinal von Valencia.

Gegen Leonardo da Vinci lief mal eine Anzeige wegen Homosexulität, aber er wurde nie wegen seine Lehre oder seinen Werken verfolgt. Klerikale Kreise wie die Borgia, die Medici, die de la Roveres, wie Kardinal Raffaele Riario und andere gehörten in der Renaissance viel eher zu den Förderern von Kunst und Wissenschaft.

Leonardo da Vinci wurde niemals verfolgt, verhaftet, verbannt oder irgendwie in seiner Arbeit eingeschränkt. Viele seiner Aufzeichnungen verfasste er in Spiegelschrift, da er möglicherweise Nachteile wegen seiner mutmaßlichen Homosexualität befürchtete.

Was die Kirche nicht so gerne sah, das waren Sektionen, aber was sie dabei auf die Palme brachte, das war nicht Wissenschaftsfeindlichkeit, sondern Bedenken wegen Störung der Totenruhe.

Auch Nikolaus Kopernikus wurde nicht wegen seiner Lehre verfolgt. Zu seinen Lebzeiten war das heliozentrische Weltbild keine Ketzerei, sondern galt als kuriose Einzelmeinung.

Galileo Gallilei gilt nicht zuletzt wegen der Dramen von Brecht als Inbegriff eines Wissenschaftlers, der unter dem Dogmatismus der Kirche zu leiden hatte.

Tatsächlich gab es auch während der Gegenreformation klerikale Kräfte, die neuen Erkenntnissen der Wissenschaft sehr aufgeschlossen waren. Kardinal Barberini, der später als Urban VIII. Papst wurde, hatte Gallilei in einem Gedicht gepriesen, und ihm auch grünes Licht für Forschung gegeben. Solange er das heliozentrische Weltbild nur als Hypothese lehrte, fand Gallilei sogar wohlwollendes Gewährenlassen. Erst als Gallilei 1630 das kopernikanische Modell als Tatsache lehrte und Exemplare an die Inquisition verschickte, griff man ein. Tycho Brahe hatte kurz vorher noch das kopernikanische Modell verworfen. Da blieb der Inquisition kaum etwas übrig.

Die Kerkerstrafe gegen Galilei wurde sofort in Hausarrest umgewandelt, und davon hat Galilei keinen Tag abgesessen.

Im Vergleich zu anderen Häresieprozessen war der Umgang mit dem Delinquenten sehr zurückhaltend und das Urteil milde. Persönlich war Galileo Gallilei ein gläubiger Katholik, der die Kirche vor Irrtümern bewahren wollte.

https://de.wikipedia.org/wiki/Galileo_Gallilei
 
Immerhin, ist es klar, dass die Araber, in der Spätantike um Frühmittelalter den "Europäern" um vieles Vorraus. Das muss man klar sagen.:cool:
Umso mehr verwundert es, dass die islamische Welt heute, der Bildung und dem Fortschritt so ablehend gegenübersteht.
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Nein!

Die Spätantike umfasst einen Zeitraum von etwa 284 bis 600

Der Beginn des Mittelalters wird unterschiedlich datiert, einige schlagen als Fixdaten die Schließung der Platonischen Akademie durch Kaiser Justinian 565 andere die Entstehung des Islam Anfang des 7. Jahrhunderts.

Im Großen und Ganzen fällt die Hidschra, die Umsiedelung Mohammeds von Mekka nach Medina im Jahre 622 schon nicht mehr in die Spätantike, sondern in das frühe Mittelalter, und wenn wir über die Blütezeit des Emirats von Cordoba sprechen oder über die "dunklen Jahrhunderte", dann befindet man sich im Mittelalter und nicht mehr in der Spätantike.

Was zweifellos ein schwerer Schlag war für den Erhalt antiken Bildungsguts und antiker Infrastruktur, das waren die Gotenkriege.
Es nahm in der Spätantike die Kenntnis des Griechischen ab. Unter Theoderich wurde aber viel für die Förderung und Erhaltung antiker Bildung aufgewendet.

In der Antike wuchs Papyrus nur in Ägypten, Pergament war sehr teuer und aufwändig herzustellen. Andere Beschreibstoffe gab es nicht.

Vor Erfindung des Buchdrucks war die Herstellung eines Buchs sehr aufwändig. Ein kleiner Kodex von 50 Seiten, dass war eine ganze Herde Kälber, Schafe oder Ziegen, die dafür dran glauben mussten, dass waren Hunderte von Arbeitsstunden, und um nur 10 Exemplare herzustellen, war ein Dutzend Kopisten notwendig, die damit Wochen oder Monate beschäftigt waren.

Papyrus hält sich bei professioneller Lagerung schon relativ lange, aber eben nicht ewig. Es werden weniger Griechischkundige im Westen des Imperiums, also gibt es auch weniger Leser, und wenn Literatur weniger nachgefragt wird, wird sie auch weniger kopiert.

Das muss man mitdenken in der Zeit vor dem Buchdruck: Jeder Kodex, jeder Psalter, jede Handschrift und 10 Kopien davon, das sind ganze Herden von Vieh und eine kleine Armee von Kopisten und Skriptoren die dafür einen beträchtlichen Teil ihrer Lebenszeit investieren.
 
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