Welchen strategischen Wert hatten Burgen?

Gibt es irgendwo eine speziell für größere Menschenmengen konzipierte (also quasi stadtartig umfangreiche) spätantike oder auch frühmittelalterliche (passagere) Fluchtburg?

Was hier Fliehburg ? Wikipedia aufgelistet wird, das ist alles kleiner als eine mit Mauerring und Graben umwehrte Römerstadt und vermag demzufolge auch temporär nicht so viele Menschen aufzunehmen wie eine befestigte Stadt (und in solche pflegten sich in Kriegszeiten Teile der Landbevölkerung zu flüchten) ...

Bzgl. des militärischen Sinns von Burgen sollte man bedenken, dass diese Anlagen für den Erfahrungshorizont ihrer Zeitgenossen taugliche militärische Anlagen waren und als solche auch gegebenenfalls wirkten: eine Belagerung war zumeist eine zeitaufwändige Angelegenheit im Mittelalter, davor nicht minder: man denke an Theoderich, Odovakar und Ravenna.

Vor ein paar Jahrzehnten war die "Fliehburg" eine Populärerklärung für alle Arten vor- und frühgeschichtlicher Ringwallanlagen. Vermutlich rührte sie daher, dass die (meist) Heimatforscher, die sie im frühen 20. Jahrhundert untersuchten, Spuren von Innenbesiedlung kaum erkennen oder deuten konnten. Dieser Wiki-Artikel ist noch ganz im damaligen Geist geschrieben. Auch wenn es hier und da tatsächlich "Fliehanlagen" gegeben hat (so nahmen einige spätrömische Höhensiedlungen in der Eifel, dem Elsaß oder dem Voralpenland wohl tatsächlich geflohene Landbürger auf), so sollte diese Interpretation nur mit Vorsicht angewendet werden. Einige der im Artikel genannten Anlagen waren eindeutig nicht als "Fliehburg" konzipiert, so etwa die Büraburg und der Dünsberg. Beide weisen umfangreiche Spuren dauerhafter Wohnbesiedlung und umfangreiche, steinerne Befestigungsanlagen auf. Dies heißt nicht, dass sie nicht auch mal für diesen Zweck genutzt werden konnten (für die Büraburg ist dies bei einem sächsischen Angriff in die Gegend belegt). Aber dies war nicht ihr primärer Entstehungszweck.
 
Das war vielleicht die Kirchenburg Tartlau. Prejmer ? Wikipedia

Siebenbürgen ist ein Landstrich mit besonders aufwendigen Kirchenburgen, die in der Tat den Bauern als Zuflucht dienten. Aber das Grundprinzip gab es überall in Deutschland, unterschiedlich aufwendig. In vielen Fällen war nur der Turm einer Kirche besonders wehrhaft ausgeführt. Gelegentlich aber war eben dann auch der Kirchhof für Notzeiten mit dicken Mauern umgeben. Dann gab es eben noch entsprechende Steigerungen von aufwendigeren Befestungsanlagen (Ecktürme etc.) bis hin zu einer voll funktionsfähigen Burg wie die oben erwähnte.

Da fallen mir spontan die Bornholmer Rundkirchen ein und die zum Schutz der Bevölkerung Almerías vor Piratenangriffen als Befestigungsanlage eingerichtete Kathedrale von Almería.
 
Die europäischen Mittelmeer-und Adriaküsten sind mit Burgen reichlich ausgestattet. Diese dienten auch immer der Küstenbevölkerung als Fluchtburgen vor den nordafrikanischen Korsaren, die Sklavenjagden in den Fischerdörfern veranstalteten. Ein Beispiel ist die Burg Rosetto in Kalabrien, auf dem Foto.
 

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Nicht nur für Weinliebhaber: unweit der mittelalterlichen Weinstadt Iphofen gibt es in Mönchsondheim eine Kirchenburganlage aus dem 15. bis 18. Jahrhundert, in welcher das Kirchenburgmuseum untergebracht ist. Ich habe das Dorf vor Jahren anlässlich eines Festes besucht und war begeistert ob der Fülle des dort Erhaltenen. So ist zum Beispiel in der einklassigen Dorfschule, in der bis 1967 unterrichtet wurde, der Klassenraum samt Einrichtung noch vollständig erhalten.
 

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Bei uns am Rhein gab es vor allem viele Zollburgen-bzw. ganze Burgengruppen mit dieser Funktion
Und in der Südpfalz gab es das staufische Reichsburgensystem.zur Sicherung staufischer Hausmacht
Dann gibt es noch befestigte Forsthäuser zur Grenzsicherung und durchsetzung von Jagdrechten und Wildbann. Im Churpfälzisch-leinigischen Grenzgebiet bei Neustadt a.d.Weinstr, gibt es deren drei mit den bezeichnenden Namen: Kehrdichannichts,Murrmirnichtviel und Drehdichnichtum.:D :D
 
Bei uns am Rhein gab es vor allem viele Zollburgen-bzw. ganze Burgengruppen mit dieser Funktion

Wie hat das mit den Zollburgen so funktioniert?

Ich meine, so eine Burg kostet ja Geld, das erst mal wieder reingezöllnert werden muss.

Waren die Durchreisenden so gefährlich? Oder ging es da mehr um die mittelfristige Sicherung der Einnahmen? Über einen gewissen Zeitraum kam da ja wahrscheinlich schon etwas für Raubritter o.ä. interessante Summe zusammen.

Hat sich da Neubau gerechnet? Oder wurden nicht doch nur alte Burgen als Zollkasernen genutzt?
 
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