Wer brauchte einen genauen Kalender?

Drahtwurm1

Neues Mitglied
Hallo zusammen,

immer wieder findet man sinngemäs die Aussage: Die bäuerliche Landwirtschaft benötigte einen genauen Kalender.

Ich behaupte:

- Schon die Jäger und Sammler hatten einen Kalender der auf ein paar Tage genau genutzt wurde.
Es gab bestimmt auch schon in dieser Zeit Termine, zu denen sich verschiedene Gruppen trafen.​

- Einem Bauern reicht ein Kalender der auf ein-, zwei Wochen genau ist.
Er ist mehr vom Wetter abhängig und nur grob vom Datum.​

- Ein taggenauer Kalender war in erster Linie für die"Oberschicht" (Weltlich und Religiös) nützlich.
Damit konnten sie ihren Wissensvorsprung im Bezug auf astronomische Ereignisse ( Sonnwenden,
Tag-Nacht-Gleiche, Mondfinsternisse) zu einer Bestätigung ihrer Macht nutzen.
Der gregorianische Kalender wurde eingeführt, um das Osterfest genau berechnen zu können.
Obwohl sich zu der Zeit der Fehler im Julianischen Kalender schon auf 10 Tage summiert hatte, werden keine Auswirkungen auf die Landwirtschaft genannt.
Für die Einführung des Julianischen Kalenders konnte ich, ausser die allgemeine Verbesserung des Kalenders, keine speziellen Gründe finden.​

Wie ist eure Meinung dazu?
Gibts da schon neue Erkenntnisse.

Drahtwurm1
 
Sonnenwenden und Äquinoktien dürften kaum „Geheimwissen“ gewesen sein. Mondfinsternisse sind bis heute nur schwer zu errechnen. In historischen Quellen wird allerdings verschiedentlich behauptet, dass jemand eine Sonnenfinsternis vorausgesagt und damit Eindruck erweckt habe. Ob es sich dabei um „Herrschaftswissen“ handelte?
 
- Schon die Jäger und Sammler hatten einen Kalender der auf ein paar Tage genau genutzt wurde.
Es gab bestimmt auch schon in dieser Zeit Termine, zu denen sich verschiedene Gruppen trafen.​

Für eine (annähernd) taggenaue Datierung eignen sich die Mondphasen.
Die indoeuropäischen Wörter für "Mond"/"Monat" sind wahrscheinlich in der Bedeutung "Zeitmesser" zu erklären:

Die vergleichbaren außergerm. Bildungen für ‘Mond, Monat’ weisen ursprünglich fast alle ein -s- auf. Aind. mā́ḥ ‘Mond, Monat’, griech. mḗnē (μήνη) ‘Mond’, eine Ableitung von griech. mḗn (μήν) ‘Monat’, auch ‘Mondsichel’, lat. mēnsis ‘Monat’, air. mī ‘Monat’, lit. ménesis, (mundartlich) ménas ‘Mond, Monat’, aslaw. mĕsęcь, russ. mésjac (месяц) ‘Mond, Monat’ führen auf ie. *mēnes-, *mēns-, *mēs- ‘Monat, Mond’, das ebenso wie ie. *mēnōt- (s. oben) zur Wurzel ie. *mē- ‘messen’ (s. ↗Mal) gehört, so daß der Mond als ‘Zeitmesser’ zu erklären ist.
 
Das mag alles zutreffen, aber hast du schon mal versucht dich mit jemandem zu treffen ohne eine geringe Zeitangabe zu geben? Im Sinne der historischen Organisation und Wirtschaft sind Kalender nuetzlich.
 
Das mag alles zutreffen, aber hast du schon mal versucht dich mit jemandem zu treffen ohne eine geringe Zeitangabe zu geben? Im Sinne der historischen Organisation und Wirtschaft sind Kalender nuetzlich.

Wobei wir nicht von unseren heutigen Zeit- und Kalenderbegriffen ausgehen dürfen.

Von den Ost-Pomo erfahren wir, daß jeder Mann, der daran interessiert ist, besonders aber diejenigen, welche viel jagen oder fischen, ihre eigene Kalenderrechnung führen. Die Rechnungen weichen oft voneinander ab, und das einzige Kriterium, mit Hilfe dessen man diesen Streit schlichten kann, liegt in den Vorgängen der Natur. Wenn die Eicheln wirklich fallen, ist der Eichelmonat da und jeder Streit ist zu Ende.

Die Yurok rechnen gewöhnlich dreizehn Monate, aber einige rechnen nur zwölf; diese lassen entweder einen Monat am Ende aus oder ziehen den elften und zwölften Monat des Dreizehn-Monats-Jahres in einem einzigen Monat zusammen. Auch hier ist die Tatsache des Eichelfalles das Kriterium, das alle Kalenderstreitigkeiten beendet. Fallen die Eicheln, so ist der Monat Nohso.
Die Zeitrechnung der kalifornischen Indianer on JSTOR

Robert Lauer berichtet von den Nuer im Sudan, deren Kalender auf den jahreszeitlichen Veränderungen in ihrer Umgebung aufbaut. Sie errichten ihre Fischsperren und die Lager bei den Viehweiden zum Beispiel im Monat kur. Wie wissen sie, wann kur ist? Es ist kur, wenn sie ihre Dämme und Lager bauen. Im Monat dwat brechen sie ihre Lager ab und kehren in ihre Dörfer zurück. Wann ist dwat? Wenn die Menschen in ihre Dörfer ziehen.
Robert Levine, Eine Landkarte der Zeit, 2. Auflage München 1998, S. 135

Dort findet sich (S. 129) auch ein schönes Beispiel für die Tageszeiten aus Burundi: Man verabredet sich für die Zeit, "wenn die Kühe auf die Weide gehen", oder für die Zeit, "wenn die Kühe zum Fluß trinken gehen" oder "wenn die jungen Kühe hinausgehen".
 
In Perú haben die Menschen das El Niño-Phänomen anhand von einer Veränderung der Tierwelt vorhergesagt. Denn in Perú ist das Wasser aufgrund des Humboldtstroms kalt. Es gibt viel Plankton, Fische und Seevögel die in der Nahrungskette stehen. Wird der Humboldtstrom unterbrochen ist das Plankton weg und seine Jäger, stattdessen treten wärmeres Wasser liebende Muscheln auf. Vor allem am Verschwinden der Seevögel könnte man sehen, dass El Niño bevorstand und sich und seine Vorräte in Sicherheit bringen. Aber auch hierfür bedurfte es keines Herrschaftswissens sondern der Beobachtungsgabe von Fischern oder Eiersammlern.
 
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