Wer hat Ullrich Zwingli getötet?

pelzer

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Hoi zämä

In einer Randnotiz zu einem Gerichtsurteil von 1547 lese ich über einen Andreas Anderhalden: „er hat den Zwingly erschossen in der Cappelerschlacht anno 1531“.

Für alle der Schweizer Geschichte Unkundigen: Der Zürcher Reformator Ullrich Zwingli wurde im Zweiten Kappelerkrieg zuerst schwer verwundet und später dann getötet. Zwingli gilt als der Begründer der reformierten Kirche in der Deutschschweiz.

Ich weiss, dass nach dem Krieg verschiedene Leute von sich behaupteten, den Zwingli getötet zu haben. Aber wer war es wirklich?


Gruss Pelzer

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Hoi zämä

Ein weiterer Kandidat ist „Hauptmann Fockinger aus Unterwald… …zog das Schwert und gab ihm den Todesstoss“.
Hier dürfte es sich um Hans Melchior Vokinger handeln. Vokinger stammte aus Stans/Nidwalden und befehligte bei Kappel (zusammen mit Andreas Anderhalden) etwa 100 Mann Unterwaldner.

Gruss Pelzer

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Interessant wären deine Quellen (ausser das Gerichtsurteil).


Wenn es sich um die Schweizer Chronik von Aegidius Tschudi handelt, würde ich nicht alles glauben.


Dann zum Gerichtsurteil um was geht es dann da genau?
 
Interessant wären deine Quellen (ausser das Gerichtsurteil).
Hoi Ursi

Ich kenne bloss Sekundärquellen, vor allem Geschichtsbücher aus dem 19. Jahrhundert. Die Texte in den einzelnen Werken ist oft auffallend gleich, so dass man annehmen darf, dass gegenseitig abgeschrieben wurde.

In der fraglichen Zeit rühmten sich anscheinend verschiedene Leute, den Zwingli getötet zu haben. Interessant ist dabei der alte Konflikt zwischen Ob- und Nidwalden.
Andreas Anderhalden kommt aus Sachseln (Obwalden) und Hans Melchior Vokinger aus Stans (Nidwalden). Eine dritte Figur in diesem Disput ist Konrad Scheuber, Rottmeister im Kappelerkrieg und auch aus Wolfenschiessen (Nidwalden). Er ist der Schwiegersohn von Niklaus von Flüe, dem heiligen Bruder Klaus aus Sachseln (Obwalden).

In den Jahren nach Zwinglis Tod entbrannte in Unterwalden ein Streit darüber, wer selig gesprochen werden soll, Konrad Scheuber oder Niklaus von Flüe. Und in diesem Zusammenhang scheint es nicht unwichtig gewesen zu sein, wer den „Ketzer“ getötet hat. Welcher Kantonsteil diese Ruhmestat verbuchen kann…


Dann zum Gerichtsurteil um was geht es dann da genau?
Das Fünfzehnergericht Obwalden urteilte 1547 in einen Erbstreit.

Gruss Pelzer

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Zuletzt bearbeitet:
Hoi Ursi

Ich kenne bloss Sekundärquellen, vor allem Geschichtsbücher aus dem 19. Jahrhundert. Die Texte in den einzelnen Werken ist oft auffallend gleich, so dass man annehmen darf, dass gegenseitig abgeschrieben wurde.

Das abschreiben ist nicht nur hier ein Problem. Viele der Sekundärlitertur aus dem 19. Jahrhundert haben sich eben auf die Schweizer Chronik bezogen. Erst die neuere Forschung hat hier einiges richtig gestellt.


In der fraglichen Zeit rühmten sich anscheinend verschiedene Leute, den Zwingli getötet zu haben. Interessant ist dabei der alte Konflikt zwischen Ob- und Nidwalden.
Andreas Anderhalden kommt aus Sachseln (Obwalden) und Hans Melchior Vokinger aus Stans (Nidwalden). Eine dritte Figur in diesem Disput ist Konrad Scheuber, Rottmeister im Kappelerkrieg und auch aus Wolfenschiessen (Nidwalden). Er ist der Schwiegersohn von Niklaus von Flüe, dem heiligen Bruder Klaus aus Sachseln (Obwalden).

In den Jahren nach Zwinglis Tod entbrannte in Unterwalden ein Streit darüber, wer selig gesprochen werden soll, Konrad Scheuber oder Niklaus von Flüe. Und in diesem Zusammenhang scheint es nicht unwichtig gewesen zu sein, wer den „Ketzer“ getötet hat. Welcher Kantonsteil diese Ruhmestat verbuchen kann…

Zwingli ist ja in einer Schlacht gefallen. Wer ihn am Ende getötet hat, kann wahrscheinlich nicht mehr rekonstruiert werden, da es wohl an seriösen Quellen mangelt. Zwinglis Tod wurde dann zum Spielball um Ruhm und Ehre.

Im Historischen Lexikon steht folgendes:

Der um 16 Uhr ausgelöste Angriff der fünf Orte führte nach kurzem Widerstand zur Flucht des in Panik geratenen Zürcher Heeres. Unter den etwa 500 gefallenen Zürchern befand sich auch Zwingli, der das Banner als Feldprediger begleitet hatte; er wurde tot aufgefunden und als Ketzer verbrannt. Die bereits im 16. Jh. entwickelte und von Historikern des 19. Jh. ausgebaute These, es sei auf Zürcher Seite Verrat im Spiel gewesen, ist kaum haltbar.

Ein Artikel über Zwingli ist noch nicht online.

Vielleicht hilft dir diese Gedenkschrift weiter:

Meyer, Helmut: Der Zweite Kappeler Krieg
Gedenkschrift zur 450. Wiederkehr des Todestages von Hulrych Zwingli 11. Oktober 1531 - 11. Oktober 1981
 
Hoi Ursi

Laut den Berichten wurde Zwingli in der Schlacht bloss verwundet. Nach dem Kampf wurde der Zwingli von den siegreichen Truppen an einen Birnbaum gelehnt gefunden. Sie plagten ihn etwas und töteten ihn dann. Der Anderhalden will ihn erstochen haben, der Vokinger mit dem Schwert...
Die Leiche wurde wurde gevierteilt und verbrannt. Und die Asche zusammen mit Schweineasche verstreut... usw.

Inwieweit das Legende ist, kann ich nicht beurteilen?


Gruss pelzer

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Hoi Ursi

Laut den Berichten wurde Zwingli in der Schlacht bloss verwundet. Nach dem Kampf wurde der Zwingli von den siegreichen Truppen an einen Birnbaum gelehnt gefunden. Sie plagten ihn etwas und töteten ihn dann. Der Anderhalden will ihn erstochen haben, der Vokinger mit dem Schwert...
Die Leiche wurde wurde gevierteilt und verbrannt. Und die Asche zusammen mit Schweineasche verstreut... usw.

Inwieweit das Legende ist, kann ich nicht beurteilen?


Gruss pelzer

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Beurteilen kann ich das auch nicht. Da ich mich zuwenig mit Zwingli befasst habe.

Denke aber hier vermischt sich Legende und Wirklichkeit. Dies wäre ja nicht der einzige Fall in der Schweizer Geschichte. Ich denke da an die Ermordung von Albrecht I. Da wurden auch Legenden und Mythen aufgebaut.

Wo findet man diese Berichte? Sind es Orginalquellen oder abschriften? Handelt es sich bei den Berichten um Sekundärquellen oder Primärquellen?

Ich denke nur so kommt man annähernd drauf, wer was wirklich getan oder eben nicht hat.
 
Eine dritte Figur in diesem Disput ist Konrad Scheuber, Rottmeister im Kappelerkrieg und auch aus Wolfenschiessen (Nidwalden). Er ist der Schwiegersohn von Niklaus von Flüe, dem heiligen Bruder Klaus aus Sachseln (Obwalden).

Hochinteressant! Habe eben bei meinen Schülern geprahlt, dass Scheuber (und natürlich von Flüe) ein Ahne von mir sei...:pfeif:
Jetzt weiss ich auch, weshalb mein Grossvater bzw. seine Vorstreiter Scheuber ihn die Ahnenliste aufgenommen haben, bzw. weshalb man ihn überhaupt kannte.
Dass er aber tatsächlich die "heilige" Tat des Zwinglimordes begangen haben soll erschüttert mich als Zürcher Protestant schon ein wenig. Wenn ich das vor drei Jahren gewusst hätte, damals hatte nämlich ein Schüler seinen Stammbaum bis Zwingli zurückverfolgt...

(Ich gebe den Schülern jeweils am Anfang des Geschichtsunterrichts die Aufgabe, Ihren Stammbaum möglichst weit zurückzuverfolgen.)

Liebe Grüsse
maki
 
...
Dass er aber tatsächlich die "heilige" Tat des Zwinglimordes begangen haben soll erschüttert mich als Zürcher Protestant schon ein wenig.
Liebe Grüsse
maki
Du kannst dich entspannen - der Scheuber hat den Zwingli nicht umgebracht. Er war bloss mit dabei; gemeuchelt hat ein anderer...
:D


Gruss Pelzer

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Schade... es fiel mir ein lustiges Filmzitat aus dem Film Ridicule ein:

Ein aufgeplusterter Adliger will an einer Gesellschaft Eindruck schinden und deutet auf ein Bild von einem früheren König von Frankreich, dabei sagt er zu einem Prinzen: sehen Sie unser Grossvater. Das Bonmot nachdem der Prinz nachgefragt hatte, kam prompt vom Protagonisten: "Der Ihrige hat zweifellos den seinigen gesattelt." Und so oder ähnlich hätte ich dann sagen können "der meinige hat den Deinigen erschlagen." Aber so ist wohl nichts. Aber danke für Deine Aufklärung ich muss wohl die Geschichte von NW, einem der Kantone meiner Vorfahren, nachbüffeln!

lg
maki
 
Aber wer war es wirklich?
Die Primärquelle für den Namen Vokinger im Mordfall Zwingli liegt im Staatsarchiv Zürich bei den Akten zu fremden Personen (mW noch nicht digitalisiert).
Das ist ein Brief eines gewissen Pankraz Mötteli von Bischofszell, den er 1532, ein Jahr nach der Tat, an den Rat der Stadt Zürich schreibt. Es geht darin um einen Streit mit dem (Söldner-) Hauptmann Klaus Vokinger aus Unterwalden. In diesem Brief behauptet nun Mötteli, dass jener Vokinger ihm damit geprahlt habe, "wye er dem Zwyngly die gurgel hab abgehouwen."

Heinrich Bullinger , der Mitstreiter und unmittelbare Nachfolger Zwinglis in Zürich, nennt dann 30 Jahre später in seiner Reformationsgeschichte den Namen "Fuckinger" als Mörder.
Heinrich Bullingers Reformationsgeschichte / nach dem Autographon herausgegeben auf Veranstaltung der vaterländisch-historischen Gesellschaft in Zürich von J.J. Hottinger und H.H. Vögeli

Ich vermute, dass Bullinger den Brief Möttelis kannte, denn Bullinger musste sich immer wieder mit dieser zwielichtigen Gestalt Pankraz Mötteli herumschlagen. Das war nämlich eine berüchtigte und gewalttätige Person, die schließlich in Augsburg enthauptet wurde.
Heinrich Bullinger Briefwechsel

Die Aussage Möttelis ist darum unglaubwürdig. Ein Hauptmann Klaus Vokinger aus Unterwalden ist in der Zeit jedoch mehrfach belegt. Warum Bullinger den Namen nennt, wenn auch falsch, weiß ich nicht.

Den Namen Anderhalden (Andreas) bringt der Kaplan Eichhorn um 1600 in seinem Kirchenbuch von Sachseln ins Spiel.
Da es sich beim Kaplan um einen Zugezogenen aus Frankfurt handelt, steht er nicht unbedingt in Verdacht aus lokalpatriotischen Gründen einen Obwaldner "Helden" erfunden zu haben.
Eichhorn, Johann Joachim

Da die meisten zeitgenössischen Quellen übereinstimmend beschreiben, dass Zwingli zuerst verwundet und dann getötet wurde, sind zwei beteiligte Täter natürlich möglich.
 
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