Westpolen, Südpreussen, Posen, Schlesien in der frühen Neuzeit

@ Bartek
"ok, aber... wonach willst Du also fragen? "

Im ersten Beitrag ging es um die Frage, warum deutsche Protestanten besondere religiöse Toleranz von polnischen Katholiken erwarteten oder erwarten konnten. Dein Rückgriff auf Stefan Batory war da sicher hilfreich.
Was ich aber nicht verstehe ist, warum die Bamberzy Intoleranz von seiten der katholischen Posenern hätten befürchten müssen? Sollte das Verhältnis Bamberzy-Posener als Beispiel für religiöse Toleranz oder schnelle Polonisierung dienen??

Gruß

maly
 
Kulturkampf Preußens und Bismarcks

o...
in Tat ein seriöses Problem, da das Lutheranismus „preußische Staatsreligion“ war. Mit allen Konsequenzen...
In Provinz Posen war der Kampf gegen Kath.
Kirche gleichzeitlich der Kampf gegen Polentum.

Das ist kein Zufall, dass alle heutige neugotische Kirchen Posens wurden am Anfang des XX Jhdts als evangelische Tempeln gebaut und das waren damals die größten sakralen Gebäuden der Stadt...Die Polen haben nur die alten Barock-Kirchen zu Verfugung gehabt.

In 1873 wurde Erzbischof Ledóchowski verhaftet, als er polnische Sprache aus Religionsunterrichten in Schulen nicht verhindern wollte. Er hat auch abgesagt, um die Ausbildung der polnischen Priestern von Staat kontrolliert wird. Direkt danach wurden die Katholische Seminare in Posen und Gniezno geschlossen. Die Welle der „Schulen-Streike“ in Großpolen in 1901-1906 war direkter Effekt von Bismarcks Entscheidung, um die polnische Sprache in Religionsunterrichten zu verboten...

[FONT=&quot]Hier beschreibst du sehr schön die Auswirkungen von Bismarcks „Kulturkampf“ gegen die katholische Konfession überall im Preußischen (und mehr!). In den Mischgebieten deutschen und polnischen Volkstums musste diese Politik eine zusätzliche nationale Note bekommen, was sogar im Inneren Deutschlands versucht wurde! Dass der Kulturkampf gegen die katholische Kirche in nationalen Übergangsgebieten zu einem Mittel der „Germanisierung“ wurde verwundert dabei nicht. Eine „Pruzzifizierung“ träfe den Kern aber wesentlich besser! Bismarcks Kriege und Annektionen deutscher Kleinstaaten hatte Preußen einen erheblichen Zuwachs an katholischen Bürgern beschwert, die nun teils erheblichem Druck ausgesetzt wurden. [/FONT]
Der "Kulturkampf"
(von mir nur in Teilen überflogen!)
[FONT=&quot]Gerade das Beispiel mit den neugotischen Kirchen ist ein absolut typisches Symptom damaligen Vorgehens. Gerne wurde bei Errichtung preußischer Garnisonen große Offizierskasinos und in der Nähe eine große protestantische Kirche für diese gebaut, deren Größe in keinem Verhältnis zu den pastoralen Anforderungen stand, sondern rein auf politische Wirkung dimensioniert waren. Die Architekten orientierten sich gemäß der Zeit an neugotischen Formen und gerne an der größten katholischen Kirche der jeweiligen Stadt! Für Fulda habe ich vor längerem gelesen, dass dortigen Rekruten von den protestantischen Offizieren vorgehalten wurde, dass es nicht möglich sei, gleichzeitig Deutscher und Katholik zu sein. Katholiken seien keine „richtigen Deutschen“, was die Männer sehr stark verstörte, deren Väter wegen ihres Glaubens bereits in Kurhessischer Zeit abfällige Behandlung erfahren hatten. [/FONT]
[FONT=&quot] [/FONT]
[FONT=&quot]Es wundert daher nicht zu lesen, dass Bürgerrechte katholische Priester eingeschränkt wurden und direkte Maßnahmen die katholische Kirchenorganisation trafen, wie in dem Link nachzulesen: „[/FONT][FONT=&quot]1878 amtierten in den zwölf Bistümern Preußens nur noch drei Bischöfe. Ein Viertel aller katholischen Pfarreien in Preußen blieb unbesetzt.“[/FONT][FONT=&quot] Dass diese Maßnahmen noch härter wirkten, wenn zur konfessionellen Unterscheidung auch noch nationale Komponenten traten, braucht wohl nicht besonders betont zu werden. Der Druck Bismarcks ließ damals deutsche und polnische Katholiken näher zusammen rücken. Wenn ich in Barteks Beitrag davon lese, dass die zugewanderten deutschen Katholiken aus Bamberg in Posen innerhalb von nur wenigen Generationen völlig in das polnisch-katholische Umfeld assimilierten – anstelle sich „national“ in den zwar deutschen, aber protestantischen Bevölkerungsanteil zu integrieren. Ein schönes Beispiel dafür, wie ausgeübter Assimilationsdruck Identitäten anders verändern kannn, als von den Urhebern gewünscht wurde.[/FONT]
[FONT=&quot]Posener Bamberger ? Wikipedia [/FONT]
[FONT=&quot] [/FONT]
[FONT=&quot]Dass die Hohenzollern als Fürsten von Brandenburg/Preußen spezielle kirchliche Ideen hatten, habe ich mit Erstaunen zur Kenntnis genommen in Trier, wo die Hohenzollern vor diesem Hintergrund sich sehr für die Erhaltung der Konstantinsbasilika verdient gemacht haben – die heute eine protestantische Kirche ist! Der bismarcksche „Kulturkampf“ ist somit nicht ganz ohne Wurzeln im älteren Preußen, wobei die Offenheit der ersten preußischen Könige in Sachen religiöser Toleranz an sich sehr bekannt ist. Preußen nahm schon früh verfolgte protestantische Flüchtlinge aus Frankreich (Hugenotten) oder auch dem Salzburger Land auf – letztlich „Brüder im Glauben“! Umgekehrt war in einigen katholischen, deutschen Fürstentümern oft der Protestantismus einem katholisch überformten Assimilationsdruck ausgesetzt… [/FONT]
 
[FONT=&quot] Wenn ich in Barteks Beitrag davon lese, dass die zugewanderten deutschen Katholiken aus Bamberg in Posen innerhalb von nur wenigen Generationen völlig in das polnisch-katholische Umfeld assimilierten – anstelle sich „national“ in den zwar deutschen, aber protestantischen Bevölkerungsanteil zu integrieren. Ein schönes Beispiel dafür, wie ausgeübter Assimilationsdruck Identitäten anders verändern kannn, als von den Urhebern gewünscht wurde.[/FONT]
[FONT=&quot]Posener Bamberger ? Wikipedia [/FONT]

Im Wikiartikel steht, das explizit nur katholische Bamberger vom Posener Rat angeworben wurden. Gibt es dafür weitere Beispiele oder war diese Restriktion die Ausnahme?
Es müssen in Westpolen bereits seit dem 17. Jhdt. Protestanten gelebt haben, kann es sein, dass man bei deren Integration Probleme erkannt hatte oder war es nur der Stimmungsumschwung nach den nordischen Kriegen?
 
In Westpolen (Wielkopolska) hat es um 1791 ca 70 protestantische Gemeinden gegeben. Ihre Zahl hat sich seit Mitte 17 Jh. nicht wesentlich geändert.
(Im Gegensatz zu Südpolen (Malopolska) - Rückgang um ca. 2/3 in gleichem Zeitraum - ähnlich in Litauen).

Im Wikiartikel steht, das explizit nur katholische Bamberger vom Posener Rat angeworben wurden. Gibt es dafür weitere Beispiele oder war diese Restriktion die Ausnahme?

die Stadt Posen hatte Recht entspr. königlichem Dekret vom 1619 andersgläubige (nichtkatholische) auszuweisen, bzw. Ansiedlung solcher nicht zuzulassen.
In der Praxis wurde diese Regelung relativ schnell "verwässert" , letztendlich hat es einen protestantischen Zuzug gegegeben, obwohl die Protestanten nicht zu den Ämtern zugelassen wurden.
Ganz andere Entwicklung hat es aber z.B in Wschowa (Fraustadt) gegeben - einem starkem Zentrum des Protestanten in Wielkopolska gegeben. Der Stadtrat von Wschowa weigerte sich lange, Katholiken in die Stadtmauern aufzunehmen.
Erst mit dem Dekret August des II 1724 wurden die Stadtväter gezwungen Beschränkungen gegenüber den "katholischen" fallen zu lassen.
(Was nicht viel geholfen hat - im XIX Jh. gab es da nur 25 % Katholiken)
Die konfesionellen Verhältnisse hingen sehr stark von den lokalen Besitzverhältnissen.
Obwohl die Protestanten letztendlich auch auf den kirchlichen Gütern aufgenommen wurden, wen "Not am Mann war".

Relativ geringe Erfolge der Kontrreformation in Wielkopolska erklärt der polnische Historiker Tazbir mit der Tatsache, daß der Protestantismus in diesem Gebiet hauptsächlich von Nichteinheimischen Bevölkerungsgruppen getragen wurde - von Deutschen, Tschechen, Niederländern - und somit sah die katholische Kirche darin keine oder kaum Konkurrenz im Kampf um die Seelen der (polnischen)Schäfchen.

Es gab da auch gewisse Kuriositäten - wie z.B in Schmiegel. Die protestantische Gemeinde baute dort ihre Kirche, mit der Auflage des (katholischen) Bischhofs aus Posen. Die Auflage lautete, daß der Turm dieser Kirche innerhalb von 48 Stunden errichtet werden musste....:)
 
Im Wikiartikel steht, das explizit nur katholische Bamberger vom Posener Rat angeworben wurden. Gibt es dafür weitere Beispiele oder war diese Restriktion die Ausnahme?
Es müssen in Westpolen bereits seit dem 17. Jhdt. Protestanten gelebt haben, kann es sein, dass man bei deren Integration Probleme erkannt hatte oder war es nur der Stimmungsumschwung nach den nordischen Kriegen?



Noch ein Paar Bemerkungen - die eigentliche Beschneidung der (politischen) Rechte der Nichtkatholiken fand unter August II dem Starkem
tatsächlich als direkte oder indirekte Folge des letzten Nordischen Krieges -
die Protestanten unterstützten mehr den vom Schweden eingesetzten
Stanislaw Leszczynski. Seit Anfang des XVIII Jh. dürften die
protestantischen Kandidaten nicht mehr an den Wahlen zum
Sejm teilnehmen.

Eine schwer einzuschätzende Komponente der protestantischen
Einwanderung nach Wespolen ist die Flucht der Bauern aus Brandenburg,
Neumark und Pommern (Bauernlegen, Flucht vor dem Militärdienst in
Preußen - ? ). In den 60 Jahren des XVIII Jh. beschwerte sich
der Wojewode von Poznan über Entführung von ca. 30 000 Personen
durch preußische Truppen, die die ehemaligen preußischen
Untertanen "Heim nach Preußen geholt haben".
Es konnte sich hier zwar z.T. um Deserteure handeln aber die
Masse der betroffenen wird wohl Preußen aus anderen Gründen
verlassen haben.
 
Anläßlich dieser Mitgliedervorstellung http://www.geschichtsforum.de/701604-post215.html möchte ich diesen Thread reaktivieren. Außerdem bin ich gestern zufällig auf Ahnen aus Staniewo - Wikipedia, the free encyclopedia gestossen, zeitlich vor den westpolnisch/südpreussischen. Bisher habe ich nur dieses südostpreußische Staniewo gefunden.
Vielleicht kann man die Geschichte jener Gegend hier weiter diskutieren.:winke:
Wie bist du denn auf diese Ahnen gestoßen und um welche Zeit handelt es sich? Auf Deutsch hieß der Ort übrigends Ottoswalde. Ob er davor einen anderen polnischen oder pruzzischen Namen hatte kann ich leider nicht sagen. Ich habe Vorfahren ein paar Kilometer weiter östlich.

Ein Grund für die Toleranz war zum einen die religiöse Spaltung des PLC und die Schwäche einer Zentralmacht. Viele Glaubensflüchlinge kamen aber auch ins Königliche Preußen, zB nach Danzig. Teile meiner Vorfahren sind niederländische Mennoniten, die sich dort niederließen.
 
Wie bist du denn auf diese Ahnen gestoßen und um welche Zeit handelt es sich? Auf Deutsch hieß der Ort übrigends Ottoswalde. Ob er davor einen anderen polnischen oder pruzzischen Namen hatte kann ich leider nicht sagen. Ich habe Vorfahren ein paar Kilometer weiter östlich.
Meine Ahnenforschung ist nicht sehr seriös und ich habe es mir recht einfach gemacht. Auf einer Seite bin ich weit zurück und immer weiter nach Osten ( Gegend südlich von Posen) gekommen, hatte ich hier im Thread schon erzählt.
Staniewo hatte ich deshalb auch bei Kobylin vermutet und deshalb war ich gestern sehr erstaunt, als mich Maps nach Norden schickte. Vom Ermland hatte ich bisher nur den Namen schon mal gehört.
Einer meiner vermeintlichen Vorfahren ist 1764 in Staniewo geboren und 1840 in Koschmin gestorben. In Koschmin hat er seine 1. Frau geheiratet, die wiederum in Staniewo gestorben ist. Weiter geht es dann in Koschmin und Kobylin und umliegenden Dörfern. So ganz schlüssig finde ich das Staniewo da oben im Ermland deshalb nicht. Da ich es aber nicht allzu genau nehme mit den Ahnen, könnte es ein netter Abstecher sein bei der geplanten Polenreise.



Ein Grund für die Toleranz war zum einen die religiöse Spaltung des PLC und die Schwäche einer Zentralmacht. Viele Glaubensflüchlinge kamen aber auch ins Königliche Preußen, zB nach Danzig. Teile meiner Vorfahren sind niederländische Mennoniten, die sich dort niederließen.
Das ist etwas, was ich bei der Beschäftigung mit den Ahnen gelernt habe, der Glauben war wichtig und wo man ihn leben konnte und nicht die Nation.
 
In Kobylin ? Wikipedia ist mir folgender Satz aufgefallen: "Als Folge der Gegenreformation kam es um 1630 durch eine Massenflucht aus Schlesien zu einem bedeutenden Zuzug von Protestanten, die zu einer deutlichen Erweiterung Kobylins beitrugen."
Ich wüßte gern mehr über ihre Gründe, warum sie gerade in der Gegend südlich von Posen mehr religiöse Freiheit erwarteten als im habsburgischen Schlesien.

Darüberhinaus interessiert mich die weitere wechselvolle Geschichte dieser Gegend bis zum 1. WK, besonders die Auswirkungen auf die einfachen Leute.
Nach Kobylin wurden die schlesischen protestanten übrigends vom örtlichen Grundherren eingeladen, der ihnen weitreichende Privilegien einräumte, so zB den Bau einer eigenen Kirche. Übrigends bedauerlich, daß der polnische wiki-Beitrag all dies mit keinem einzigen Wort erwähnt.
 
Meine Ahnenforschung ist nicht sehr seriös und ich habe es mir recht einfach gemacht. Auf einer Seite bin ich weit zurück und immer weiter nach Osten ( Gegend südlich von Posen) gekommen, hatte ich hier im Thread schon erzählt.
Staniewo hatte ich deshalb auch bei Kobylin vermutet und deshalb war ich gestern sehr erstaunt, als mich Maps nach Norden schickte. Vom Ermland hatte ich bisher nur den Namen schon mal gehört.
Einer meiner vermeintlichen Vorfahren ist 1764 in Staniewo geboren und 1840 in Koschmin gestorben. In Koschmin hat er seine 1. Frau geheiratet, die wiederum in Staniewo gestorben ist. Weiter geht es dann in Koschmin und Kobylin und umliegenden Dörfern. So ganz schlüssig finde ich das Staniewo da oben im Ermland deshalb nicht. Da ich es aber nicht allzu genau nehme mit den Ahnen, könnte es ein netter Abstecher sein bei der geplanten Polenreise.

Es gab auch ein Staniewo (heute heißt es Staniew) im ehemaligen Kreis Koschmin in Posen
 
Ach, macht nichts beorna, wie gesagt, so genau nehme ich es nicht mit den Vorfahren. Sie sind nur Aufhänger, um mehr über die Geschichte jener Gegend zu erfahren mit ihren zahlreichen Wechselfällen. Vielleicht lernt man dadurch, dass die nationalen Bezüge zwar gestern wichtig waren aber vorgestern und vorvorgestern definierten sich die Menschen noch anders.
Danke YoungArkas für Staniew. :winke:
Eine Chance habe ich noch auf einen weiteren Abstecher - Wygoda?
 
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