Diskussionsgrundlagen lassen sich verbessern, wenn welche vorhanden sind.
http://www.geschichtsforum.de/743415-post481.html
Sind sie ja. Eines der Ziele dieses Fadens ist, sie detaillierter darzustellen. Der Prozeß beginnt natürlich mit der physischen Verbreitung eines Objekts/ Wesens, in diesem Fall des menschlich genutzten Hundes. Wenn dazu genetisch und archäologisch halbwegs gesicherte Erkenntnisse vorliegen, fraglos noch unvollständig, kann im zweiten Schritt geprüft werden, ob sich mit dem Objekt/Wesen auch zugehörige Begriffe verbreiteten. Dieser Ansatz liegt der
Farming Sytems Dispersal Theory zugrunde, die Anlaß für die Aufstellung meiner "Hundewortketten", auch der Ketten zu gadu/Geiß, war.
Ich machte teilweise (beim Hund, weniger bei gadu/Geiß) den zweiten (Wortketten) vor dem ersten Schritt, mit dem Ergebnis, daß die Wortketten manchmal im "luftleeren", d.h. nicht genetisch/ archäologisch fundierten Raum hingen. Die daraus entstandene Kritik war fallweise produktiv und führte zu "Volltreffern" (transpazifische Sprachbeziehungen zwischen Südostasien und der equadorianisch-nordperuanischen Küste, die sich auch genetisch [Nackthunde, Kokosnüsse] und in der keramischen Kultur zeigen). In anderen Fällen war die Kritik polemisch bis an die Grenze der Diffamierung - ärgerlich vor allem, wenn
gesicherte sprachwissenschaftliche Ergebnisse, z.B. der Finn-Ugristik, ignoriert wurden, bzw., nach dem Motto "Wat de Buur net kennt, frett he net" sich noch nicht mal die Mühe gemacht wurde, die entsprechende Sprachforschung anzusehen, bevor es an methodisch unfundierte und sachlich ungerechtfertigte Globalkritik ging.
Ich habe andererseits vermutlich hier und dort mögliche Wortgleichungen gesehen, die einer Plausibilitätsprüfung auf Basis des genetischen und archäologischen Befunds nicht standhalten. Jedoch gewann die Ausbreitung des domestizierten Hund offenbar wohl "erst" vor etwa 8-12.000 Jahren globale Dynamik, also in einer linguistisch noch (knapp) verfolgbaren Zeitstellung. Weitere, spätere Verbreitungsketten (z.B. Neolithisierung, Nackthunde, Seidenstraße, Inuit, malayo-polinesische Expansion) zeichnen sich klar ab - die Verbindung zwischen dem persischen
Saluki und dem nordwestafrikanischen Sloughi ist beispielsweise unstrittig.
Mein - zu überprüfendes - "Bauchgefühl", sagt mir, daß bei ähnlichen Hundewörtern Kulturkontakt die Regel, und zufälliger Gleichklang die Ausnahme sein dürfte. Dies "Bauchgefühl" erfordert und verdient Überprüfung in jedem Einzelfall. Aber der Grundansatz ist nicht "Wortmystik", sondern Teil des anerkannten und ausgeübten methodischen Repertoires der Frühgeschichtsforschung.
Und da wären wir wieder bei den interkontinentalen Hundewortketten. Der Kreis schließt sich. Nur dass im dortigen vorletzten Kommentar mit Hundebezeichnungen in verschiedenen Sprachen gezeigt werden soll, dass ein Vorläufer der Irokesischen, Sioux- und Caddo-Sprachen zur Entstehung des Indoeuropäischen geführt haben soll. Hast du diesen Kommentar geschrieben?
Nein, sicher nicht. Ich bin Dieneke-Leser, aber kein aktiver Kommentator dort. Nach der Info-Seite des Kommentarautors, Gary Moore (den Namen im Kommentar anklicken) hat dieser von 1970-75 in Florida Physik studiert, und anschließend u.a. in der Raumfahrttechnik ("Clementine Lunar Orbiter and the Near Earth Asteroid Mission") und an militärischen Forschungsprojekten gearbeitet.
Moore nimmt Bezug auf
Edward Vajda, den Vater der Dené-Jenniseischen Theorie. Ob die Wortkette von Vajda stammt, oder von Moore, wird nicht ganz klar. Die Interpretation scheint mir jedoch von Moore zu stammen.
Vajda und andere Forschung zeigen postglaziale linguistische und genetische Beziehung zwischen nördlichen
Na Dene, insbesondere Athabasken, und der Baikal/ Jennisei-Region auf, mit Ausgangspunkt in Alaska/ Beringia. Vgl. dazu u.a.
PLOS ONE: Linguistic Phylogenies Support Back-Migration from Beringia to Asia
Beringian Standstill and Spread of Native American Founders (u.a. Identifikation amerindischen Genflusses in Selkupen und
Ewenken [Tungusen], und Nachweis einer sich erst "approximately at the time of the Pleistocene-Holocene boundary" herausgebildeten genetischen Differenzierung zwischen ostsibirischen und nordwestamerikanischen Bevölkerungsgruppen, einschl. Inuit und Athabasken).
Skoglund/Reich e.a. 2015, Supp. Mat Tab S1.4 identifizieren potentiellen "out of america"-Genfluß, der zum Ausschluß der entsprechenden Bevölkerung von weiteren Vergleichsanalysen führt, in Kirgisen,
Tubalaren (nördl. Altai) und
Jukagiren. "Grenzwertig" (z-Score >2,5) zeigen sich sibirische Eskimo, Altaier,
Korjaken (Kamchatka) und
Selkupen (mittl. Jennissei).
Vgl. hierzu auch die phylogenetischen Analysen bei Raghavan e.a. (2015), Fig. S5, die Koryaken und Athabasken generell als aufeinanderfolgende Abspaltungen der "Hauptlinie" platzieren, und ab dem fünften Admixturniveau durchgehend sekundären transberingischen Genfluß (von Athabasken auf
Yupik [sibir. Eskimos]) zeigen*.
Von den
Sioux(-Sprachen) war in diesem Zusammenhang jedoch bislang nirgendwo die Rede. Das wenige, was ich über die Herkunft der Sioux weiß, stammt v.a. aus
https://en.wikipedia.org/wiki/Western_Siouan_languages
Linguistic and historical records indicate a possible southern origin of the Siouan people, with migrations over a thousand years ago from
North Carolina and
Virginia to
Ohio. Some continued down the
Ohio River to the
Mississippi and up to the
Missouri. Others went down the Mississippi, settling in what is now Alabama, Mississippi and Louisiana. Others traveled across Ohio to what is now Illinois, Wisconsin, and Minnesota, home of the
Dakota.
Von Virginia in die Great Plains ist schon eine ordentliche Migration. Dann noch nach Alaska und über die Beringstraße bis zum Baikal, und all dies, ohne linguistische Spuren auf dem Weg zu hinterlassen? Nein, ich denke, wenn es tatsächlich Sprachbeziehungen zu Indoeuropäern gibt, sind sie transatlantisch zu Stande gekommen.
Ich unterstelle mal, daß Moores Auflistung von Beispielen aus Siouxsprachen zur Wurzel
*čho(n)́ki = "Hund" mehr als nur s
tichprobenartiger Überprüfung standhält. Die indoeuropäische Korrespondenz ("Russian: сука (súka) ['female dog’, ‘bitch']"), lat.
canis, sanskr
. śunaka etc. ist wohlbekannt, und zeigt interessanterweise genau wie die Sioux-Sprachen Alteration von "n" und "k" im Mittelkonsonant. Weniger bekannt ist vielleicht bask.
txakur/ zaku (Hund), für das aufgrund der anders verlaufenen n/k-Alteration lateinische Entlehnung nicht in Frage kommt. Im Gegenteil:
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Spanish_words_of_Basque/Iberian_origin
cachorro "puppy" (metathesis of *chacorro < Basque
txakur "whelp"); also Southern Corsican
ghjacaru ‘dog’, Sardinian
giagaru ‘dog, hound’.(..)
conejo "rabbit" (..) alternatively, from Hispano-Celtic *
cun-icos 'little dog'
[2]
Die Sache mit der baskischen Entlehnung ins Sardische und Korsische will ich keinesfalls ausschließen, aber im, dem archäologischen Befund nach, Urraum der Hundehaltung mag sich vielleicht auch das zugehörige "Urwort" erhalten haben**.
Kann die Wurzel über Basken, insbesondere Walfänger, nach Nordamerika und zu den Sioux gelangt sein? Es gab ein
Algonquian–Basque pidgin am St. Lorenz-Strom, insbesondere bei den
Mi'kmaq. Aber die sahen offenbar keinen Grund, ihren
Lmuj (Micmac) bzw
Animosh (Ojibwe) gegen einen baskischen
Zaku zu tauschen. Was sollte die Sioux, die sehr viel später mit "Weißen" in Kontakt gerieten, dazu flächendeckend von Appalachen bis zu den Rockies verleitet haben? Noch dazu, wo sie schon vorkolumbisch ein enges Verhältnis zu Hunden hatten, die u.a. als Lasttiere und Wächter dienten (sehr schöne, ausführliche Darstellung im nachfolgenden Link):
http://doglawreporter.blogspot.de/2012/01/dogs-of-great-plains-nations.html
Na ja, und einer weiteren Funktion dienten Hunde den Sioux natürlich auch noch:
https://en.wikipedia.org/wiki/Dog_meat#Native_Americans
Native peoples of the
Great Plains, such as the
Sioux and
Cheyenne, consumed it [Dog meat], but there was a concurrent religious
taboo against the meat of wild canines.
[33]
During their 1803–1806 expedition,
Meriwether Lewis and the other members of the
Corps of Discovery consumed dog meat, either from their own animals or supplied by
Native American tribes, including the
Paiutes and Wah-clel-lah Indians, a branch of the
Watlatas,
[34] the
Clatsop,
[35] the
Teton Sioux (Lakota),
[36] the
Nez Perce Indians,
[37] and the
Hidatsas.
*
Die ersten vier dort erscheinenden Admixturen sind Ma'lta/Ket->Athabasken (Neandertaler?), Franzosen->Altai (frühneolithisch/ bronzezeitlich), Ma'lta/Ket->Grönländer, und Dai-Yoruba (wohl Artefakt aus dem Fehlen von Bevölkerungen [Naher Osten, Südoasien] in der Analyse, mit denen die paläolithische "out of Africa"-Migration darstellbar wäre, in Kombination mit nahöstlicher "back to Africa"-Migration). Auf höherem Admixturgrad versucht das Modell v.a., die komplexe sibirische Siedlungsgeschichte besser aufzulösen, u.a. mit weiteren französisch-sardischen Admixturen in Burjaten, Sakhai, Nivkhs und Han-Cinesen, aber auch Koryak-Admixtur in Nivkhs, Yupik und Grönländer. Der offensichtliche "Schwachsinn" (Sardischer Geneintrag in Han-Chinesen, Franzosen als Urmenschen, von denen Ma'lta und die Yoruba abstammen, etc.), den das Modell mit zunehmender Admixturtiefe befällt, wäre vermutlich mit einer geographisch besser balancierten, d.h. weniger sibirien-/ arktischlastigen, und genetisch/ archäologisch bekannte Ausbreitungsbewegungen ("out of Africa", paläolitihsiche bis neolithische Rolle des Nahen Ostens, etc.) reflektierenden Wahl der Referenzbevölkerungen zu vermeiden gewesen - so taugt die Analyse leider nur sehr begrenzt zur Ableitung tragfähiger Schlußfolgerungen.
**
Bevor wir jetzt in eine, fraglos auch interessante, aber hier OT führende Diskussion der Besiedlung Sardiniens und Korsikas abgleiten, der Hinweis daß das untere Rhonetal eindeutig durchs Magdalénien geprägt war, und spätestens seit dem Mittelneolithikum in intensiver Beziehung (Obsidianhandel) mit Sardinien/ Korsika stand.