Wie effektiv war die Balliste?

genau hier haben die es leider nur in der Zeitungsartikel Version aber irgendwo (youtube?) müsste man die Wiederholung sehen können.
Gruss
 
Wie schätzt ihr die effektivität einer Balliste ein? In der Schlacht? Bei einer Belagerung? Und in welcher Zahl wurden diese Torsionsgeschütze in einer "Armee" eingesetzt?

Lg Wasserhand
da gibt es wohl neuere Erkenntnisse:
Torsionsgeschütze: Römische Horrorwaffen im Wettertest Ausgegraben - SPIEGEL ONLINE
Römische Killermaschine im Wettertest

01.01.2014 | Von Angelika Franz
Höhere Gewalt oder lahme Ausrede? Für ihre Niederlage gegen die Germanen in der Varusschlacht machten die Römer auch den Regen verantwortlich: Ihre empfindlichen Hightech-Waffen seien zu nass geworden. Deutsche Forscher haben das jetzt geprüft - mit nachgebauten Geschützen.



"Es begann mit den Bolzenfunden von Kalkriese", erzählt Historiker Christoph Schäfer von der Universität Trier im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Das Gebiet im Osnabrücker Land gilt als möglicher Schauplatz der Varusschlacht, in der drei römische Legionen mit rund 20.000 Mann von den Germanen unter Arminius aufgerieben wurden. An den dort entdeckten Geschossen konnten die Wissenschaftler erkennen, welch schreckliche Waffen die Römer aufgefahren hatten: Torsionsgeschütze, auch "Scorpiones" genannt.


Als dann auch noch bei den Ausgrabungen am Harzhorn, einem römisch-germanischen Schlachtfeld aus dem 3. Jahrhundert nach Christus, haufenweise die typischen "Scorpio"-Eisentüllen zutage kamen, wurde den Forschern klar: "Diese Torsionsgeschütze wurden viel ausgiebiger auf dem Schlachtfeld eingesetzt als die Schriftquellen vermuten lassen."
...

Ihr Schrecken lag in der Reichweite und der Durchschlagskraft. Zwei Mann können mit einem "Scorpio" drei bis fünf Pfeile pro Minute abschießen. Herzstück der Maschine ist das Hebelwerk, das der im Spannrahmen aufgebauten Torsionskraft standhält und sie steigert.
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Die Kraft, die dabei frei wird, ist gewaltig. "Wir haben auf Schweinehälften geschossen, um menschliche Körper zu simulieren", erzählt Altertumswissenschaftler Günther Moosbauer von der Universität Osnabrück. "Die Energie der Geschosse beim Eintritt war so groß, dass sie das Schweinefleisch verbrannt haben."
...

Wenn in einer Schlacht an die 60 Torsionsgeschütze pro Legion zugleich auf ein Zielgebiet abgefeuert wurden, wie Burkhard Meißner von der Helmut-Schmidt-Universität schätzt, dürfte die Situation für die Feinde extrem ungemütlich geworden sein. "Mit dieser Konzentration konnten die Schützen eine Kadenz von 180 bis 200 Schuss pro Minute erreichen." Zum Vergleich: Ein modernes Maschinengewehr kann etwa zwischen 600 bis 1200 Schuss pro Minute abfeuern. Die Beschossenen fanden sich plötzlich in einem Hagelsturm aus Eisenspitzen wieder - ohne sehen zu können, woher sie kamen, denn die Geschütze konnten mehrere hundert Meter entfernt stehen. "Das war Psychoterror", sagt Meißner.
...

Momentan werden die Geschütze im Experiment getestet - immer unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen. "So wissenschaftlich wurden diese Waffen noch nie untersucht. Wir wollen vor allem auch wissen, wie sich die unterschiedlichen Typen in ihrer Wirkung unterscheiden." Eines jedenfalls haben die Forscher ziemlich schnell herausfinden können. Der Hinweis auf den Regen war ein Vorwand: "Die funktionieren auch klitschnass noch einwandfrei!"
 
Angelika Franz schrieb:
Römische Killermaschine im Wettertest
[...] Ihre empfindlichen Hightech-Waffen...
Warum geht so was nicht einfach mal sachlich?


Angelika Franz schrieb:
Höhere Gewalt oder lahme Ausrede? Für ihre Niederlage gegen die Germanen in der Varusschlacht machten die Römer auch den Regen verantwortlich: Ihre empfindlichen Hightech-Waffen seien zu nass geworden.
Hier irrt Frau Franz, es ist nur ein Autor, der über das Wetter während der Varusschlacht schreibt und diesem dementsprechend auch eine Rolle bei der Niederlage zuschreibt: Cassius Dio 200 Jahre nach der Schlacht.
Diesem zufolge konnten die Römer ihre Pfeile (τοξεύμασιν), Speere (ἀκοντίοις) und Schilde (ἀσπίσιν) nicht verwenden, weil das Zeug durchnässt (διαβρόχοις) war.
Mit den Pfeilen könnten freilich die Bolzen der Torsionsgeschütze gemeint sein, das muss aber überhaupt nicht sein, da die Römer auch Bogenschützen in ihren Reihen hatten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mir ist nicht klar, in welcher Quelle die Römer behauptet haben sollen, wegen des Regens hätten ihre Hightech-Waffen nicht mehr funktioniert: Cassius Dio schreibt zwar, dass der schwere Regen und starke Wind den Gebrauch von Geschoßen und Wurfspießen beeinträchtigt habe. Im griechischen Text stehen dafür die Wörter toxeuma (= Geschoß jeglicher Art) und akontion (= Wurfspieß). Mit dem akontion wird wohl ziemlich eindeutig das pilum gemeint sein. Beim toxeuma könnte es sich theoretisch auch um Geschoße von Geschützen handeln, aber das ist Spekulation; normalerweise sind damit nur Pfeile (von Bogen) gemeint.

Torsionsgeschütze hätten den Römern in der Varusschlacht aber vermutlich ohnehin nicht viel gebracht, da sie am wirksamsten sind, wenn man damit eine Masse von Feinden unter Beschuss nehmen kann, während die Römer von allen Seiten immer wieder von größeren und kleineren Trupps angegriffen wurden. Bis die Geschütze auf sie ausgerichtet sind, wären sie vermutlich ohnehin schon zu nahe heran gewesen.

Edit: Hmm, ja, wohl knapp zu spät ... Aber des zweiten Absatzes wegen lasse ich es trotzdem stehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bogensehnen können Feuchtigkeit nicht gut verkraften. Wenn römische Schilde - wie ich vermute - mit Leimfarbe* bestrichen waren, müssen sie bei Regen durch ihre Lederhüllen geschützt werden, was sie noch einmal schwerer macht (vor allem, wenn sich das Leder dann doch endlich mit Wasser vollsaugt). Ich will die römische Legion jetzt nicht als Schönwetterarmee darstellen, aber die Beeinträchtigung muss schon ernorm gewesen sein – nicht zuletzt durch den vorhergehenden und nachfolgenden Marsch im Regen inkl. Schlamm in den Caligae, steckengebliebenen Trainwagen, vollgesogenen Mänteln und glitschigen Waffen.

*die Quellen zur Schildbemalung, die ich bislang gefunden habe, reden nur von "organischen Lösungsmitteln", aber ein paar Versuche legen nahe dass es wahrscheinlicher Leim- als Temperafarbe war.
 
Wobei auch noch die frage ist wie erholsam eine Nacht mitten in einer Schlacht ist? Ob überhaupt Nachts noch Zelte aufgebaut worden sind? Allein den Graben und einen notdürftigen Wall aufschütten, nach einem langen Tag mit Marsch und Kampf, da kann ich mir vorstellen das die Nacht nicht erholsam war. Und am nächsten Tag geht es mit nassen, kalten Sachen weiter, keine angenehme Vorstellung.
Und ob man da dann auch noch Ballisten weit mitgeschleppt hat, das wage ich zu bezweifeln.

Apvar
 
naja, Bogensehnen waren und sind gewachst und sind aus Pflanzenfasern, damit kann man im Zweifel auch heiß duschen. Die Kompositbögen der Hilfstruppen sind zwar wohl mit Hautleim verleimt, aber mit irgendetwas "umwickelt". Leder, Birkenrinde etc.
Naja, und bis Feuchtigkeit soweit in das Bogeninnere eindringt, das der Leim aufgibt, das dauert. So ein Bogen braucht fast ein Jahr zum Trocknen, und genauso langsam, wie Wasser rausgeht, dringts auch ein. Wers nicht glaubt, versuche mal gemahlene Gelatine in kaltem Wasser aufzulösen...
Was im Regen nachläßt, sind die Spannseile/Wurfseilbündel der Wurfarme, denn ungewachst dehnt sich da der Hanf/Sehne was auch immer die da genommen haben und man kann dann die Balliste nicht mehr richtig spannen. Bevor sich die Seilbündel verkürzen, quetscht man aus den aufgequollenen Dingern erstmal da Wasser raus. Da stellt sich dann nichts mehr zurück.
Dann quillt auf Dauer das Holz und die ganze Mechanik leidet.
 
Hat mann den in Kalkriese tatsächlich auch römische Bolzenspitzen gefunden? Ich kenne nur die aus dem Harzhorn.
 
Hat mann den in Kalkriese tatsächlich auch römische Bolzenspitzen gefunden? Ich kenne nur die aus dem Harzhorn.

Auf Varusforschung in Kalkriese: Die Örtlichkeit der Varusschlacht (UNIVERSITÄT OSNABRÜCK) im unteren Bereich steht folgendes:

Gefunden wurden außerdem Lanzenschuhe, Lanzenspitzen, Geschoßbolzen und die fragmentierte Klinge eines Dolches.

Dort ist auch eine Abbildung mit zwei als Geschoßbolzen interpretierten Spitzen mit Tülle.
 
Auf Varusforschung in Kalkriese: Die Örtlichkeit der Varusschlacht (UNIVERSITÄT OSNABRÜCK) im unteren Bereich steht folgendes:
Dort ist auch eine Abbildung mit zwei als Geschoßbolzen interpretierten Spitzen mit Tülle.

Auch Moosbauer erwähnt die Geschoßspitzen in seinem Buch (Die Varusschlacht, C.H. Beck).
In 2000 Jahre Varusschlacht - Konflikt, findet sich ebenfalls eine Abbildung zweier solcher Geschoßspitzen aus Kalkriese. Im Text ist hier von "wenigen Geschoßspitzen" die Rede. Allerdings sind sie einwandfrei nachgewiesen. Eine andere Frage ist natürlich wie die Entwicklung eines scorpio also eines solchen Torsionsgeschützes ausgesehen hat. Also welche möglichen Unterschiede gab es in Bau und Wirkung solcher Geschütze zu Beginn des 1.Jhd. n.Chr. (Kalkriese) und über 200 Jahre danach (Harzhorn), wo der Einsatz solcher Geschütze offensichtlich hauptursächlich für den Sieg der Römer waren.
 
Auch Moosbauer erwähnt die Geschoßspitzen in seinem Buch (Die Varusschlacht, C.H. Beck).
In 2000 Jahre Varusschlacht - Konflikt, findet sich ebenfalls eine Abbildung zweier solcher Geschoßspitzen aus Kalkriese. Im Text ist hier von "wenigen Geschoßspitzen" die Rede. Allerdings sind sie einwandfrei nachgewiesen. Eine andere Frage ist natürlich wie die Entwicklung eines scorpio also eines solchen Torsionsgeschützes ausgesehen hat. Also welche möglichen Unterschiede gab es in Bau und Wirkung solcher Geschütze zu Beginn des 1.Jhd. n.Chr. (Kalkriese) und über 200 Jahre danach (Harzhorn), wo der Einsatz solcher Geschütze offensichtlich hauptursächlich für den Sieg der Römer waren.

hier sind Abbildungen der Funde vom Harzhorn:
Römerschlacht am Harzhorn | Galerieansicht

Mangels Maßstab kann ich nicht beurteilen, ob es Größenunterschiede zwischen den Spitzen gibt. Äußerlich sehen sie zumindest gleich aus.

Aber es sind m. W. nur Geschoßspitzen in Kalkriese und Harzhorn gefunden worden, aber keine Überreste der Scorpiones.
 
Also welche möglichen Unterschiede gab es in Bau und Wirkung solcher Geschütze zu Beginn des 1.Jhd. n.Chr. (Kalkriese) und über 200 Jahre danach (Harzhorn), wo der Einsatz solcher Geschütze offensichtlich hauptursächlich für den Sieg der Römer waren.
Verwendet wurden sie offenkundig, aber woraus leitest Du ab, dass sie für den Sieg hauptursächlich waren?
 
Wenn in einer Schlacht an die 60 Torsionsgeschütze pro Legion zugleich auf ein Zielgebiet abgefeuert wurden, wie Burkhard Meißner von der Helmut-Schmidt-Universität schätzt, dürfte die Situation für die Feinde extrem ungemütlich geworden sein. "Mit dieser Konzentration konnten die Schützen eine Kadenz von 180 bis 200 Schuss pro Minute erreichen.
Auch das ist ein sehr hmm… kraftvolles Bild! Ist es so wahrscheinlich, dass ALLE Torsionsgeschütze ähnlich einer „Napoleonischen, Großen Batterie“ üblicherweise derart konzentriert eingesetzt wurden? Taktisch sinnvoll können sie doch auch an beiden Flanken gewesen sein – aber das ist Spekulation. Da Heere aus mehreren Legionen zu bestehen pflegten sind also weit größere Konzentrationen denkbar…!
Die Ausstellung zum „Harzhorn“ habe ich vor wenigen Tagen besucht. Es geht dort um Schlachtfeldarchäologie und was man daraus machen kann. Es ist Erstaunlich wie weit man Truppenbewegungen bei methodischem Ansatz und taktischem Verständnis rückverfolgen mag. Die eigentlichen [Gefechts-]Funde sind ja sehr verstreut und bestehen weitgehend aus Geschossspitzen… An sich ist die Aussage „Schlacht“ ja fast zu hoch gegriffen, wenn es den Angreifern im Wesentlichen wohl um „schnelle Beute“ ging? Die Grenze zu einem „Gefecht“ ist dann sehr dünn…

Im Begleitband gibt es einen Artikel über Torsionsgeschütze (Speziell Pfeilgeschütze) von Günther Moosbauer. Er verweist darauf, dass ab dem Übergang vom 1./2.Jht. deren Bauform sich verändert habe und sie vorwiegend auf Karren montiert waren. [Anm. Sozusagen eine „Fahrlafette“, die an die Bedeutung von Selbstfahrlafetten für die Artillerie nach dem Ersten Weltkrieg erinnern. In beiden Fällen bedeutete die neue Montierung eine weit schnellere „Gefechtsbereitschaft“] Torsionswaffen hätten sich nun nicht mehr nur bei den Legionen befunden, sondern auch bei Hilfstruppen. Sie sollen nicht nur bei Belagerungen und Verteidigung, sondern auch in Feldschlachten eingesetzt worden sein. Carroballistae sind von Abbildungen auf der Trajanssäule bekannt. Aufgrund der Wirkungsweise nimmt er [& Andere] an, dass für Torsionsgeschütze mehr die Treffsicherheit als die maximale Schussreichweite („weit über 400 m“) wichtig waren. Durch Experimente und Rekonstruktionen wurde ein normaler Kampfbereich zwischen 50 und 150 m angenommen. Flache Flugbahn = Treffsicherheit bei hoher Durchschlagskraft. Auf einer Ausstellungstafel in Braunschweig wurde die ideale Reichweite ab 75 m Entfernung angegeben. [Anm. In all diesen Fällen kann die Bedienung bereits durch feindliche Bogenschützen erreicht werden, auch wenn deren ideale Kampfentfernungen natürlich geringer seien dürfte]. All diese Werte seien in hohem Maße von der Einsatzweise und dem „Kaliber“ abhängig. Hier als Durchmesser der Spannbuchsen angesprochen = Torsionskraft... Die Art der Munition [Schäftung, Einsatzzweck (Brandgeschosse….) etc.] müssen einen hohen Einfluss auf Reichweiten und Treffergenauigkeit gehabt haben. Bei Flavius Vegetius findet sich eine Angabe, dass jede Centurie einer Legion über ein Pfeilgeschütz verfügt habe – in der Summe also 55. Für den Kampf am Harzhorn rekonstruierte man eine normale Gefechtsentfernung von ca. 75 m. Die Schussversuche bestätigen eine gute Treffergenauigkeit und hohe Durchschlagskraft. Die bei Schussversuchen stark beschädigte Replik einer lorica segmentata in der Ausstellung zeigt, dass keine damalige Rüstung oder Schild wirksamen Schutz gegen solche Waffen boten. Soweit im Groben Artikel & Ausstellung…
 
Vor diesem Hintergrund sollte man am Harzhorn auch eher von Carroballistae ausgehen, da das Gefecht aus einer Marschbewegung heraus entstand und ein langwieriger Aufbau der Geschütze vor Ort, für den rekonstruierten Gefechtsverlauf eher unwahrscheinlich ist. Auch wenn die bereits früher gebräuchlichen Geschütze durch Verzapfungen wohl recht schnell aufzubauen waren. Bei den genannten Gefechtsentfernungen kann man wohl sicher davon ausgehen, dass die in Feldschlachten verwendeten Carroballistae leicht in den Maximalbereich feindlicher Bogenschützen hätten geraten konnten. Ein Vergleich mit moderner Feldartillerie, die für Infanterie unerreichbar fern hinter den eigenen Linien steht, hinkt daher: Selbst wenn man davon ausgehen muss, dass diese Waffen wohl kaum in vorderster Front standen. Als „Präzisionswaffen“ fragt sich auch, ab wann ein konzentrierter Masseneinsatz in einer Feldschlacht noch angemessene Ergebnisse zeigen würde? Schwerpunktwaffe gewiss, aber auf kleinen Abschnitten viele dutzende Torsionsgeschütze? Die Wirkung auf in Formationen (= engstehende Gegner) kämpfende Truppen mag man sich ausmalen… Ich erinnere mich an die Rekonstruktion auf der Saalburg, dort wurden technische Schwierigkeiten für allzu schnelle Schussfolgen angesprochen. Moosbauer schreibt von mehreren Schuss/Minute. (Siehe den Artikel im Spiegelonline weiter oben)

@Ravenik: So weit ich mich erinnere, wird in Braunschweig sehr grob von mir vereinfacht folgender Gefechtsverlauf skizziert: Die Römer auf dem Marsch haben in Teilen (?) bereits die versteckt (?) auf einer Kuppe im Hinterhalt liegenden Germanen passiert. Diese greifen an, als sie unmittelbar den Tross mit seinen Wertgegenständen vor sich haben und überrennen letztlich die auf dem Höhenzug stehenden Römer in Richtung Osten. Derweil formieren sich am Ende des Zuges die Römer von Norden kommend mit Bogenschützen, an deren rechten Flanke die Torsionsgeschütze postiert werden. Von ihnen werden die Germanen, als sie ins Schussfeld geraten, schwer unter Beschuss genommen („Killing Zone“) Ein Reiterangriff und schließlich auch schwere Infanterie vertreiben dann den Gegner vom Hügel, der anscheinend Teile des Trosses mit sich nehmen will. Ein Wagen stürzt dabei beladen den Hang hinunter, was aufgrund der Streuung angenommen wird. Die Germanen erreichten Geschütze und Fernkämpfer nicht. Verzagtheit? Abschreckung? Da es am Tross vorher Nahkämpfe gegeben haben muss, frage ich mich, inwiefern die Angreifer sich haben fortreißen lassen, oder ob der effektive römische Widerstand ihren Angriff hat zusammenbrechen lassen? Der römische Gegenangriff hat dann die Lage bereingt und die Römer marschierten weiter. Es sieht sehr stark nach einem asymmetrischen Gefecht aus. Aber wer kann wissen, was die Angreifer wirklich planten...? Meine Zweifel sind wohl deutlich geworden... Dass die Römer "kombinierte Waffen" einsetzten zeigt, dass die Angreifer auch eine gewisse Stärke gehabt haben müssen.

Man kann jede Menge Videos zum Thema mit dem Schlagwort "Römer-Schlacht am Harzhorn nachgestellt" finden. Darunter 1 Minute Vorführung der Bundeswehr mit ihren Nachbauten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke für den ausführlichen Schlachtbericht.
Die schlachtentscheidende Bedeutung der Geschütze ergibt sich für mich daraus aber immer noch nicht.
Außerdem bin ich doch skeptisch, ob man aus bloßen Funden - wobei doch auch vom Zufall abhängt, wo was gefunden wird bzw. wo was liegen blieb oder nach der Schlacht von wem auch immer mitgenommen wurde - zuverlässig so detailliert den Schlachtverlauf rekonstruieren kann.
 
Hmm, so ausführlich war ich gar nicht – ein Abriss eben:winke:

Vor der Ausstellung erschienene Fernsehdokumentationen, die in Zusammenarbeit mit den Ausgräbern entstanden sind, skizzieren einen leicht anderen Gefechtsverlauf, (etwa NDR 2010 [„Rätsel Römerschlacht am Harzhorn“] oder von Guido Knopp… Einiges ist sicher wieder im Netz zu finden): Danach griffen nicht die Germanen von West nach Ost an, sondern sie sperrten einen Durchgang zwischen Harzhorn im Westen und den Sümpfen im Osten – quasi quer über die heutige A7. Da es wohl keine „Nahkampffunde“ außerhalb des „Bergkamms“ gibt, könnte man dann den Geschützen sehr wohl eine entscheidende Bedeutung zugestehen, weil die Germanen infolge des Beschusses den Weg freigegeben hätten. Die Römer hätten dann die Germanen auf der Höhenkuppe entlang nach Westen verfolgt, wo es auch zu Nahkämpfen gekommen ist. (Nun Identisch zu meinem im Vorpost skizzierten Ablauf). In beiden Annahmen waren die Römer siegreich. In welcher Reihenfolge die Kämpfe stattgefunden haben scheint stärker Interpretationssache zu sein, als die eigentlichen „Gefechtsbilder“. Denn die römische Stoßrichtung bleibt in beiden Varianten gleich, nur der Kontext ist anders…

Naheliegend war immer, dass bei einem starken Einsatz von Kriegsmaschinen zuerst von einer Belagerung, oder wenigstens einer arrangierten Feldschlacht ausgegangen wurde, nicht von einem Defileegefecht. Der in der Ausstellung medial gezeigte Rekonstruktionsversuch legt einen taktisch vielseitigeren, mobilen und auch schnelle Schwerpunkte setzenden Einsatz der Geschütze nahe!
 
Hmm, so ausführlich war ich gar nicht – ein Abriss eben:winke:

Vor der Ausstellung erschienene Fernsehdokumentationen, die in Zusammenarbeit mit den Ausgräbern entstanden sind, skizzieren einen leicht anderen Gefechtsverlauf, (etwa NDR 2010 [„Rätsel Römerschlacht am Harzhorn“] oder von Guido Knopp… Einiges ist sicher wieder im Netz zu finden): Danach griffen nicht die Germanen von West nach Ost an, sondern sie sperrten einen Durchgang zwischen Harzhorn im Westen und den Sümpfen im Osten – quasi quer über die heutige A7. Da es wohl keine „Nahkampffunde“ außerhalb des „Bergkamms“ gibt, könnte man dann den Geschützen sehr wohl eine entscheidende Bedeutung zugestehen, weil die Germanen infolge des Beschusses den Weg freigegeben hätten. Die Römer hätten dann die Germanen auf der Höhenkuppe entlang nach Westen verfolgt, wo es auch zu Nahkämpfen gekommen ist. (Nun Identisch zu meinem im Vorpost skizzierten Ablauf). In beiden Annahmen waren die Römer siegreich. In welcher Reihenfolge die Kämpfe stattgefunden haben scheint stärker Interpretationssache zu sein, als die eigentlichen „Gefechtsbilder“. Denn die römische Stoßrichtung bleibt in beiden Varianten gleich, nur der Kontext ist anders…

Naheliegend war immer, dass bei einem starken Einsatz von Kriegsmaschinen zuerst von einer Belagerung, oder wenigstens einer arrangierten Feldschlacht ausgegangen wurde, nicht von einem Defileegefecht. Der in der Ausstellung medial gezeigte Rekonstruktionsversuch legt einen taktisch vielseitigeren, mobilen und auch schnelle Schwerpunkte setzenden Einsatz der Geschütze nahe!

Absolute Zustimmung!:winke:
Soviel ich weiß, geht man mittlerweile davon aus, daß die Senke am Harzhorn (heutige A7) quasi abgeriegelt wurde. Die Römer sind wohl über das Harzhorn ausgewichen. Die Archäologen gehen wohl davon aus, daß den Torsionsgeschützen eine wichtige, bzw. entscheidende Rolle zukam. Offensichtlich haben sich die Römer den Weg freigeschossen. Dafür spricht auch die hohe Anzahl an gefundenen Geschosspitzen. Auch sind die Einschüsse z.T. sehr dicht. Die Römer haben dieses Gefecht wohl aufgrund ihrer überlegenen Waffentechnik gewonnen.
(vergl. auch: Roms vergessener Feldzug - in: 2000 Jahre Varusschlacht, Band Konflikt, Theiss 2009)

Sehr interessant finde ich den von Dir angesprochenen schnellen und beweglichen Einsatz solcher Geschütze. Da stellt sich wieder die Frage nach Kalkriese und warum solche Waffen dort wahrscheinlich nicht bzw. nicht wirksam zum Einsatz gekommen sind.

Militärgeschichtlich ist es wohl so, daß zur Kaiserzeit jede Legion über 55 carroballistae verfügte (Vegetius 2,25).
Auch Josephus berichtet hinsichtlich der Belagerung von Jerusalem über die Leistungsfähigkeit dieser Waffe. -Insbesondere um Verteidiger von den Mauern zu fegen.
In der Spätantike gab dann wohl auch sg. manuballistae, auf Karren montierte Katapulte.

Am Harzhorn waren diese Waffen offensichtlich entscheidend, bzw. der entscheidende Unterschied. Aber Kalkriese war über 200 Jahre früher. Trotzdem sprechen die gefundenen Geschosspitzen für das Vorhandensein solcher Geschütze. Und wenn sie geeignet waren Verteidiger von Mauern zu fegen, warum nicht Germanen von einem Wall?

Aber hierüber zu diskutieren, wäre wohl sehr spekulativ.
Bei drei Legionen mit Tross könnten diese carroballistae wer weiß wo gewesen sein, aber vieleicht nicht gerade am Wall. Oder die meisten waren schon tot. Oder es war alles ein großes Durcheinander und ein einen geordneten Einsatz war nicht zu denken. Oder sonst etwas...

Interessant finde ich, daß man in Xanten wohl einen kleinen Torsionsrahmen entdeckt hat, der auf eine Handwaffe hinndeuten könnte und dessen Einsatz wohl somit noch schneller und mobiler war. Aber darüber weiß ich nicht genug. Wäre interessant, ob man diesen Fund datieren kann und ob solche Bolzenschussgeräte auch für Kalkriese zumindest zeitlich in Frage kämen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Sehr interessant finde ich den von Dir angesprochenen schnellen und beweglichen Einsatz solcher Geschütze. Da stellt sich wieder die Frage nach Kalkriese und warum solche Waffen dort wahrscheinlich nicht bzw. nicht wirksam zum Einsatz gekommen sind.
Vermutlich weil es damals noch keine Carroballisten gegeben zu haben scheint, sie wurden wohl erst Ende des 1. Jhdts. n. Chr. entwickelt. Ohne fahrbaren Untersatz müssen Geschütze schwer zu bewegen gewesen sein. In der Varusschlacht standen die Römer obendrein keinem massierten germanischen Aufgebot gegenüber, das sie unter Beschuss nehmen konnten, sondern wurden von allen Seiten immer wieder von Trupps angegriffen. Ein nicht mobiles Geschütz dorthin zu bringen, wo es gerade benötigt wurde, und es dann auch noch auf den Gegner auszurichten, wird seine Zeit gedauert haben, und wenn der Angreifer dann bereits in den Nahkampf mit Legionären verwickelt war, war der Beschuss ohnehin kaum noch sinnvoll.

Militärgeschichtlich ist es wohl so, daß zur Kaiserzeit jede Legion über 55 carroballistae verfügte (Vegetius 2,25).
Auch Josephus berichtet hinsichtlich der Belagerung von Jerusalem über die Leistungsfähigkeit dieser Waffe. -Insbesondere um Verteidiger von den Mauern zu fegen.
Wo steht bei Iosephus etwas über den Einsatz von Carroballistae?
Falls Du Dich auf das 6. Kap. des 5. Buches des "Jüdischen Krieges" beziehst, so wird dort der "oxybeles" erwähnt, Katapelten und Steinschleudermaschinen. (Der Oxybeles war ein Geschütz, mit dem spitze Pfeile bzw. Bolzen verschossen wurden.) Davon, dass diese Geschütze auf Karren montiert gewesen wären, steht dort aber nichts. Um Mauerkronen zu beschießen, mussten sie aber auch nicht mobil gewesen sein.
 
Soviel ich weiß, geht man mittlerweile davon aus, daß die Senke am Harzhorn (heutige A7) quasi abgeriegelt wurde...
In der Ausstellung hat man bei der medialen Darstellung nicht mehr von einer Sperrstellung gesprochen (siehe mein Post von gestern). Da eine zusammengeschossene Sperrstellung eine arrangierte Feldschlacht wäre, wären die Anforderungen an die Mobilität der Torsionsgeschütze auch geringer. Für die frühe Kaiserzeit skizziert Moosbauer (Roms vergessener Feldzug S242f), das diese Waffen von einem Tragetier getragen und dann vor Ort zusammengesetzt worden sind. Erst später eher als auf Karren "schussfertig" transportierte Waffen. Mein Eindruck ist, dass man die Idee einer "Sperrstellung" mangels Funden aufgegeben hat. Müsste man nicht gerade vor dem Hintergrund des improvisierten germanischen Walls in Kalkriese nicht auch mit auffälligen Erdarbeiten für eine "Sperrstellung" am Harzhorn rechnen? Es mag nicht zufällig sein, dass früher immer die Rede von einer "Schlacht am Harzhorn" war, offiziell nun das Thema unter "Roms vergessener Feldzug" firmiert? Ein Defileegefecht und eine Schlacht sind nicht unbedingt das Gleiche. Und gerade im Begleitband zur Ausstellung scheint man eher vorsichtig mit Interpretationen des genauen Ablaufs zu sein.
[archäologische]...Ergebnisse in ein möglichst konsistentes Modell einzubinden. Aber damit ist die Ebene der Fundanalyse verlassen, und mit der Modellbildung wird eine ganz andere Ebene der Erkenntnis erreicht: Sich dieser Problematik stets bewusst zu sein, ist eine wichtige Voraussetzung für seriöse wissenschaftliche Forschung, besonders wenn ein Thema betroffen ist, das dazu tendiert, eine große interpretative Eigendynamik hervorzurufen
"Das Harzhorn-Ereignis - Rekonstruktion einer Schlacht" S296 oa - Anm. Dieser Artikel nennt 3 Haupt- & 3 Nebenautoren

Dieser Abschnitt ist sehr passent für die Frage, welche Rolle die Kriegsmaschinen in den Kämpfen am Harzhorn gespielt haben dürften.

Im Übrigen schildert man in der Ausstellung keineswegs nur die "Schlacht" im weitesten Sinne, sondern das ganze Umfeld, römisch-germanische Kontakte, Entwicklungen und vor allem den Kontext von Severus Alexander bis zu Maximinus Thrax. Als Ausblick zu den anschließenden Wirren der Soldatenkaiserzeit "schockiert" man mit einer Wand voller "kaiserlicher Münzbilder" der damaligen Machthaber und "Gernekaiser". Darunter Porträts von Machthabern der "Sonderreiche", wie Postumus bis hin zu "Kaiserin Zenobia" (Palmyra)...
Maximinus Thrax ? Wikipedia

@Kalkriese;
Dort waren die taktischen und geographischen Verhältnisse anders und die Römer scheinen sich nirgends wirklich zur Schlacht organisieren können. Am Harzhorn war Raum zum Manövrieren der Einheiten und zur Massierung der Torsionswaffen.

salvus schrieb:
Interessant finde ich, dass man in Xanten wohl einen kleinen Torsionsrahmen entdeckt hat, der auf eine Handwaffe hindeuten könnte und dessen Einsatz wohl somit noch schneller und mobiler war. Aber darüber weiß ich nicht genug. Wäre interessant, ob man diesen Fund datieren kann und ob solche Bolzenschussgeräte auch für Kalkriese zumindest zeitlich in Frage kämen.
2009 haben Reenactors in Kalkrise eine solche Waffe vorgeführt. Ein Bild davon stammt von der mir unbekannten Site einer Gruppe von Reenactors. Mobiler war sie sicher, von einem Mann bedient werden sie wohl nicht die Schussgeschwindigkeiten größerer Waffen erreicht haben?
Milites bedenses - Soldaten im Bitburger Land
Google doch mal nach torsionsfire. Da scheint sich jemand viel Arbeit gemacht zu haben....

PS: Ich beziehe mich bei Zitaten mit Seitenangaben auf den Begleitband zur Ausstellung (in dem ich bislang nur einzelne Kapitel gelesen habe)
 
Zuletzt bearbeitet:
Vermutlich weil es damals noch keine Carroballisten gegeben zu haben scheint, sie wurden wohl erst Ende des 1. Jhdts. n. Chr. entwickelt. Ohne fahrbaren Untersatz müssen Geschütze schwer zu bewegen gewesen sein. In der Varusschlacht standen die Römer obendrein keinem massierten germanischen Aufgebot gegenüber, das sie unter Beschuss nehmen konnten, sondern wurden von allen Seiten immer wieder von Trupps angegriffen. Ein nicht mobiles Geschütz dorthin zu bringen, wo es gerade benötigt wurde, und es dann auch noch auf den Gegner auszurichten, wird seine Zeit gedauert haben, und wenn der Angreifer dann bereits in den Nahkampf mit Legionären verwickelt war, war der Beschuss ohnehin kaum noch sinnvoll.


Wo steht bei Iosephus etwas über den Einsatz von Carroballistae?
Falls Du Dich auf das 6. Kap. des 5. Buches des "Jüdischen Krieges" beziehst, so wird dort der "oxybeles" erwähnt, Katapelten und Steinschleudermaschinen. (Der Oxybeles war ein Geschütz, mit dem spitze Pfeile bzw. Bolzen verschossen wurden.) Davon, dass diese Geschütze auf Karren montiert gewesen wären, steht dort aber nichts. Um Mauerkronen zu beschießen, mussten sie aber auch nicht mobil gewesen sein.

Evt. habe ich mich etwas missverständlich ausgedrückt.
Vieleicht ist das alles auch eine Art Definitionssache?
Ob es jene carroballistae zur Zeit der Varusschlacht gegeben hat ist daher in der Tat fraglich. Aber sicherlich gab es schon den scorpio. Ist ballista nicht eine Art Überbegriff für solche Waffen?

Und kommt man auf Kalkriese zurück, so kann man doch zumindest für die Situation am Wall von einem durchaus massierten germanischen Aufgebot sprechen. Letztlich wurden nur wenige Geschosspitzen nachgewiesen. Allerdings sollte man auch hier berücksichtigen, daß das Schlachtfeld geplündert wurde.
 
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