Wie hat ein keltisches Dorf ausgesehen?

Mia Pallasch

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hallo

beschäftige mich seit kurzem mit der kultur der kelten, besonders pikten (wurscht ob die keltisch sind oder nicht) und skoten.
besonders - und darüber findet man leider fast keine informationen im net - interessiert mich, in welcher art von behausungen sie gelebt, gearbeitet, gebetet usw. haben.
waren es häuser aus stein mit strohdächern, holzhütten, höhlen oder vielleicht sogar baumhäuser?
und aus wie vielen bewohnern bestand so ein dorf?

vielleicht kennt sich da jemand aus... bitte
 
Nun, wenn man im Netz nichts findet, so hilft oftmals ein Besuch in der Bibliothek oder Buchhandel. Dort gibt es eine ganze Reihe erstklassiger Publikationen über Kelten und deren Lebensweise.
So würde ich einsteigen mit:
Die Kelten von Alexander Demandt im C.H.Beck Verlag für schlappe 8 Euronen.
Allerdings ohne jegliche Skizze.
Kelten, Römer und Germanen von Friedrich Prinz im Piper Verlag oder Römer, Kelten und Germanen von Maureen Carroll sind, trotz scheinbaren Titelplagiats (der Titel ist älter als die beiden Autoren), ebenfalls sehr gute Bücher und auch angemessen Übersichtlich.
Aus den Händen eines Dozenten der Uni Bonn, Arnulf Krause kommt das Buch "Die Welt der Kelten", Campus Verlag.
Diese Bücher sind alle aktuell und beinhalten was du suchst.

Ansonsten, ohne dir Garantien für die Richtigkeit meiner Aussagen geben zu können, erinnere ich mich an sogenannte "Neunpfahlbauten", bei denen neun Pfähle oder Stämme das "Grundgerüst" bilden, um das ein Haus aufgebaut wird. Grundform ist dabei Viereck.
Davon abgesehen gibt es in Dtl., vor allem in Bayern einige "Rekonstruktionsdörfer", z.B. im bayrischen Wald, nahe Grafenau.
Von Baumhäusern ist mir nichts bekannt, wohl aber von ried- oder grasgedeckten Holzhütten und-häusern.
Wie es mit der Verwendung von Stein als Baumaterial vor der Romanisierung aussah kann ich mich mangels Einblick in die Fundlage nicht äußern.
Spätestens danach aber gab es dieses Material aber auch bei ihren Bauten, in welchem Umfang auf Dörfern...wäre nachzuforschen (Literatur ;) ).

Entschuldige das ich dir da nicht mehr Inforamtionen geben kann, aber ich habe die o.g. Literatur kurz nach ihrem erscheinen nur überflogen und auf ihre Tauglichkeit hin betrachtet. Aber mit ein wenig Geduld kommst du bei diesen Büchern 100% weiter.
 
Ich würde eher sogar noch Helmut Birkhan, "Die Kelten" empfehlen und dem Demandt vorziehen - obwohl, damit hier keine falscher Eindruck entsteht, ich diesen Historiker sehr schätze. Ebenso bezieht sich Carolls "Römer, Kelten und Germanen", ein wirklich gutes Buch, halt doch eher auf die germanischen Provinzen der Römerzeit. Birkhan aber versucht in einem Mammutbuch nahezu alle Aspekte des keltischen Lebens zu schildern - darunter auch die Behausungen der schottischen und irischen Kelten. Leider besitze ich dieses Buch nicht selbst, daher kann ich nur vage schreiben:

Es gab Hütten in Höhlen und Erdlöchern, dazu kleine, aus Stein gebaute Rundhütten. Dazu gab es schmale, turmartige Rundbauten, die aber schon als Befestigungen und Herrenhäuser zu werten sind. Für alle diese Bauten gibt es Fachbezeichnungen, die mir leider nicht geläufig sind. Inwieweit es bei den Schotten und Pikten des Frühmittelalters größere Siedlungen gab, ist mir nicht bekannt.
 
Ähm ...

die britischen Inseln sind im Bezug auf die vorgeschichtlichen Kelten ... nun ja ... "schwierig". (Da ist gar nicht sicher, ob und in welchem Umfang die Inseln zum vorgeschichtlichen keltischen Kulturkreis gehörten. Sprachlich ja - materiell eher nur am Rande (= Süd-Osten Englands evt. mit einer gewissen Ausstrahlung in andere Teile der Inseln)). Kommt immer auf die Definition, was unter "keltisch" verstanden werden kann, an. Da sind sich die archäologische und die linguistische Wissenschaft NICHT einig.

Und wieso (bei so schwierigen Abgrenzungen) über die Nordsee schippern, wenn es auf Ausgrabungsbefunde basierende Rekonstruktionen auf dem europäischen Festland gibt, die nachweislich dem keltischen Kulturkreis bzw. "Trägern der Latènekultur" zuzuordnen sind, z. B. die Alteburg bei Bundenbach (Rheinland-Pfalz - sicher 2. - mind. Mitte 1. Jh. v. Chr. - erste Funde aus dem 3. Jh. v. Chr.).
Hier Foto aus Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Bundenbach#/media/File:Bund-ro-altburg.jpg

Wer mehr wissen will oder Literaturhinweise dazu braucht, schicke mir eine PN.

Ich kenne das Teil und die Ausgrabungsberichte von dort ziemlich gut.

VG
Nemetona
 
Was meinst du damit? Sowohl die zugehörigkeit des britannischen zur keltischen Sprachfamilie als auch die zugehörigkeit der eisenzeitlichen Britannier zur La Tene Kultur ist zweifelsfrei... ersteres ist etwas unsicher in Bezug auf die Pikten, aber ansonsten wüsste ich nicht was daran strittig sein sollte...

spätestens die Besiedlung südost Britanniens durch die Belgen ab ca. dem ersten oder zweiten Jhd. v.Chr. ist auch eindeutig gallisch/keltisch was antike ethnonyme angeht... ansonsten unterschied man damals d.h. in der Antike schon zwischen Galliern, Kelten und Britanniern... wenn du das meinst hast du recht. Die Kelten galten damals zumeist als Untergruppe der Gallier und die Britannier nur als ein den galliern verwandtes Volk bzw. Völkergruppe.
 
Sorry,

Du machst es Dir zu einfach.
"Keltische" Sprachen werden erst seit dem 18. Jh. als solche bezeichnet. (Und erst so alt ist die Vorstellung, dass z. B. Iren, Schotten, Waliser "Kelten" sind.)

Ja, auf den britischen Inseln wurden Sprachen gesprochen, die denen der "Träger der Nordwestalpinen Späthallstattkultur" sowie der "Träger der Latènekultur" auf dem Festland (die als die in den antiken Quellen genannten "Keltoi" bzw. "Galli" - Kelten (griechisch + möglicherweise Selbstbezeichnung) und Gallier (lateinisch) indentifiziert werden können) ähnlich waren. (Das hatte ich nicht bezweifelt.)

Und ja, im Südosten Englands ist auch die späte Latènekultur materiell (archäologisch fassbar) angekommen - was ich ebenfalls erwähnt hatte und was du mit einer zwar kolportierten, aber noch nicht sicher nachgewiesenen "Besiedlung" durch "Belger" erklärst. Kann schon sein, dass Bevölkerungsgruppen aus den nordseenahen Regionen "Galliens" sich jenseits des Kanals angesiedelt haben, aber diese "Einwanderungstheorie" ist noch nicht sicher belegt. (Nur als Beispiel - Für die "Einwanderung" von Angelsachsen vom Festland nach England einige Jahrhunderte später gibt es da deutlichere archäologische Belege. Ich sage nur "werkstattgleiche Fibeln hüben wie drüben".)

Je weiter man sich auf den britischen Inseln von den heutigen Grafschaften Kent und Sussex aus Richtung Norden und Westen wegbewegt, desto mehr weichen die materiellen Hinterlassenschaften der späten Eisenzeit von den zeitgleichen sicher "keltischen" auf dem europäischen Festland ab. - Einzelne Formen verbreiten sich weiter, aber in anderen Bereichen sind die Befunde auf den Inseln deutlich von denen der "keltischen" Kerngebiete auf dem Festland verschieden. - Die eisenzeitlichen Menschen auf den britischen Inseln haben nie die "keltische Kultur" des Festlandes als Ganzes übernommen, sondern behielten eigene, traditionelle "nicht-keltische" Kulturäußerungen bei. Ein Paradebeispiel für "nicht-keltische" sondern in der regionalen Tradition verhaftete Kulturäußerungen ist gerade die Form und Bauweise von Häusern und Dörfern auf den britischen Inseln - insbesondere je weiter man nach Westen oder Norden kommt.

Runde Grundrisse in Steinbauweise für Wohnhäuser - wie ich sie selbst an verschiedenen Ecken der britischen Inseln gesehen habe - waren auf dem Festland (dem Kerngebiet der "Kelten") völlig unbekannt. Sie sind in dieser Region Europas ganz spezifisch "Britische Inseln" und sind dort seit der Jungsteinzeit tradiert (siehe Skara Brae auf den Orkney Inseln).

Auf dem europäischen Festland beschränkte sich die Steinbauweise bis zur provinzialrömischen Zeit auf Befestigungsmauern (in Trockenbauweise). Wohn-, Wirtschafts- und andere Gebäude der Eisenzeit waren durchgängig in Holz-Lehm-Bauweise (entweder Pfosten- oder Ständerbauten) oder reiner Holzbauweise errichtet. Die Grundrisse von Wohn- und Wirtschaftsgebäude der Latènekultur (die man als "Kelten" bezeichnen darf) war immer viereckig (meist rechteckig oder ab und zu quadratisch) - nie rund. Die wenigen runden Grundrisse, die aus umfassenden Ausgrabungen spätkeltischer Siedlungen auf dem europäischen Festland bekannt sind, werden meist als "Sonderbauten" (evt. "Tempel/Heiligtümer" (mit großem ?)) interpretiert.
In diese meine Zusammenfassung geht die jahrelange Lektüre von sehr vielen Ausgrabungsberichten von späthallstatt- und latènezeitlichen (also "keltischen") Siedlungen auf dem europäischen Festland von Böhmen/Mähren im Osten bis zum Atlantik im Westen mit ein - also den Kerngebieten der eisenzeitlichen "Kelten".

Daher noch einmal zur Ausgangsfrage des Aussehens eines "keltischen" Dorfs - NEIN, die steinernen Rundbauten auf den britischen Inseln sind NICHT typisch für ein "keltisches Dorf". Das ist eine Sonderbauweise von Wohngebäuden, die nichtkeltischen Ursprungs sondern viel älter und in Nord-West- und Mitteleuropa auf die britischen Inseln beschränkt ist.
"Typische" Dörfer der "Kelten" auf dem Festland (und da waren die Kernregionen dieser Kultur) sahen wahrscheinlich ähnlich aus, wie die von mir gepostete Rekonstruktion auf der Alteburg in Bundenbach - wobei Bundenbach natürlich eine befestigte Höhensiedlung (also eine "Sondersiedlung") war, die zu bestimmten Zeiten ihres Bestehens zunächst durch eine Palisade und später durch eine mächtige Hauptbefestigung in Holz-Stein-Erde-Bauweise mit vorgelagertem Graben und (wahrscheinlich in Holz gearbeiteten) Randbefestigungen umgeben war.
Diese mächtigen Befestigungen Befestigungsanlagen sind für einfache Höfe oder Dörfer auf dem "flachen Land" nicht zu erwarten.

Mein Tipp für ein sehr wahrscheinlich "typisches" Aussehen eines "keltischen" Dorfs: Die Rekonstruktion der Alteburg in Bundenbach nehmen und sich Wall und Palisaden wegdenken.

Nur mal so

VG
Nemetona
 
Zuletzt bearbeitet:
Runde Grundrisse in Steinbauweise für Wohnhäuser - wie ich sie selbst an verschiedenen Ecken der britischen Inseln gesehen habe - waren auf dem Festland (dem Kerngebiet der "Kelten") völlig unbekannt. Sie sind in dieser Region Europas ganz spezifisch "Britische Inseln" und sind dort seit der Jungsteinzeit tradiert (siehe Skara Brae auf den Orkney Inseln).

Wobei die spätbronzezeitlichen bis späteisenzeitlichen castros in Nordwestspanien und Portugal sich gerade durch Rundhütten auszeichnen. Aber man hat eben auch immer damit gebaut, was gerade vorhanden war. Steine dort, Baumstämme, Flechtwerk und Lehm hier.

Daher noch einmal zur Ausgangsfrage des Aussehens eines "keltischen" Dorfs - NEIN, die steinernen Rundbauten auf den britischen Inseln sind NICHT typisch für ein "keltisches Dorf".
In Regionen aber eben doch. Es ist eben nicht so, dass alles was der Materialkultur nach keltisch ist, auch von Bewohnern keltischer Zunge gebraut/produziert/genutzt wurde bzw. umgekehrt, dass Menschen keltischer Zunge immer nur der Hallstatt und später der La Tène angehörten. Es ist im Übrigen ganz normal, dass die Materialkultur sich von ihren Zentren - die im Grunde genommen gar nicht unbedingt solche sind - entfernend, verändert. Egal welche archäologische Kultur wir zugrundelegen: Es handelt sich meist um Hilfsbegriffe nach Erstfundorten, einfach um dem Kind einen Namen zu geben. Damit werden aber häufig Zentren definiert, die gar keine solchen sind, Innovationen werden zu Abweichungen...
 
Es ist generell schwierig eine "keltische Norm" festzulegen wenn man das auf die Goldwaage legt... am besten lässt man es. Niemand hat in der späten Antike gesagt "wir sind kelten und bauen keltisch!". Besser man lässt sich nicht darauf ein. Deswegen solte man aber nicht gleich das Kind mit dem Bade ausschütten... La Téne Kultur ist ein nützlicher Hilfsbegriff für eine bestimmte Epoche eines Teils Europas...
 
Nicht das ich die Diskussion abwürgen wollte, nur als Hinweis mit zum Teil gleichen Links
in diesem Forum zwei ähnliche thematische Diskussionen:
http://www.geschichtsforum.de/f32/keltische-bauweise-42090/
und http://www.geschichtsforum.de/f32/wohnart-der-kelten-19233/

Besonders gefallen hat mir der verlinkte Text vom leider ruhig gewordenen Der Geist
Rekonstruktionen keltischer Wohnanlagen und warum ich nicht an sie glaube

Einfach eine sehr kreative und anregende Infragestellung der einmal "konservativ" an den nachweisbaren Befunden orientierten Rekonstruktionen, die aber dann oft in einen fast neolithischen Primitivismus münden - dies sieht Raimund Karl als Grundelement aller "klassischen" Rekonstruktionen, die, da die keltische Architektur in Mitteleuropa auf Holzbauweise basierte, die vergänglich ist, ein eigenes Bild der "eisenzeitlichen" Häuser implementiert. Ich denke in den alten Diskussionen sind einige Punkte die EQ auch oben erwähnt schon ausgesprochen - die Bedeutung des vorhandenen Materials für den Hausbau, des Klimas, lokale weit zurückreichende Bautraditionen (beschreibt Nemetona für die britischen Inseln).
Oder um einmal den Geist zu zitieren:
"Ich denke aber vorallem sollten Häuser zweckdienlich sein, und jeder Naturraum stellt auch ein paar andere Ansprüche an den Hausbau.
Also das keltischen Haus wird s so nicht gegeben haben sondern ganz verschiedene Möglichkeiten Häuser zu bauen und einzurichten."
 
[FONT=&quot]Hallo ELQ,

da sprichst Du komplizierte Themen an.

Zur Bauweise:
Ja, im atlantischen Raum gab es in der Vorgeschichte diese Rundbauweise - und zwar wohl schon ziemlich früh. - Müsste man mal gucken oder untersuchen, ob sich das in irgendeiner Weise (teilweise) mit der Verbreitung der Megalithkultur überschneidet - ich tippe drauf. Außerdem wird wohl da die "Beaker-Culture" (Becher-Kultur) im Westeuropäischen (u. a. auch auf den britischen Inseln) mit in Beziehung stehen. (Nicht ganz identisch mit den Becherkulturen in Dtl. - Glockenbecher und Schnurbecher - aber die Glockenbecherkultur ist eher westlich orientiert und hat, meines Wissens nach, auch im atlantischen Bereich mitgemischt. - Da gibt es Funde bis auf die Inseln. Ein Teil der "Beaker-Cultures" in Westeuropa/den Inseln ist wohl der Glockenbecherkultur zuzuordnen.) - Aber das ist Endneolithikum.

Weder Nordwestspanien noch Portugal waren später (und ich spreche von der späteisenzeitlichen Latènekultur auf dem europäischen Kontinent und ihrer Kernregionen) richtig in den "keltischen" Kulturkreis integriert. Es gibt dort "keltische" latènezeitliche und an die Latènekultur angelehnte Befunde. - Aber zum "kulturellen Kern" dieser Kultur gehörten diese Regionen nie. Das war im Bezug auf „die Kelten“ immer kulturelle Peripherie. Die Forschung spricht daher auch von "Kelt-Iberer" nicht von "Kelten".

Und du gehst in deiner Argumentation wieder auf die Sprache ein. Die ist - meiner Einschätzung nach - aber höchstens zweit- (eher dritt-) rangig, wenn es um "keltisch" oder nicht geht. Das ist aber eben meine persönliche Herangehensweise, da ich aus der Archäologie komme und Bedenken bezüglich der Linguistik habe.

Für meine Einschätzung sind die archäologischen Funde und Befunde erst mal vorrangig. Damit kann man das, was von einer materiellen Kultur entdeckt wurde, beschreiben und mit anderen Fundorten vergleichen. Da braucht man erst mal keine kulturelle und erst recht nicht historische Zuordnungen - da sind einfach mal Fakten: Wir haben die und die Schichten gefunden, da waren in dem und dem Zusammenhang, die und die Befunde oder Funde, die so oder so in der Erde steckten. - Fotos, Aufmessungen, Zeichungen dazu usw..

[/FONT]
[FONT=&quot]Archäologen gehen von dem aus, was sie tatsächlich materiell greifbar haben und vergleichen das mit anderen Funden und Befunden aus anderen Grabungen – auch aus anderen Regionen (die diversen Filter für die Überlieferungsbedingungen archäologischer Befunde, habe wir dabei (hoffentlich) immer im Blick). [/FONT]

[FONT=&quot]Wo gibt es ähnliche Befunde und Funde? Wo sehen sie anders aus? Das Beobachtete allein aufgrund von schriftlichen Quellen historisch einordnen zu versuchen, ist aus Sicht der Archäologie methodisch nicht sauber. Sie fordert da deutlich mehr Quellenkritik von den Historikern und ... ups, dass sie sich intensiver mit den – sorry böse Worte - ARCHÄOLOGISCHEN Befunden auseinandersetzen. (Damit meine ich nicht dich.)[/FONT]

[FONT=&quot]Gerade was die vorrömischen Kulturen in Mittel- und Westeuropa angeht, die keine eigenen schriftlichen Quellen, dafür aber Massen von archäologischen Funden und Befunden, überliefert haben, ist - meiner Einschätzung nach – der Archäologie der deutliche Vorrang vor anderen Quellen (insb. Schriftquellen) einzuräumen. [/FONT]

[FONT=&quot]Für die materiellen Kulturen, die die Archäologie üblicherweise mit „den Kelten“ gleichsetzt, die Späthallstattkultur (oder zumindest den nordwestalpinen Kreis davon) sowie die Latènekultur gibt es nur wenige schriftliche Quellen und die regelmäßig von „Außen“, wobei einige der historischen Autoren nicht nur „von außen“ sondern zusätzlich als militärische Gegner schrieben. [/FONT]
[FONT=&quot]Sicherlich ist Caesar der wichtigste Autor, wenn es um schriftliche Beschreibungen der Kelten der Spätlatènezeit geht. Aber er schrieb nicht nur als militärischer Gegner und mit deutlicher politischer Intention (nämlich seine persönlichen machtpolitischen und sicher auch wirtschaftlichen Ziele in Rom durchzusetzen). Er schrieb auch zu einer Zeit, als sich die keltische Spätlatènekultur rechts des Rheins (bis nach Böhmen/Mähren) in Auflösung befand. Das hatte sicherlich auch (wirtschaftliche) Auswirkungen auf die linksrheinischen Kelten (Gallier, Belgen, Aquitanier), die freilich genau zu dieser Zeit von Caesar unterworfen und dem Römischen Reich einverleibt wurden. – Will heißen, Caesar beschreibt nicht eine Kultur in der Blüte, sondern im Niedergang.[/FONT]
[FONT=&quot]Also Vorsicht bei den schriftlichen Quellen.[/FONT]

[FONT=&quot]Die Linguisten können sogar auf noch weniger Quellen zurückgreifen, wenn sie eine „altkeltische“ Sprache rekonstruieren und mit anderen verwandten Sprachen vergleichen: - Orts-, Gewässer- und Personennamen sowie einige schriftliche Aufzeichnungen, die freilich alle aus provizialrömischer Zeit stammen und Jahrzehnte bis Jahrhunderte nach der originären Latènezeit entstanden.[/FONT]

[FONT=&quot]So – und dagegen stehen Massen von archäologischen Funden und Befunden der genannten Kulturen aus ganz Mitteleuropa. Die Publikationen füllen in den einschlägigen Bibliotheken Regalwände, nicht nur Regalmeter. Klar ist es mühsam, sich da durchzuarbeiten – aber DAS sind die wichtigsten Quellen zu diesen Kulturen. [/FONT]
[FONT=&quot](Ach ja, neben Deutsch sollte man dazu mindestens Französisch und Englisch können. Latein oder Altgriechisch oder Gälisch helfen da leider nicht, aber Tschechisch, Italienisch und Spanisch könnten hilfreich sein (Tschechisch als vierte Fremdsprache neben Englisch, Französisch und Latein zu lernen steht noch auf meiner To-do-Liste – falls ich neben meinem (nicht-archäologischen) Job, Privatleben und ehrenamtlicher Arbeit noch Muße dazu finde.)[/FONT]

[FONT=&quot]Doch zurück zum eigentlichen Thema. [/FONT]
[FONT=&quot]Es ging darum, dass jemand wissen wollte, wie ein „keltisches“ Dorf aussah. Ich hatte interveniert als Haerangil die für die britischen Inseln dieser Zeit typische Bauweisen vorschlug, die aber genau NICHT typisch für die Hausformen im Kernbereich der „keltischen Kultur“, der auf dem europäischen Festland lag, sind. [/FONT]
[FONT=&quot]Nur als Beispiel: Wenn ich heute eine „typische“ Gesellschaft beschreiben soll, in der Englisch gesprochen wird, und ich „typisch“ ernstnehme, suche ich mir Großbritannien, die USA oder Australien aus und nicht gerade Malta oder Kenia (wo Englisch auch Amtssprache ist), oder? - Und genau so ist das mit der Frage nach dem „keltischen“ Dorf. Da suche ich ein gutes Beispiel aus der Kernregion der entsprechenden Kultur, nicht eines aus der Peripherie, die sogar in diesem Bereich einen Sonderweg gegangen war.[/FONT]
[FONT=&quot]

@Biturigos – Ich kenne den Artikel von Raimund Karl seit Jahren und er wird durchaus Recht haben, was die Innenausstattung und das Obergeschoss „keltischer“ Wohnhäuser angeht. Ich glaube auch nicht an die extrem einfache Innenausstattung in Bundenbach. [/FONT]

[FONT=&quot]Es ging mir darum, dass ein User hier die Rundhäuser in Steinbauweise, die eine ganz spezifische, regionaltypische Kulturäußerung vom äußersten Rand der keltischen Latènekultur waren (wenn da überhaupt von „Latènekultur“ gesprochen werden kann oder nur von der Übernahme einzelner Kulturaspekte) und im diametralen Gegensatz zu der Bauweise steht, die in den Kernregionen der Latènekultur archäologisch nachgewiesen sind, als „Beispiel für ein „keltisches“ Dorf“ vorgeschlagen hat.[/FONT]
[FONT=&quot]Wenn ein „typisch keltisches“ Haus rechteckig, in Holz-Lehm-Bauweise, wohnlich eingerichtet, mit nettem Obergeschoss mit Gauben unter dem Strohdach (wie Raimund das vorschlägt) rekonstruiert werden sollte, bin ich vollständig d’accord.[/FONT]

[FONT=&quot]Nur mal so viel – ja war jetzt viel Text. Aber es gibt wohl auch viel zu erklären und klarzustellen.[/FONT]

[FONT=&quot]So, jetzt nehmt mich auseinander [/FONT]:)

[FONT=&quot]Ich wünsche allen, einen schönen Freitag und bald ein Schönes Wochenende.[/FONT]

[FONT=&quot]Viele Grüße[/FONT]

[FONT=&quot]Nemetona [/FONT]
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe heute mal das Heidetränk-Oppidum bei Oberursel besucht. Eines der wesentlichen Argumente für eine "einfache" Gestaltung der dortigen Häuser ist die geringe Grundfläche der Wohnpodien. Klar - je kleiner ein Haus, desto weniger Gestaltungsmöglichkeiten bietet es. Allerdings gab es so gut wie keine Grabungen im Innenraum.

Auch auf dem Dünsberg, der allerdings trotz großer Grabungskampagnen in neuerer Zeit aufgrund der dortigen Bodenbeschaffheit nur noch wenige Grundrisse erbrachte, sollen die Häuser
 
Hallo Ashigaru,

ja die Wohnpodien im Heidetränk-Oppidum (rechte Seite von der Straße von Oberursel/Frankfurt nach Norden (Richtung Feldberg) gesehen, oder?) scheinen ziemlich klein zu sein. Ich war schon öfter da oben und das ist mir auch aufgefallen.
Aber trotz gelegentlicher Besuche dort ist es mir noch nie in den Sinn gekommen, die potentielle Wohnfläche der Podien mal auszumessen und die Ausmessungen mit Befunden aus anderen keltischen Siedlungsgrabungen zu vergleichen. Sollte man mal machen.
Im Heidetränk-Oppidum kommt hinzu, dass die "Wohnpodien" wohl kaum die einzigen Orte für Gebäude auf dem Oppidumgelände gewesen sein können. Das befestigte Oppidum war sehr, sehr, sehr viel größer und die Befestigungsanlagen ziehen auch links des Urselbaches (von Süden und Oberursel/Frankfurt aus gesehen) auf die Höhe hoch, schließen den Berggipfel ein und ziehen danach nördlich des Gipfels wieder den Berg runter Richtung Urselbach und auf der anderen Seite von Bach und heutiger Straße wieder bergauf.

Da sind unendlich viele andere Plätze wo mehr und größere Gebäude gestanden haben könnten. Leider sind nur wenige Teile des Heidetränk-Oppidums überhaupt wissenschaftlich sauber ausgegraben. Der Großteil der Funde von der Heidetränk sind Oberflächenfunde von Begehungen oder als ziemlich schwierig einzustufende Funde - ohne Befunde - von sog. "Hobbyarchäologen", die ihre mit Dektetoren gefundenen Metallgegenstände dankenswerterweise der ärchäologischen Wissenschaft zur Verfügung gestellt haben. (Will sagen, dass das Heidetränk-Oppidum seit Jahrzehnten von illegalen Sondengängern ausgeplündert wird - Befunde werden nicht dokumentiert und falls Funde tatsächlich bei der Archäologie landen, sind sie kaum auszuwerten.) - Wie will man da denn nachvollziehen, wo in diesem sehr großem Oppidum welche Gebäude gestanden haben könnten und wie sie ausgesehen haben könnten?

- Naja, dass die Gebäude dort nicht rund und aus Steinen errichtet waren, kann ich jedenfalls bezeugen.

VG

Nemetona
 
Nemetona, Mia Pallasch hatte doch ganz gezielt nach piktisch und skotischen Siedlungen gefragt und nicht nach welchen aus der Zentrallaténe:

beschäftige mich seit kurzem mit der kultur der kelten, besonders pikten (wurscht ob die keltisch sind oder nicht) und skoten.

da find ichs etwas gemein mir gerade vorzuwerfen ,daß ich gezielt diese Frage beantwortet hatte.
 
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