Wie läßt sich eine Nation definieren?

Zitat Florian 17160



"ok. da kam wieder mein hobby für mittelalterliche baukunst hoch. ich dachte, er hat romantik mit romanik verwechselt. tut mir leid.[/QUOTE]"

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Lieber Florian, Dein Hobby in allen Ehren, aber vielleicht ließt Du die Geschichtsbücher auch rückwärts,
anders kann ich mir Deine unqualifizierte Antwort nicht erklären. Gern tausche ich mich mit Dir über Baustile, deren Bedeutung und Funktion durch die Jahrhunderte aus mit besonderer Berücksichtigung als nationaler Identifikationsfaktor aus,aber bitte erst
mal ein Kapitel über die Entwicklung des Nationenbegriffs ab dem 18.Jahrhundert in Deutschland lesen,dann wirst Du erkennen was ich mit mittelalterl.Bezügen in der deutschen Romantik und davor meine.
Als Anregung zum Einstieg : Goethes Aufsatz von 1772 über das Straßburger Münster ,Du wirst das sicher ergoogeln können. ;)
 
hyokkose schrieb:
Heißt das dann, daß es gar keine US-amerikanische Nation gibt, sondern nur eine US-amerikanische Staatsbürgerschaft?

Lieber Hyokkose,
wenn sich jemand zur amerikanischen Nation gehörig fühlt, dann gehört er der amerikanischen Nation an. Die Angehörigkeit zu einer Nation definiert sich über den Willen eine jeden Einzelnen. Wenn einer zu dieser Nation gehören will, dann gehört er zu der Nation. Wenn einer aber zur Lakota-Nation gehören will, dann gehört er eben dazu. Es gibt aber keine Ordnung von Über- und Unternationen. Jedes Nation ist soviel Wert, wie jede andere auch. :thx:
 
florian17160 schrieb:
ich sagte doch, tut mir leid

Lieber Florian, mir gehts nicht um Deine lustige Verwechlung von Romanik,Romantik und Gotik und deshalb mußt Du Dich auch nicht entschuldigen,aber

bei Deinem schönen Hobby würde ich Dir ungern vorenthalten,was da mit der "religiösen Klammer in Hinblick auf die Gotik und der Romantik "gemeint ist;
Daher meine Empfehlung neben dem Aufsatz von Goethe auch Briefe des für die Romantik wichtigen Philosophen Friedrich Schlegel zu lesen, der von dem Begriff der "Idee und Geheimnis des Christentums" im Hinblick auf die mittelaltel. Architektur spricht.
Du bekommst das bestimmt in einer guten Bibliothek unter :"Poetisches Tagebuch von 1806"
und da unter "Briefe einer Reise durch die Niederlande, Rheinlande..."einzusehen.
Ich hoffe sehr, daß Du meine Vorschläge nicht als Arroganz auslegst, aber für Dein Hobby bringt Dich das weiter. ;)
 
heinz schrieb:
Lieber Hyokkose,
wenn sich jemand zur amerikanischen Nation gehörig fühlt, dann gehört er der amerikanischen Nation an. Die Angehörigkeit zu einer Nation definiert sich über den Willen eine jeden Einzelnen. Wenn einer zu dieser Nation gehören will, dann gehört er zu der Nation. Wenn einer aber zur Lakota-Nation gehören will, dann gehört er eben dazu. Es gibt aber keine Ordnung von Über- und Unternationen. Jedes Nation ist soviel Wert, wie jede andere auch. :thx:

Nationen und Völker zu "erfinden", ist der Natur vorbehalten. Ein Weißer wird auch nicht schwarz, nur weil er sich als solcher empfindet.

Völker sind durch langwierige Entstehung zu dem geworden, was sie heute sind und werden durch lange Entstehung das, was sie morgen sein werden.

Das geht nicht einfach so "klick"-Willen. Man wird so geboren.
Von daher halte ich deine These für absolut künstlich.

Ich kann auch nicht einfach behaupten, ich sei ein Vogel. Ich bin ein Mensch und das ist einfach ein Fakt. Lebewesen bewegen sich in Grüppchen, die von eben diesen beginnen bis zur kleinsten Sippe.

Sag doch mal deinem Vater oder deiner Mutter, dass du ab sofort nicht mehr deren Sohn bist, sondern der Sohn von einem anderen Paar?
Das geht nicht? Wieso geht das nicht?
Man kann sich doch auch das Volk "aussuchen" oder?

Nein kann man nicht und das hat mit "Wert" rein gar nix zu tun.
 
Zuletzt bearbeitet:
uffty schrieb:
Nationen und Völker zu "erfinden", ist der Natur vorbehalten. Ein Weißer wird auch nicht schwarz, nur weil er sich als solcher empfindet.

Völker sind nicht naturgegeben.

Eine Hautfarbe macht noch lange kein Volk, ein schwarzer Deutscher ist ein Deutscher, und ein weißer Deutscher ist ein Deutscher.

Außer in der Gedankenwelt der Rassisten.
 
hyokkose schrieb:
Völker sind nicht naturgegeben.

Eine Hautfarbe macht noch lange kein Volk, ein schwarzer Deutscher ist ein Deutscher, und ein weißer Deutscher ist ein Deutscher.

Außer in der Gedankenwelt der Rassisten.

..was bedeutet, dass in deiner Weltanschauung Studienfächer wie zB Ethnologie im Bezug auf Ethnie/Volk/Abstammung verboten werden sollten?

Gut, ich probier es anders und kürzer. Das wurde zuviel.

Wenn ich feststelle, dass deine Augenfarbe blau ist ,wie fasst du das auf?
Als Urteil oder als Feststellung?

Wenn du blaue Augen hast, aber braune Augen lieber gehabt hättest, was genau machst du dann um dies zu ändern (jetzt kommt das künstliche ins Spiel)?
 
Zuletzt bearbeitet:
uffty schrieb:
..was bedeutet, dass in deiner Weltanschauung Studienfächer wie zB Ethnologie im Bezug auf Ethnie/Volk/Abstammung verboten werden sollten?

Unsinn.


uffty schrieb:
Wenn ich feststelle, dass deine Augenfarbe blau ist ,wie fasst du das auf?
Als Urteil oder als Feststellung?

Als Feststellung, die mit meiner Augenfarbe zu tun hat.

Als Feststellung, die nichts, aber auch gar nichts mit meiner Volkszugehörigkeit zu tun hat.



uffty schrieb:
Wenn du blaue Augen hast, aber braune Augen lieber gehabt hättest, was genau machst du dann um dies zu ändern (jetzt kommt das künstliche ins Spiel)?

Ich glaube eher, jetzt kommt die Satire ins Spiel. Was haben eigentlich Körpermerkmale mit Volkszugehörigkeit zu tun?

Um Deine Frage zu beantworten:

Dann beantrage ich einen niederländischen Paß, weil die Niederländer braunäugig sind.
Wenn ich grüne Augen haben will, beantrage ich einen polnischen Paß, weil die Polen grünäugig sind.
Und wenn ich Schuhgröße 44 haben will, beantrage ich einen Schweizer Paß, weil die Schweizer Schuhgröße 44 haben.
 
ursi schrieb:
Bei mir geht es ja einigermassen. Aber stell dir die Appenzeller vor:

Körpergrösse 1.40 und diese Schuhgrösse :rofl:

Die fallen wenigstens am Berg nicht um. Aber nun verstehe ich woher der Name für diesen fies muffigen Käse kommt..:nono:
 
uffty schrieb:
Nationen und Völker zu "erfinden", ist der Natur vorbehalten. Ein Weißer wird auch nicht schwarz, nur weil er sich als solcher empfindet.

Sag doch mal deinem Vater oder deiner Mutter, dass du ab sofort nicht mehr deren Sohn bist, sondern der Sohn von einem anderen Paar?
Das geht nicht? Wieso geht das nicht?
Man kann sich doch auch das Volk "aussuchen" oder?

Nein kann man nicht und das hat mit "Wert" rein gar nix zu tun.

Lieber Uffty,
natürlich kann man sich sein Volk aussuchen, in dem Du in ein anderes Land eiwanderst und nach einer Zeit die Staatsangehörigkeit des Landes annimmst.

Was solll das mit schwarz und weiß?:confused: Gerade die USA ist ein gutes Beispiel dafür, dass Angehörige aller Rassen und Religionen Amerikaner werden können. Es gibt Amerikaner afrikanischen, europäischen oder spanisch-indianischen Ursprungs.
Meinem Vater kann ich überhaupt nichts sagen, da er im WKII gefallen ist und meine alte 86jährige Mutter werde ich mit solchen Aussagen nicht erschrecken. Es gibt aber durchaus Eltern, die behaupten keinen Sohn mehr zu haben, trotzdem das Gegenteil wahr ist.:motz:
 
Ich habe die Diskussion hier nur am Rande verfolgt, aber es scheint mir, als würden verschiedene Begriffe durcheinander geworfen.

Da ist einmal der Begriff Nation, dann der eines Volkes, was sich weitestgehend deckt und dann der der Staatsangehörigkeit. In Deutschland ist es zum Beispiel so, daß sich das aktuelle Staatsangehörigkeitsrecht (seit 2000 von Rot-Grün verabschiedet), vom vorherigen Abstammungsprinzip zum Geburtsortsprinzip hin gewandelt hat. Kurz skizziert: Vorher war ein Kind italienischer Eltern, das in Düsseldorf geboren wurde, erstmal Italiener. Heute ist es erstmal Deutscher wenn ein Elternteil mindestens seit 8 Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt - mit der Möglichkeit späterer Wahl bis zum 23.Lebensjahr (Italiener oder Deutscher?)

Die ganze Problematik der Staatsangehörigkeit wurde ja damals ausgiebig diskutiert, wobei die andere Sichtweise der Unionsparteien, die sich eher an der Abstammung orientieren, deutlich wurde. In diesen Jahren wurden auch die Auswirkungen auf die "Auslandsdeutschen" (Deutschstämmigen) ausgiebig diskutiert. Askan kann da sicher viel zu sagen.

Worauf ich hinaus will: Ich meine, diese Begriffe sind nicht für jedes Land und jeden Kopf dasselbe. Wenn hyo als Erwiderung auf uffty schreibt:

Hyokkose schrieb:
Völker sind nicht naturgegeben.
Eine Hautfarbe macht noch lange kein Volk, ein schwarzer Deutscher ist ein Deutscher, und ein weißer Deutscher ist ein Deutscher.
Außer in der Gedankenwelt der Rassisten.

dann finde ich das zu hart, denn eine Staatsangehörigkeit ist durch Gesetze einfach zu definieren. Wer Angehöriger eines Volkes ist, erheblich schwerer. Es muß ja nicht immer gleich der Schwarze sein, der so wunderbar in die Argumentation gegen Rassisten passt. Nehmen wir einen "stinknormalen" Holländer, Rudi Carrel oder sonstwen. Der mag die deutsche Staatsangehörigkeit haben (weiß ich jetzt nicht genau) und sich auch hier zuhause fühlen. Ob er sich aber als Angehöriger der deutschen Nation fühlt, ist die zweite Frage und die dritte Frage: Sehen ihn seine Zuschauer als Deutschen oder als Holländer, der in Deutschland wohnt?

Hier einem sehr großen Anteil der Bevölkerung das Attribut "Rassist" aufzudrücken ist ungerechtfertigt. Für viele ist Blut halt mehr wert als Papier und Stempel. Das muß kein Rassismus sein.
 
Der Unterschied zwischen subjektiver und objektiver Nation sollte zunächst jedem geläufig sein.

Einer subjektiven Nation tritt man durch Bejahung dieser Nation bei, beispielsweise ein Türke, der einen deutschen Pass beantragt. Natürlich behält er seine kulturelle Abstammung bei, tritt jedoch der deutschen Staatsnation bei. Die Staatsnation wird durch das Staatsgebiet definiert. Ein prädestiniertes Beispiel hierfür wären die USA. Die objektive Nation oder auch Kulturnation im Gegensatz dazu definiert sich durch ethnisch-kulturelle Gegebenheiten. Durch Sprache, Kultur, Abstammung, Geschichte und manchmal auch Religion besteht hier eine Verbundenheit auch über Staatsgrenzen hinweg. Perfektes Beispiel: Die polnische Nation in der langen Phase ohne polnischen Staat. Der Türke aus dem obigen Beispiel bliebe also kulturell gesehen Türke, wenn er seine Bräuche, Sprache und auch Religion beibehält. Dennoch bejaht er das Deutschsein, er fühlt sich der deutschen Nation womöglich zugehörig und ist aus eigenem Willen und Antrieb Mitglied derselben. So gesehen ist er Deutscher. Insofern kann auch jeder Asiate, Afrikaner etc. Deutscher werden. Dass jemand weiterhin z.B. schwarz ist, ändert nichts an seinem Verhältnis zum Deutschen Staat, auch wenn er nicht "deutschstämmig" ist.
 
Noch ein Nachtrag: Wenn sich vielleicht noch eine vernünftige Definition einer Nation finden lässt, so führt die Suche nach einer Definition, womit sich jede Einzelperson zuordnen lässt nach meiner Einschätzung nirgendwohin.

Diese Zuordnung ändert(e) sich im Laufe der Geschichte für die Allgemeinheit einer Menschengruppe mehrfach, sowie für den Einzelnen und seine Nachkommen.

1919 wollten sich die Österreicher dem Deutschen Reich anschließen, nun kein Vielvölkerstaat mehr, weil sie sich doch scheinbar als Deutsche fühlten und keine Zukunft im "Reststaat Österreich" sahen. Kürzlich wurde eisern darum gekämpft ob in einer blöden Fernsehshow Mozart nun Österreicher oder Deutscher war.

Der Verkäufer im Blumenladen hat einen französisch klingenden Namen, der nach Hugenotten klingt. Niemand würde den als Franzosen einordnen. Seine Vorfahren waren es aber. Nach der Abstammungslogik ist er nach wie vor Franzose. Ein Nachkomme polnischer Grubenarbeiter im Rheinland ist natürlich Deutscher, auch er Szykoplowski heisst.

Es ändern sich also die Zuordnungen in der Geschichte und zusätzlich nach einer Anzahl von Generationen im Einwandererland - ja wieviele denn?

Es gibt kein allgemein- und dauernd gültiges Muster. Das sollte man einfach akzeptieren. Vielleicht für Franzosen oder US-Amerikaner, die das noch etwas anders sehen. Aber wer Angehöriger der deutschen Nation ist oder war ist hier in diesem schwammigen Staatskörper mitten in Europa mit seiner belasteten Geschichte immer eine Sache, die unterschiedlich gesehen wird. Zeigt Toleranz und lasst da auch andere Ansichten gelten, die der eigenen abweichen. Fragt die Oma beim Friseur, ob Rudi nun Holländer oder Deutscher ist. Wenn sie Holländer sagt, obwohl er die deutsche Staatsangehörigkeit hat, ist sie noch lange keine Rassistin. :cool:
 
Zuletzt bearbeitet:
fünfer schrieb:
Dass jemand weiterhin z.B. schwarz ist, ändert nichts an seinem Verhältnis zum Deutschen Staat, auch wenn er nicht "deutschstämmig" ist.

Lieber Fünfer,
was soll der Begriff deutschstämmig?:confused: Einen deutschen Stamm hat es nie gegeben. Die Deutschen waren und sind immer ein Mischvolk gewesen. Angefangen bei Kelten, Germanen, Römern mit den vielen Völkerschaften, welche am Limes Dienst taten, über Slawen, Pruzzen, Flamen, Dänen, Schweden und Hugenotten.:grübel:
 
hallo heinz,


heinz schrieb:
Lieber Fünfer,
was soll der Begriff deutschstämmig?:confused: Einen deutschen Stamm hat es nie gegeben. Die Deutschen waren und sind immer ein Mischvolk gewesen. Angefangen bei Kelten, Germanen, Römern mit den vielen Völkerschaften, welche am Limes Dienst taten, über Slawen, Pruzzen, Flamen, Dänen, Schweden und Hugenotten.:grübel:

Daher die "" ;)

Mir ist klar, dass es nie einen Deutschen Stamm gab, der Begriff "deutschstämmig" soll hier einfach nur ausdrücken, dass jemand seit mehreren Generationen in Deutschland lebt, die Eltern Deutsche waren etc.

Der Begriff ist vielleicht etwas unglücklich gewählt - sry :scheinheilig:

mfg fünfer
 
Arne schrieb:
Wenn sich vielleicht noch eine vernünftige Definition einer Nation finden lässt, so führt die Suche nach einer Definition, womit sich jede Einzelperson zuordnen lässt nach meiner Einschätzung nirgendwohin.
Das meine ich auch.

Du zeigst aber selbst den Weg aus dem Dilemma :
Arne schrieb:
1919 wollten sich die Österreicher dem Deutschen Reich anschließen, ... weil sie sich doch scheinbar als Deutsche fühlten.

Maßstab ist offenbar die subjektive und emotionale Selbst-Zuordnung des Individuums zu einer Gruppe.

Ich würde es so definieren :

1. Staat
Gebiet, das eine juristisches Einheit bildet.

2. Volk
Bevölkerungsgruppe, die nach eigener Wahrnehmung eine Einheit bildet. Gemeinsamkeiten können - aber müssen nicht - sein : Sprache, ethnische Zugehörigkeit, Religion, gemeinsame Geschichte, Wertvorstellungen, soziale Verhaltensweisen, ...
Selbstverständlich gibt es verschiedene Grade der Übereinstimmung und es ist eine Frage des gefühlten Konsenses, ob sich kleine "Stämme" (Bayern, Schwaben,...) oder größere Einheiten (...Deutsche) als Volk fühlen. In der Geschichte spielte häufig die Existenz eines gemeinsamen äußeren Feindes für diese Definition eine Rolle.

3. Nation
Im - selten realisieren - Idealfall ein Staat, der von einem Volk bewohnt wird.

***
Nach dieser Definition gäbe es

Viel-Völker-Staaten
Staaten, die von mehreren Völkern bewohnt werden, z.B. das frühere Jugoslawien.

Viel-Staaten-Völker
Völker, die keinen eigenen Staat haben, sondern auf mehrere Staaten verteilt sind, z.B. die Kurden.

Viel-Völker-Nationen
Das ist schwierig, denn das Individuum müsste sich einerseits zu einer von mehreren Bevölkerungsgruppen zugehörig fühlen und gleichzeitig mit den anderen gemeinsam zu einem Staat. Vielleicht trifft dies - zumindest als Ideal - am ehesten in den USA zu.

Viel-Nationen-Völker
Hier müssten mehrere Staaten mit homogener, loyaler Bevölkerung sich mit den Bewohnern anderer solcher Staaten als "eigentliche" Einheit fühlen. Meiner Meinung nach streben die Islamisten dies an, nämlich mit Hilfe einer übergeordneten Gemeinsamkeit, dem Islam, aus verschiedenen Nationen eine größere, zunächst religiöse und dann politische Einheit zu schaffen.

Viel-Nationen-Staaten
Geht per Definition nicht

Viel-Staaten-Nationen
Eine solche war, wie sich 1989 herausstelte, die BRD+DDR.
 
Hier eine Kopie aus dem Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschlands (Quellenangabe steht unten) über den Begriff Nation

Nation

(lat.) Der Begriff N. hat zwei unterschiedliche Bedeutungen: 1) Die konservative Interpretation betont das statische Element, d.h. die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gemeinschaft (auch: Volk), die als Großgruppe von Menschen über bestimmte homogene Merkmale (z.B. gemeinsame Sprache, Kultur, Geschichte) verfügt und (zumeist) innerhalb eines bestimmten Territoriums zusammenlebt (Abstammungsgemeinschaft). 2) Die offene Interpretation betont die Veränderungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, die sich daraus ergeben, dass in einem Staat (Groß-)Gruppen zusammenleben, die sowohl über gemeinsame als auch über unterschiedliche Merkmale verfügen und dadurch die Chance für einen Austausch zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft fördern (Zugehörigkeitsgemeinschaft). Die offene Interpretation des Begriffes N. entspricht eher dem Verständnis moderner demokratischer Gesellschaften. Unter Berücksichtigung des territorialen Aspekts ist zwischen staatenloser (Kultur-) Nation, deren Merkmale insbesondere eine gemeinsame Sprache, Kultur und Religion sind (z.B. Kurden), und Staatsnation zu unterscheiden, die in (mehr oder weniger geschlossener) territorialer Gemeinschaft lebt und anstelle des ethnischen stärker das politische Element der Gemeinschaft betont (Verfassungspatriotismus).

Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung/bpb.de/ Online Lexikon



Der Begriff der Nation

Es gibt keinen allgemein anerkannten und eindeutigen Begriff der Nation, noch weniger der dt. Nation. Das liegt in der vielschichtigen Funktion dieses und ähnlicher Begriffe (z.B. freiheitlich-demokratische Grundordnung) begründet: sie haben sowohl erklärende wie legitimierende und normierende Aufgaben. Der Anspruch auf Selbstbestimmung, auf Selbstorganisation nach innen und auf Unabhängigkeit nach außen steht mit diesem Konzept in Verbindung.

Die nationalstaatlichen Bewegungen des späten 18. und des 19. Jahrhunderts haben den Begriff der Nation höchst unterschiedlich verwandt. So wurde die Zugehörigkeit zur Nation z.B. durch die gemeinsame Abstammung begründet, dieses Konzept orientiert sich an der Herkunft des Begriffes, dem lateinischen natio (= Geburt). Die Nation wird somit als eine ethnisch homogene Gruppe verstanden ("Volksnation"). Demgegenüber knüpft die Idee von der "Kulturnation" (vgl. Meinecke 1908) an die Gemeinsamkeit der Verhaltensweisen im Allgemeinen (Politische Kultur) und der Sprache, Literatur, Musik im Speziellen an. Die Formulierung einer kulturellen Einheit als Medium zur Vermittlung eines Gemeinschaftsgefühls ging historisch gesehen der Schaffung einer politischen Einheit voraus.

Geschichte als Begriffsmerkmal der Nation stellt auf die Gemeinsamkeit der Erinnerung und Erfahrung der Vergangenheit ab, auf der das Selbstverständnis und Handeln der Nationsangehörigen in der Gegenwart und Zukunft beruht. Die Geschichte spielt in der Entwicklung der Nationalbewegungen insofern eine Rolle, als dass sie eine generationenübergreifende Gemeinschaft konstruiert, die über das Leben des einzelnen Individuums hinausreicht (Hobsbawm 1983). Diese Traditionsschöpfung legitimiert die "Volksnation" und "Kulturnation" ebenso wie die "Staatsnation".

Das Konzept "Staatsnation" gibt keine spezifischen Kriterien für die Nationsvorstellung an, es bezeichnet das Vorhandensein einer staatlichen Verbandsordnung für eine nationale Ordnungsvorstellung. Die "Staatsnation" kann auf der Grundlage der "Volksnation" oder der "Kulturnation" bestehen, sie ist Ausdruck der staatlichen Verfasstheit eines nationalen Gebildes. Demgegenüber ist die Idee von der "Staatsbürgernation" spezifischer. Sie konstituiert sich über die individuellen staatsbürgerlichen Gleichheitsrechte und die Verfahren der demokratischen Legitimation der Herrschaft durch die Staatsbürger (Lepsius 1990: 242). Dieser Gedanke liegt auch der bekannten Definition der Nation durch E. Renan (1996: 35) zugrunde: "Das Dasein einer Nation ist [ ...] ein Plebiszit Tag für Tag, wie das Dasein des einzelnen eine dauernde Behauptung des Lebens ist."

Der Begriff der Nation hat von vornherein subjektiven Charakter, weil sein zu beschreibender Gegenstand das Selbstverständnis der Menschen ist, er gehört der "Wertsphäre" (M. Weber 1980: 528) an. Gleich welche Definition für den Begriff der Nation verwendet wird, stets überschneidet oder deckt er sich mit anderen Begriffen, wie dem der Nationalität als einer ethnischen Einheit oder des Volkes als einer kulturellen Gemeinschaft. Vielfach wird auch Nation und Nationalstaat gleichgesetzt, zumindest für jede Nation ein einheitlicher Nationalstaat gefordert. Dies ist das Ziel, das der Nationalismus verfolgt. Dieser versucht als eine ideologische, politische und soziale Bewegung Eindeutigkeit zu erzeugen und die Übereinstimmung von ethnischen und politischen Grenzen zu erreichen; damit tendiert er zur Ausgrenzung.

Die angelsächsische Nationalismusforschung hat in diesem Zusammenhang immer wieder die Künstlichkeit des Konzepts Nation herausgestellt. So geht B. Anderson (1993) davon aus, dass es nicht die Nationen, d.h. bereits bestehende Gemeinschaften sind, "die Staaten und Nationalismen hervorbringen, sondern umgekehrt", Nationalismen ,erfinden‘ Nationen. Dies bedeutet aber nicht, dass es "falsche" (Nationen) und "wahre" Gemeinschaften (beispielsweise die Dorfgemeinschaft) gibt, sondern dass die Nation (a) eine "vorgestellte politische Gemeinschaft" ("imagined community") ist, "vorgestellt als begrenzt und souverän". Die Mitglieder einer solchen politischen Gemeinschaft kennen einander nicht, aber in den Köpfen der Menschen existiert eine Vorstellung der Nation. Die Nation wird (b) "als begrenzt vorgestellt [ ...] . Keine Nation setzt sich mit der Menschheit gleich." Diese Begrenzung beinhaltet die Konstruktion eines "Wir" gegenüber "den Anderen". Die Nation wird ferner (c) "souverän vorgestellt [ ...] ". Nationen träumen davon, frei zu sein: "Maßstab und Symbol dieser Freiheit ist der souveräne Staat." Die Mitglieder einer Nation stellen sich schließlich (d) ihre Nation als Gemeinschaft vor, "weil sie unabhängig von realer Ungleichheit und Ausbeutung als ,kameradschaftlicher‘ Verband von Gleichen verstanden wird".

Die Sozialwissenschaften und insbesondere der amerikanische Politikwissenschaftler K.W. Deutsch (u.a. 1953) haben versucht, die Vielfalt dieser Beschreibungsmerkmale in dem Begriff der Nation als Kommunikation zu synthetisieren. In Deutschs Theorie wird der Nation eine Funktion im Rahmen der Transformation moderner Gesellschaften zugesprochen. Die Nation wird bei Deutsch als die Konzentration sozialer Kommunikation und wirtschaftlicher Aktion in einem bewusst gebildeten Verband verstanden. Sie kann solchermaßen auf den oben genannten Eigenschaften beruhen, muss es aber nicht. So können durchaus vielsprachige Einheiten eine Nation bilden, oder es kann eine Nation auf verschiedene Herrschaftsverbände aufgeteilt sein. Der Begriff von Nation als Kommunikation wird einer Fülle von Erscheinungsformen in Geschichte und Gegenwart, insbesondere dem Prozess des Zusammenwachsen von mehreren sozialen Großgruppen zu einer Nation oder des Zerfallens einer Nation in eine Vielzahl von Nationen gerecht. Er ist aber nicht eindeutig von anderen durch Kommunikation bestimmten sozialen Gruppenbildungen (wie Stamm, Klasse, Schicht, Gesellschaft) abzusetzen.


Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 4. Aufl. Opladen: Leske+Budrich 2000. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2000.
http://www.bpb.de/wissen/09191901662830400195611470162156,0,0,Nation.html#art0
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke Ursi für die Hinweise. Könnte man also sagen, daß der Begriff der Nation eigentlich eine Wortschöpfung des 18./19.Jahrhunderts ist und daß (etwas überspitzt gesagt) dieser Begriff mehr als Schlagwort, wenn nicht sogar leere Worthülse entstanden ist, die seitdem die Menscheit versucht mit Sinn zu füllen? Quasi eine Schultüte, wo jeder das reinpackt, was ihm am besten schmeckt? :cool:
 
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