Wie sicher sind Datierungen aus der frühen Antike?

Alpha

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Es geht mir vor allem um das hohe Lebensalter von Hippokrates und Diogenes ,angeblich wurden beide über 90, wobei man sich bei letzterem ziemlich unsicher ist.
 
Die älteste Biographie des Hippokrates stammt von Soranus von Ephesus, etwa 500 Jahre nach Hippokrates.
Zu Diogenes sind die Nachrichten noch später - und widersprüchlich.
 
Wobei 90 Jahre auch in der Antike noch vorkommen können. Einer genügsamen Lebensweise sagt man nach, sie sei gesund. Und auch bei einem Arzt mag sich eine Legende über hohes Alter entwickeln. Aber es ist noch nicht so übertrieben, dass es angenommen werden muss.

Die Zweifel ergeben sich also in diesem Fall nicht aus Sachkritik oder Übertreibungen, die bei anderen auch höher ausfielen.

Es geht schlicht darum, wie hier die Quellen allgemein beurteilt werden. Leider sind einige Werke verschollen, die antiken Autoren noch zur Verfügung standen.

Und wo es keinen weiteren Anhalt gibt, können nur die Quellen referiert werden, ohne die wir nichts sagen können. Über Widersprüche später Quellen kann gestritten werden. Aber wenn keine Umstände dazu kommen, die weitere Schlüsse erlauben, z.B. das zu erkennen ist, dass unterschiedliche Angaben aus bestimmten Überlieferungssträngen stammen, die besser beurteilt werden können, ist das lediglich ein Streit um die eigene Einbildungskraft und Eitelkeit. Speziell zu Diogenes müsste ich mich erst einlesen. Klüger als sich festzulegen, ist alle Überlieferungen zu konstatieren, bis sich richtige Anhaltspunkte einstellen.
 
Von Lukian von Samosata gibt es ein hübsches Schriftchen über (angeblich) sehr alt gewordene Personen: Die Altgewordenen – Wikisource

Das Problem war und ist natürlich, dass über viele Personen, die angeblich ein sehr hohes Alter erreichten, keine zuverlässigen Daten über ihr Geburtsdatum bekannt waren und sind und oft auch sonst sichere biographische Informationen oft fehlten und fehlen.
Es gibt natürlich auch Ausnahmen, einerseits wenn in einer (zuverlässigen) Quelle genaue Lebensdaten enthalten sind, was allerdings recht selten der Fall ist, andererseits wenn aus dem Leben einer Person über etliche Jahrzehnte hinweg immer wieder Ereignisse zuverlässig belegt sind, wie z. B. bei den Diadochen Seleukos I. und Ptolemaios I. (Aufpassen muss man allerdings, damit nicht etwa namensgleiche Personen versehentlich miteinander gleichgesetzt werden, wie es z. B. dem römischen Historiker Cornelius Nepos bei den beiden bedeutenden Athenern namens Miltiades passiert ist.) Bei römischen Politikern hilft es oft zu wissen, wann sie ein bestimmtes Amt bekleidet haben, weil ab der späten Republik für die Ämter Mindestalter vorgesehen waren. Wenn man also z. B. weiß, dass ein Politiker in einem bestimmten Jahr Konsul (Mindestalter 43) war und 40 Jahre später immer noch als lebend belegt ist, muss er tatsächlich sehr alt geworden sein.
Gerade bei Philosophen ist das aber leider oft nicht der Fall, über ihre Leben gibt es oft nur eher wenige zuverlässige Daten. (Es gibt natürlich auch Ausnahmen wie Platon.) In gewisser Weise war es wohl auch ein Topos, dass Weise sehr alt werden bzw. sind.
 
Es ist auch sinnvoll, bei den Problemen zwischen Datierungen und Daten zu unterscheiden.
 
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