Wie soll man diese Ethnie bezeichnen?

Ich kannte mal ein paar Pizzabäcker, die aus der Türkei stammten; sie bestanden darauf Aramäer und keine Türken zu sein. Vielleicht waren sie auch deutsche Staatsbürger, aber von Beruf Italiener waren sie Italieer.:grübel:
Die Aramäer sind sicherlich nicht die einzige Ethnie, die sich primär durch Religionszugehörigkeit auszeichnet.
Ist ja kaum anders als bei Griechen und Armeniern, nur, dass sie eigenen Staat haben und sie ihre Sprache weitgehend bewahrt haben.
 
Nachgefragt...

Nachdem du dich nach einem Fernseh- und Radiosender der Aramäer (der heutige "Sammelbegriff" für das von dir beschriebene Volk) bzw. der christlichen Syrer (der frühere "Sammelbegriff" für das von dir beschriebene Volk) benannt hast, wäre es mal interessant, wie du die von dir beschriebene Etnie bezeichnen würdest. Scheinbar steckst du ja tiefer in der Materie drin. Noch ein kurzer Hinweis: bei den beiden oben genannten Sammelbegriffen "Aramäer" und "christliche Syrer" handelt es sich tatsächlich nur um Sammelbegriffe. Im Rahmen detaillierterer Betrachtungen wird eher von der bspw. syrisch-orthodoxen Kirchegemeinde von Antiochien im Irak gesprochen, weil dieses Volk so einheitlich nämlich auch wieder nicht ist...[/quote]

Hallo Lili

Ich nenne mich bestimmt nicht nach einem Fernsehsender. Suryoyo ist Aramäisch, genauer gesagt Neuaramäisch (noch genauer: diesen Therm benützen nur die Assyrer welche den Dialekt Turoyo sprechen). Kurz gesagt bedeutet Suryoyo nichts anderes als Assyrer.

Du hast Recht es gibt einen Schwedischen Fernsehsender welcher Sendungen auf Aramäisch produziert (der Sender heisst übrigens Suryoyo SAT). Es gibt noch vier andere Assyrische TV-Sender, welche Aramäische Sendungen anbieten und zwar in beiden Aramäischen Dialekte. Kann man auch online schauen, bei Interesse kenne ich einige Links.

Bis jetzt hat jedoch noch niemand konkret auf meine Frage geantwortet, daher bohre ich weiter. Es ist schon eigenartig, dass man einerseits sagt, die Assyrer seien ausgestorben, andererseits wird wiederum behauptet der Assyrismus schliesse die muslimischen Nachfahren der Assyrer aus. Siehe da es gibt doch Nachfahren der Assyrer? Ich kenne keinen einzigen Muslim, welcher sich als Assyrer bezeichnet. Was ist die logische Folgerung? Es handelt sich um ein christliches Volk.

Was ich ausschliessen kann ist: Bei der gesuchten Ethnie handelt es sich bestimmt nich um Aramäer*? Wo war das Siedlungsgebiet der Aramäer? Bestimmt nich im Vierländereck Mesopotamien. Zudem definiert sich ein Volk nicht über seine Sprache.

Lili ich habe nach der Ethnie gefragt und nicht nach der Konfessionszugehörigkeit. Also syrisch-orthodoxe Christen, ist etwas gleich aussagekräftig wie römisch-katholische Christen. Will man aus irgendeinem Grund nicht wahrhaben das die nicht ganz untergegangen sind? Wie ich sehe haben viele von Euch keine Mühe mit dem Ausdruck Aramäer? Aber Assyrer dies scheint ein wunder Punkt zu sein.
 
Ich habe dir die Antwort "Assyrer" gegeben. Aus irgend einem Grund ignorierst Du es, da Du anscheinend auf Widerspruch gewartet und vielleicht sogar gehofft hast.

Das die Christen aus dem Nahen Osten keine "Aramäer" sind, dürfte eindeutig sein. Das Aramäische verbreitete sich als Verkehrssprache des persischen Reiches unter den Achämeniden und wurde von Palästina bis an den Kaukasus gesprochen.
Teile des Alten Testaments und des Talmud sind auf Aramäisch verfasst. In Palästina wurde es sowohl von Juden wie von Christen bis weit ins Mittelalter gesprochen, bis die Arabisierung das Arabische auch unter Christen und Juden durchsetzte.

Da das Aramäische jedoch von den verschiedensten Völkern genutzt wurde kann man wohl kaum noch die Sprecher als Nachfahren eines bestimmten Volkes ansehen, genau so wenig wie die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion Aufschlüsse in diesem Sinne geben können (wenn Du nicht unbedingt Tatarische, Berberische und Äthiopische Juden als Nachfahren Abrahams ansehen willst). Ich kannte mal eine Brasilianerin, die katholisch war und portugiesisch sprach, sie stammte jedoch nicht von Cabral, sondern von Japanischen Einwanderern ab. Sprache und Religion werden häufiger gewechselt als man meinen würde.

Mit dem Begriff "Assyrer" werden hier die Wenigsten ein Problem haben, wenn man nicht auf Biegen und Brechen damit eine Herkunft von dem antiken Volk der Assyrer herleiten will, unter Ausschluss der restlichen Bevölkerung der Gegend.

Es ist gut möglich und auch wahrscheinlich, dass es bei den heutigen "Assyrern" um kulturelle und ethnische Reste der Bevölkerung des mittleren Ostens vor der Verbreitung des Islams und der folgenden Arabisierung handelt. Das bedeutet jedoch nicht, dass die arabischsprachigen, muslimischen, christlichen oder jüdischen Nachbarn, nicht genau die selben Vorfahren haben. Nur dass diese Sprache und oder Religion wechselten.

Ob die heutigen Assyrer ein eigenes Volk sind, ist eine reine Definitionsfrage. Meinerseits, wenn sie sich als solche sehen wollen, dann soll es so sein. Die Sorben in der Lausitz werden ja auch als Volksgruppe anerkannt und ihr einziges noch vorhandenes Differenzierungsmerkmal, ist die Sprache.
 
Buchempfehlung

Danke für Deine Ausführungen...

Falls weiteres Interesse an exotischen Minderheiten besteht empfehle ich Euch folgendes Buch:

Gauß, Karl-Markus
Die fröhlichen Untergeher von Roana

Unterwegs zu den Assyrern, Zimbern und Karaimen

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Es behandelt nämlich genau diese Thematik und übrigens genau mitten uns uns in West-Europa gibt es noch viele interessante historische Minderheiten zu entdecken. Hat von Euch jemand schon mal etwas über die Zimbern oder Karaimen gehört?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Unterscheiden von diesem antiken Volk der Assyrer muss man die etwa 1500 Jahre jüngere christliche Religionsgemeinschaft der "Assyrer", die jedoch lediglich diesen historischen Namen bewahrt, und keine ethnische Kontinuität zum antiken Volk der Assyrer hat.

So wie die slawischen Mazedonen sich nach dem antiken Makedonien bezeichnen.
 
Bis jetzt hat jedoch noch niemand konkret auf meine Frage geantwortet, daher bohre ich weiter. .

Das Volk der Assyrer wird Ende des 3. Jahrtausend v. Chr. fassbar. Nach einer großen Machtstellung in Vorderasien wird der assyrische Staat 612 v. Chr. von den Medern und Babyloniern ausgelöscht, Ninive und andere Städte total zerstört. In den nächsten Jahrtausenden folgten u.a. Perser, Seleukiden und Araber. Während dieser Zeit verlor sich die ethnische Identität der Assyrer, wie das fast immer der Fall ist bei Völkern, die ihre staatliche Basis einbüßen. Sie geben allmählich auch ihre Sprache und viele ihrer Traditionen auf und vermischen sich mit anderen Völkern, die erobernd oder auf der Suche nach Land eindringen.

Unterscheiden von diesem antiken Volk der Assyrer muss man die etwa 1500 Jahre jüngere christliche Religionsgemeinschaft der "Assyrer", die jedoch lediglich diesen historischen Namen bewahrt, und keine ethnische Kontinuität zum antiken Volk der Assyrer hat.

Es mag natürlich sein, dass sich einige uralte Traditionen über die Jahrtausende hinweggerettet haben, doch ist ein diesbezüglicher Nachweis schwierig. Auch in Deutschland (und anderswo) finden Forscher noch heute Reste alter Bräuche, die in die germanische Vorzeit zurückreichen. Dennoch sind wir keine Germanen mehr.

Auch wenn das Volk der Assyrer seine Identität längst eingebüßt hat, so ist es natürlich in seinen Stammsitzen geblieben, und nicht einfach "verduftet". Es wurde allerdings im Lauf der Jahrtausende von anderen Völkern mit anderen Sprachen und Kulturen überschichtet.

Die christliche Kirche des Ostens hat mit dem antiken Volk der Assyrer nicht das mindeste zu tun: Der Begriff "Assyrische Kirche" wurde überhaupt erst im 19. Jh. geprägt und hat lediglich eine geografische Orientierungsfunktion. Aramäisch sprach in antiker Zeit ganz Vorderasien, d.h. Babylonier, Syrer, Juden, Perser, Assyrer und andere.

Wikipedia sagt dazu:

Die Beifügungen „chaldäisch“ (ab 15. Jh.) sowie „assyrisch“ (ab 19. Jh.) sind neuzeitlich und beide europäischer Herkunft. Sie sind ursprünglich sprachlich (chaldaica seu syriaca) bzw. historisch-geographisch gemeint; ihr eigentlicher Zweck war die Vermeidung der Bezeichnung „nestorianisch“ für jene Teile der „Kirche des Ostens“, die sich der römisch-katholischen bzw. anglikanischen Kirchengemeinschaft angenähert oder angeschlossen hatten. Das Beiwort „nestorianisch“ und der Name „Nestorianer“ werden heute als Selbstbezeichnung auch von den Nicht-Katholiken abgelehnt. In theologischer und historischer Fachliteratur hingegen ist die Bezeichnung „Nestorianische Kirche“ noch weit verbreitet. Manche sprechen widersinnig sogar von „katholischen Nestorianern“. Teil eines kirchlichen Eigennamens wird das Adjektiv „assyrisch“ in der 2. Hälfte des 20. Jh.

Assyrische Kirche des Ostens ? Wikipedia

Im übrigen wurde das Thema "Assyrische Kirche" schon endlos in diesem Geschichtsforum in folgenden Threads diskutiert:

Griechische Bezeichnung Syrer für Assyrer?

Die Assyrer: Ströme des Bluts ?

Existenz der Assyrer nach dem Fall 612 v.Chr.

Die Situation der Assyrer und Babylonier nach der Machtübernahme durch die Perser
 
Zuletzt bearbeitet:
Zitat:"Das Aramäische verbreitete sich als Verkehrssprache des persischen Reiches unter den Achämeniden und wurde von Palästina bis an den Kaukasus gesprochen. "

Nur ein kleiner Nachtrag. Aramäisch wurde bis weit nach China teilweise bis ins Mittelalter als Handels- und Kultsprache benutzt. Man fand aramäische Schriften in Xinjiang und soagr in der Mongolei.
 
Zitat:"Das Aramäische verbreitete sich als Verkehrssprache des persischen Reiches unter den Achämeniden und wurde von Palästina bis an den Kaukasus gesprochen. "

Nur ein kleiner Nachtrag. Aramäisch wurde bis weit nach China teilweise bis ins Mittelalter als Handels- und Kultsprache benutzt. Man fand aramäische Schriften in Xinjiang und soagr in der Mongolei.

Die aramäische Sprache muss im antiken Vorderasien der große Hit gewesen sein. Wenn man bedenkt, dass erste Inschriften von (Alt)Aramäisch bereits um 1000 v. Chr. verfasst wurden, zählt es mit seinen mindestens 3000 Jahren zu den ältesten noch gesprochenen Sprachen - rechnet man einmal ab der ersten Schriftquelle!

Wenn man der alten Tante Wiki glauben darf, sprechen heute noch rund 500 000 Menschen in Vorderasien die (Neu)Aramäische Sprache, darunter allein etwa 400 000 Christen im Raum Irak-Syrien-Türkei-(Assyrisch-Neuaramäisch, Chaldäisch-Neuaramäisch). Angesichts der Vertreibungs- und sogar Ausrottungspolitik, die diese Menschengruppe erleiden musste und noch heute erleidet, ist es freilich fraglich, ob die aramäische Sprache noch in 100 Jahren bestehen wird. So besteht z.B. in der Türkei seit dem 6. Oktober 1997 ein offizielles Unterrichtsverbot für Aramäisch und das ist nur die relativ harmlose Seite der Medaille.

Aramäische Sprachen ? Wikipedia

Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, wenn die Mitglieder der christlichen Assyrischen Kirche die Religion als identitätsstiftendes Gut verteidigen und inzwischen daraus sogar eine eigene Ethnie ableiten. Vielleicht sind sie das inzwischen - entgegen meinen Ausführungen weiter oben - ja auch tatsächlich geworden? :grübel:
 
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