Was Delphi betrifft, sehe ich Daumen mal Pi einen 80%igen Konsens in der Fachwelt zugunsten von Gaia als ursprüngliche Gottheit, wobei die Befürworter nicht archäologisch, sondern mythologisch argumentieren: Eine deutliche Mehrheit der einschlägigen Mythen nennt Gaia als anfängliche delphische Orakelgöttin. Das, so die Gaia-Verfechter, sei ein klares Indiz für den chronologischen Vorrang dieser Göttin gegenüber Apoll. Es gibt freilich Gegner dieser Auffassung, z.B. die 2007 verstorbene Christiane Sourvinou-Inwood, die in den Mythen ein ´Konstrukt´ aus späteren Zeiten sieht; ihr Zweck sei, durch das Vorgaukeln einen hohen Alters der Orakelstätte deren Ansehen noch zu steigern. Was mich betrifft, kann ich meiner Argumentation betr. prähistorische Ursprünglichkeit des weiblichen Orakel/Schamanenwesens kein besseres ´Gegenargument´ wünschen.
Statt meine Argumentation zu widerlegen, wird sie dadurch noch gestützt: Wenn die Göttin Gaia als fiktionale delphische Ursprungsgottheit herhalten musste (was Sourvina-Inwood ja behauptet), dann beweist das die (generelle) historische Ursprünglichkeit von Orakelgöttinnen (gegenüber Orakelgöttern) nicht weniger als eine realhistorische Gaia als delphische Ursprungsgottheit.
Gleich also, ob der delphische Gaia-Mythos eine historische Basis hat oder nicht - er belegt, dass Orakelgöttinnen in der Antike für ursprünglicher gehalten wurden als ihre männlichen Pendants. Abgesehen davon gibt es andere Göttinnen (Ischtar in Mesopotamien und Wadjet in Ägypten), die als älteste Orakelgottheit in ihrer Region wissenschaftlich unbestritten akzeptiert sind - warum sollte es bei Gaia, in Anbetracht der vielen Mythen, anders sein?
Hesiods ´Theogonie´ liefert weitere Belege durch Hinweise auf die parthenogentischen Kapazitäten von Orakelgöttinnen. Gaia wird dort als parthenogenetische Urgöttin beschrieben, die ihre Kinder ohne männlichen Erzeuger gebiert. Parthenogenese ist ein Attribut, das geradezu zwingend auf den vorpatriarchalischen Ursprung einer Göttin hinweist, da die Vorstellung, eine Göttin könne ohne männliche Befruchter gebären, unmöglich in Zeiten des Patriarchats (mit dessen Betonung der männlichen Fruchtbarkeit) entstanden sein kann. Nicht anders ist es bei Nyx, der Hesiod´schen Schwester von Gaia: Nyx steht nicht nur im Ruf, eine Orakelgöttin zu sein (Pausanias: Orakelstätte in Megara), sondern gebiert auch parthenogenetisch ihre Kinder, als da wären: Moros, Eris, Thanatos, Oizys, Moirai, Keres, Philotas, Geris, Apate, Nemesis und die Hesperiden. Hera, in der Theogonie eine Schwester Gaias, gebiert parthenogenetisch Ares, Hephaistos und Typhon. Auch Eris, eine der parthenogenetisch geborenen Kinder von Nyx, gebiert ohne männlichen Beitrag die streitseligen Neikea (12 an der Zahl).
Dodona ist als ursprüngliche Gaia-Orakelstätte umstrittener als Delphi, hier sehe ich ein Kopf-an-Kopf-Rennen der Pro- und Contra-Verfechter. Das Pro scheint mir aber, in Anbetracht der schon genannten Ursprünglichkeit von Orakelgöttinnen sowie des Genders der Priesterinnen, die Nase vorn zu haben.
Zum Vergleich:
Nut und Hathor, die ältesten ägyptischen Göttinnen, sind gleichfalls als parthenogenetisch gebärend beschrieben. Der bizarre Mythos um Kamutef (= Stier seiner Mutter), den sich selbst zeugenden Sonnengott Re, bildet einen Übergang zur bilinearen Zeugung: Re wird von seiner Mutter Nut geboren, weil er sie zuvor geschwängert hat. Das ähnelt Schrödingers Katze: Nut gebiert zu 50 % parthenogenetisch und zu 50 % männlich befruchtet.
Statt meine Argumentation zu widerlegen, wird sie dadurch noch gestützt: Wenn die Göttin Gaia als fiktionale delphische Ursprungsgottheit herhalten musste (was Sourvina-Inwood ja behauptet), dann beweist das die (generelle) historische Ursprünglichkeit von Orakelgöttinnen (gegenüber Orakelgöttern) nicht weniger als eine realhistorische Gaia als delphische Ursprungsgottheit.
Gleich also, ob der delphische Gaia-Mythos eine historische Basis hat oder nicht - er belegt, dass Orakelgöttinnen in der Antike für ursprünglicher gehalten wurden als ihre männlichen Pendants. Abgesehen davon gibt es andere Göttinnen (Ischtar in Mesopotamien und Wadjet in Ägypten), die als älteste Orakelgottheit in ihrer Region wissenschaftlich unbestritten akzeptiert sind - warum sollte es bei Gaia, in Anbetracht der vielen Mythen, anders sein?
Hesiods ´Theogonie´ liefert weitere Belege durch Hinweise auf die parthenogentischen Kapazitäten von Orakelgöttinnen. Gaia wird dort als parthenogenetische Urgöttin beschrieben, die ihre Kinder ohne männlichen Erzeuger gebiert. Parthenogenese ist ein Attribut, das geradezu zwingend auf den vorpatriarchalischen Ursprung einer Göttin hinweist, da die Vorstellung, eine Göttin könne ohne männliche Befruchter gebären, unmöglich in Zeiten des Patriarchats (mit dessen Betonung der männlichen Fruchtbarkeit) entstanden sein kann. Nicht anders ist es bei Nyx, der Hesiod´schen Schwester von Gaia: Nyx steht nicht nur im Ruf, eine Orakelgöttin zu sein (Pausanias: Orakelstätte in Megara), sondern gebiert auch parthenogenetisch ihre Kinder, als da wären: Moros, Eris, Thanatos, Oizys, Moirai, Keres, Philotas, Geris, Apate, Nemesis und die Hesperiden. Hera, in der Theogonie eine Schwester Gaias, gebiert parthenogenetisch Ares, Hephaistos und Typhon. Auch Eris, eine der parthenogenetisch geborenen Kinder von Nyx, gebiert ohne männlichen Beitrag die streitseligen Neikea (12 an der Zahl).
Dodona ist als ursprüngliche Gaia-Orakelstätte umstrittener als Delphi, hier sehe ich ein Kopf-an-Kopf-Rennen der Pro- und Contra-Verfechter. Das Pro scheint mir aber, in Anbetracht der schon genannten Ursprünglichkeit von Orakelgöttinnen sowie des Genders der Priesterinnen, die Nase vorn zu haben.
Zum Vergleich:
Nut und Hathor, die ältesten ägyptischen Göttinnen, sind gleichfalls als parthenogenetisch gebärend beschrieben. Der bizarre Mythos um Kamutef (= Stier seiner Mutter), den sich selbst zeugenden Sonnengott Re, bildet einen Übergang zur bilinearen Zeugung: Re wird von seiner Mutter Nut geboren, weil er sie zuvor geschwängert hat. Das ähnelt Schrödingers Katze: Nut gebiert zu 50 % parthenogenetisch und zu 50 % männlich befruchtet.
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