Wieso hat die Macht des Islams so stark abgenommen?

Merkwürdig! Wie kam es dann, das die Schüsselpositionen in Verwaltung und Militär in vielen muslimischen Reichen eigentlich nur von Christen und Juden besetzt wurden?
Um darauf antworten zu können, muss man erst mal wissen, welche Christen wann und wo diese Stellungen innehatten.
Abgesehen Davon haben auch römische Sklaven hohe positionen erreichen können.
 
Christen und Juden mußten besondere Farben oder Kleidungsstücke tragen (Vorläufer des Judensterns)

Also die verschiedenartige Kleidung der Juden und Christen, insbesondere der Juden als Vorläufer des Judensterns zu bezeichnen ist geradezu infam!!!

Natürlich mussten sich die Andersgläubigen von den Muslimen unterscheiden. Als Beispiel muss ich anführen, dass z.B. die Osmanen die Häuser in den verschiedenen Dörfern kennzeichneten, nicht um etwaige Gewalt auszuführen, sondern die Soldaten sollten wissen, wie sie sich im einzelnen verhalten mussten, so war es mit der Kleidung sicherlich auch. Hier jetzt den Muslimen Böswilligkeit zu unterstellen, entbehrt jeder Grundlage.

fingalo schrieb:
um als "Dhimmi" kenntlich zu sein; sie durften nicht auf Pferden reiten, sondern nur auf Eseln, damit sie ständig an ihre Erniedrigung erinnert wurden; sie zahlten einen Tribut (Jizya), den sie persönlich entrichteten, wobei sie einen Schlag an den Kopf erhielten.

Wo bitte hast du das denn gelesen. Ich bestreite nicht das es den einen oder anderen schlechten Muslim gegeben hat, aber das Szenario, dass du beschreibst wird die Ausnahme geblieben sein.

figalo schrieb:
Sie mußten sich von Muslimen schlagen lassen, ohne sich wehren zu dürfen;

Auch hier kann ich guten Gewissens Einwände vorbringen. Was die osmanische Epoche in Europa betrifft, konnte, wenigstens in seinen Blütezeiten, ein jeder egal welcher ethnischen oder religiösen Herkunft den Sultan persönlich anrufen und um Gerechtigkeit bitten.

figalo schrieb:
schlug ein "Dhimmi" zurück, dann wurde ihm die Hand abgehackt, oder er wurde hingerichtet.

Wie bei den Wikingern, die die herrschende Oberschicht stellten, z.B. in Russland, England und der Normandie!

figalo schrieb:
Die Zeugenaussage eines "Dhimmi" galt nicht gegen Muslime; diese brauchten für Vergehen an einem "Dhimmi" nur halbe Strafe zu tragen; und wegen eines solchen Unterworfenen konnten sie nie hingerichtet werden. Umgekehrt waren grausamste Hinrichtungsarten überwiegend den "Dhimmi" vorbehalten.

Das dies für das Osmanische Reich nicht zutrifft erwähnte ich. Aber bitte glaube mir auch aufsässige Janitscharen wurden vom Grossherrn als Exempel grausam hingerichtet und das waren Muslime.

figalo schrieb:
Seit 1360 wurde unter türkischer Herrschaft in unregelmäßigen Abständen bis zu einem Fünftel aller christlichen Kinder in die Sklaverei abgeführt. Sie wurden zwangsbekehrt.

Ein Segen für manch eine christliche Familie, konnte der "Bub" doch bis in die höchsten Ämter des Reiches aufsteigen. Dies ging soweit, das die inzwischen zum Islam konvertierten Bosnier ebenfalls weiter auf die Knabenlese pochten.

figalo schrieb:
Diese Sklavenmenge dürfte im Laufe von vier Jahrhunderten in die Millionen gegangen sein; davon wurden Hunderttausende ausgewählter Knaben zu Elitekämpfern erzogen, zu den berüchtigten Janitscharen: eine Politik zur systematischen Vermehrung der muslimischen Bevölkerung und zur allmählichen Auslöschung der Christen.

Aber hallo! Die Knabenlese ist ein Holocaust an den Christen!?!

figalo schrieb:
Sie hatte Erfolg. Die "Dhimmitude" versetzte die Nichtmuslime in eine radikale Andersheit: Wie der Nationalsozialismus die Menschen in Herren- und Untermenschen auf rassischer Basis spaltete, so hat es die Scharia auf religiöser Basis getan. Als erste Weltreligion schuf der Islam eine Apartheid, in der die christlichen oder auch parsischen Mehrheiten kolonisiert und allmählich islamisiert wurden. Islamische Toleranz hieß: Duldung der Unterworfenen als Gedemütigte und Erniedrigte.

Leider hast du nicht annähernd den Islam verstanden, lieber Figalo. Du musst dich nochmal hinsetzen und dich intensivst mit dem Stoff beschäftigen, denn hinlänglich bekannt ist, das während der Blütezeit des Halbmondes die Bauern im osmanischen Reich nicht schlechter als die im christlichen Westen lebten, nein eher besser! Unter uns: Die Christen unter ihren Lehnsherrn waren ebenfalls unterdrückt, wurden gedemütigt und erniedrigt.


figalo schrieb:
Der für dieses Thema entscheidende Unterschied zu der Behandlung der Juden im christlichen Abendland bestand darin, dass die Juden in Zentraleuropa nie die Zahl und Bedeutung erlangt hatten, dass ihre Diskriminierung zu einem Entwicklungshemmnis werden konnte. Zudem war die Diskriminierung diskontinuierlich: Mal waren sie Progromen ausgesetzt, mal genossen sie durchaus Ansehen. So konnte sich hin und wieder ein jüdischer Gelehrtenstand entwickeln, der auf die übrigen Gelehrten befruchtend einwirken konnte. Christliche Gelehrte lernten sogar Hebräisch, um die hebräische (meist geistes)wissenschaftliche Literatur lesen zu können. Ich denke z.B. an den Einfluss des Rabbi Maimonides auf das europäische Denken. Die "Dhimmitude" erlaubte solches nicht.

Wie erkärst du dir dann z.B. die jüdischen Ärzte der Kalifen oder die christlichen Kanonengiesser der Osmanen, die diese zweifellos befruchtet haben? Tue dir und mir einen Gefallen und frage einen Juden - natürlich einen der sich in der Geschichte auskennt - ob es die mittelalterlichen und früh-neuzeitlichen Juden unter den Muslimen oder den Christen besser hatten?
 
Zuletzt bearbeitet:
Leider hast du nicht annähernd den Islam verstanden, lieber Figalo.
Es ist durchaus lobenswert, dass Du den Islam verteidigst. Nur ist das nicht das Thema. Es geht um die historische Wirksamkeit der Scharia in Bezug auf die Entwicklung der unter diesem Gesetz lebenden Völkern. Dass die Scharia in verschiedenen Regionen unterschiedlich gehandhabt wurde und man bei Ärzten und Kanonengießern gerne ein Auge zudrückte, sei ja unbestritten. Auch dass die Scharia unterschiedlichen Inhalt haben kann, je nachdem man die Sunna und Hadithe mal als unbedingt verbindlich, mal als nicht verbindlich ansieht, soll auch nicht verschwiegen werden. Aber die grundsätzliche Tendenz der Abschottung vor den Ungläubigen mit dem in Sure 9,28 dargestellten Vertrauen darauf, dass Allah selbst die dadurch entstehenden Einbußen ausgleichen werde, sehe ich als den Grund für die unterschiedliche Entwicklung der verschiedenen Kulturen an.

Wenn Du einen anderen Grund in der Geschichte weißt, dann lass uns darüber diskutireren.

Aber in diesem Forum ist kein Platz für ein Glaubensgespräch.
 
Nun, die Fragestellung zu den unterschiedlichen Entwicklungsstufen zwingt das auf.

Wieso hinken sie? Man kann doch vergleichen "Religion mit Papst" und "Religion ohne Papst". Schon die Feststellung ist ja ein Vergleich (mit / ohne). Auch die Juden und die evangelischen Christen haben keinen Papst.

...ist mir kaum möglich, alles zu beantworten, weil deutlich zu umfangreich. Entweder wir machens in Etappen oder teilen Themen auf. (Jajaja...ich hab da auch meinen Anteil dran)


Der Mongolensturm mit der Eroberung Bagdads war 1285. Er erklärt nicht hinreichend die geistige Selbstbeschränkung im Diskurs. Da blühte die Islamische Kultur noch lange in Spanien.

[Klugscheissmodus on]1258, bitte[Klugscheissmodus off]....Zahlendreher....gutgut....dennoch ging mit den Mongolen das Abbasidenkalifat endgültig unter. Auch wenn es zuvor immer wieder relativ deutlich geschwächt war, war dies letztendlich der Zeitpunkt an dem die (mehrheitlichen; Schia mal ausgeklammert) Nachfolger "ein für alle mal beerdigt" wurden. Mir gehts weniger um Politik oder Militär sondern in erster Linie um psychologische Momente...


Du redest nur von der katholischen Kirche. Das Christentum kennt auch eine evangelische Kirche. Selbst die orthodoxe Kirche stellte sich niemals dem wissenschaftlichen Fortschritt in den Weg.

Darauf wollte ich gar nicht hinaus.....aber: Auch der Islam stellt sich dem Fortschritt nicht in den Weg. Ganz im Gegenteil: Islamistische Terroristen nutzen allermodernste Medienformen zur Propagierung ihrer Taten und zur Rekrutierung. Ich bin ja kein Huntington-Fan, aber was dieses Beispiel angeht, teile ich seine Ansichten. (Übernahme wissenschaftlichen Fortschritts wo nützlich und opportun)


In den siebziger Jahren, also zeitgleich, verfasste der Ägypter Omar Abder Rahman an der islamischen Al Azhar Universität in Kairo eine umfängliche Dissertation zum Thema „Djihad“. Darin reduzierte Rahman den Begriff auf den bewaffneten Kampf gegen die Ungläubigen und vertrat die Auffassung, die traditionelle Überlieferung sei eine Verfälschung der Worte des Propheten. Der Islam habe sich immer mit der Waffe durchgesetzt und daher könne sich der Islam auch in Zukunft nur mit Waffengewalt behaupten. Diese Neufassung des „Djihad“-Begriffes wurde zu einem
Kernelement der sich zunächst in Ägypten und bald darauf im Libanon, in den Palästinensergebieten und in Algerien formierenden radikalen islamistischen Gruppen, wie der ägyptischen Gama’a Islamiya, der palästinensischen HAMAS, der schiitischen Hisbollah im Libanon, der „Front Islamique du Salut“ in Algerien und anderer. Der, als heiliger Krieg gegen die Ungläubigen verstandene „Djihad“, ist für diese Gruppen Mittel zur Erreichung des Ziels der Rückkehr zu einem unverfälschten Islam und einer islamischen Sozialordnung. Es geht dabei um die Zurückweisung aller unislamischen Ideen, Entwicklungen und Einflüsse sowie um die Befreiung der islamischen Welt von der Usurpation durch Ungläubige und ihre
Statthalter in den islamischen Ländern. In der Regel wird der Islam darüber hinaus als universelle Lösung und Modell für die gesamte Menschheit verstanden. All dies findet sich in der „Islamska Deklaracija“ Izetbegovićs wieder.

Da bietet sich natürlich wieder ein Vergleich an: Die Reformatoren aller Religionen haben gemeinsam:
1. Die Diagnose des Zerfalls
2. Das Rezept der Rückkehr zu dem, was sie als "das Eigentliche, das Ursprüngliche" ihrer Religion ansehen.

...da antworte ich später....dauert länger...
 
Der Mongolensturm mit der Eroberung Bagdads war 1258. Er erklärt nicht hinreichend die geistige Selbstbeschränkung im Diskurs. Da blühte die Islamische Kultur noch lange in Spanien.

Das ist sehr relativ. 1258 war der der spanische Islam politisch eigentlich nur noch von Kastiliens Gnaden existent. Wirtschaftlich und Kulturell erlebte er eine relative Blüte, das ist wahr, aber die Bauwerke waren z.B. nur noch aus Gips, nicht mehr aus Stein. Dass das Königreich Granada über 250 Jahre existierte, ist eigentlich ein Wunder.
 
dennoch ging mit den Mongolen das Abbasidenkalifat endgültig unter. Auch wenn es zuvor immer wieder relativ deutlich geschwächt war, war dies letztendlich der Zeitpunkt an dem die (mehrheitlichen; Schia mal ausgeklammert) Nachfolger "ein für alle mal beerdigt" wurden. Mir gehts weniger um Politik oder Militär sondern in erster Linie um psychologische Momente...
Mir langt das einfach noch nicht aus, zu erklären, wieso Leute wie Avicenna oder Averroes in dieser Zeit keine entsprechenden Nachfolger hatten. Denn das ganze Osmanische Reich war ja durch und durch muslimisch, wenn auch das Kalifat nicht mehr bestand.
Darauf wollte ich gar nicht hinaus.....aber: Auch der Islam stellt sich dem Fortschritt nicht in den Weg. Ganz im Gegenteil: Islamistische Terroristen nutzen allermodernste Medienformen zur Propagierung ihrer Taten und zur Rekrutierung. Ich bin ja kein Huntington-Fan, aber was dieses Beispiel angeht, teile ich seine Ansichten. (Übernahme wissenschaftlichen Fortschritts wo nützlich und opportun)
Es geht nicht um die Nutzung von Technik. Auch ein Bonobo kann auf PC-Tastaturen hämmern. Es geht um das Konstruktive und das Gesellschaftliche. Jetzt beginnt in Iran die mit Einschränkungen "eigenständige" Entwicklung von Atomanlagen (wenn's uns auch nicht freut). Fortschritt erschöpft sich ja nicht in der Erfindung von Bratpfannen. Es handelt sich in der Ausgangsfrage um das, was wir aus westlicher Sicht auch bei aller Selbstkritik an unserer Zivilisation (McDonaldisierung; Amarican way of Life) doch als "rückständig" betrachten. Es kommt dabei gar nicht darauf an, ob es eine Sicht auf das Leben gibt, aus der es heraus vielleicht gar nicht rückständig ist. Auch die Amischen sind in diesem Sinne "rückständig".
Man nimmt einfach einen Zustand, der aus unserer Sicht erstrebenswert ist (ohne nach der Berechtigung dieser Sicht zu fragen): Z.B. eine weitgehende Gleichstellung der Frau im Bereich der Bildung und des Sports oder in der eigenverantwortlichen Entscheidung über ihre Kleidung oder der Benutzung von Technik.
Und dann schaut man auf die andere Kultur und stellt fest, dass es dort nicht nur anders ist, dass den Frauen dies dort also verwehrt wird und es eine Sensation ist, wenn eine Frau den Führerschein macht, sondern auch, dass diese andere Lebensform den Menschen gewaltsam aufgezwungen wird. Wir stellen weiter fest, dass die Philosophie, also die pagane Beschäftigung mit dem Wesen der Welt und des Menschen plötzlich abgeschnitten wurde, also Persönlichkeiten wie Averroes und Avicenna (die wohl beide dem Sufismus nahestanden) heute nicht mehr geduldet würden. Eine textkritische Ausgabe des Koran ist in Kairo nicht erwünscht.
Und hier geht es nicht um Berechtigung oder Nichtberechtigung der einen oder anderen Ansicht (das würde zu einem Religionsgespräch führen und wäre OT), sondern um die rein historische Frage, wie es zu dieser Differenz gekommen ist.
In diesem Zusammenhang ist der Koran kein religiöses Dokument, sondern ein historisches Faktum; und das Religiöse daran ist nur die Ursache seiner Wirksamkeit in den islamischen Ländern.
 
Ich habe da jetzt mal eine dumme Frage.

Ab wann meint ihr denn, dass die islamisch geprägten Staaten weltpolitisch und wirtschaftlich unbedeutend werden?
Der Mongolensturm und der Untergang des Abbasidenkalifats ist als ein Datum genannt worden.

Aber kann man tatsächlich dann direkt von einer Machtlosigkeit sprechen?
(Verkürzt Mongolensturm gleich Bedeutungslosigkeit des Islam)

Welchen Einfluss hat die spätere wirtschaftliche Entwicklung in Europa und Nordamerika (Industrialisierung)?

Für die Industrialisierung sprechen, wie ja auch schon gesagt wurde, geografische und demografische Standortvorteile.
Max Weber erklärt diese wirtschaftliche Entwicklung zwar auch mit den Besonderheiten der (calvinistischen) evangelischen Religion, aber letztlich darf man die Standortbedingungen, die für eine Industrialisierung notwendig sind, nicht ausser Acht lassen (Nähe zu Produktionsmitteln und zu ausreichend grossen Absatzmärkten). Ich meine, dass die Lücke mit diesem wirtschaftlichen Aufschwung erst richtig gravierend wurde.

Dann stellt sich die Frage, ob die unterschiedlichen Entwicklungen sich tatsächlich anhand der religiösen Überzeugungen erklären lassen.
Die bisherigen Argumente überzeugen mich da nicht recht.

Die Analogien zwischen rückständigen christlichen Glaubensgemeinschaften und dem Islam sind mir nicht eingängig.
Amishe lehnen den technischen Fortschritt ausdrücklich ab. In ihren Schulen wird nichts über die technischen Entwicklungen gelehrt (was in den USA übrigens zu heftigen Diskussionen geführt hat, aber das ist off topic!).
Das gleiche gilt für andere christliche Gemeinschaften, die traditioneller leben, nur nicht in der extremen Ausprägung.

Das ist mir aus dem Islam nicht bekannt. Gab es denn nachweislich historische Phasen im Islam, in denen eine sehr wissenschafts- und fortschrittsfeindliche Haltung eingenommen wurde?
Phasen gar, in denen mit Hinweis auf die heiligen Texte wissenschaftliche oder wirtschaftliche Entwicklungen aufgehalten wurden?
 
Ich habe da jetzt mal eine dumme Frage.

Ab wann meint ihr denn, dass die islamisch geprägten Staaten weltpolitisch und wirtschaftlich unbedeutend werden?
Der Mongolensturm und der Untergang des Abbasidenkalifats ist als ein Datum genannt worden.

Aber kann man tatsächlich dann direkt von einer Machtlosigkeit sprechen?
(Verkürzt Mongolensturm gleich Bedeutungslosigkeit des Islam)

Mongolensturm war das eine. Aber einzig und allein darauf würde ich das nun nicht festmachen wollen. Es gab ja immerhin noch das Osmanische Reich, das über Jahrhundert ein Machtfaktor war. Von wirklicher (politischer) Machtlosigkeit lässt sich erst zu Zeiten des Imperialismus sprechen.

Wenn es um wissenschaftliche Innovationen geht, dann ist fingalos Hinweis auf Ibn Sina (Avicenna), Omar Chajjam u.a. zeitlich schon mal als grobe Einordnung ganz gut.



Welchen Einfluss hat die spätere wirtschaftliche Entwicklung in Europa und Nordamerika (Industrialisierung)?

Für die Industrialisierung sprechen, wie ja auch schon gesagt wurde, geografische und demografische Standortvorteile.
Max Weber erklärt diese wirtschaftliche Entwicklung zwar auch mit den Besonderheiten der (calvinistischen) evangelischen Religion, aber letztlich darf man die Standortbedingungen, die für eine Industrialisierung notwendig sind, nicht ausser Acht lassen (Nähe zu Produktionsmitteln und zu ausreichend grossen Absatzmärkten). Ich meine, dass die Lücke mit diesem wirtschaftlichen Aufschwung erst richtig gravierend wurde.

Ein Aspekt, den wir hier in der Diskussion bisher (fälschlicherweise) weitgehend ausgeklammert haben.


Das ist mir aus dem Islam nicht bekannt. Gab es denn nachweislich historische Phasen im Islam, in denen eine sehr wissenschafts- und fortschrittsfeindliche Haltung eingenommen wurde?
Phasen gar, in denen mit Hinweis auf die heiligen Texte wissenschaftliche oder wirtschaftliche Entwicklungen aufgehalten wurden?

Den Wahhabismus würde ich da in etwa so einordnen.
 
Mir langt das einfach noch nicht aus, zu erklären, wieso Leute wie Avicenna oder Averroes in dieser Zeit keine entsprechenden Nachfolger hatten. Denn das ganze Osmanische Reich war ja durch und durch muslimisch, wenn auch das Kalifat nicht mehr bestand.

Stimmt soweit. Nur sind die von dir/uns aufgeführten Herren (Avicenna, Averroes, Omar Chajjam u.v.a.) durchweg Araber/Perser. Und da gibt es m.M.n. schon einen Unterschied zwischen arabisch dominiertem Kalifat und dem (türkischen) Osmanischen Reich.


Wir stellen weiter fest, dass die Philosophie, also die pagane Beschäftigung mit dem Wesen der Welt und des Menschen plötzlich abgeschnitten wurde, also Persönlichkeiten wie Averroes und Avicenna (die wohl beide dem Sufismus nahestanden) heute nicht mehr geduldet würden. Eine textkritische Ausgabe des Koran ist in Kairo nicht erwünscht.
Und hier geht es nicht um Berechtigung oder Nichtberechtigung der einen oder anderen Ansicht (das würde zu einem Religionsgespräch führen und wäre OT), sondern um die rein historische Frage, wie es zu dieser Differenz gekommen ist.
In diesem Zusammenhang ist der Koran kein religiöses Dokument, sondern ein historisches Faktum; und das Religiöse daran ist nur die Ursache seiner Wirksamkeit in den islamischen Ländern.

Anknüpfend an Penseo: Wieviel hat Religion tatsächlich mit wissenschaftlichem Fortschritt zu tun? In den weitesten Punkten geh ich völlig d´accord mit dir und natürlich kann man religiöse Momente in die Überlegung mit einführen (im Sinne einer Blockade oder eines Innovationsschubs etc).
Nur: Das allein greift mir etwas zu kurz. Gesellschaftliche Bedeutung von Religion auch hinsichtlich Wissenschaft: Ja.....aber einzig das kann es nicht gewesen sein.
 
@Leopold

Ab wann hat denn der Wahhabitismus genügend Dominanz, die wirtschaftliche und wissenschaftliche Entwicklung nachhaltig zu verhindern?
 
Zuletzt bearbeitet:
Viel mehr jedoch -was die politischen, gesellschaftlichen und militärischen Folgen angeht- ist der Mongolensturm: Das Kalifat endgültig beerdigt;
Denn das ganze Osmanische Reich war ja durch und durch muslimisch, wenn auch das Kalifat nicht mehr bestand.
Vielleicht verstehe ich irgendetwas nur falsch, weil ihr nur das Ende der politischen Bedeutung des Kalifats meint. Jedoch muss ich festhalten, dass das Abbasidenkalifat von den Mameluken in Kairo wiedererrichtet wurde. Es bestand dann bis Anfang des 16. Jahrhunderts fort, bis die Osmanen Ägypten eroberten und selbst den Kalifentitel übernahmen. Den Kalifentitel behielten sie schließlich bis 1924, als Atatürk das Kalifat abschaffte. Die erneute Wiedererrichtung des Kalifats durch die Haschemiten scheiterte 1926 aufgrund ihrer Niederlage gegen die Saudis.

Ich habe da jetzt mal eine dumme Frage.

Ab wann meint ihr denn, dass die islamisch geprägten Staaten weltpolitisch und wirtschaftlich unbedeutend werden?
Der Mongolensturm und der Untergang des Abbasidenkalifats ist als ein Datum genannt worden.

Aber kann man tatsächlich dann direkt von einer Machtlosigkeit sprechen?
(Verkürzt Mongolensturm gleich Bedeutungslosigkeit des Islam)

Von einer Machtlosigkeit würde ich zu keiner Zeit sprechen wollen. Das Ende der weltpolitischen Bedeutung der letzten islamischen Großmacht würde ich ab 1697, der Niederlage des Osmanischen Reichs im Großen Türkenkrieg, ansetzen.

Die arabischen Staaten waren zu diesem Zeitpunkt jedoch schon lange nicht mehr zu bedeutender Politik in der Lage. Seit dem 16. Jahrhundert hatte das Osmanische Reich fast sämtliche arabische Gebiete vereinnahmt. Schon hier sollte man sich fragen, warum ein relativ kleines türkisches Volk die einst mächtige arabische Nation erobern konnte. Teilweise begaben sich die arabischen Gebiete praktisch freiwillig unter türkische Oberhohheit, weil sie sonst von Spanien geschluckt worden wären, das damals auf dem Zenit seiner Macht stand. Zum Beginn des politischen Niedergangs der Araber muss man also noch weiter zurückgehen.

Der letzte weltpolitisch bedeutsame arabische Staat war unzweifelhaft das Mamelukenreich. Durch seine Siege gegen die Kreuzfahrer und viel wichtiger gegen die Mongolen war es bis zum Ende des 13. Jahrhunderts eine Macht. Nur ist auch schon zu bedenken, dass die Führungsschicht selbst, also die Mamelukensklaven, gar keine Araber waren, sondern Türken, Tscherkessen ect. Es scheint also, als hätten die Araber sich irgendwann das weltpolitische Ruder aus der Hand nehmen lassen und das scheint weit vor dem Niedergang passiert zu sein. Selbst Sultan Saladin war kein Araber, sondern Kurde.

Ich bleibe eher ratlos zurück, als dass ich eine Antwort dafür hätte.
 
Meines Erachtens beginnt der Niedergang der arabischen Staatenwelt mit der Auflösung des Kalifenreichs, d.h. also etwa seit dem 10. Jh. Das riesige Machtgebilde, das immerhin vom Atlantik im Westen bis zum Himalaya im Osten reichte, zerfiel, und in den folgenden Jahrhunderten machten sich große Teile des Reichs unter eigenen Herrschern selbstständig. Diese neuen Staaten, die aus der Ländermasse hervorgingen, erreichten jedoch nicht ansatzweise die Machtfülle, die das Kalifat in seiner Hochphase vom 7.-10. Jh. hatte.

Der Kalif blieb zwar geistliches Oberhaupt, doch schrumpfte sein weltlicher Herrschaftsbereich auf ein Gebiet zusammen, das ungefähr dem heutigen Irak entspricht. Während der Schlussphase stand er zudem unter Vormundschaft der türkischen Seldschuken und später der schiitischen Bujiden. Mit der Eroberung durch die Mongolen 1258 erlosch dann das Kalifat von Bagdad und damit auch das äußere Symbol der Einheit des Islam.

Nach dem Untergang des Kalifats und der rechtmäßigen Abbasidendynastie beanspruchten Herrscher mehrerer islamischer Staaten die Kalifenwürde, doch fanden sie keine allgemeine Anerkennung. Weder das spätere angeblich abbasidische Kalifat im mamelukischen Ägypten (seit 1261-1517) noch der von den osmanischen Sultanen 1460 angenommene Kalifentitel verfügten jemals über die Autorität des ursprünglichen Kalifats. Selbst die Mogul-Kaiser in Indien nannten sich "Kalifen", sodass man von einer inflationären Verbreitung dieses Titels sprechen kann.

Wie in kommunizierenden Röhren .wächst gleichzeitig die Dominanz der abendländischen Staaten: zunächst nur langsam und unmerklich, seit dem 15. Jh. und der beginnenden Europäisierung der Welt durch die großräumigen Entdeckungen und Eroberungen jedoch äußerst kraftvoll. Zu dieser Zeit existieren nur noch drei einigermaßen machtvolle islamische - nicht jedoch arabische -Staatsgebilde: Das Osmanische Reich, Persien sowie das Mogul-Reich in Indien.

Die Gründe für den machtpolitischen Niedergang der arabischen Staaten sind sehr komplex. Die Herausbildung kleiner und oft ohnmächtiger Staaten aus dem zerfallenden Kalifenreich wurde schon genannt. Hinzu kam vielfach eine geistige Richtung, die zwar der Technik nicht feindlich gesonnen war, ihr aber auch keine sonderlich große Priorität einräumte - im Gegensatz zu den abendländischen Staaten, die sich in mnörderischen Kriegen bitter befehdeten und miliärische Innovationen schon aus Gründen des Überlebens vorantrieben.

Die Araber wurden selbstgenügsamer, zogen sich mental zurück, und ordneten sich ohne großen Widerstand dem Osmanischen Reich unter - immerhin ein islamischer Staat, in dem die Scharia herrschte, und somit kein Gegner.
 
Es geht nicht um Arabien, es geht um die Differenz zwischen Europa und der islamischen Welt, wobei der vordere Orient besonders im Blick ist, weil dort die gesellschaftlich bedingte Armut besonders deutlich ist (Arabien hat halt Öl).

Die Meinung, Markt und Calvinismus hätten zu besonderem Aufschwung geführt, trifft die Sache ja nur zum Teil. Der Markt fiel ja nicht vom Himmel. Auch im vorderen Orient gab es genügend Menschen, die etwas hätten gebrauchen können, das herzustellen sich gelohnt hätte.
Mir ist mal vor einiger Zeit die Frage über den Weg gelaufen, warum eigentlich die Europäer Indien und China entdeckten und nicht die Inder und Chinesen Europa. Immerhin gibt es einen Reisebericht eines Arabers (?) über seinen Besuch in Haithabu. Also in der Frühzeit war da durchaus Unternehmungsgeist vorhanden. Plötzlich endet der.
Warum?
Dass die Religion keinen Einfluss auf die Wissenschaft habe, sieht nur so aus. Wir vergleichen Kopernikus mit heute, und das verstellt den Blick: Die christliche Religion hat sich aus dem Wissenschaftbetrieb zur Erkenntnisgewinnung zurückgezogen. Aber an der Schnittstelle greift sie massiv ein: Man nehme nur Man nehme nur die Diskussion um die Embryonen in Deutschland im Gegensatz zur Haltung in Israel, wo man die Auffassung nicht teilt, dass der Mensch mit Verbindung von Ei- und Samenzelle beginnt. Beide Positionen sind ohne den jeweiligen religiösen Hintergrund letztlich nicht zu erklären.
 
Nur: Das allein greift mir etwas zu kurz. Gesellschaftliche Bedeutung von Religion auch hinsichtlich Wissenschaft: Ja.....aber einzig das kann es nicht gewesen sein.
Ich weiß nicht recht. Vielleicht sehen wir das zu sehr aus unserer eigenen Gesellschaft. Der Konflikt zwischen Umma und Nationalstaat ist uns ja weitgehend fremd. Wenn das tägliche Leben so religös durchsetzt ist, dass es Schwierigkeiten bereitet, Islam von den lokalen Traditionen zu unterscheiden, was man gerade bei der Behandlung der Frauen beobachten kann, die bei den verschiedenen islamischen Staaten sehr unterschiedlich ist, dann haben auch "lasche" Muslime, die nie eine Moschee von innen gesehen haben, schon die islamische Schere im Kopf. Denn sie denken und handeln wie ihre Umgebung denkt und handelt, ohne zwischen lokaler Sitte und religiösem Gebot zu unterscheiden. Und die denkt und handelt, wie die vorangegangene Generation gedacht und gehandelt hat. Und irgendwo stößt man dann auf die Imame, die gesagt haben, wie korangemäß gedacht und gehandelt werden muss, wobei auch diese wohl nicht immer zwischen lokaler Sitte und Religion unterschieden haben. Ich erinnere mich, dass es auch Imame gab, die die Frauenbeschneidung für muslimisch strenger Observanz hielten, natür lich nur in den Gegenden, wo sie Brauch war.
 
Die Meinung, Markt und Calvinismus hätten zu besonderem Aufschwung geführt, trifft die Sache ja nur zum Teil.

Nicht dass wir uns missverstehen, ich halte davon, dass der Calvinismus die moderne Wirtschaftsordnung hervorgebracht hat, auch nichts.
Ich halte eher etwas davon, dass es eine ausreichend grosse Bevölkerung und eine ausreichende Güterknappheit gegeben haben muss, um immer arbeitsteiliger und effizienter zu werden.
Und da waren die Vorraussetzungen in Europa ab einem gewissen Zeitpunkt günstiger.
Wie schon gesagt sehe ich die Standortvorteile Absatzmärkte, Rohstoffvorkommen und ausreichend Arbeitskräfte.

Ich kann zwar nachvollziehen, dass ein konservativ ausgelegtes Gesellschaftssystem, das an den tatsächlich oder vermeintlich von der Religion vorgegebenen Lebensweisen festhält, technischen Entwicklungen ablehnend gegenüber steht.
Aber entschuldigt bitte die Nachfrage: Müsste jeder technische Fortschritt durch einen Imman auf seine Vereinbarkeit mit dem Koran überprüft werden?

Desweiteren sehe eigentlich eher, dass Staaten mit islamischer Staatsreligion ab dem Zeitpunkt wieder weltpolitische Bedeutung erlangen, wo sie einen für die moderne Industrieproduktion unentbehrlichen Rohstoff haben, das Erdöl.
Und dabei denke ich an die OPEC und ihre Preispolitik, auf die der Westen in den 70er Jahren wie das Kaninchen auf die Schlange gestarrt hat und es auch heute noch tut.
 
Das ist mir aus dem Islam nicht bekannt. Gab es denn nachweislich historische Phasen im Islam, in denen eine sehr wissenschafts- und fortschrittsfeindliche Haltung eingenommen wurde?
Phasen gar, in denen mit Hinweis auf die heiligen Texte wissenschaftliche oder wirtschaftliche Entwicklungen aufgehalten wurden?

Den Wahhabismus würde ich da in etwa so einordnen.

Ab wann hat denn der Wahhabitismus genügend Dominanz, die wirtschaftliche und wissenschaftliche Entwicklung nachhaltig zu verhindern?

Ausgerechnet der Wahhabitismus als wirtschaftsfeindlich? Der Wahhabitismus wird doch vorwiegend durch das saudische Königshaus getragen und bei denen dürfte es sich weltweit um eine der reichsten Familien halten. Natürlich wg. des Öls, aber auch weil die Saudis ganz offensichtlich bereit sind zu investieren und aus ihren Investitionen neues Kapital zu schlagen.
 
Ausgerechnet der Wahhabitismus als wirtschaftsfeindlich?

Ich glaube, wir debattieren da auf zwei Ebenen. Leo meinte, glaube ich, wissenschaftsfeindlich. Von dem wirtschaftlichen Aspekt spreche ich eigentlich immer allein.
:red:
Als wirtschaftsfeindlich würde ich den Wahhabitismus in der Tat nicht einordnen. Ausgangspunkt ist zwar das Öl, aber investiert wird ja mittlerweile in allen Sparten.
 
Ich kann zwar nachvollziehen, dass ein konservativ ausgelegtes Gesellschaftssystem, das an den tatsächlich oder vermeintlich von der Religion vorgegebenen Lebensweisen festhält, technischen Entwicklungen ablehnend gegenüber steht.
Aber entschuldigt bitte die Nachfrage: Müsste jeder technische Fortschritt durch einen Imman auf seine Vereinbarkeit mit dem Koran überprüft werden?
Nein, natürlich nicht. Aber die Prioritäten werden in den Köpfen der Menschen anders gesetzt. Die Universität von Kairo macht ja mehr durch die Ausbildung von Imamen von sich reden, als durch andere, wissenschaftliche Leistungen. Ich kenne deren Fakultäten nicht. Aber sie gibt eher das Bild einer theologischen Hochschule ab.

Und noch eins: Selbst die härtesten Diktaturen haben für ihre Wissenschaftler oft ein Ghetto errichtet, innerhalb dessen sie Freiheiten genossen, die dem Normalbürger normalerweise verwehrt waren. Solschenitzyn beschreibt das in seiner "Krebsstation". Das war Innenpolitik. In einer religiös verfassten Gesellschaft ist das nicht machbar. In einem von der Kirche betriebenen Krankenhaus wird kein muslimischer Arzt tätig sein können. Wenn aber der ganze Staat über Generationen so verfasst ist, dass Zweifel an bestimmten Koran-Aussagen zur Gotteslästerung werden, dann schlägt das natürlich auf das ganze Denken durch.
Wenn der Befehl Jesu "Sucht zuerst das Reich Gottes, alles andere wird euch dann dazugegeben werden" im Abendland auf Gebetsübungen beschränkt wörtlich genommen worden wäre, dann würden wir uns heute noch zu Pferde davonbewegen. Und die Sure 9,18 geht ja in diese Richtung. Wenn man, wie im Islam, alles, aber auch wirklich alles in Allahs Hände legt, dann vertrocknet allmählich die Eigeninitiative - außer im Dschihad. Wenn die Bekämpfung der Armut auf das im Koran immer wieder gebotene Almosengeben beschränkt wird, dann kommt der Gedanke der "Hilfe zur Selbsthilfe" nicht auf. Wieviele Menschen wie Albert Schweitzer oder Karl-Heinz Böhm bringt denn der Islam auf die Beine?
Was das damit zu tun hat?
Man gibt Geld, aber die Initiative zur Lösung von Problemen scheint auf breiter Front zu fehlen, zumindest, wenn sie keinen unmittelbaren Nutzen abwerfen (Staudamm), sondern eher einen sich nicht in Heller und Pfennig sich auszahlenden gesellschaftlichen Nutzen erbringt.

Desweiteren sehe eigentlich eher, dass Staaten mit islamischer Staatsreligion ab dem Zeitpunkt wieder weltpolitische Bedeutung erlangen, wo sie einen für die moderne Industrieproduktion unentbehrlichen Rohstoff haben, das Erdöl.
Und dabei denke ich an die OPEC und ihre Preispolitik, auf die der Westen in den 70er Jahren wie das Kaninchen auf die Schlange gestarrt hat und es auch heute noch tut.
Es geht nicht um weltpolitsche Bedeutung. Es geht um die Lebensverhältnisse. Ich glaube, es war Quatar, wo hier in der Presse gemeldet wurde, dass eine Frau erstmalig einen Führerschein machen durfte.

@El Quijote: "Ausgerechnet der Wahhabitismus als wirtschaftsfeindlich? Der Wahhabitismus wird doch vorwiegend durch das saudische Königshaus getragen und bei denen dürfte es sich weltweit um eine der reichsten Familien halten."
1. hält sich die Führungsschicht der Saudis nicht an den Wahhabitismus, sehr zum Unmut der Gläubigen.
2.Probleme mit Geld zu erschlagen, führt ja nicht weiter. Die Saudis unterhalten auch wohltätige Stiftungen. Der Gefangenenfreikauf (Geiseln) gehört zu deren Aufgaben. Denn das ist im Koran geboten. Sie bauen Flughäfen in die Wüste, zu deren Standardausstattung auch Schneeräumer gehören.:rofl: Aber sie produzieren selbst keinen gesellschaftlichen Fortschritt in Bezug auf die täglichen Lebensumstände. Die Prügelstrafe bleibt - und wer am Strand Tennis in kurzen Hosen spielt, wird hart bestraft. Daran will ich nun nichts unmittelbar festmachen. Aber dahinter steht ein Geist der Reglementierung, der - weil ubiquitär - für Fragestellungen (ohne Fragen, ohne "taumazein" keine geistige Bewegung) lähmend werden muss - auf die Dauer und über Generationen.

Der Fortschritt, wie auch immer man ihn definiert, braucht eine bestimmte "Luft", um sich überhaupt entwickeln zu können. Was Avicenna und die anderen oben genannten Muslime in früher Zeit geleistet haben, hatte ja nichts mit Märkten und Rohstoffen zu zu tun. Das waren Philosophen und Ärzte. Wenn jetzt muslimische Philosophen Fragen an den Islam stellen, die sich nach Auffassung der Mullahs mit den Koran nicht vereinbaren oder beantworten lassen, dann müssen sie auswandern.
 
Ausgerechnet der Wahhabitismus als wirtschaftsfeindlich?

Ich glaube, wir debattieren da auf zwei Ebenen. Leo meinte, glaube ich, wissenschaftsfeindlich. Von dem wirtschaftlichen Aspekt spreche ich eigentlich immer allein.
:red:
Als wirtschaftsfeindlich würde ich den Wahhabitismus in der Tat nicht einordnen. Ausgangspunkt ist zwar das Öl, aber investiert wird ja mittlerweile in allen Sparten.

Ja. Ich hatte das "wirtschaftliche" überlesen und mich rein auf den Aspekt Wissenschaft bezogen...
 
1.) Es ist mindestens problematisch, eine Religion einfach so mit einem politisch-ökonomischen System gleichzusetzen. Im Islam funktioniert das in den ersten 200-300 Jahren, aber mittlerweile haben Anhänger des Islam die verschiedensten Lebensformen. (Und mit den unterschiedlichen Lebensformen gibt es wiederum auch unterschiedliche Arten, den Islam zu praktizieren).
2.) Zwischen der Religion von Menschen und ihrer Wirtschaft, ihrem Konkurrenzdenken, ihrem Erfindungsreichtum gibt es jede Menge anderer Einflüsse- Verlagerung von Handelsströmen, Enstehung und Niedergang gesellschaftlicher Klassen, geographische Lage, Zugriff auf wichtige Ressourcen u.a.m.
2.) Man könnte auch argumentieren, dass der anhaltende Einfluss des Islam auf das Denken seiner Anhänger eigentlich nicht für einen Machtverlust spricht. Vorausgesetzt, man sieht die Macht einer Religion nicht in einer erfolgreichen Wirtschaftsstatistik, sondern in ihrem Griff in die Hirne der Menschen.
 
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