WK-1: "Deutschland trug zweifellos große Schuld am Kriegsausbruch"

Wurde in Deutschland nach dem WK1 über die Kriegsschuldfrage diskutiert?

Arne schrieb:
Aber im Ergebnis sind wir uns einig. Eine Diskussion über Kriegsschuld und Hintergründe ist immer auch ein Weg neue Kriege zu verhindern.

heinz schrieb:
gerade da bezweifele ich. Schau Dir den Verseiller Vertrag an. Dort wurde die Kriegsschuld von Deutschland schriftlich festgehalten. Was geschah, Die rechten Parteien in Deutschland kämpften immer gegen diesen Pasus, bis von dem ganzen Vertrag nichts mehr übrig war.
Arne sprach von einer (offenen und ehrlichen) Diskussion und nicht über eine Vertragsklausel.

Die Kriegsschuldklausel wurde ursprünglich aus rechtstechnischen Gründen in den Versailler Vertrag aufgenommen. Man konnte die von Deutschland zu zahlenden Reparationen „ihrer Höhe nach“ nicht vollständig beziffern. Also benötigte man eine Bestimmung, mit der man die deutsche Schuld „dem Grunde nach“ festschrieb. Die Aufnahme dieser Klausel in den Vertrag war kein Ausdruck einer irgendwie gearteten Diskussion über die deutsche Kriegsschuld.

In Deutschland wurde über die Kriegsschuldfrage ziemlich einseitig und emotional „diskutiert“. Viele glaubten – entsprechend der kaiserlichen Propaganda - noch das Märchen, Deutschland sei 1914 überfallen worden. Der Rest klammerte sich an die These vom „fahrlässigen Hineinschlittern“ in den Krieg. Zudem gab man sich dem Irrtum hin, dass die gleichmäßige Aufteilung der Kriegsschuld unter den Beteiligten zu einer gleichmäßigen Verteilung der Reparationslast führen würde. Vor solchen Vorstellungen und Erwartungen galt es als „verräterisch“ und „volksschädlich“ Deutschland eine besondere Verantwortung für den Ausbruch des WK zuzuschreiben. Als der Deutsche Reichstag Kantorowicz den Auftrag erteilte, über die Kriegsschuldfrage ein Gutachten zu erstellen, hatte man die Hoffnung, sich mit diesem reinwaschen und die Reparationen mildern zu können. Und als dessen Gutachten zu dem Ergebnis kam, die Mittelmächte seien die Hauptschuldigen, wurde es vom Auswärtigen Amt unter Verschluss gehalten. An einer offenen und ehrlichen Diskussion über die Kriegsschuldfrage war man halt nicht interessiert.

Da man es in Deutschland ablehnte, den deutschen Schuldanteil am Ausbruch des WK1 offen und ehrlich aufzuarbeiten, führte diese Verdrängung der Kriegsschuldfrage auch auf jene abschüssige Bahn, an deren Ende – entsprechend Kantorowiczs Einschätzung – logischerweise ein Politiker stehen musste, der „keinerlei Pflichten, also auch weder Ehre noch Gewissen hat, also überhaupt kein Mensch, sondern eine Bestie in Menschengestalt ist.“
 
"Sicht der Sieger" und Ausweitung der Ursachenforschung auf zurückliegende Jhdte.

Beorna am 28.09.2005 um 18.43 Uhr: Ich denke hier wird zu sehr die Sicht der Sieger wiedergegeben (…)
Bevor Du die Platte von der „Sicht der Sieger“ auflegst, wäre es besser gewesen, Du hättest den Eingangsbeitrag gelesen. Die Einschätzung, dass Deutschland neben ÖU die Hauptschuld am WK1 trifft, stammt von Kantorowicz (1927) und Krummeich. Beide gehören zur Verliererseite.:cool:
Beorna am 28.09.2005 um 18.43 Uhr: (…) und die Ursachen des Krieges, die teilweise Jahrhunderte zurückliegen geraten außer Acht.
Eine solche Ausweitung des Themas auf zurückliegende "Jahrhunderte" führt doch nur zur Verwischung der Verantwortlichkeiten der in der Julikrise 1914 konkret Handelnden und steht im Gegensatz zu einer offenen und ehrlichen Aufarbeitung der Schuldfrage.:mad:
 
Krieg als Reaktion auf Attentat soll normal gewesen sein

Beorna 28.09.2005 09:57: Bei aller Liebe und aller Gefahr rote Bömmelchen zu bekommen. Ich möchte die Hauptschuld Deutschlands am 1. WK bestreiten und nicht etwa weil ich diese Schuld nicht erragen kann oder so. Nein, ich stelle mir vor die Queen, der französische, sowjetische oder amerikanische Präsident oder eine direkter Verwandter oder ähnliches würde von einem vom Iran, Nordkorea oder sonst wem bezahlten Killer umgebracht. Wie würden sie reagieren? Ich sag es euch. Mit sehr, sehr großer Wahrscheinlichkeit stünden sie schon Tage später im Iran etc... Wären sie nun die Hauptschuldigen an diesem Konflikt? Klar, es gibt bei solchen Konflikten immer eine Vorgeschichte, die Nationen hätten auch die Wahl andere Mittel einzusetzen. Ich denke Deutschland hatte eine gehörige Mitschuld am 1. WK, sie war aber mitnichten größer als die der anderen Hauptkriegsteilnehmer.

Beorna 29.09.2005 09.31 Uhr: Mir fällt da spontan Afghanistan ein. Der Anschlag auf das WTC und das Pentagon wurde von El Kaida durchgeführt, nicht von Afghanistan. Und doch sind sie, mit ihren Verbündeten dort einmarschiert. Sie haben sogar ein an diesem Anschlag unbeteiligtes Land, den Irak, überfallen. Ich halte daher deine Vermutung sie würden in unserem hypothetischen Fall nicht einmarschieren für sehr, sehr unwahrscheinlich.

Solche Vergleiche führen meistens zu nichts und so ist es auch in diesem Fall:

Nach dem Attentat in Sarajevo hatte ÖU – nach Einschätzung aller Großmächte – das Recht, Serbien zu bestrafen. ABER ÖU überspannte den Bogen. Es wollte Serbien als souveränen Staat ausschalten. So schritt Wien – unter einem Vorwand – zur Aggression. Es stellte in Belgrad ein im Grunde unannehmbares Ultimatum, welches die Serben zur Überraschung aller fast vollständig angenommen hat. Selbst Wilhelm II. entfiel die Bemerkung, dass nun kein Kriegsgrund mehr bestünde. Doch ÖU konnte sich eben mit diesem Erfolg nicht zufrieden geben. Es strebte ja nach der Zerstörung Serbiens als eigenständigen politischen Faktor. Also ließ es die Verkleidung fallen und schritt zum Krieg.

Afghanistan wurde nach dem 11.09.2001 von der UNO aufgefordert, Osama bin Laden & Co. auszuliefern. Das Taliban-Regime lehnte es kategorisch ab, dieser Aufforderung nachzukommen.

Was Irak angeht, hat der Weltsicherheitsrat festgestellt, dass die irakische Regierung ihren Verpflichtungen zur Zusammenarbeit mit der UN-Waffeninspektion nicht nachgekommen ist. Die Uneinigkeit im Rat bestand darin, ob die USA nun ohne weiteres zu einem Angriff auf den Irak berechtigt waren.
 
Gandolf schrieb:
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Solche Vergleiche führen meistens zu nichts und so ist es auch in diesem Fall:

Nach dem Attentat in Sarajevo hatte ÖU – nach Einschätzung aller Großmächte – das Recht, Serbien zu bestrafen. ABER ÖU überspannte den Bogen. Es wollte Serbien als souveränen Staat ausschalten. So schritt Wien – unter einem Vorwand – zur Aggression. Es stellte in Belgrad ein im Grunde unannehmbares Ultimatum, welches die Serben zur Überraschung aller fast vollständig angenommen hat. Selbst Wilhelm II. entfiel die Bemerkung, dass nun kein Kriegsgrund mehr bestünde. Doch ÖU konnte sich eben mit diesem Erfolg nicht zufrieden geben. Es strebte ja nach der Zerstörung Serbiens als eigenständigen politischen Faktor. Also ließ es die Verkleidung fallen und schritt zum Krieg.

Afghanistan wurde nach dem 11.09.2001 von der UNO aufgefordert, Osama bin Laden & Co. auszuliefern. Das Taliban-Regime lehnte es kategorisch ab, dieser Aufforderung nachzukommen.

Was Irak angeht, hat der Weltsicherheitsrat festgestellt, dass die irakische Regierung ihren Verpflichtungen zur Zusammenarbeit mit der UN-Waffeninspektion nicht nachgekommen ist. Die Uneinigkeit im Rat bestand darin, ob die USA nun ohne weiteres zu einem Angriff auf den Irak berechtigt waren.

Lieber Gandolf dein Vergleich hinkt aber ganz schön! Oder missverstehe ich dich? Denn Ich denke es steht ausser Frage einen Staat nur deswegen anzugreifen, weil ein Staatsbürger oder ein Terrorist der sich gerade in einem Staat X befindet anzugreifen. Dies gilt natürlich heute wie gestern. Allerdings heute mehr als gestern.
Trotzdem ist diesem Attentat in Sarajewo viel zu viel Bedeutung beigemessen. Diese Attentat ist "lediglich" der Anlass. Maßgebend allerdings ist die Ursache! Und das war der Nationalismus einhergehend mit dem Narzismus und auch Größenwahn. Ausserdem könnte ich auch behaupten, dass die Serben die Hauptschuld am Ausbruch tragen, der Attentäter war Serbe.
Deswegen dürfen wir das nicht aus den Augen verlieren. Alle wollten den Krieg 1914 und sind jubelnd an die Front gezogen.
 
Seldschuk schrieb:
Alle wollten den Krieg 1914 und sind jubelnd an die Front gezogen.

Genau! Die Kriegsbeführworter in Frankreich machten nicht mal vor Mord an ihren prominentesten Kriegsgegnern, nämlich dem Romancier Émile Zola und dem Sozialisten Jean Jaurés, halt, denn ohne ihre moralisch gewichtige Opposition ging man einen möglichen Umschwung der kriegsbeführwortenden Stimmung des französischen Volks aus dem Weg.

Im weiterem intrigierte man in Frankreich gegen alle Kriegsgegner in der Politik, bis diese ihrer Ämter enthoben wurden, so z.B. 1912 der Ministerpräsident Joseph Caillaux, der wehement gegen Krieg mit Deutschland war. Mit ihm an der Macht war ein Krieg unmöglich, denn er strebte stattdessen eine Aussöhnung mit dem Kaiserreich an.

Allerdings bedeutete die Ablösung als Ministerpräsident nicht das politischen Ende für Caillaux; er blieb weiterhin in der Politik - bereits 1914 war Caillaux Finanzminister und damit wieder an den Hebeln der Macht, also musste man erneut intrigieren: Der Chefredakteur des "Figaro" wollte die ihm durch England zugespielten Liebesbriefe der jetzigen (1914!) Madam Caillaux veröffentlichen, die diese, noch anderweitig verheiratet, dem damaligen Ministerpräsidenten, der nun Finanzminister und ihr Ehemann war, schrieb, um ihn zu kompromittieren und zum Rücktritt zu zwingen.
Madam Marguerite Caillaux erschoss daraufhin am 16. März 1914 den Chefredakteur des "Figaro", Gaston Calmette, in seinem Büro, um diese Veröffentlichung zu verhindern.
Der Skandal um die Mordaffäre seiner Frau zwang Caillaux nun wirklich auch als Finanzminister zurückzutreten. Damit hatte er keinen Einfluss mehr auf die dann kommenden Dinge.

Übrigens: Der Bruder des von Hitler in der Röhm-Nacht ermordeten Gregor Strasser, Dr. Otto Strasser, schrieb am 19. Mai 1968 dem 'Stern': "In den Jahren 1931 und 1932 (nach meiner Trennung von Hitler) war ich des öfteren mit dem Ehepaar Caillaux in Paris zusammen...Er erzählte mir - in Gegenwart seiner Gattin - auch ausführlich über die Hintergründe der Erschießung Calmettes. Mit Nachdruck betonte Caillaux, dass der jahrelange Kampf gegen ihn, der schließlich zu seinem Sturz als Ministerpräsident 1912 geführt hatte, von England ausging und von England bezahlt wurde.
Er bezeichnete Calmette eindeutig als 'bezahlten englischen Agenten', der beauftragt war, die 'drohende' Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland, die Caillaux als Lebensziel seiner Politik betrachtete, zu verhindern."


Links:
http://www.lib.byu.edu/~rdh/wwi/bio/c/caillaux.html
http://www.herodote.net/histoire03161.htm

 
Zuletzt bearbeitet:
Gandolf schrieb:



Arne sprach von einer (offenen und ehrlichen) Diskussion und nicht über eine Vertragsklausel.

Lieber Gandolf,
glaubst Du tatsächlich, dass man über die Kriegsschuldfrage offen und ehrlich diskitieren kann? Die beteiligten Völker an dem Krieg doch nicht, jeder wird diese Frage aus seiner Sicht sehen.
So eine Frage ist nicht nur eine Vertragsklausel.
 
Seldschuk schrieb:
Lieber Gandolf dein Vergleich hinkt aber ganz schön! Oder missverstehe ich dich? Denn Ich denke es steht ausser Frage einen Staat nur deswegen anzugreifen, weil ein Staatsbürger oder ein Terrorist der sich gerade in einem Staat X befindet anzugreifen. Dies gilt natürlich heute wie gestern. Allerdings heute mehr als gestern.

Du baust gerade einen Türken. Ich habe mich mit meinem Beitrag gegen Beornas These ausgesprochen, dass es nach einem Attentat normal sei, in das Land einzumarschieren, aus dem die Attentäter stammen oder in dem die Hintermänner vermutet werden. Beorna hatte zur Untermauerung dieser These auf die Kriege der USA gegen Afghanistan und Irak Bezug genommen. Meiner Meinung ist dies schon deshalb falsch,
  • weil die Serben 1914 im Gegensatz zu den Taliban 2001 und zu Hussein 2003 zur Kooperation bereit waren und somit kein Krieg gegen Serbien notwendig war.
  • weil der Krieg gegen den Irak in keinem Zusammenhang zu den Attentaten vom 11.9.2001 stand.
  • weil im Fall von Afghanistan die Taliban mit der einstimmig vom Weltsicherheitsrat beschlossenen Resolution 1373 (29.9.2001) verbindlich verpflichtet wurden, die Terroristen und Hintermänner des 11.9. auszuliefern. Zudem wurde im Weltsicherheitsrat einmütig bekundet, dass den USA aufgrund der Attentate das Recht zur Selbstverteidigung gegen Afghanistan zusteht, falls die Taliban dieser Aufforderung nicht nachkommen. Mithin unterscheidet sich der Fall Afghanistan 2001 vom Fall Serbien 1914 grundlegend.
Seldschuk schrieb:
Trotzdem ist diesem Attentat in Sarajewo viel zu viel Bedeutung beigemessen. Diese Attentat ist "lediglich" der Anlass. Maßgebend allerdings ist die Ursache!
Die Kriegsschuldfrage ist eben keine rein historische Frage, sondern eine rechtspolitische (siehe mein Beitrag vom 01.10.2005 - 22:48 Uhr). Deshalb geht es auch mehr um die Frage, wie sich die Verantwortungsträger in der Julikrise 1914 konkret verhalten haben. Um deren Vorstellungen und Entscheidungen nachvollziehen zu können, ist es natürlich auch wichtig die Vorgeschichte des Krieges zu kennen, aber letztlich kommt es auf das Verhalten in der Julikrise an.
Seldschuk schrieb:
Und das war der Nationalismus einhergehend mit dem Narzismus und auch Größenwahn.
Diese Analyse ist mir viel zu platt.
Seldschuk schrieb:
Ausserdem könnte ich auch behaupten, dass die Serben die Hauptschuld am Ausbruch tragen, der Attentäter war Serbe.
Behaupten kann man natürlich viel. Aber überzeugt diese Behauptung auch? Interessanterweise gehst Du auf meine Argumentation, dass ÖU mit seiner Reaktion auf das Attentat den Bogen überspannte gar nicht ein.
Seldschuk schrieb:
Deswegen dürfen wir das nicht aus den Augen verlieren. Alle wollten den Krieg 1914 und sind jubelnd an die Front gezogen.
Meiner Meinung nach verlierst Du zwei Dinge aus den Augen:
  • Die Initiative zum Krieg ging von den Mittelmächten aus (Österreich überspannt den Bogen und wird dabei von Deutschland gedeckt) - siehe oben.
  • Die Legende von der Kriegsbegeisterung der Volksmassen im Herbst 1914 wurde schon längst widerlegt: Jochen Bölsche, „Ein Hammerschlag auf Herz und Hirn“, in: Stephan Burgdorff und Klaus Wiegrefe (Hrsg.), Der Erste Weltkrieg, Deutsche Verlags-Anstalt, 2004, S. 54-58.
 
heinz schrieb:
Lieber Gandolf,
glaubst Du tatsächlich, dass man über die Kriegsschuldfrage offen und ehrlich diskitieren kann? Die beteiligten Völker an dem Krieg doch nicht, jeder wird diese Frage aus seiner Sicht sehen.
90 Jahre danach sollte dies ohne weiteres möglich sein.

Kantorowicz ist übrigens ein Beispiel dafür, dass man schon 1927 in der Kriegsschuldfrage zu einem unabhängigen Urteil kommen konnte, welches nicht einfach die Propaganda-Sicht der eigenen Seite wiedergab.
heinz schrieb:
So eine Frage ist nicht nur eine Vertragsklausel.
Sag ich doch!
 
Gandolf schrieb:
...
heinz: So eine Frage ist nicht nur eine Vertragsklausel.

Sag ich doch!

bei allem respekt, verehrter gandolf, du sagst mal dies und dann mal jenes. worüber reden wir denn jetzt hier?

darüber, wer den 1. wk verursacht hat? über eine vertragsklausel im friedensvertrag (die ziemlich weit hinten im vertrag stand, also den autoren wohl nicht so superwichtig schien)? über ein rechtspolitisches problem?

mir scheint, je nach dem über das ein oder andere, aber ich hätte gerne, daß man hierzu klarheit hat.
 
Zuletzt bearbeitet:
Gandolf schrieb:
Du baust gerade einen Türken. Ich habe mich mit meinem Beitrag gegen Beornas These ausgesprochen, dass es nach einem Attentat normal sei, in das Land einzumarschieren, aus dem die Attentäter stammen oder in dem die Hintermänner vermutet werden. Beorna hatte zur Untermauerung dieser These auf die Kriege der USA gegen Afghanistan und Irak Bezug genommen. Meiner Meinung ist dies schon deshalb falsch,
  • weil die Serben 1914 im Gegensatz zu den Taliban 2001 und zu Hussein 2003 zur Kooperation bereit waren und somit kein Krieg gegen Serbien notwendig war.
  • weil der Krieg gegen den Irak in keinem Zusammenhang zu den Attentaten vom 11.9.2001 stand.
  • weil im Fall von Afghanistan die Taliban mit der einstimmig vom Weltsicherheitsrat beschlossenen Resolution 1373 (29.9.2001) verbindlich verpflichtet wurden, die Terroristen und Hintermänner des 11.9. auszuliefern. Zudem wurde im Weltsicherheitsrat einmütig bekundet, dass den USA aufgrund der Attentate das Recht zur Selbstverteidigung gegen Afghanistan zusteht, falls die Taliban dieser Aufforderung nicht nachkommen. Mithin unterscheidet sich der Fall Afghanistan 2001 vom Fall Serbien 1914 grundlegend.
Die Kriegsschuldfrage ist eben keine rein historische Frage, sondern eine rechtspolitische (siehe mein Beitrag vom 01.10.2005 - 22:48 Uhr). Deshalb geht es auch mehr um die Frage, wie sich die Verantwortungsträger in der Julikrise 1914 konkret verhalten haben. Um deren Vorstellungen und Entscheidungen nachvollziehen zu können, ist es natürlich auch wichtig die Vorgeschichte des Krieges zu kennen, aber letztlich kommt es auf das Verhalten in der Julikrise an.

Diese Analyse ist mir viel zu platt.

Behaupten kann man natürlich viel. Aber überzeugt diese Behauptung auch? Interessanterweise gehst Du auf meine Argumentation, dass ÖU mit seiner Reaktion auf das Attentat den Bogen überspannte gar nicht ein.

Meiner Meinung nach verlierst Du zwei Dinge aus den Augen:
  • Die Initiative zum Krieg ging von den Mittelmächten aus (Österreich überspannt den Bogen und wird dabei von Deutschland gedeckt) - siehe oben.
  • Die Legende von der Kriegsbegeisterung der Volksmassen im Herbst 1914 wurde schon längst widerlegt: Jochen Bölsche, „Ein Hammerschlag auf Herz und Hirn“, in: Stephan Burgdorff und Klaus Wiegrefe (Hrsg.), Der Erste Weltkrieg, Deutsche Verlags-Anstalt, 2004, S. 54-58.

Gut unsere Meinungen differieren.
Übrigens ich bin Türke deutscher Nationalität. Und wer dürfte sich mehr erlauben einen Türken zu bauen? :p
Ich bin der Ansicht, dass der Nationalismus und die Annahme aller Mächte, das ein Krieg in EUropa nicht zu verhindern sei, der eigentliche Grund ist. Du misst dem Anlass grössere Tragweite zu. Ich der Ursache.

Zum Afghanistankrieg nur soviel:
Strategisch ist ein solches Land nicht zu befrieden. Das haben uns die letzten Kriege in Afghanistan gezeigt. Und nochmal, nur weil sich ein Terrorist in einem Drittland aufhält ist dies kein "casus belli"! Dann nämlich hätten amerikanische Bomber auch Hamburg angreifen müssen. Den hiervon ging ja die Initiative zum 9-11 aus.
Und ich weiss nicht wo da der Verteidigungsfall ist und man einen Staat der sowieso zu den ärmsten der Welt gehört in die Steinzeit zurückbombem muss? Nein, nein, der Krieg in Afghanistan hat andere Ursachen. 9-11 ist nur der Anlass! Siehst du den Unterschied zwischen Anlass und Ursache? Ich hoffe ihn dir deutlich gemacht zu haben!:)
 
Seldschuk schrieb:
Gut unsere Meinungen differieren.
Übrigens ich bin Türke deutscher Nationalität. Und wer dürfte sich mehr erlauben einen Türken zu bauen? :p
:D
Seldschuk schrieb:
Ich bin der Ansicht, dass der Nationalismus und die Annahme aller Mächte, das ein Krieg in EUropa nicht zu verhindern sei, der eigentliche Grund ist. Du misst dem Anlass grössere Tragweite zu. Ich der Ursache.
Meine Position ist die, dass es bei der Kriegs-SCHULD-Frage um die Bewertung des Verhaltens der Verantwortungsträge in der konkreten Krisensituation geht.
Seldschuk schrieb:
Zum Afghanistankrieg nur soviel:
Strategisch ist ein solches Land nicht zu befrieden. Das haben uns die letzten Kriege in Afghanistan gezeigt. Und nochmal, nur weil sich ein Terrorist in einem Drittland aufhält ist dies kein "casus belli"! Dann nämlich hätten amerikanische Bomber auch Hamburg angreifen müssen. Den hiervon ging ja die Initiative zum 9-11 aus.
Und ich weiss nicht wo da der Verteidigungsfall ist und man einen Staat der sowieso zu den ärmsten der Welt gehört in die Steinzeit zurückbombem muss? Nein, nein, der Krieg in Afghanistan hat andere Ursachen. 9-11 ist nur der Anlass! Siehst du den Unterschied zwischen Anlass und Ursache? Ich hoffe ihn dir deutlich gemacht zu haben!:)
Ich möchte Dich um Verständnis dafür bitten, dass ich in diesem Strang nicht in eine Diskussion über die völkerrechtliche Bewertung des Afghanistankrieges eintreten möchte. Diese Diskussion führt einfach zu weit weg vom Thema dieses Stranges. Deshalb möchte einfach nochmal hervorheben, dass die Serben 1914 zur Kooperation bereit waren und dass es deshalb unnötig war zur Bestrafung der Hintermänner des Attentäters gegen die Serben Krieg zu führen.

Übrigens war die Bundesrepublik nach dem 11.9.2005 bereit mit den USA zu kooperieren und es gab dann ja auch in Deutschland Hausdurchsuchungen und Festnahmen und Prozesse; währenddessen die Taliban - trotz der auch für sie verbindlichen Resolution des Weltsicherheitsrates - eben nicht zur Auslieferung von Osama bin Laden bereit waren.
 
heinz schrieb:
Lieber Gandolf,

in Nr.41 dieses Pfades sagst Du genau das Gegenteil, nämlich dass es nur eine Vertragsklausel ist.:confused:

In solchen Faellen empfiehlt der Moderator den Diskutanten ein sorgfaeltiges Lesen der Diskussionsbeitraege der anderen Diskussionsteilnehmer :rolleyes:
 
Gandolf schrieb:
Ich möchte Dich um Verständnis dafür bitten, dass ich in diesem Strang nicht in eine Diskussion über die völkerrechtliche Bewertung des Afghanistankrieges eintreten möchte.

In diesem Fall empfiehlt der Moderator, dem Vorschlag des Diskutanten zu folgen, und jedwede weitere tagespolitische Diskussion zu unterlassen :hoch:
 
Gandolf schrieb:
:D

Meine Position ist die, dass es bei der Kriegs-SCHULD-Frage um die Bewertung des Verhaltens der Verantwortungsträge in der konkreten Krisensituation geht.

Ich möchte Dich um Verständnis dafür bitten, dass ich in diesem Strang nicht in eine Diskussion über die völkerrechtliche Bewertung des Afghanistankrieges eintreten möchte. Diese Diskussion führt einfach zu weit weg vom Thema dieses Stranges. Deshalb möchte einfach nochmal hervorheben, dass die Serben 1914 zur Kooperation bereit waren und dass es deshalb unnötig war zur Bestrafung der Hintermänner des Attentäters gegen die Serben Krieg zu führen.

Übrigens war die Bundesrepublik nach dem 11.9.2005 bereit mit den USA zu kooperieren und es gab dann ja auch in Deutschland Hausdurchsuchungen und Festnahmen und Prozesse; währenddessen die Taliban - trotz der auch für sie verbindlichen Resolution des Weltsicherheitsrates - eben nicht zur Auslieferung von Osama bin Laden bereit waren.

Moin, moin Gandolf

nochmal zum Türken bauen! Ich habe schon einen Türken gebaut, genau genommen eine Türkin. Die ist heute 18 Monate alt!:D
Zum Thema:
Ich bin der meinung, dass Deutschland nicht mehr Schuld trifft als die anderen Mächte. Nur soviel:
Aus meinem Geschichtsunterricht (liegt zwar schon länger zurück) erinnere ich, dass ÖU Serbien zwar ein Ultimatum stellte und Serbien auch kooperierte, trotzdem aber Bedenken Serbiens bestanden der Souveränität wegen, gleichzeitig aber eine Teilmobilisierung stattfand. Und dies nur, weil "alle erdenkliche Unterstützung seitens Russland bestand". Sofern ich erinnere, glaubten Deutschland, England und auch Frankreich zu diesem Zeitpunkt noch der Krieg könne abgewendet werden.
Dies stützt meine Annahme, dass das DR nicht Hauptschuldiger sein kann!
Wenn man das Attentat als maßgebend betrachtet, um die Kriegsschuldfrage zu klären ist m.E. Deutschland auszuklammern.
Es bleiben übrig ÖU, Serbien und Russland. Dies waren die ersten staaten die mobil machten.:winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
Um es nochmal klar zu stellen, Gandolf,
1) meine These lautet nicht, "es ist normal, nach einem Attentat einzumarschieren". Ich wollte lediglich damit zeigen, daß auch heute noch Attentate oder andere (zum Teil) nichtige ANLÄSSE zu Kriegen genutzt werden und wir in der Bewertung solcher Kriege heute oft dazu neigen "unsere (westlich-demokratischen)" Kriege für gut und die der anderen für schlecht zu halten.
2) Ich möchte Deutschlands Schuld nicht klein reden, DEUTSCHLANDS SCHULD WAR GROß, aber sie waren, wie Seldschuk und andere richtig schreiben, nicht allein handelnd. Alle machten mobil. Alle zündelten am Pulver bis es plötzlich krachte.
3) Bei der Aussage Geschichte wird oft vom Sieger geschrieben, schließe ich nicht automatisch deutsche Autoren aus. Ich denke da nur an meine Geschichtslehrerin:mad: . Ich habe deine Autoren nicht gelesen, aber bloß weil ein Deutscher schreibt, Deutschland sei Schuld, muß das noch lange nicht richtig sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
beorna schrieb:
3) Bei der Aussage Geschichte wird oft vom Sieger geschrieben, schließe ich nicht automatisch deutsche Autoren aus. Ich denke da nur an meine Geschichtslehrerin:mad: . Ich habe deine Autoren nicht gelesen, aber bloß weil ein Deutscher schreibt, Deutschland sei Schuld, muß das noch lange nicht richtig sein.

Es ist nicht nur EIN Deutscher, es sind mehrere. Und es sind nicht nur Deutsche, sondern auch Engländer, Franzosen, Amerikaner etc. die von einer Hauptschuld Ds am Krieg sprechen - niemand spricht noch von alleiniger Schuld.

Was auch noch für die große Schuld spricht ist der Angriff auf ein neutrales Land (Belgien), durch welchen England überhaupt erst in den Krieg eintrat.

Und: Deutschland stellte Frankreich ein Ultimatum - es solle sich äußern, wie es sich zu verhalten gedenke. Nun gut, bei einem Krieg mit Russland war ein Eingreifen Frankreichs wahrscheinlich - aber musste es durch ein Ultimatum weiter provoziert werden? Um so mehr, als das Ultimatum möglicherweise (s.u.) auch verlangte, dass Frankreich, falls es neutral bleiben wolle, die Festungen Toul und Verdun an Deutschland übergibt (diese Information habe ich bisher nur ein einem einzigen Buch zum Ersten Weltkrieg gefunden ... daher wundere ich mich, ob sie falsch ist oder warum andere Bücher dies verschweigen). Konnte so ein Ultimatum von Frankreich überhaupt "friedlich" beantwortet werden?
 
Um es besser zu sagen:" bloß weil Deutsche schreiben...."

Gegen die Hauptschuld wehre ich mich trotzdem. Mit der Bezeichnung "große Schuld" kann ich hingegen leben und daß Deutschland sich dumm verhalten hat in seinen Aktion will auch ich gerne bestätigen.

Und zur Schuldfrage nochmal, wer hat deiner Meinung denn Schuld am Krieg 70/71? Das würde mich mal interessieren!
 
beorna schrieb:
Um es besser zu sagen:" bloß weil Deutsche schreiben...."

Gegen die Hauptschuld wehre ich mich trotzdem. Mit der Bezeichnung "große Schuld" kann ich hingegen leben und daß Deutschland sich dumm verhalten hat in seinen Aktion will auch ich gerne bestätigen.

Und zur Schuldfrage nochmal, wer hat deiner Meinung denn Schuld am Krieg 70/71? Das würde mich mal interessieren!

Lieber Beorna,
da hat sicherlich Frankreich einen großen teil der Schuld, aber auch Bismarck mit seiner Emser Depesche.
Eine große Schuld am Ausbruch des WKI hat sicherlich Deutschland, weil es Ö-U nicht davon abhielt in Serbien einzumarschieren und WilhelmII seinen kaiserlichen Kollegen Franz-Joseph noch aufforsderte in Serbien aufzuräumen.
Durch die Aufkündigung des Rückversicherungsvertrages mit Rußland war Deutschland außer von Ö-U nur noch von Gegnern umgeben, was es sich selbst zuzuschreiben hat.
Die Situation ließ zwei Züge aufeinanderrasen. :rolleyes:
 
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