Wodankult. Und davor?

Absolut beginer

Neues Mitglied
Moin allerseits​
Wie ich bislang mitbekommen habe, trat der Wodankult (erst?) im 1.Jahrhundert n. Chr.​
vom Niederrhein aus seinen Siegeszug an, bis er alle germanischen Völker erfasste und als​
Allvater den Thron der Göterfamilie bestieg.​
Also, dürfte er 125 vor Chr. am Nordsee, bei den Kimbern, keine herausragende Rolle gespielt haben. Irre ich hier? Falls nicht - WEN verehrten sie dann? Freyr-Freya? Deren Eltern​
Jörd-Njörd? Tiwaz alias Tyr/Tiu/Ziu? Ist Tacitus` Nerthus Jörd oder Njörd. (Wenn nicht​
gleich beides)​
Ich weiß - viele Fragen, wünsche jedoch eure verschiedene Meinungen, da mir diese​
blutrünstige ;) Kimbern-Priesterinnen keine Ruhe lassen, angesichts der Macht und​
Einflusses, die sie anscheinend ausübten. Durch starke Rückendeckung matriarhaler​
Gottheiten, trotz streng patriarhalen Gesellschaft?​
Grüße und angenehmen Montag:fs:​
 
Hallo Absolut beginer,
Die Frage wann der Wotan-Kult entstand kann dir niemand beantworten. Erst mit der römischen Geschichtsschreibung erhalten wir überhaupt erst verwendbare Zeugnisse über die Religion germanischer gentes. Die Ähnlichkeit Odin/Wotans mit dem keltischen Lug deutet aber daraufhin, daß dieser Kult nicht erst im 1. Jhd nach Christus entstanden sein kann. Heidnische (neutral benutzt) Religionen und Kulte sind noch stärker als die buchbesitzenden Religionen von Veränderungen betroffen. Einzelne Kulte erlangen mal mehr, mal weniger an Bedeutung. In einer eher friedlichen, bäuerlichen Welt überwiegt der Einfluß Thor/Donars und vanischer Kulte, in einer eher kriegerischen Phase erstarkte Wotan/Odin. Zudem kann auch der Wirkungsbereich der Götter sich verändern, das heißt, sie erhalten auch andere Attribute. So hat Tiu, Tyr etc z.B seinen Einfluß im kriegerischen Bereich eingebüßt, Loki als "Feuergott" hatte vielleicht in früheren Zeiten ein viel stärker positiv gedeuteten Charakter. Ing der in der Spätphase schon beinah einem Sonnengott ähnliche Züge hat, war ursprünglich wohl nur ein Fruchtbarkeits"dämon". So auch dessen "Eltern" Njörd und Nerthus, anders aber auch Njörd und Skadi. Njörd und Nerthus könnten hierbei aus einem ungeschlechtlichen oder unsicher definierten UrgottIn entstanden sein, der sich in eine weibliche und eine männliche Komponente trennte.
 
Danke BEORNA für deine logische Meinung. Dass mir keiner das genaue Datum mit Uhrzeit
über Ursprung des Wodankultes vermitteln kann, leuchtet mir ein.;) Einige Buchverfasser
erwehnen jedoch das 1.Jahrhundert n.Chr. ( Z.b. Jakob Amstadt - Die Frau bei den Germanen). Irgendwo müssen die das ja her haben.

Du schreibst: Njörd UND Nerthus. Da sind wir einer Meinung - Nerthus ist nicht Njörd. Nerthus
ist weiblich. Ich schreibe zwar Njörd UND Jörd, was aber nebensächlich sein dürfte. Es gibt
vermutungen, Nerthus sei männlich (also Njörd). Demzufolge dürfte es meine Jörd garnicht
geben. Ziemlich abwegig. Und das Tacitus sich im Geschlecht dieser Gottheit irren sollte, finde
ich noch abwegiger.

Njörd und Jörd (Nerthus) Eltern von Ing.:confused:??? Habe ich da irgendwann was mit geschlossenen Augen gelesen?
 
Götter in Naturreligionen sind anders als bei Buchreligionen keine eindeutig festen Persönlichkeiten. Eben deshalb kann auch ihre Geschlechtszugehörigkeit, wie beim männlichen
Njörd(r) und bei der weiblichen Nerthus/Jörd. Es können aber auch "Familienverhältnisse" sich ändern. So gelten Njörd(r) und Jörd als Eltern Ings/Freyrs. In anderen Sagen gelten Njörd(r) und Skadi als Eltern Ins/Freyrs. Bei Ing/Freyr sieht man auch schön, daß ein Gott auch in unterschiedlicher Gestalt angebetet werden kann, bzw. mehrere Götter in einer Person zusammenfließen können. Bei all dem, dürfen wir nicht vergessen, daß wir es bei unserer Kenntnis der germanischen Religion(en) zudem mit einem großen Zeit- und regionalen Unterschied zu tun haben. Zwischen Tacitus und Edda liegen Jahrhunderte, zwischen der Krim und Island tausende von Kilometern.
Zu der Zeitangabe 1.Jhdn.Chr.: Ich glaube, nein ich bin mir sicher, daß irgendwann irgendjemand mal sich diese Zahl aus den Fingern gesogen hat und sie sich mit der Zeit zu einer historischen Zahl verselbständigt hat.
 
Absolut beginer schrieb:
Falls nicht - WEN verehrten sie dann? Freyr-Freya? Deren Eltern Jörd-Njörd?
Viele Fragen.
Jörð und Njörð dürften nicht unterschiedliche Personen sein. Nach Snorri war Njörð mit Skaði verheiratet. Die Ehe wurde später geschieden.
Absolut beginer schrieb:
Tiwaz alias Tyr/Tiu/Ziu? Ist Tacitus` Nerthus Jörd oder Njörd. (Wenn nicht gleich beides)
Alles, was wir tatsächlich von Njörð erfahren, ist so auf die skandinavischen Verhältnisse zugeschnitten und spiegeln auch die Lebenswelt Islands im 10. - 12. Jh. wieder, dass wir mit diesen Informationen nicht an Nerthus herankommen.
Dass die Nerthus des Tacitus = Njörð ist, halte ich für unwahrscheinlich. (Übrigens gibt's für die Tacitus-Stelle auch andere Lesarten, u.a. den Akk. herthum in einer Druckausgabe von 1519, welches erst zu Hertham emendiert, dann zur germanischen Erdgöttin wurde und in der Gegenwart noch in "Hertha BSC" fortlebt). Der Bericht des Tacitus ist für die ausufernde Spekulation, die daran anknüpfte, viel zu kurz. Man hat den Kult als Muster germanischer Fruchtbarkeitskulte angesehen, sie auf andere bezeugte Kulte übertragen und dann auch eine Beziehung zu den skandinavischen Gottheiten hergestellt. Der Bericht des Tacitus sollte als eine skizzenhafte, literarisch ausgestaltete und inhaltlich umgeformte Schilderung der ihm berichteten auffallenden Züge des Nerthuskultes aufgefasst werden. Diese Beziehung zu Njörð wurde von Jacob Grimm aufgestellt, indem er beide Namen auf ein urgermanisches *nerþuz zurückgeführt hat Diese Beziehung ist aber sehr umstritten und hat auch Ablehnung erfahren. Für Nerthus gibt es viele Spekulationen: Es wird angenommen, dass es sich ursprünglich um ein Götterpaar gehandelt habe und Tacitus habe das verkannt. Er habe die agrarische Fruchtbarkeitsbedeutung der Nerthus verkannt und daher nicht erwähnt und vieles andere.

Etymologische Verwandtschaften sollten nicht zur Identifkation von Göttern verwendet werden.

Wir müssen uns einfach damit abfinden, dass wir aus der vorrömischen Zeit nichts wissen. Daher kann man von Fakten ungestört umso freier spekulieren.

Fingalo
 
Danke BEORNA und FINGALO.:hoch:

Ich gehe einfach mal davon aus, dass auch kurz vor unserer Zeitrechnung
die Wanen (im Norden vielleicht mehr als im Süden) noch eine große Rolle
spielten und der Krieg mit den Asen noch nicht beendet war, obwohl der laut
vieler, bereits in grauer Vorzeit geschehen sein sollte. Ihr versteht - Theorie
mit Axtmenschen-Asen-Patriarchat vs Megalithmenschen-Wanen-Matriarchat.
 
Absolut beginer schrieb:
Danke BEORNA und FINGALO.:hoch:

Ich gehe einfach mal davon aus, dass auch kurz vor unserer Zeitrechnung
die Wanen (im Norden vielleicht mehr als im Süden) noch eine große Rolle
spielten und der Krieg mit den Asen noch nicht beendet war, obwohl der laut
vieler, bereits in grauer Vorzeit geschehen sein sollte. Ihr versteht - Theorie
mit Axtmenschen-Asen-Patriarchat vs Megalithmenschen-Wanen-Matriarchat.

Na ja, ausgehen darf man ja.
Denn, wie gesagt: Ohne irgendwelche Fakten sind der Spekulation keine störenden Grenzen gesetzt. :)

Fingalo
 
Hallo Absolut beginer,
wenn es je einen solchen Konflikt "Axtmenschen-Asen-Patriarchat v Megalithmenschen-Vanen-Matriarchat" gegeben hat, dann wäre dies auch in diese Zeit zu verlegen, also ins 2. Jahrtausend vor Chr. Ob dieser "Krieg" aber zu dieser Zeit oder aber 2000 Jahre später tobte, ist absolut ungewiß, da kann ich Fingalos Skepsis nur teilen. Mir ist nicht bekannt, daß es sich bei den Vanen um eine mutterrrechtlich geprägte Religion gehalten hat. Bloß weil Freya aus diesem Geschlecht stammt, heißt das in dieser Hinsicht nichts, schließlich wurde auch Freyr übernommen. Es scheint lediglich gesichert, daß es sich bei den Vanen um Fruchtbarkeitsgötter gehandelt hat.
Nur mal rein spekulativ, gerade in Skandinavien war, der "Vanenglaube" wohl relativ stark ausgebreitet. Möglicherweise sind die Asen erst später zur Hauptgötterfamilie in Skandinavien aufgestiegen. Dies könnte sich dann auch erst in nachchristlichen Zeiten ereignet haben.
 
Versuche mal zu erklären, was ich mit Matriarchat vs. Patriarchat im Sinne hatte.

Ab dem 5.Jahrtausend bildete sich in Mitteleuropa eine Kultur heraus, die man heute als Linienbandkeramik bezeichnet. Eine Zeit des Friedens und grundlegenden Veränderungen. Landwirtschaft erfreute sich großen Fortschritts. Die Megalithmenschen sind (fast) richtige Bauern geworden und deren religiöse Vorstellung Änderte sich dementsprechend. Hatte man früher den 'Herren' oder die 'Herrin' der Tiere verehrt, so zeigen sich Gottheiten nun deutlich differenziert. Sie stehen in konkreten Bezug zur Wirtschaftweise des Menschen, zu Ackerbau und Viehzucht.

Aus der Menge arhäologischer Befunde Mittel-, und Nordeuropas ist deutlich eine Verehrung der Vegetations-, und Fruchtbarkeitsgöttinnen erkennbar. Wie die bronzenen Kleinfiguren Skandinavien, so auch Kultsymbole Mitteleuropas - allesamt weiblich. Zwar sind auch phallusartigen Symbole bekannt, dürften jadoch eine untergeordnete Funktion ausgeübt haben, wie gesagt, aufgrund der Fülle an weiblichem archäologischem Material. Und wie meistens, spiegelte sich religiöse Vorstellung in der Gesellschaft wieder. Verehrung weiblicher Fruchtbarkeitsgöttinnen weist auf die bevorzugte Position der Frau und Mutter hin. Ihre siziale und biologische Funktion wurde höher eingeschätzt, als die des Mannes. SIE war Mittelpunkt der Familie. Matriarchat.

2000 v.Chr. erreichte eine neue Kultur Nord-, und Ostsee Küstengebiete.Diese Menschen sind uns bekannt als Schnurkeramiker und Streitaxtleute. Sie führten eine halbnomadenhafte Wirtschaftsweise und lebten hauptsächlich von der Viehzucht. Sie waren militärisch in Kriegsverbänden organisiert und: 1.Dies benötigte eine kriegerisch orientierte Religion, die natürlich, durch einen männlichen Gott (Götter) repräsentiert wurde. 2.Dies war eine Voraussetzung, die ermöglichte, dem stärksten Mann in der Sippe oder Familie seinen Konkurrenten zu töten oder seiner Gewalt zu unterstellen, aber auch die Frau musste sich seinem Machtanspruch beugen. ER war Mittelpunkt der Familie. Patriarchat.

Zuerst sollte es keine Konflikte zwischen den Neuankommlingen und den ansässigen bauern gegeben haben. Falls doch - Axt. Nun setzte eine Vermischung der beiden Kulturen an. Spätestens bis 1500 v.Chr. war dieser Assimilierungsprozess vollzogen, unter dessen auch Religion. Jedoch geht der Vereinigung der beiden Götterwelten ein Konflikt voraus: Wanenkrieg. Aber weswegen? Ich sage mal salopp - die alten Bauern hatten im Laufe des Prozesses den Kürzeren gezogen. Die nun entstehenden Germanen haben von den Streitaxtleuten etwas mehr abgekriegt, als von den Bauern. Zünglein an der Wage schlug allmählich auf die Seite der patriarchal strukturierten Gesellschaft. Die uralten Göttinen wurden als Häupter der Götterfamilie nicht mehr tragbar. Nicht fallsch verstehen - auch der Wanenkrieg zog sich über Jahrhunderte, bis zu der Versöhnung. Die alten Wanen bekamen Hönir und Mimir, Die Asen bekamen Njörd samt seiner Kinder Freyr und Freya. Ob während des Wanenkrieges Tacitus' Terra Mater zu Männlichem Njörd wurde ist ungewiss. Aber dass im Norden noch in das 1.Jhd n.Chr. diese Nerthus, Mutter Erde verehrt wurde, also, eine sehr alte Göttin oder deren Verjüngung, wagte ich den Satz, Wanenkrieg sei noch nicht beendet. Wie auch immer. Ende gut, alles gut.

Springen wir noch schnell in die Zeit, kurz vor Chr. Wir haben eine verdammt starke Frija, eine verdammt starke Freya, wir haben Matronen, Nornen, Disen, Walküren und weiß der Kuckkuck was alles noch. Sie alle hatten einen enormen Einfluss auf das alltägliche Leben der Germanen, Germaninnen besonders: Sie waren Heilkundige, Wahrsagerinnen, Ratgeberinnen, Zauberinnen, Kriegerinnen und auch Herrscherinnen. Matriarchale Spuren, wo man nur hin schaut.

P.S. Es fällt mir plötzlich ein, warum Nerthus in einen Kerl verwandelt wurde: Die alte Germanen taten es, aus reiner Dämlichkeit - um ihr Machogehabe zu befriedigen und nicht als Memmen zu gelten. Aber insgeheim, tief in ihren Herzen, verehrten sie die alte, guuute Mutter Erde immer noch.:yes:
 
Ja, das ist das schöne alte Gimbutas-Märchen vom Zusammenprall zweier komplett gegensätzlicher Kulturen:

Hie die friedlichen bäuerlichen kultivierten matriarchalischen Alteuropäer, da die aggressiven reitenden barbarischen patriarchalischen Kurganleute.

Es hat nur einen Nachteil: In Nord- und Mitteleuropa ist nichts davon archäologisch nachweisbar.
 
Ja Hyokkose, gebe dir auch recht.

Spekulation hin, Spekulation her - das Thema ist mir einen Gedanken wert,
und ich hoffe schwer, dass Archäologen bald eine 7000 Jahre alte DVD
ausbuddeln, die uns Licht in die Dunkelheit bringt.;)

Da du Märchen erwähnst :idee: - ich schreib' mal ein Echtes. In drei Versionen.
Bring' ich in den nächsten Tagen.:D
 
hyokkose schrieb:
Es hat nur einen Nachteil: In Nord- und Mitteleuropa ist nichts davon archäologisch nachweisbar.
Ich verstehe dieses Argument nicht, oder sagen wir es mal besser so, was sollte ein archäologicher Fund ohne weitere 'Zeitzeugen' beweisen, was auf die Geschlechterhierarchie hindeuten könnte? Der Fund alleine sagt nichts über das Wieso, Weshalb, Warum aus. Eine Frauenstatuette kann als PinUp-Girl gedeutet werde, oder auch als Fruchtbarkeitsgöttin. Der archäologische Fund muss also interpretiert werden. Worin liegt also die Beweiskraft eines solchen Fundes? Oder noch besser, was müsste gefunden werden, damit ein Beweis erbracht wäre?

Gruß
Cassandra

PS.: Unter 'Zeitzeugen' verstehe ich z.B Schriften, zeitgenössische Geschichten, eben irgendetwas, was die Funde im Kontex bringt kann.

PPS.: Es ist eine grundsätzliche Frage von mir, wenn sie also nicht in diesen Thread passt, vielleicht könnte die Frage ja verschoben werde.
 
Cassandra schrieb:
Oder noch besser, was müsste gefunden werden, damit ein Beweis erbracht wäre?

Von einem Beweis sind wir weit entfernt. Mir sind noch nicht einmal Indizien für den Einbruch von fremden "Streitaxtleuten" ins nördliche Mitteleuropa bekannt.
 
hyokkose schrieb:
Von einem Beweis sind wir weit entfernt. Mir sind noch nicht einmal Indizien für den Einbruch von fremden "Streitaxtleuten" ins nördliche Mitteleuropa bekannt.
Ob die Schnurkeramik-Kultur sich aus bereits dort ansässiger Linienbandkeramik-Kultur heraus oder infolge einer Einwanderung entwickelte, wird wohl ewig eine Streitfrage bleiben, muss jedoch Pflicht eines jeden Archäologen, Historiker sein, damalige kulturelle Veränderungen als Folge der Einwanderung in Betracht zu ziehen, sie als INDIZ dafür zu halten. Hätte man dies nicht getan, stünde diese Theorie heutzutage gar nicht zu Debatte.


PS. Bedanke mich bereits voraus bei all denen, die mir auch für diesen harmlosen Beitrag einige Redbommels bescheren werden. Ist schon witzig, dass ich nach erst wenigen Beiträgen sooo ein beschämendes Verhalten in der Vergangenheit hinlege.:cool:
 
@Cassandra, genau darum geht es ja. Wir haben derzeit keine Quellen (Zeitzeugen bezeichnet normalerweise Personen, wenn ich mich recht erinnere) die eine solche Theorie stützen würden, wir haben natürlich auch keine die dagegen sprechen.
Leider aber ist es so, daß viele "Theoretiker" die Idee eines Matriarchats (friedlich oder nicht), manchmal sogar eines generellen Urmatriarchats in Mitteleuropa als Wahrheit oder doch sehr wahrscheinlich, mitunter sogar als belegt verkaufen wollen.

Klare Beweise für eine solche bedeutende Rolle müssen im übrigen nicht zwangsläufig durch erläuternde Nebenfunde oder gar Texte begleitet werden.
Es gäbe so etwa die Möglichkeit darstellender Hinweise, und damit meine ich nicht einzelne weibliche Skulpturen.

muss jedoch Pflicht eines jeden Archäologen, Historiker sein, damalige kulturelle Veränderungen als Folge der Einwanderung in Betracht zu ziehen, sie als INDIZ dafür zu halten.
Weder fühle ich mich dazu in die Pflicht genommen, noch haben dies mir meine Professoren und Dozenten nahgelegt noch sehe ich einen Grund dazu.
 
Zuletzt bearbeitet:
Cassandra schrieb:
Ich verstehe dieses Argument nicht, oder sagen wir es mal besser so, was sollte ein archäologicher Fund ohne weitere 'Zeitzeugen' beweisen, was auf die Geschlechterhierarchie hindeuten könnte? Der Fund alleine sagt nichts über das Wieso, Weshalb, Warum aus. Eine Frauenstatuette kann als PinUp-Girl gedeutet werde, oder auch als Fruchtbarkeitsgöttin. Der archäologische Fund muss also interpretiert werden. Worin liegt also die Beweiskraft eines solchen Fundes? Oder noch besser, was müsste gefunden werden, damit ein Beweis erbracht wäre?

Gruß
Cassandra

PS.: Unter 'Zeitzeugen' verstehe ich z.B Schriften, zeitgenössische Geschichten, eben irgendetwas, was die Funde im Kontex bringt kann.

PPS.: Es ist eine grundsätzliche Frage von mir, wenn sie also nicht in diesen Thread passt, vielleicht könnte die Frage ja verschoben werde.

Hallo Cassandra,

grundsätzlich kann man in so einen Befund ziemlich viel hineininterpretieren. Deshalb bedienen sich Archäologen, vor allem die Ur- und Frühgeschichtler, besonderer Erklärungsmodelle, die sie im allgemeinen bei Ethnologen entlehnt haben. Diese Modelle bedienen sich der Vergleiche von unterschiedlichen Völker der gleichen Kulturstufe und arbeiten etwaige Gemeinsamkeiten heraus. Da es auch in heutiger Zeit noch in entlegenen Gebieten Völker gibt, die auf einer sehr niedrigen Kulturstufe stehen, meint man aus der Mythologie, der Sozialstruktur und anderen Begebenheiten eine Tendenz erkennen zu können um dann beispielsweise sagen zu können, daß es mit relativer Sicherheit bei steinzeitlichen, oder bronzezeitlichen Kulturen kein Bedarf an Pin Up-figuren gegeben hat. Auch da muß man aber diese Modelle immer wieder kritisch hinterfragen, denn eines dieser sehr frühen Modelle bescherte uns die Forschungsmeinung, dass die Menschheit lange Zeit grunzend auf irgendwelchen Bäumen gesessen hat ;)
Aber nochmal zu der Frage. Da in der schriftlosen Zeit eben keine Berichte von Zeitzeugen vorhanden sind, muß man sich zwangsläufig solcher Kriterien bedienen um die Funde zu interpretieren.

Gruß

Marbod
 
Tib. Gabinius schrieb:
@Cassandra, genau darum geht es ja. Wir haben derzeit keine Quellen (Zeitzeugen bezeichnet normalerweise Personen, wenn ich mich recht erinnere) die eine solche Theorie stützen würden, wir haben natürlich auch keine die dagegen sprechen.
Aber genau aus diesen Grund, sollte man doch 'Todschlag-Argumente' vermeinden. Wenn archäologische Funde, für diese Fragestellung keinen Beweis bringen, braucht man auch nicht darauf zu warten. Es sei denn man möchte, das über das Thema gar nichts mehr gesprochen wird.
Ich habe übrigens 'Zeitzeugen' mit Anführungsstrichen versehen, und auch klargemacht was ich da jetzt drunter verstehe. Denn es ist manchmal einfach schwierig echte Zeitzeugen zu bekomnen. Meistens reden die nicht mehr so viel. :rofl:

Leider aber ist es so, daß viele "Theoretiker" die Idee eines Matriarchats (friedlich oder nicht), manchmal sogar eines generellen Urmatriarchats in Mitteleuropa als Wahrheit oder doch sehr wahrscheinlich, mitunter sogar als belegt verkaufen wollen.
Was leider irgendwelche Theoretiker irgendwann mal gesagt haben, sollte in einer Diskussion aber nicht maßgebend sein, solange diese Theorien nicht angesprochen werden. In Dialogen, braucht man m.E. gar nichts hinein interpretieren, da man nachfragen kann.

Beweise für eine solche bedeutende Rolle müssen im übrigen nicht zwangsläufig durch erläuternde Nebenfunde oder gar Texte begleitet werden.
Wäre ja auch zu schön um wahr zu sein. :thx:

Es gäbe so etwa die Möglichkeit darstellender Hinweise, und damit meine ich nicht einzelne weibliche Skulpturen.
Weder fühle ich mich dazu in die Pflicht genommen, noch haben dies mir meine Professoren und Dozenten nahgelegt noch sehe ich einen Grund dazu.
Kannst du das vielleicht mal mit einem Beispiel darlegen? ich fürchte nämlich, das ich nicht weiß was du genau meinst.

Gruß
Cassandra
 
Absolut beginer schrieb:
Ob die Schnurkeramik-Kultur sich aus bereits dort ansässiger Linienbandkeramik-Kultur heraus oder infolge einer Einwanderung entwickelte, wird wohl ewig eine Streitfrage bleiben, muss jedoch Pflicht eines jeden Archäologen, Historiker sein, damalige kulturelle Veränderungen als Folge der Einwanderung in Betracht zu ziehen, sie als INDIZ dafür zu halten. Hätte man dies nicht getan, stünde diese Theorie heutzutage gar nicht zu Debatte.

In Betracht ziehen kann man ja alles. Die Frage ist: Welche Fakten sprechen für eine bodenständige Entwicklung und welche Fakten sprechen für eine Einwanderung?
Für eine bodenständige Entwicklung spricht einiges: Schnurmuster, Streitäxte und Viehzucht gab es ja schon vorher. Für eine Einwanderung spricht nichts. Oder irre ich mich da?
 
hyokkose schrieb:
In Betracht ziehen kann man ja alles. Die Frage ist: Welche Fakten sprechen für eine bodenständige Entwicklung und welche Fakten sprechen für eine Einwanderung?
Für eine bodenständige Entwicklung spricht einiges: Schnurmuster, Streitäxte und Viehzucht gab es ja schon vorher. Für eine Einwanderung spricht nichts. Oder irre ich mich da?
Bin weder eine oder andere Theorie Befürworter. Nur ein Interessierter.

Falls ich in Vergangenheit keine falschen Bücher gelesen habe, dann änderte sich Bestattungsgewohnheit Megalithkultur-Bewohner in einer kurzen Zeit gravierend (nördliche Europa). Ich halte das als Indiz einer möglichen Einwanderung fremder Kultur. Nicht als Fakt - wie soll ich denn so was beweisen. Den Ursprung dieser Eindringlinge lasse ich lieber aus. Finde ich nicht ratsam, Diskussion darüber an dieser Stelle aufs neue zu entfachen, da sie im Forum bereits ausführlich behandelt wurde.

Ja, und wie erkläre ich mir die oben genannte Veränderung, sollte sie ohne Fremdeinwirken geschehen? Wie sollte das vor sich gehen? Haben sich die Guten gesagt: 'Jetzt aber Schluss mit ewiger hin und her Steineschlepperei, fortan begraben wir unsre Dahingegangene nur noch in einfache Einzelgräber, und legen sie statt flach in eine Hockestellung, so dass ihnen wärmer wird, da sie kein Stein über Kopf mehr haben werden.' Wahrscheinlich müssten sie auch ihre Religion gründlich umkrempeln.

Also Hyokkose, soweit auf die Schnelle meine Grübeleien. Bin für allerart Erkenntnisse offen, und wissbegierig wie immer.
 
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