Würdet ihr Napoleon den Namen "der Große" zusprechen?

xodeliciouseox

Neues Mitglied
Diese Frage hat in unserem Unterricht große Diskussionen ausgelöst, was ich sehr interessant fande. Nun frage ich euch, wie seht ihr die Sache ? :)
 
Für den Beinamen "der Große" gibt es keine festen Kriterien. Oft ist ohnehin nicht ganz nachvollziehbar, wieso jemand so genannt wird. Es gibt viele, die ihn verdienen würden, und viele, die ihn eher unverdient führen. Insofern könnte man endlos darüber diskutieren, ob Napoleon diesen Beinamen verdienen würde. Viele Herrscher führten den Beinamen wegen ihrer militärischen Erfolge, nicht ganz so viele wegen ihrer Leistungen auf zivilem Gebiet. In beiden Bereichen hat Napoleon Bedeutendes vollbracht, also so "groß" wie viele andere Beinamensträger war er allemal.
 
"Napoleon le Grand" ist mir irgendwo schon mal untergekommen, durchgesetzt hat es sich nicht: Seinen Leistungen standen wohl zuviele Fehlleistungen gegenueber, zu widerspruechlich war sein Schaffen...

Ich meine, es wuerde der Einmaligkeit seiner Person nicht gerecht, wuerde man ihn in die Reihe derer, die den Beinamen "der Grosse" erhielten, einsortieren.
Er ist der "kleine Korporal" mit einer erstaunlichen, hochspannenden Geschichte.

Gruss, muheijo
 
Abgesehen davon, dass sicherlich auch viele den Beinamen "der Große" unverdient trugen und tragen, würde ich ihn damit nicht beehren.

Eingeschränkt würde ich muheijo zustimmen - eingeschränkt, denn mir scheint eigentlich so ziemlich jede historische Persönlichkeit einmalig. Oberflächlich betrachtet nimmt man gern an z.B. der und der wäre "einer von diesen kleinen Fürsten". Steigt man tiefer in die Biographien, ja selbst auch der Herrscher mit einem recht unbewegtem Leben (geboren, gelebt, gestorben in Residenz X), stößt man doch oft auf Bemerkenswertes - sei es auch nur eine extreme persönliche Religiösität.
 
Fest steht, er hat den Namen nicht bekommen.

Man sollte sowieso mal überlegen, was Größe ist. Ein großer Herrscher ist für mich jemand, der sein Volk führt, der erster Diener seines Staates ist, der nicht um der eigenen geschichtlichen Größe Willen andere überfällt und seine Unterthanen opfert, der niemanden verfolgt, weil er anderer Meinung ist u.v.m. demzufolge gibt es gar keine "Großen"
 
Fest steht, er hat den Namen nicht bekommen.

Man sollte sowieso mal überlegen, was Größe ist. Ein großer Herrscher ist für mich jemand, der sein Volk führt, der erster Diener seines Staates ist, der nicht um der eigenen geschichtlichen Größe Willen andere überfällt und seine Unterthanen opfert, der niemanden verfolgt, weil er anderer Meinung ist u.v.m. demzufolge gibt es gar keine "Großen"
Friedrich August III. der Gerechte
oder
Carl Theodor von der Pfalz?:grübel:
 
Man sollte sowieso mal überlegen, was Größe ist. Ein großer Herrscher ist für mich jemand, der sein Volk führt, der erster Diener seines Staates ist, der nicht um der eigenen geschichtlichen Größe Willen andere überfällt und seine Unterthanen opfert, der niemanden verfolgt, weil er anderer Meinung ist u.v.m. demzufolge gibt es gar keine "Großen"

Das ist allerdings alles graue Theorie, denn - wie Briso oben schon bemerkte - tragen Herrscher dieses Attribut zu Recht oder Unrecht. Schon diese Klassifizierung beruht allerdings auf heutigen moralischen Maßstäben und folgt dem Wertesystem unserer Zeit - das war aber vor Jahrhunderten völlig anders, wo erst zahlreiche siegreiche Schlachten und unterworfene Völker einen "großen" Herrscher ausmachten.

Man muss also Handeln und Beweggründe der Menschen immer aus ihrer Zeit heraus verstehen und beurteilen, sonst stimmt das Bild nicht.

Ob man z.B. den Makedonen Alexander nach heutigen Maßstäben als "groß" bezeichen würde, ist zumindest zweifelhaft. Das gilt ebenso für fridericus rex oder die Zaren Peter und Katharina. Eher würde man von heutiger moralischer Warte aus der englischen Königin Elizabeth I. dieses Attribut zuerkennen wollen, aber gerade die hat es nicht erhalten.
 
Elisabeth I. hat es aber auf den Krieg gegen Spanien zumindest ankommen lassen, und ihr Verhalten in der Causa Maria Stuart ist auch angreifbar.
 
Eher würde man von heutiger moralischer Warte aus der englischen Königin Elizabeth I. dieses Attribut zuerkennen wollen, aber gerade die hat es nicht erhalten.
Von protestantischer bzw. angelikanischer Warte her hätte man es damals tun können. Aber sie hatte damals schon Beinamen weg, welche zu ihrer Selbstauffassung besser passten wie "the virgin queen" oder "the fairest queen".
(Ein kleiner Einschub: Würde die "Bloody Mary" auch "Bloody Mary" gehießen haben, wenn das Projekt "Katholisierung Englands geglückt wäre? Wie wäre wohl das Bild von Eliza heute, wäre Charles II. der erste einer Reihe von erfolgreichen Königen katholischen Glaubens gewesen? Wäre sie dann nicht möglicherweise für die Hinrichtungen als "Bloody Eliza" in die Geschichte eingegangen?)
Heute in Zeiten wo am Act of Settlement (ich will damit keine politische Debatte aufmachen) gerührt werden soll und ein Katholik auf dem Thron scheinbar machbarer wird, wäre eine Benennung, welche sich damals auf ihre Rolle als Verteidigerin der (angelikanischen) Religion bezogen hätte, wie "die Große" völlig ad absurdum geführt.

Vielleicht sind wir heute ohnehin darin kritischer, weil doch kaum noch jemand mit dem traditionellen Monarchismus etwas anfangen kann. Um jemanden einen solchen Beinamen zu geben, braucht man auch eine Art der Bewunderung, welche eben die Fehler der Charaktere (und wer ist fehlerlos?) ausblendet. In früheren Zeiten gelang das durch Gottergebenheit und prurer Loyalität, Uneingeschränktheit der Begeisterung und einer bestimmten Konsequenz und Rigorosität weitaus besser als heute.
 
Vielleicht sind wir heute ohnehin darin kritischer, weil doch kaum noch jemand mit dem traditionellen Monarchismus etwas anfangen kann. Um jemanden einen solchen Beinamen zu geben, braucht man auch eine Art der Bewunderung, welche eben die Fehler der Charaktere (und wer ist fehlerlos?) ausblendet. .

Das ist ein entscheidender Punkt. Man muss hier sorgfältig unterscheiden: Wem würde ich nach damaligem Verständnis und dem Wertesystem der Menschen ihrer Zeit das Attribut "groß" verleihen und wem nach heutigen Maßstaben.

Nach damaligen Maßstäben wäre vermutlich ein Napoleon der Große angebracht gewesen, zumindest in den Augen der Franzosen nach einer gewissen Zwischenzeit. Aber wer würde das heute noch für richtig halten? Man hat ja auch versucht, unserem ollen Kaiser Wilhelm I. staatlicherseits das Attribut "groß" aufzudrücken, was natürlich kläglich misslang. Vermutlich entziehen sich solche Benennungen ohnehin zuweilen rationalen Erklärungen.
 
Ich dachte eher an die Zeit nach seinem Sturz, als die Franzosen ihrer Regierung überdrüssig wurden und der Heiligenschein um Napoleon umso heller strahlte!
Aber da fürchte ich, zersplitterte sich auch ein bisschen die Opposition. Klar gab es Altbonapartisten, wie sie uns auch in "Der Graf von Montechristo", wenn ich mich recht entsinne, gegenübertreten. Und die Überführung des Leichnams des Kaisers der Franzosen verdeutlicht schon den Anteil den man in Frankreich an dem vergangenen Herrscher-Diktator-Feldherr nahm.
Vielleicht hätte auch Napi III. so eine Erhebung seines Verwandten erreicht.
 
Vielleicht hätte auch Napi III. so eine Erhebung seines Verwandten erreicht.

Wie schon beim bewussten "Kaiser Wilhelm der Große": Durch staatliche Verordnung lässt sich das nicht erreichen. Entweder bildet sich das im Verlauf von etwa 100 Jahren (oder länger) durch den Volksmund heraus - oder aber nicht! Wodurch ein Herrscher einen solchen mystischen Glanz im Volk erhält, ist nicht immer klar.Schlachten und Kriege scheinen aber oft dazuzugehören - nimmt man einmal fridericus rex. Oder aber jemand stirbt ganz jung und hinterlässt ein gewaltiges Reich, wenn auch durch Krieg und Tod zusammengerafft - siehe unser Makedone Alexander.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich dachte eher an die Zeit nach seinem Sturz, als die Franzosen ihrer Regierung überdrüssig wurden und der Heiligenschein um Napoleon umso heller strahlte!

Da war er ja eher "Vater Veilchen", der mit dem Fruehling wieder kommen wuerde und...tatsæchlich kam.
Er war wohl zu der Zeit volkstuemlicher als ihm selbst das vielleicht lieb war, da passt eine kuenstliche Erhøhung mit "der Grosse" nicht so ganz, so meine These.
(Wann hat man dem "alten Fritz" eigentlich diesen Namen gegeben, und ab wann galt er als "der Grosse"?)

Ich denke Russland und Leipzig haben ihn damals um den Titel "der Grosse" gebracht, das wog damals vermutl. mehr als etliche vorherige und nachtrægliche Siege.

@ Brissotin:
Sicher kommt bei vielen Persønlichkeiten der Geschichte einiges Interessantes zum Vorschein - aber bei N sehe ich schon eine ganz andere Story. Vom kleinen Militærschueler zum Herrscher ueber fast ganz Europa, und dann der ebensoschnelle Abstieg, die 100 Tage, das eigentlich tragische Ende auf St.Helena, all das hat schon was Sensationelles. Sicherlich auch den Umstænden der Zeit geschuldet, aber besser kann man einen Roman nicht schreiben!

Gruss, muheijo
 
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