Zweifelhafter Nutzen von Sparbögen im Bogenbrückenbau

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PontifexMinimus

Gast
Ich verstehe nicht richtig den Nutzen von Sparbögen im Bau von Bogenbrücken. Diese offenen Zusatzbögen in den Zwickeln dienen ja offensichtlich zur Gewichtsersparnis. Es soll weniger Last auf dem Hauptbogen liegen, der über das Tal oder den Fluß spannt. Aber tun sie das wirklich?

Nehmen wir zur Illustrierung die Seitenansicht der Anji-Brücke, die auf beiden Seiten jeweils zwei Zwickelbögen hat. Der gemeinsame Pfeiler der Zwickelbögen steht frei auf dem Hauptbogen. Dieser Pfeiler trägt zum ersten die Last, die vertikal aufliegt, also quasi die Eigenlast, und zusätzlich die Last der durch die beiden Zwickelbögen seitwärts abgeleiteten Kräfte, denen er dient. Damit trägt er also auf einem bestimmten Punkt mehr Last, als wenn die Zwickel aufgefüllt wären (z.B. hier). Bei diesen Brücken trägt jeder Punkt des Brückenbogens nur die Last, die unmittelbar darüber aufliegt, und keine zusätzliche, die von rechts und links auf diesen Punkt abgeleitet wird.

Da ein Bogen nur so stark ist wie sein schwächstes Glied ist, muß der Hauptbogen der Anji-Brücke also dicker ausgeführt werden, seine Keilsteine müssen eine größere Wandstärke aufweisen, als wenn sie geschlossene Zwickel hätte. Damit wird aber nicht nur das Gewicht der Brücke wieder größer, es entstehen auch weitere technische Herausforderungen beim Bau. Größere Keilsteine sind schwerer zurechtzuschlagen und es ist schwieriger, sie an ihre Stelle im Bogen zu setzen. Und vor allem muß das hölzerne Leergerüst, das den Hauptbogen trägt, stärker ausgeführt werden. Und das war beim Steinbogenbau eine Hauptschwierigkeit gerade bei den langen Spannweiten.

Worin soll also der besondere Nutzen von Sparbögen gerade unter den Bedingungen des älteren, vorindustriellen Brückenbaus bestanden haben?
 
Du kannst ja mal die Kubikmeter Stein, die gespart wurden, ausrechnen und deren mutmaßliches Gericht gemäß des Massegewichts des regional anstehenden und/oder genutzten Gesteins schätzen.
 
Lieber @PontifexMinimus, die Antworten auf Deine Frage sind doch schon gegeben worden:



Die Angaben zur Gewichtsersparnis sind im Wikipedia-Eintrag beeindruckend. Aber auch die Angaben zu den eingesetzten schwalbenschwanzartigen, verbindenden Eisenklammern sind interessant.
Was für eine leichte, moderne Konstruktion, aus dem Jahre 602 n.Chr.!

Das Lehrgerüst, in China, hätte übrigens ja auch aus leichtem Bambus konstriert sein können.

@El Quijote kennt vermutlich die römischen Brücken in Spanien im Original.

Mir gefallen Brücken. Mein Favorit: die Salginatobelbrücke im unteren Prättigau in Graubünden:


Und heute noch hatte ich gelesen über die Tivolibrücke bzw. Max-Joseph-Brücke oder Bogenhausener Brücke in München:

 
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Worin soll also der besondere Nutzen von Sparbögen gerade unter den Bedingungen des älteren, vorindustriellen Brückenbaus bestanden haben?
Vermute, dass es bei der Anji-Brücke 1. um das leichtere Aussehen ging, weshalb die Zwickel durchbrochen wurden. Diese Motivation vermittelt auch der verhältnismäßig dünne Scheitel der Brücke. Die seitlichen Bögen bringen kein wirkliches Gewichtsersparnis: wäre das Mauerwerk gefüllt und die Brücke innen leer, hätte der Hauptbogen etwas weniger zu tragen (sofern die Stärke der Innenwände der Zwickelbögen nicht wesentlich geringer als das sonstige Mauerwerk ist). Aber 2.: einen weiteren Sinn offenbart die von Pardela_cenicienta verlinkte englische Wikipedia:
The double pair of openings piercing both ends of the arch spandrel, which as well as accentuating its lithe curvature, lightens the weight of the bridge[sic] and facilitates the diversion of flood waters by allowing them to pass through the auxiliary arches rather than pound against the spandrels.
Bzgl. der filigranen Bauweise ist die Schonung der Brücke vor Seitendruck verständlich.
 
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Diese offenen Zusatzbögen in den Zwickeln dienen ja offensichtlich zur Gewichtsersparnis. Es soll weniger Last auf dem Hauptbogen liegen, der über das Tal oder den Fluß spannt. Aber tun sie das wirklich?
Das ist der Trick bei der Sache: Möglichen Scher- und Zugbelastungen durch Last auf den tragenden Bogen entgegen wirken.
Wie bei gotischen Kirchen, St. Paul's Cathedral in London oder der Dresdner Frauenkirche: Kraftfluss zur Seite vermeiden.
 
Der Wikipedia-Artikel spricht zwar von rund 700 Tonnen Gewichtsersparnis durch die offene Zwickel, aber er rechnet nicht gegen, wie groß das Zusatzgewicht des dickeren Bogens ist, der durch diese Konstruktion notwendig ist. Solange das nicht klar ist, bleibt der einzige erkennbare Vorteil der geringere Strömungswiderstand, während auf der nachteiligen Seite aber auch einige Faktoren zu Buche schlagen (s.o.).

Nachtrag: Unter der - reinen - Annahme, daß der Bogen um 10 inches dicker sein muß, betrüge das Zusatzgewicht nur 207 Tonnen. Bei 20 inches 414 Tonnen.
 
Das ist der Trick bei der Sache: Möglichen Scher- und Zugbelastungen durch Last auf den tragenden Bogen entgegen wirken.
Wie bei gotischen Kirchen, St. Paul's Cathedral in London oder der Dresdner Frauenkirche: Kraftfluss zur Seite vermeiden.
Äpfel und Birnen… Im Gegensatz zur hohen Wand einer gotischen Kirche (bei dem es nur um das Eigengewicht des Bauwerks geht) dürfen bei dieser Brücke die Kräfte nach außen fließen, da bestens abgestützt. Durch die seitlichen Bögen wird die Druckbelastung auf dem Hauptbogen anstatt verteilt, auf einzelne Partien konzentriert, was statisch nachteilig wirkt, wenn auch unwesentlich. Abgesehen davon würde ein simples Mauerwerk in den Zwickeln die Schubbelastung nach außen mit weiterleiten, anstatt sie beinahe vollständig auf den Hauptbogen zu übertragen. Insofern brauchte es also keine Zusatzbögen, wäre da nicht der gelegentlich extreme Seitendruck von vorn, dessen Angriffsfläche offenbar reduziert werden musste.
 
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Der Wikipedia-Artikel spricht zwar von rund 700 Tonnen Gewichtsersparnis durch die offene Zwickel, aber er rechnet nicht gegen, wie groß das Zusatzgewicht des dickeren Bogens ist, der durch diese Konstruktion notwendig ist. Solange das nicht klar ist, bleibt der einzige erkennbare Vorteil der geringere Strömungswiderstand, während auf der nachteiligen Seite aber auch einige Faktoren zu Buche schlagen (s.o.).
Um ehrlich zu sein, glaube ich langsam auch, dass die seitlichen ›Löcher‹, falls die zur Reduktion der Angriffsfläche notwendig waren, die Brücke tatsächlich viel leichter machen: sollte nämlich die Fluthöhe bis nach oben gereicht haben, dann würde ich davon ausgehen, dass die Brücke im Inneren mit Erde aufgefüllt ist, um den Widerstand gegen die Strömung durch mehr Gewicht zu erhöhen. Dann ginge es nicht nur um das Gewicht des Mauerwerks (das mit Bögen vmtl. größer ist), wie sonst bei Gebäuden. Der Nutzen der Zusatzbögen wäre dennoch nicht die Gewichtsreduktion (da die Brücke ohne sie noch stabiler wäre und als Kräfteverlagerung unnötig), sondern besagter Wasserdurchlass und die Ästhetik.
 
Bei den genannten 700 t Gewichtsersparnis vermute ich, daß der Errechner einfach von der Annahme ausgegangen ist, daß die Zwickel mit solchen Quadersteinen gefüllt wären, wie sie am Brückenbogen zu finden sind. In Wirklichkeit wurde der Brückeninnenraum aber wie bei Stadtmauern auch mit Bruchsteinen in einer Mörtelmischung aufgefüllt. Das war wesentlich schneller und billiger und zudem dürfte so eine Mischung auch den Vorteil gehabt haben, leichter zu sein als Massivblöcke.
 
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