Zypern. Ko-Existenz vor 1974

@Arne Alexander

Die türkische Bevölkerung Zyperns mag zwar nett sein, aber was tun?

Man wollte ja ganz Zypern in die EU bringen, dies aber ginge natürlich nur wenn sich die Zyprioten vereinigen würden. Deshlab hatte man damals eine Umfrage gestartet. Ich weiß leider nciht mehr die genauen Zahlen aber ich bin mir 100 % sicher: griechischer Teil unter 50%, türkischer Teil über 50% für die Wiedervereinigung.
Ich hab auch einmal ein bischen rumgegoogelt und konnte immer wieder lesen: "Was suchen die Türken bei uns".... "raus mit den Türken".....

Der griechische Teil denk nicht einmal im Traum an einer Wiedervereinigung.
 
Darf ich euch daran erinnern, dass wir hier nicht über die aktuelle Tagespolitik sprechen.

Also bitte, diskutiert über den historischen Teil des Konfliktes und nicht über die akutelle Lage.
 
von unterwegs: achtung! tagespolitik. von wo und wann sind die bilder, arne? sind diese propaganda bilder besonders oder andere als in GR zu jener zeit? was ist ihre deutung?
 
@ursi

ohu stimmt ja, tut mir leid.
Geschichte und Politik kommen ab und zu so naha zusammen, sodass ich sie fast schon "verwechsel"
 
von unterwegs: achtung! tagespolitik. von wo und wann sind die bilder, arne? sind diese propaganda bilder besonders oder andere als in GR zu jener zeit? was ist ihre deutung?


Ich hab sie mir abgespeichert, als ich nach meiner Fahrt 2004 im Netz herumrecherchiert hatte. Ich würde sie für innerhalb türkischer Kasernen nach 1974 angebrachte Motive halten. Leider habe kein Foto des Atatürk-Denkmals auf einem Schulhof in Yenierenköy, es ist nicht ganz so militant, wirkt gerade auf einem Schulhof schon arg unpassend (nicht wegen Atatürk an sich, sondern dem Stil des Denkmals).
Da die Armee Griechenlands ja 1974 nicht beteiligt war, und sie auch sonst seit Ende des griechischen Bürgerkriegs der späten 40er allenfalls in Scharmützel verwickelt war, vermute ich, daß es dort keine so arg martialischen Darstellungen gab. Wenn überhaupt zum Thema Zypern auf griechischer Seite Propaganda mit halbwegs vergleichbarer aggressiver Tendenz verbreitet worden ist, dann vor der türkischen Invasion 1974. Danach kenne ich nur Darstellungen als Opfer, was ja den geschaffenen Fakten entsprach und nichts über die Schuldfrage aussagt.

Noch ein paar Bilder (die Vorschau ist jeweils verlinkt):
Türkisch-zypriotische Briefmarken von 1973 für den inoffiziellen türkischen Lokalpostdienst, nach der Invasion als erste Marken für den Nordteil verwendet (2 von 7 Motiven) Anlaß: 50 Jahre (Türkische) Republik:


Standardmotiv für die obligatorische Zusatzfrankatur im Südteil seit 1977:

(Die Schriftgröße des Landesnamens auf Marken ist erst seit 1980 für alle 3 Sprachen gleich, vorher war die griechische Version immer wesentlich größer)

Marke Griechenlands zum 10. Jahrestag der Invasion:


Nordzyprische Marke zum 25. Jahrestag - es gibt also auch auf türkischer Seite Friedenssymbolik:


"Grüne Linie":


US-/NATO-Dokument von 1974:


@Yeschiil
Zur Ablehnung des Wiedervereinigungsvertrags 2004 durch die griechisch-zypriotische Seite hab ich weiter oben schon was geschrieben, es lag m.E. eindeutig an den konkreten Konditionen, nicht an der grundsätzlichen Ablehnung einer Wiedervereinigung. Das näher zu erörtern, fällt aber wohl noch unter "Tagespolitik", auch wenn dieser Vertrag nicht mehr zur Debatte steht. Deine Google-Resultate würde ich auch eher auf die massive türkische Militärpräsenz auf der Insel beziehen, auch wenn - wie immer in solchen Fällen - oft nicht so genau differenziert wird.
 
Noch ein paar Bilder zum Background des Themas:

Das im Norden wirklich auf Schritt und Tritt anzutreffende Warnschild an Militärgelände:


Ein paar Bilder christlisch-muslimischer Koexistenz in der Architektur (gotische ehemals katholische Kirchen, ihre Existenz in dieser Region hängt mit den Kreuzzügen zusammen, nach 1571 in Moscheen umgewandelt):


Dies ist die Moschee (geöffnet) in Larnaka im mehrheitlich griechischen Süden, mit kleinem Friedhof:
(Das im Vordergrund ist nur ein ganz normaler Zaun)

Also, Zypern ist wirklich eine Fundgrube für den historisch interessierten Reisenden.

Zur Situation vor 1974 habe ich noch ein paar Zeilen in "Länder der Erde", Ost-Berlin 1971, gefunden (mit den zeitbedingten DDR-Phrasen):
"Die Einmischungspolitik führender NATO-Staaten und die Kompliziertheit der Verfassungsbestimmungen, denen zufolge der türkischen Minderheit bedeutende Vorrechte eingeräumt werden, führten ständig zu Komplikationen im Zusammenleben zwischen den beiden Bevölkerungsteilen, die darin resultierten, daß im Ergebnis des ... bewaffneten Konflikts zwischen griechischen und türkischen Zyprioten (Dezember 1963) der ... Vizepräsident Dr. Kuchuk, die drei türkischen Mitglieder des Ministerrats und die türkischen Parlamentsabgeordneten die Mitarbeit in den zentralen Staatsorganen einstellten und schließlich Ende 1967 eine 'Provisoriische Türkisch-zyprische Admionistration' bildeten. In den seit Juni 1968 geführten innerzyprischen Gesprächen zwischen Vertretern beider Bevölkerungsteile wird versucht, neue konstitutionelle Lösungen für das Zusammenleben zwischen ihnen zu finden."

Regierung und Parlament Zypern bestanden also seit 1964 nur noch aus Griechen. Allen Zeugnissen zufolge trat die große Mehrheit der griechisch-sprachigen Bevölkerung schon seit der britischen Kolonialzeit für den Anschluß an Griechenland ein.
Weiß jemand Näheres über die Situation der türkischen Minderheit auf Rhodos (1912-47 italienisch, erst danach zu Griechenland, daher von den 'ethnischen Säuberungen' der frühen 20er Jahre nicht betroffen)? Zum Vergleich, was ein Anschluß an Griechenland für Folgen für die Türken hätte haben können? Ich weiß nur, daß es auch dort immerhin offene Moscheen gibt.
 
ich halte die türk. propaganda für nicht soo außergewöhnlich, verglichen mit kalter krieg darstellungen beiderseits der blöcke. vor der grenze zur türkei hab ich ende der 80er in GR ähnlich krasse riesige plakate gesehn.
 
Gewiß, "soo" außergewöhnlich nicht.
Zu den Militärplakaten kenne ich Parallelen, die nach Abzug der Sowjetarmee Anfang der 90er aus Ostdeutschland in deren Kasernen gefunden wurden - auch ein Grund für meine Vermutung über die Verwendung der türkischen.
Für Griechenland kannte solche Beispiele nur nicht. Die in den 90ern weitverbreiteten Tafeln "Makedonien ist seit 3000 Jahren griechisch" beschränkten sich nur auf Text. (Die Variante mit 4000 Jahren habe ich 1993 nur einmal gesehen, das ging schon einen Schritt in die Richtung eines Vorworts der Ceaucescu-Zeit, wo von seit 300 000 Jahren autochthonen Rumänen die Rede war.)

Meine Briefmarkenbeispiele nun sind gewiß nicht außergewöhnlich, ich wollte nur anhand nachprüfbarer Belege die Unterschiede der Selbstdarstellungen zeigen. Ich halte sie für so repräsentativ, wie so eine Miniauswahl nur sein kann, ich hätte noch die nordzyprische Ausgabe zum 5. Jahrestag der Invasion hinzufügen können als perfektes Übergangsstadium von den 1973er Motiven zu dem von 1999: da war Gewehrlauf und Ölzweig abgebildet.

Extrem ist, daß man durch Fahnen, Militär und Denkmäler im Norden kaum jemals die Chance hat zu vergessen, in welchem Landesteil man sich gerade befindet. Das ist im Süden ganz und gar nicht so. (Ob man sich seither im Norden darauf besonnen hat, daß sich die seit der Abstimmung 2004 stets vertretene Position "Wenn's nach uns ginge, wär Zypern längst wiedervereinigt" auch im Erscheinungsbild spiegeln sollte? Auch wenn das jetzt wieder Richtung Aktualität geht, gehört es doch zu den Entwicklungslinien des Konflikts, analog zum gezeigten Wandel der Selbstdarstellung in den Briefmarken.)
 
Noch was zum Atatürk-Denkmal in den Schulen:
Die Türken schätzen nunmal Atatürk sehr, sodass diese Denkmäler überall sind.
Von daher finde ich es nicht außergewöhnlich.
ich kenne glaube ich keinen Türken der die Denkmäler als Zeichen der Militärizierung sieht. Eher erfüllen uns die Denkmäler mit Stolz und lassen uns nicht vergessen wieviele damals für unser Land gekämpft haben und wem wir unsere heutige existenz heute zu verdanken haben.
 
Es ging mir weniger darum, daß auf dem Schulhof ein Atatürk-Denkmal ist, als um dessen Stil, weshalb ich ja bedaure, kein Bild davon zu haben.

Du selbst schreibst zu recht, daß die heutige Türkei ihre Existenz Atatürk zu verdanken hat. Aber auch einige Probleme gehen auf ihn zurück, ich finde, es schmälert seine grundsätzliche Würdigung nicht, wenn man darauf aufmerksam macht.
Ein Problem habe ich schon erwähnt: die zentrale, übermächtige Stellung des Militärs im türkischen Staat. Das mag ja irgendwann mal nötig gewesen sein, jetzt aber ist es ein Problem. Auch im Zusammenhang mit dem Zypernkonflikt.
Ein zweites Problem: nach französischem Vorbild gestaltete Atatürk die Türkei als Nationalstaat, jeder türkische Staatsbürger wurde auch von seiner Nationalität her als Türke definiert. Wie analog in Frankreich, wo Bretonen u.a. ihre Minderheitenrechte erst in den 1970er bis 90er Jahren erkämpfen konnten - das wird oft übersehen. Die Türkische Republik steht bei diesem Problemkomplex noch ganz am Anfang (Kurden, Armenier etc.)
Wenn nun aber Atatürk diesen als rein-türkisch gemeinten Nationalstaat begründet hat, der gegenüber den Minderheiten wiederholt auch mit Gewalt durchgesetzt wurde, was meinst du, wie griechische Zyprioten solche Denkmäler verstehen? Und wenn dazu die Allgegenwart (festlands!-)türkischen Militärs kommt, auch neben der inseltürkischen Flagge stets auch die der T.C. weht - dann kann das doch einfach nicht als Signal der Bereitschaft zur friedlichen Wiedervereinigung verstanden werden. Oder was meinst du?
Und im Südteil fand ich eben keine vergleichbaren Demonstrationen der Nationalität. Die Fahne besteht bekanntlich aus der Landkarte plus Ölzweigen. Fahnen Griechenlands sieht man selten, wenn überhaupt. Griechisches Militär hat einen einzigen Stützpunkt. Öffentliche Darstellungen, die sich auf den Konflikt beziehen, sah ich nur in der Nähe des Grenzübergangs in Nikosia. Sie beklagen v.a. die Teilung, geben freilich der türkischen Seite die Schuld daran.

Du sagst, du kennst keinen Türken, der die Denkmäler als Zeichen der Militarisierung sieht. Wenn man eine Wiedervereinigung will, muß man doch auch bedenken, wie die anderen die Denkmäler sehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
(Off-topic
Meine persönliche Meinung:
Ich finde Atatürk hat es gerade richtig mit dem Militär gemacht.
im 2. Weltkrieg wollte Rußand unbedingt Istanbul haben. wenn wir da nciht unser Militär gehabt hätten, wäre es vielelciht nicht mehr türkisch.
Als die Türkei zwischen Osten und Westen (Russland und Amerika) gespaltet war, war es wiederum die Armee die die Türkei rettete.
Immer wieder versuchten irgendwelche Organizationen die Türkei zu destabilisieren oder auch zu Islamisieren...... und wieder rettete die Armee die Türkei.
Die Armee ritt ja nur auf, wenn Türken schaden zugefügt wird, oder der Laizismus in Gefahr gesehen wird. Oder war es mal anders?
off-topic ende)


"Wenn man eine Wiedervereinigung will, muß man doch auch bedenken, wie die anderen die Denkmäler sehen."

Tja die Anderen müssen nunmmal die anderen Anderen akzeptieren und auch andersrum.
Wenn man die Kultur und geschichte des jeweils Anderen nicht Akzeptiert kann keine Weidervereinigung erschaffen werden.
 
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