Slawen im Frankenreich

Aragorn

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So, da bin ich auch mal wieder, nach langer Abwesenheit. Bin auf einer Karte im Putzger Historischen Weltatlas darauf aufmerksam geworden, dass im 8. und 9. Jahrhundert bereits Slawen unter Herrschaft fränkischer Gaugrafen im Gebiet des Fichtelgebirges, des oberen Mains under oberen Saale siedelten.
Meine Frage wäre , ob diese Slawen eindeutig einer Ethnie zugeordent werden können, inwiefern sie die Region geprägt haben (immerhin scheint das Siedlungsgebiet dieser Slawen bis nach Nürnebrg greicht zu haben, zumindest ist der Flußnahme Regnitz wohl slawischen Ursprungs) und wie man sich die Ausübung der fränkischen Herrschaft dort vorstellen kann?

Gruß Aragorn
 
Zuletzt bearbeitet:
Die slawischen Völker an der Ostgrenze des Frankenreichs zählten lediglich zum fränkischen Einflussgebiet, lagen im Vorfeld der Reichsgrenze und waren nicht ins Reich inkorporiert.

Das begann im Norden im heutigen Holstein/Mecklenburg mit den Obodriten und setzte sich nach Süden fort mit den Wilzen (auch Liutizen genannt), Hevellern (nach denen das Havelland benannt ist), Sorben (mit der fester strukturierten "Sorbischen Grenzmark"), Daleminziern, Böhmen (bzw. Tschechen), Mährern und Slowaken.

Ein interessanter Sonderfall ist das von Lungos angesprochene "Reich des Samo": ein im 7. Jh. lebender fränkischer (Sklaven)händler, den die Wenden und andere slawische Stämme zum König machten und der während seiner 35jährigen Herrschaft die Unabhängigkeit seines von Böhmen bis Karantanien reichenden slawischen Reiches gegenüber den Franken sicherte. Eine faszinierende und wohl einmalige Karriere!

Die Beziehungen der slawischen Stämme zum Frankenreich waren sehr unterschiedlich. So kämpften z.B. die Obodriten im Bunde mit Karl dem Großen gegen die Sachsen und empfingen dafür 804 das entvölkerte Nordalbingien zur Besiedlung. In den darauf ausbrechenden fränkisch-dänischen Auseinandersetzungen und während der sich lockernden fränkischen Herrschaft nach Karls Tod suchten sich Obodriten wiederholt mit dänischer Hilfe aus der fränkischen Abhängigkeit zu lösen.

Die Liutizen (oder Wilzen, slaw. Weletabi) und ihr Teilstamm der Heveller wurden 789 von Karl dem Großen unterworfen und zur Tributpflicht unter einer lockeren Oberherrschaft gezwungen, der sie sich im Lauf des 9. Jh. wieder entzogen. Erst der Ottone Heinrich I. unterwarf die Liutizen 928/29 gänzlich und eroberte ihren Vorort Brandenburg.

Die Sorben (mit den Teilstämmen der Daleminzier, Lusizer und Milzener) saßen im ehemaligen Gebiet der Burgunder zwischen Saale und Erzgebirge. Sie wurden etwa um 600 einer losen fränkischen Oberherrschaft unterstellt, schlossen sich nach der Schlacht bei Wogastiburg, in der Samo 631/32 die Franken unter Dagobert besiegte, dem Reich des Samo an und drangen in der Folge weiter nach Westen vor. Ein fränkischer Feldzug 806 und die Anlage der Sorbischen Mark durch Karl den Großen brachte die Sorben anfang des 10. Jh. wieder in lose Abhängigkeit vom Frankenreich. Seit den Ottonen und der Gründung der Mark Meißen erfolgte ein allmähliches Aufgehen der Sorben in den langsam nachrückenden deutschen Siedlern.
 
Nachzutragen wäre vielleicht noch, dass alle Stämme der Elbslawen - um die es hier ja in erster Linie geht - im Rahmen der Ostsiedlung bis etwa zum 13./14. Jh. von der nachströmenden deutschen Bevölkerung aufgesogen wurden. Lediglich ein Teil der Sorben konnte seine Identität im Raum der Lausitz bis heute bewahren und auch die Wenden im heutigen Wendland an der Elbe sind sprachlich vereinzelt bis etwa 1700 fassbar.
 
Dieter schrieb:
Nachzutragen wäre vielleicht noch, dass alle Stämme der Elbslawen - um die es hier ja in erster Linie geht - im Rahmen der Ostsiedlung bis etwa zum 13./14. Jh. von der nachströmenden deutschen Bevölkerung aufgesogen wurden. Lediglich ein Teil der Sorben konnte seine Identität im Raum der Lausitz bis heute bewahren und auch die Wenden im heutigen Wendland an der Elbe sind sprachlich vereinzelt bis etwa 1700 fassbar.


Jch glaube aber irgenwo gelesen zu haben, dass zur Zeit von Luthers Thesen-Anschlag um Wittenberg herum noch das Slawische als Herd- und Küchensprache existiert hat.
Dasselbe für die Zeit des 7-jährigen Kriegs für die Gegend um Kunersdorf.
Vermutlich wird man es eher so sehen müssen, dass die Bevölkerung im Laufe der Jahrhunderte die deutsche Sprache angenommen hat. Und sich mit den zugezogenen Deutschen vermischt hat. Selbst beim Ostelbischen Adel ist es meines Wissens in aller Regel nicht nachzuvollziehen, ob mehr slawischer oder "deutscher" Abstammung.

Off topic, aber irgenwie gehörts doch dazu
1939 hatte die polnische Staats- + Armeeführung "gut polnische Namen" wie z. B. Beck oder Rommel, die deutschen Generale hießen z. B. Lewinski

Grüße Repo
 
Nein, natürlich nicht,lieber repo.
Jedem "von Zitzewitz" schaut ein "Wende" über die Schulter!
 
Dieter schrieb:
Die slawischen Völker an der Ostgrenze des Frankenreichs zählten lediglich zum fränkischen Einflussgebiet, lagen im Vorfeld der Reichsgrenze und waren nicht ins Reich inkorporiert.

Das begann im Norden im heutigen Holstein/Mecklenburg mit den Obodriten und setzte sich nach Süden fort mit den Wilzen (auch Liutizen genannt), Hevellern (nach denen das Havelland benannt ist), Sorben (mit der fester strukturierten "Sorbischen Grenzmark"), Daleminziern, Böhmen (bzw. Tschechen), Mährern und Slowaken.

Ein interessanter Sonderfall ist das von Lungos angesprochene "Reich des Samo": ein im 7. Jh. lebender fränkischer (Sklaven)händler, den die Wenden und andere slawische Stämme zum König machten und der während seiner 35jährigen Herrschaft die Unabhängigkeit seines von Böhmen bis Karantanien reichenden slawischen Reiches gegenüber den Franken sicherte. Eine faszinierende und wohl einmalige Karriere!

Die Beziehungen der slawischen Stämme zum Frankenreich waren sehr unterschiedlich. So kämpften z.B. die Obodriten im Bunde mit Karl dem Großen gegen die Sachsen und empfingen dafür 804 das entvölkerte Nordalbingien zur Besiedlung. In den darauf ausbrechenden fränkisch-dänischen Auseinandersetzungen und während der sich lockernden fränkischen Herrschaft nach Karls Tod suchten sich Obodriten wiederholt mit dänischer Hilfe aus der fränkischen Abhängigkeit zu lösen.

Die Liutizen (oder Wilzen, slaw. Weletabi) und ihr Teilstamm der Heveller wurden 789 von Karl dem Großen unterworfen und zur Tributpflicht unter einer lockeren Oberherrschaft gezwungen, der sie sich im Lauf des 9. Jh. wieder entzogen. Erst der Ottone Heinrich I. unterwarf die Liutizen 928/29 gänzlich und eroberte ihren Vorort Brandenburg.

Die Sorben (mit den Teilstämmen der Daleminzier, Lusizer und Milzener) saßen im ehemaligen Gebiet der Burgunder zwischen Saale und Erzgebirge. Sie wurden etwa um 600 einer losen fränkischen Oberherrschaft unterstellt, schlossen sich nach der Schlacht bei Wogastiburg, in der Samo 631/32 die Franken unter Dagobert besiegte, dem Reich des Samo an und drangen in der Folge weiter nach Westen vor. Ein fränkischer Feldzug 806 und die Anlage der Sorbischen Mark durch Karl den Großen brachte die Sorben anfang des 10. Jh. wieder in lose Abhängigkeit vom Frankenreich. Seit den Ottonen und der Gründung der Mark Meißen erfolgte ein allmähliches Aufgehen der Sorben in den langsam nachrückenden deutschen Siedlern.

Die Slawen an der Ostgrenze wurden intensiv in die fränkische Staatssiedlungspolitik einbezogen. So gibt es an Saale und Elbe einen breiten Streifen, der bis zu 50 km breit ist, in dem schon für das 8. Jh. eine intensive thüringisch-sorbische Kontaktzone nachweisbar ist (archäologisch, onomastisch)
Die Liutizen wurden zwar 928/29 besiegt, konten sich aber 983 wieder befreien und konnten sich noch bis Mitte des 12. Jh. einer vollständigen Eingliederung in den deutschen und polnischen Feudalstaat entziehen. Die Daleminzer, Milzener und Lusizer gehören zwar zur selben Sprachgruppe, wie die Sorben, gehörten aber nicht den Sorben selbst an. Diese siedelten zwischen der Mulde und der Saale, von Magdeburg bis ins Mittelgebirge. Während die Sorben schon um 800 relativ fest in fränkischer Hand waren, gelang es die Milzener und Lusizer erst weit nach 900 zu besiegen.
 
Seit heute bin ich Mitglied des Forums gewerden. Ich bin Niederlaender und
habe mit Interesse das Thema ueber Slawen in Frankenreich gelesen.
Wie westlich haben sich vereinzelte Slawen gesiedelt? Westlich der Elbe
und Saale? Als ich mit Motorrad durch Westlich-Thueringen fuehr, habe ich
in der Umgebung ein Dorf mit einem Name ende "itz"gelesen. Ist das vielleicht Slawischer Herkunft?
Wer wohten in der Harz waehrend des fruehen Mittelalter? Haben dort
Slawische Minearbeiter gesiedelt? Haben vereinzelte Slawen bis der Rhein
gesiedelt?
In voraus meine Danke fuer Muehe.

Erik
 
Die Endung des "itz" im Ortsnamen, deutet auf einen slawischen Ursprung hin. Slawische Stämme drangen nach der Völkerwanderung über die Flüsse Elbe/Saale vor, bis an den Rhein siedelten die Slawen aber nicht. Es gibt gerade in den neuen Bundesländern und Österreich etliche slawische Orts- und Flurnamen. Die Region Wendland http://de.wikipedia.org/wiki/Wendland_(Landschaft) (Wenden, alte bezeichnung für Slawen) ist zB solch eine Bezeichnung, die die Zeit überdauert hat.
 
Die Endung des "itz" im Ortsnamen, deutet auf einen slawischen Ursprung hin. Slawische Stämme drangen nach der Völkerwanderung über die Flüsse Elbe/Saale vor, bis an den Rhein siedelten die Slawen aber nicht. Es gibt gerade in den neuen Bundesländern und Österreich etliche slawische Orts- und Flurnamen. Die Region Wendland http://de.wikipedia.org/wiki/Wendland_(Landschaft) (Wenden, alte bezeichnung für Slawen) ist zB solch eine Bezeichnung, die die Zeit überdauert hat.

In der Regel kann man die "itz" "atz" u. ä. als slawisches Toponym ansehen. Allerdings gibt es auch Ausnahmen. Wichtig ist an dieser Stelle die älteren Schreibweisen der Ortsnamen zu kennen. So leiten sich einige wenige "itz" Namen auch aus lateinischen Namenformen ab, wie z.B. Wenigenlupnitz bei Eisenach. Andere sind auch deutschen Ursprungs wie z.B. Nausitz, Neusitz, entstanden aus "der neue Sitz". Andererseits gibt es natürlich eine Vielzahl mehr slawischer Toponyme wie "-ow", "-au" und viele mehr.
 
Seit heute bin ich Mitglied des Forums gewerden. Ich bin Niederlaender und
habe mit Interesse das Thema ueber Slawen in Frankenreich gelesen.
Wie westlich haben sich vereinzelte Slawen gesiedelt? Westlich der Elbe
und Saale? Als ich mit Motorrad durch Westlich-Thueringen fuehr, habe ich
in der Umgebung ein Dorf mit einem Name ende "itz"gelesen. Ist das vielleicht Slawischer Herkunft?
Wer wohten in der Harz waehrend des fruehen Mittelalter? Haben dort
Slawische Minearbeiter gesiedelt? Haben vereinzelte Slawen bis der Rhein
gesiedelt?
In voraus meine Danke fuer Muehe.

Erik

Slawen sind teilweise systematisch in den Gebieten westlich von Elbe und Saale angesiedelt worden, um dort die Landwirtschaft zu intensivieren. Die merowingische und karolingische Siedlungspolitik war gekennzeichnet dadurch, daß man versuchte die alten Strukturen der einzelnen Stammesverbände aufzubrechen, in dem man Viele aus ihren angestammten Gebieten umsiedelte und dort andere Gruppen ansiedelte, so auch z.B. die Slawen. Solche slawischen Ansiedlungen sind z.B. das Gebiet um Erfurt, Gerstungen/Werra, Meiningen, Wolfsburg, Wernigerode, Mansfeld usw.
 
Jch glaube aber irgenwo gelesen zu haben, dass zur Zeit von Luthers Thesen-Anschlag um Wittenberg herum noch das Slawische als Herd- und Küchensprache existiert hat.
Dasselbe für die Zeit des 7-jährigen Kriegs für die Gegend um Kunersdorf.
Vermutlich wird man es eher so sehen müssen, dass die Bevölkerung im Laufe der Jahrhunderte die deutsche Sprache angenommen hat. Und sich mit den zugezogenen Deutschen vermischt hat. Selbst beim Ostelbischen Adel ist es meines Wissens in aller Regel nicht nachzuvollziehen, ob mehr slawischer oder "deutscher" Abstammung.

Off topic, aber irgenwie gehörts doch dazu
1939 hatte die polnische Staats- + Armeeführung "gut polnische Namen" wie z. B. Beck oder Rommel, die deutschen Generale hießen z. B. Lewinski

Grüße Repo
Gewisse Relikte der slawischen Sprache befinden sich zwar heute noch vielfach in einigen Dialekten. Auch im Raum östlich von Wittenberg haben sich diese Relikte tatsächlich bis zur Reformation erhalten. Hier spielte allerdings die Einführung der Predigten in deutscher Sprache eine große Rolle in der "Eindeutschung" dieser Gegenden. Im Gebiet südlich und südöstlich von Berlin wurde noch in einigen Orten bis Ende des 18. Jh. slawisch gesprochen, aber wie du schon sagtest, nur zum Hausgebrauch. Schriftliche Dokumente findet man allerdings kaum, da die slawische Sprache keine Schriftsprache war. Das kam dann erst verstärkt in den Gebiete der Lausitz im 19. Jh. auf.

Übrigens war es dem Adel sowieso egal, welcher Ethnie man angehörte. Dort wurde "europaweit" untereinander geheiratet.
 
ansiedelte, so auch z.B. die Slawen. Solche slawischen Ansiedlungen sind z.B. das Gebiet um ....., Wolfsburg, ......usw.


Nie und nimmer!
Wo sich heute die Stadt Wolfsburg befindet war 1935 die Jagd eines Grafen Schulenburg sonst nichts!

Eine reine Retortenstadt der 50er und 60er Jahre! Aber des 20. Jahrhunderts! Nicht des 10.

Grüße Repo
 
Nicht der 30er, 40er Jahre?

Es gab eine Planung, unter anderem mit einer "Residenz Hitlers", von der aber kaum etwas verwirklicht wurde. Die "Stadt des KdF-Wagens" blieb mehr oder weniger eine Baracken-Siedlung.
Das ursprünglich geplante Werk wurde dagegen zu erheblichen Teilen realisiert.

Grüße Repo
 
Nie und nimmer!
Wo sich heute die Stadt Wolfsburg befindet war 1935 die Jagd eines Grafen Schulenburg sonst nichts!

Eine reine Retortenstadt der 50er und 60er Jahre! Aber des 20. Jahrhunderts! Nicht des 10.

Grüße Repo

Man bist du kleinkariert. Wenn ich Wolfsburg meine, dann die Region, nicht die Hauptstraße 27, 3. OG. rechts.

Es gibt zu den slawischen Ortsnamen der Region auch Artikel in verschiedenen Zeitschriften.
 
Haben auch eininge Slawen in Hessen, Westfahlen und in der Harz gesiedelt?
Vielleicht in der Harz wie Mine arbeiter?

Erik
 
In der Vita des Sturmi (erster Abt des Klosters Fulda) wird immerhin erwähnt, dass dieser Heilige an einer flachen Stelle des Flusses Fulda eine Gruppe Slawen traf, die dort badete und ihn verhöhnte. Möglich wärs also, dass in Osthessen Slawen gelebt haben, wobei ich eher glaube (da sonst jegliche Hinweise fehlen), dass diese Gruppe an der alten Handelsstraße von Thüringen ins Rhein-Main-Gebiet entlangzog.
 
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