Zyklisches Geschichtsbild

Lukrezia Borgia

Moderatorin
Kann mir jemand ein Buch emfpehlen, das sich mit dem zyklischen Geschichtsbild in der Antike auseinandersetzt?

Auch Aufsätze wären hilreich.
 
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Moin Lukrezia,
ich kann dir zwar kein Buch nennen, das sich explizit mit der Idee des zyklischen Geschichtsverlaufs befasst, aber in der Machiavelli-Biographie von Herfried Münkler wirst du einige Kapitel dazu finden. Machiavelli selbst vertritt eine zyklische Geschichtsauffassung, und daneben werden auch einige andere pol. Denker mit gleicher Stoßrichtung - etwa Polybios - angesprochen.

Wale
 
Moin Lukrezia,
ich kann dir zwar kein Buch nennen, das sich explizit mit der Idee des zyklischen Geschichtsverlaufs befasst, aber in der Machiavelli-Biographie von Herfried Münkler wirst du einige Kapitel dazu finden. Machiavelli selbst vertritt eine zyklische Geschichtsauffassung, und daneben werden auch einige andere pol. Denker mit gleicher Stoßrichtung - etwa Polybios - angesprochen.

Wale


Dankeschön. Die Hausarbeit ist aber schon abgegeben, ich habs geschafft, in anderen Büchern soviel über den zyklischen Geschichtsverlauf zu finden, dass ich den Abschnitt recht gut gestalten konnte. Trotzdem vielen herlichen Dank!
 
Also ob das zyklische Geschichtsbild für Dein individuelles Verständnis der Antike wichtig ist, bzw. ob du es für plausibel hältst, musst du selbst beantworten...

von mir nur ein paar Gedanken zu dem Begriff:
Im Grunde geht es hier darum, dass viele Denker der Auffassung sind und waren, dass die Geschichte nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten abläuft und dass die historischen Gebilde - Nationen, Kulturen, Imperien etc. - in ihrer Entwicklung diesen Gesetzmäßigkeiten unterworfen sind.

Dabei laufen die meisten dieser geschichtsphilosophischen Theorie am Ende auf eine von zwei verschiedenen Theorien hinaus.
1. das lineare (teleologische) Geschichtsbild; Vertreter dieser Theorie gehen davon aus, dass die Geschichte sich geradlinig und insgesamt eingermaßen konstant in eine bestimmte Richtung bewegt. Von dieser Theorie gibt es zwei gängige Varianten: alles wird immer schlechter (Dekadenz) oder alles wird immer besser (Fortschritt). Ein Beispiel für erstere Annahme wären vielleicht die frühen Christen und ihre apokalyptische Weltuntergangserwartung (---Antike!), und auch im 20. Jahrhundert gibt es noch und wieder reichlich Kulturpessimismus, etwa Adornos "Dialektik der Aufklärung". Vertreter des Fortschrittsglaubens finden sich besonders im 18. und 19. Jahrhundert viele. Ob es sie noch gibt, weiß ich nicht - vielleicht in bestimmten wirtschaftsliberalen Kreisen, für die die vollständige Globalisierung aller Waren- und Kapitalmärkte das Modell für eine glückliche Zukunft des Menschengeschlechts bedeutet. Aber das gehört nicht hierher.

lange Rede, kurzer Sinn: das Gegenmodell zum linearen Geschichtsbild ist
2. das zyklische Geschichtsbild; hier geht man davon aus, dass die Geschichte in ständigem Auf und Ab begriffen ist und kein festes Ziel kennt oder erreichen wird. Man kann sich den Geschichtsverlauf demnach also wie einen Kreis (Zyklus) vorstellen, ein analoges Bild wäre vielleicht eine Art Sinuskurve. MIt dem Modell lassen sich verschiedene Vorgänge in der Geschichte beschreiben: das römische Reich entsteht aus den bescheidensten Anfängen, nimmt dann einen rasanten Aufschwung, stabilisiert sich für einige Jahrhunderte auf einem hohen Niveau, gerät dann in Verfall und geht schließlich unter. Andere Reiche treten an seine Stelle; die FRanken, die Perser, Byzanz etc. und diesen ergeht es ähnlich.
Auch verfassungspolitische Entwicklungen innerhalb einzelner Staatswesen sind mit zyklischen Modellen beschrieben worden (etwa Polybios, Cicero, später Machiavelli). Diese Denker nehmen an, dass die typische Verfassungsentwicklung so aussieht, das in einem Staatswesen zunächst ein einzelner herrscht (Monarchie), dann einige (Aristokratie) und schließlich die Menge (Demokratie), bis das System kollabiert und der Kreislauf von neuem beginnt. Mitunter sind noch diverse Zwischenstufen und Entartungserscheiniungen hinzugedacht worden.

Das in groben Zügen zum zyklischen Verfassungsmodell. Man sollte sich natürlich dessen bewusst sein, dass es sich nur um Modelle handelt und die Geschichte tatsächlich nicht so verläuft wie im Chemie-Baukasten, in dem sich alle Reaktionen und Prozesse exakt beschreiben und prognostizieren lassen. Aber wenn man ein wenig spielerisch mit den Modellen zu hantieren weiß, können sie einem beim Verständnis bestimmter historischer Prozesse sicherlich eine Hilfe oder zumindest ein Anhaltspunkt sein.

Wale
 
Hallo Wale, deine Bescheibung war für mich sehr aufschlußreich und hat mich zum nachdenken angeregt ( darum auch ein + Punkt von mir ). Jedoch beschreibst du das 1. - also das lineare, als theologisches Geschichtsbild. Dazu muß ich anmerken, daß die kommunistische Ideologie ebenfalls genau diesem Geschichtsbild zugrunde lag. Das heißt, die Kommunisten meinten, es gäbe eine Gesetzmäßigkeit in der menschlichen gesellschaftlichen Entwicklung, die von der Urgesellschaft über die Sklavenhaltergesellschaft-Feudalismus-Kapitalismus-Sozialismus bis zum Endpunkt, dem Kommunismus führte.

Feststeht, daß beide Modelle philosophische Modelle sind und im Prinzip schließen sie sich meiner Meinung nach noch nicht einmal gegenseitig aus, denn wärend das lineare Modell eben genau, wie bei der kommunistischen Ideologie, die menschliche gesellschaftliche Entwicklung in ihrer Gesamtheit betrachtet, beschreibt das zyklische Geschichtsbild kleinere Zeitabschnitte auf begrenztem Territorium, z. B. die Geschichte einzelner Staaten bzw. Reiche, die irgendwann als eher unbedeutende Staaten gegründet werden, dann aufstreben, bis sie ihren Höhepunkt erreichen und dann wieder zerfallen und untergehen, oder aber von anderen Staaten abgelöst werden, die ihrerseits dann wieder zu aufstrebenden Staaten werden - usw.
:grübel:
 
Moin Barbarossa,

du hast übersehen, dass ich das lineare Geschichtsbild nicht als theologisch, sondern als teleologisch bezeichnet habe. Der Begriff stammt von dem griechischen Wort telos = Ziel und bedeutet schlicht, dass eine Vorstellung vom Geschichtsverlauf auf ein bestimmtes Ziel hin orientiert ist. Das kann verschiedene Formen annehmen, u.a. auch eine theologische :) , z.B. wenn vom christlichen Heilsgeschehen die Rede ist und man sich das Ziel der Geschichte als den großen Tag vorstellt, an dem alle irdischen Rechnungen beglichen werden.

Du hast natürlich vollkommen Recht, wenn du die kommunistische Ideologie als lineares Geschichtsbild auffasst, insofern als die Geschichte in Marxens Vorstellung irgendwann in die Auflösung der Klassenantagonismen und die Abschaffung des Staates münden sollte.

Interessant finde ich deinen Gedanken einer Kombination beider Modelle. Die Idee ließe sich evtl. ebenfals auf Marx´ Konzeption anwenden, denn die einzelnen Stufen des historischen Materialismus durchlaufen ja durchaus eine beinahe zyklische Entwicklung. Der große Vorbehalt gegenüber dem sozialistischen Vorhaben in Russland bestand seinerzeit ja v.a. darin, dass das russische Bürgertum noch nicht in seine Reifephase eingetreten sei und eine sozialistische Revolution 1917 deshalb viel zu früh kam..

Schöne Grüße
Wale
 
Ach so, der Begriff "teleologisches Geschichtsbild" war mir nicht geläufig, daher glaubte ich an einen Schreibfehler - sorry. :rotwerd:
 
Ich möchte darauf hinweisen, dass mit dem Begriff "zyklisch" zwei völlig unterschiedliche Vorstellungen verbunden wurden :

1. Geschichte wiederholt sich ständig, daher ist die Zukunft vorherbestimmt.

2. Es gibt Grundmuster, z.B. das Auf und Ab des Wohlstandes, die ihre Ursache im Kräftespiel der beteiligten Einflussgrößen haben.

H. Münkler führt dies in seinem Buch "Machiavelli" detailliert aus.

Ich glaube, Augustinus war ein Anhänger von These (1), bei den Griechen war Platon Vertreter von (1), Aristoteles von (2). (Leider habe ich das Buch im Flugzeug liegengelassen und hoffe, es bei meiner nächsten Dienstreise im Fundbüro zurück zu bekommen; dann kann ich's genauer zitieren)
 
Hyokkose hat recht, denn von Augustinus stammt der schöne Satz "semel Christus mortuus", um eben deutlich zu machen, daß die Geschichte nicht zyklisch sondern linear verläuft.

Was die Frage von Lukrezia betrifft, der Artikel zur Geschichte in der TRE ist ganz hilfreich. Hat sich zwar erledigt, wie ich sehe, aber vielleicht sucht mal wieder jemand was.

LG
Kassia
 
Hyokkose hat recht, denn von Augustinus stammt der schöne Satz "semel Christus mortuus", um eben deutlich zu machen, daß die Geschichte nicht zyklisch sondern linear verläuft.
So ist es!

Anfang der Geschichte: die Schöpfung der Welt durch Gott.

Vorläufiges Ende der Geschichte: das Jüngste Gericht; danach ewiges Leben oder ewige Höllenqual.

Das hört sich doch ziemlich nach einem linearen Geschichtsverlauf an.;)

Lukrezia: Auch wenn es zu spät ist (sorry!). Bei John H. Arnold, Geschichte, Reclam-Verlag, findet man eine anschauliche Darstellung des zyklischen Geschichtsverständnisses nebst Abbildungen vom "Kreislauf der Geschichte".
 
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Hyokkose hat recht, denn von Augustinus stammt der schöne Satz "semel Christus mortuus", um eben deutlich zu machen, daß die Geschichte nicht zyklisch sondern linear verläuft.

Richtig, es war aber nicht sein Hauptargument. Ich zitiere mal aus meiner Arbeit:

Gemeinsam ist den beiden Schemata (Weltalterlehre und Weltreichslehre) jedoch, dass sie einen linearen Verlauf haben, der in ihrem Streben nach einem Endziel begründet ist.
Dieses Endziel sieht Augustinus in dem Erreichen der ewigen Glückseligkeit, von ihm gleichgesetzt mit dem ewigen Leben, was das Hauptargument für die heilsgeschichtliche Perspektive darstellt. Das mag überraschen, denn statt in erster Linie die theologische Erklärung, nämlich das „semel Christus mortuus est“ als Hauptbeweis für den linearen Geschichtsverlauf zu bringen, begibt er sich in den Bereich der praktischen Philosophie und legt den Schwerpunkt auf das Glückseligkeitserwarten der Menschen. Nur dann nämlich kann die Glückseligkeit vollkommen sein, wenn sie ewig andauert. Eventuelles Wissen, dass die Seele immer wieder in „die Höllenqual der Sterblichen, die schändliche Torheit, das schauerliche Elend“ zurückkehren muss, würde die Glückseligkeit durch Angstgefühle zerstören.
 
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@ Lukrezia Stimmt, es war auch nur eine spontane Assoziation, die mir aus meiner eigenen Beschäftigung mit dem Thema "Geschichtsdenken bei Augustinus" noch präsent war ;).
 
Lässt sich eigentlich ein scharfer Trennstrich im Geschichtsdenken der klassischen und der frühchristlichen Zeit ziehen?

Augustins sechs Lebensalter des Menschen lassen sich ja auch als ein Zyklus verstehen, der sich bei jedem Menschen wiederholt. Diese Unterscheidung der Lebensabschnitte hat ihre Ähnlichkeiten mit der antiken Vorstellung vom Rad des Schicksals.
 
Lässt sich eigentlich ein scharfer Trennstrich im Geschichtsdenken der klassischen und der frühchristlichen Zeit ziehen?

Nein, diese scharfe Trennlinie gibt es nicht. Die neuere Forschung tendiert sogar zu der Annahme, dass das zyklische Geschichtsbild eine eher untergeordnete Rolle gespielt hatte. Zwar wurde es von den Neuplatonikern vertreten, doch Platon selbst sagte, dass "das Wertvollste, was wir haben – die sokratische Art des Philosophierens – nicht schon in der Vorzeit vorhanden war". Eine ständige Wiederkehr alles Gewesenen hätte auch den politischen Ausgangspunkt seines Philosophierens zerstört.

Ein zyklisches Geschichtsbild wurde immer nur in Ansätzen vertreten und stand nie konkurrenzlos da. Die Geschichtsdenker im antiken Rom steht die ewige Stadt am Ende einer Kette von Weltreichen, was einen nichtlinearen Verlauf ausschließt.
 
Hyokkose hat recht, denn von Augustinus stammt der schöne Satz "semel Christus mortuus", um eben deutlich zu machen, daß die Geschichte nicht zyklisch sondern linear verläuft.

Das ist richtig (ich habe mein Buch wiederbekommen und beim Nachlesen meinen Irrtum erkannt).

Augustinus hat in seiner Kritik von zyklischen Geschichtsbildern "zyklisch" mit "deterministisch" gleichgesetzt, denn, so sein Argument, wenn sich alles wiederholt, ist ja bei jedem Zyklus alles gleich, und dann gibt es keine echte Zukunft und keine echte Hoffnung.

Diese Interpretation ist allerdings polemisch, da sie wohl nicht die Sichtweise der Vefechter eines zyklischen Weltbildes wiedergibt.
 
Klaus schrieb:
Augustinus hat in seiner Kritik von zyklischen Geschichtsbildern "zyklisch" mit "deterministisch" gleichgesetzt, denn, so sein Argument, wenn sich alles wiederholt, ist ja bei jedem Zyklus alles gleich, und dann gibt es keine echte Zukunft und keine echte Hoffnung.

*hüstel* Deterministisch heißt nicht "gleich", sondern vorbestimmt. Das Determinismus-Problem, das bei Augstinus aufgeworfen wird, ist unglaublich spannend, hat jedoch mit dem, was du hier schreibst, so gut wie garnichts nichts zu tun. :)
 
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