Hauptstädte der fränkischen Reiche?

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Gast

Gast
Welche Städte hatten die Frankenreiche, also

das fränkische Reich, vor der Zerteilung
das westfränkische Reich
das ostfränkische Reich
und das mittelfränkische Reich

?
 
Hallo Gast,

ich nehme einmal an, die folgende Frage

Gast schrieb:
Welche Städte hatten die Frankenreiche, also

das fränkische Reich, vor der Zerteilung
das westfränkische Reich
das ostfränkische Reich
und das mittelfränkische Reich

?

bezieht sich auf die Residenzen des Gesamtreiches und der fränkischen Teilreiche :fs:

Grob gesagt lassen sich die folgenden Plätze als Residenzen ausmachen (vereinfachte Abhandlung!!!):
zunächst die Residenz des Frankenreiches an sich - diese ist zuerst Reims, danach Metz und schließlich (etwa ab 800(?)) unter Karl dem Großen Aachen.
Dann gibt es um 511 vier Residenzen gleichnamiger Teilreiche: Reims, Paris, Orleans und Soissons; um 561 wird dem fränkischen Gebiet außerdem das Burgunderreich "einverleibt".
Um 567 bildet sich eine sogenannte Ländertrias heraus:
Austrien/Austrasien (Ostteil) - Reims, dann Metz
Neustrien (Westteil) - Soissons, dann Paris
Burgund (mittlerer Teil) - Orleans, dann Chalon-sur-Saone
Diese Residenzen gelten ab der karolingischen Reichseinheit (um 751) dann jedoch nicht mehr...

Nachzulesen u.a. bei Mittelalter Genealogie Frankenreich

Danach wird es schwierig, da der Vertrag von Verdun 843 die Dreiteilung neu festlegt (abweichende Grenzen) und bspw. das Gebiet an Rhein und Maas erst nach dem Vertrag von Mersen (870) zum Ostfränkischen Reich "zurück" kam.
Grundsätzlich ist aber ab 843 für das Ostfrankenreich keine feste Residenz mehr nachweisbar (und wohl im Hinblick auf eine fehlende feste Residenz im späteren HRR auch unwahrscheinlich), für das Regnum Lotharingii (Mittelreich) bis 870 Aachen, danach zerfällt dieser Reichsteil mehr oder weniger, einzig für das Westfrankenreich bleibt es bei der neustrischen "Tradition" (Paris).

Das alles ist an der Stelle jedoch stark vereinfacht dargelegt und hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit; außerdem bitte ich um Korrekturen, falls ich etwas übersehen habe...

In diesem Sinne

Timo
 
#Wenn ich mich recht entsinne war Paris nach 500 Herrschersitz Chlodwigs davor, zumindest in der Anfangszeit, dürfte es Tournai gewesen sein, was zwischen Chlodwigs Machtantritt als Teilkönig in Tournai und der Herrschaft über Gallien (Paris) lag vermag ich nicht zu sagen.
Nach Chlodwigs Tod gabs die von Timotheus genannte Vierteilung unter dessen Söhnen, wobei die Burgunder glaub ich schon 534 den Franken unterlagen, und diese dann 536 auch noch die Provence von den Ostgoten eroberten. Nach Chlothar entstanden dann langsam die von Thimotheus genannten drei Teilreichen, mit Reims Paris und Orleans als Hauptresidenzen.
Für die Karolinger lass ich mal andere ran, da bin ich mir nimmer so sicher ;)
 
Für die Liudolfinger würde ich zu mindest in deren Frühzeit noch Quedlinburg und Magdeburg ergänzen, obwohl ich sowieso riesige Probleme beim Begriff der "Hauptstadt" im Früh und Hochmittelalter habe...
 
Sheik schrieb:
#.
Für die Karolinger lass ich mal andere ran, da bin ich mir nimmer so sicher ;)

Für das ostfränkische Reich wäre in jedem Fall noch Regensburg zu nennen, das in der Spätzeit (Ludwig der Deutsche, Arnulf, Ludwig das Kind) die bevorzugte Residenz der Herrscher war ; etliche von ihnen sind ja auch in St. Emmeram begraben.
 
Brecht schrieb:
Für die Liudolfinger würde ich zu mindest in deren Frühzeit noch Quedlinburg und Magdeburg ergänzen, obwohl ich sowieso riesige Probleme beim Begriff der "Hauptstadt" im Früh und Hochmittelalter habe...
Wenn man sich die Itinerare der Könige ansieht, waren es reine Wanderkönige, die zwar sicher ihre "Lieblingspfalzen" hatten, die sie auch schon mal öfters besuchten, aber generell ihre ganzes Herrscherleben immer auf Achse waren.
 
Für das ostfränkische Reich wäre in jedem Fall noch Regensburg zu nennen, das in der Spätzeit (Ludwig der Deutsche, Arnulf, Ludwig das Kind) die bevorzugte Residenz der Herrscher war ; etliche von ihnen sind ja auch in St. Emmeram begraben.

Ludwig der Deutsche wurde zwar in Lorsch begraben, aber seine Frau Hemma liegt in St. Emmeram. Was Ludwig das Kind betrifft, ist man sich nicht sicher, wo er begraben liegt. Im Internet kursiert zwar die Meinung, dass er in St. Emmeram liegt, das ist jedoch nicht zu beweisen. Bleibt also von den etlichen nur Arnulf von Kärnten. :)
 
Zu der Zeit herrschte man noch aus dem Sattel - Reisekönigtum. Da hat es wenig Sinn, von Residenzen zu sprechen, es sei denn, man zählt z.B. alle Pfalzen auf.
 
Zu der Zeit herrschte man noch aus dem Sattel - Reisekönigtum. Da hat es wenig Sinn, von Residenzen zu sprechen, es sei denn, man zählt z.B. alle Pfalzen auf.

Ja, da hast du recht. Einziger Maßstab könnte sein, dass besonders viele Urkunden an einem Ort ausgestellt wurden, was darauf schließen lässt, dass sich der König an bestimmten Pfalzen besonders häufig aufgehalten hat. Die Funktion einer Hauptstadt im heutigen Sinne versteht sich darunter aber auch nicht.

Trotzdem hatten die meisten Könige eine Lieblingspfalz und für einen Landeshistoriker gibt es doch nichts schöneres als Orte in seinem Zuständigkeitsbereich als ehemalige Hauptstädte zu verkaufen. ;) Von der Hand zu weisen ist es aber nicht, dass manchen Städten eine herausragende Stellung zukam.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ludwig der Deutsche wurde zwar in Lorsch begraben, aber seine Frau Hemma liegt in St. Emmeram. Was Ludwig das Kind betrifft, ist man sich nicht sicher, wo er begraben liegt. Im Internet kursiert zwar die Meinung, dass er in St. Emmeram liegt, das ist jedoch nicht zu beweisen. Bleibt also von den etlichen nur Arnulf von Kärnten. :)

Liegt da nicht im Chor der Emmeramskirche eine entsprechende Gedenktafel für Ludwig das Kind? War schon geraume Zeit nicht mehr da...
 
Wikipedia behauptet es jedenfalls auch (was nicht unbedingt was heißen will) ; meinen Baedeker, in dem die Tafeln erwähnt sind, habe ich erst amWochenende wieder verfügbar. Aber seis drum...
 
Ich zitiere mal aus "St. Emmeram" Schnell&Steiner Verlag:
"Die Gräber des Kaisers Arnulf, +899, (rechts beim Hochaltar) und König Ludwig des Kindes, +911, (in der Mitte des Hauptchores) sind seit 1786 nur durch barocke Inschriften gekennzeichnet."

In "Baedekers Regensburg" heißt es es zu den Grabdenkmälern:
"Einfache Inschriftenplatten im Fußboden des Hochchors erinnern an die 1642 zugrunde gegangenen Grabmale der letzten Karolinger, des Kaisers Arnulf von Kärnten und seines Sohnes Ludwig d. Kind."
 
Wikipedia behauptet es jedenfalls auch (was nicht unbedingt was heißen will) ; meinen Baedeker, in dem die Tafeln erwähnt sind, habe ich erst amWochenende wieder verfügbar. Aber seis drum...

Genealogie Mittelalter sieht das etwas anders:

Die Tatsache, dass keine zeitgenössische Quelle den Sterbeort und die Grabstätte Ludwigs des Kindes verzeichnet, muß als Hinweis darauf gelten, dass er sich nicht in das Bewußtsein seiner Nachwelt eingeprägt hat.
In St. Emmeram in Regensburg, wo er nach einer zuerst im 12. Jahrhundert greifbaren Tradition beigesetzt sein soll, ist sein Todestag völlig falsch überliefert (nämlich der 21.1., der Tag, an dem Ludwig der Jüngere starb). Dies ist ein ziemlich starkes Argument dagegen, dass Ludwig das Kind in St. Emmeram begraben ist, denn das Mittelalter pflegte sich den Tag des Todes genau zu merken, da dieses Datum als Geburtstag zum ewigen Leben als das wichtigste Datum im Leben eines Menschen angesehen wurde.
http://www.mittelalter-genealogie.d...ig_4_das_kind_ostfraenkischer_koenig_911.html
 
Ich zitiere mal aus "St. Emmeram" Schnell&Steiner Verlag:
"Die Gräber des Kaisers Arnulf, +899, (rechts beim Hochaltar) und König Ludwig des Kindes, +911, (in der Mitte des Hauptchores) sind seit 1786 nur durch barocke Inschriften gekennzeichnet."

In "Baedekers Regensburg" heißt es es zu den Grabdenkmälern:
"Einfache Inschriftenplatten im Fußboden des Hochchors erinnern an die 1642 zugrunde gegangenen Grabmale der letzten Karolinger, des Kaisers Arnulf von Kärnten und seines Sohnes Ludwig d. Kind."

Da sind die beiden Autoren wohl beide dem gleichem Mythos aufgesessen. Ausgeschlossen ist es nicht, dass Ludwig in Emmeram liegt, zu beweisen ist es aber auch nicht. Ich persönlich halte es für unwahrscheinlich, da ich Wilfried Hartmann, der die von mir zitierte Stelle auf genealogie-mittelalter verfasst hat, mehr vertraue:

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-4-174
 
Ob Wikipedia recht hat oder Genalogie, kann ich als Nichtexperte nicht entscheiden ; hinweisen wollte ich nur darauf, daß die Grabstätte Ludwigs des Kindes laut einer Gedenktafel im Chor von St. Emmeram genannt wird ; die entsprechenden Hinweise darauf wurden ja soeben genannt. Nebenbei, wo wir gerade bei Regensburg sind: die Staaatsbibliothek München zeigt gerade eine Ausstellung über Bucheinbände, bei der auch Regensburger Stücke zu sehen sind, vor allem der Uta-Codex
 
Zu der Zeit herrschte man noch aus dem Sattel - Reisekönigtum. Da hat es wenig Sinn, von Residenzen zu sprechen, es sei denn, man zählt z.B. alle Pfalzen auf.

Das ist so m.E. nicht ganz richtig. Es wird davon ausgegangen, dass sich das Reisekönigtum erst zurzeit der Karolinger entwickelt wurde. Während der Merowingerzeit hielten sich die Könige meist an den Residenzen auf, dies wurde dann nur für Kriegszüge unterbrochen. Das Pfalzensystem entwickelte sich wohl erst unter Karl dem Großen; verschiedentlich haben Historiker, vor allem Willi Görich, vermutet, dass es schon zuvor Etappenstationen im Reich für die Könige gegeben hat, was die weitere Forschung m.E. nicht bestätigt hat.
 
Das ist so m.E. nicht ganz richtig. Es wird davon ausgegangen, dass sich das Reisekönigtum erst zurzeit der Karolinger entwickelt wurde. Während der Merowingerzeit hielten sich die Könige meist an den Residenzen auf, dies wurde dann nur für Kriegszüge unterbrochen. Das Pfalzensystem entwickelte sich wohl erst unter Karl dem Großen; verschiedentlich haben Historiker, vor allem Willi Görich, vermutet, dass es schon zuvor Etappenstationen im Reich für die Könige gegeben hat, was die weitere Forschung m.E. nicht bestätigt hat.
Merowinger?
Es war nach dem fränkischen Reich vor der Aufteilung (also Karolinger), und dann nach der Aufteilung gefragt. An Merowinger dachte ich in diesem Zusammenhang nicht. Die waren zwar auch "vor der Aufteilung", aber doch viel weiter davor.
 
Hallo Ashigaru,
...; verschiedentlich haben Historiker, vor allem Willi Görich, vermutet, dass es schon zuvor Etappenstationen im Reich für die Könige gegeben hat, was die weitere Forschung m.E. nicht bestätigt hat.
gab's da nicht einen (einige) Artikel im Ausstellungskatalog "Die Franken" von 1994, in dem über Grabungsergebnisse zu den "curtis regia" berichtet wurde? Komme so schnell nicht dran, vielleicht hat aber jemand Zugriff drauf...
LG, Chris
 
Soissons war seit dem Jahr 511 vorübergehend Hauptstadt eines merowingischen Teilreiches. Einhard berichtet im Leben Karls des Großen über den letzten merowingischen König: er durfte die Gesandten anhören, die von überall her kamen. Der König besaß fast nichts, das er sein eigen hätte nennen können, außer dem wertlosen Königstitel und einem unsicheren Lebensunterhalt, den ihm der Hausmaier gewährte. Auch gehörte ihm ein Landgut, das aber nur ein geringes Einkommen brachte. Auf diesem Landgut hatte er sein Wohnhaus mit einer kleinen Anzahl von Dienern, die ihm die nötigsten Dienste leisteten. Wenn er eine weitere Reise machen mußte, wurde er von einem Knecht nach Bauernart in einem Wagen gefahren, den ein Ochsengespann zog. So fuhr er zum Königshof, so auch zu den öffentlichen Volksversammlungen, die zweimal im Jahre zum Wohle des Reiches abgehalten wurden, und so pflegte er wieder nach Hause zurückzukehren.
 
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