Hinrichtungsstätten im Mittelalter

Isabella

Mitglied
Kennt ihr eine Stadt in Deutschland, die zur selben Zeit über zwei Hinrichtungsstätten verfügt?
Ich habe bis her nur ein Beispiel dafür, und zwar Vechta (Oldenburger Münsterland). Es gab dort zunächst die Scharfrichterei, die sich beim Stoppelmarkt befindet, und den Galgenberg (Richtung Lohne). Zum Stoppelmarkt führte der sog. Bußweg (um den Verurteilten die Möglichkeit zu geben Buße zu tun und am Ende des Weges Absolution zu erhalten). Dort wurden die Menschen mittels eines Schwertes enthauptet. Der andere Weg war für die Vogelfreien bestimmt (kein "Kreuzweg", keine Absolution), die auf dem Galgen erhängt wurden.
 
Da ich mich ein wenig mit dem Scharfrichterwesen beschäftige, habe ich eine ganze Menge an Aufzeichnungen und Urkunden gelesen.

Da wurde ziemlich rasch ersichtlich, dass wohl die meisten Orte über einen festen Hinrichtungsplatz verfügt haben, der sich außerhalb der Stadtgrenze befand. Dort wurde der Delinquent i.d.R. anschließend auch verscharrt.

Bei besonders herausragenden Exekutionen wurde die Hinrichtung dagegen am Marktplatz vorgenommen, wobei dieses Ereignis oft Volksfestcharakter hatte.

In München z.B. fanden solche besonderen Exekutionen auf dem Marienplatz neben der Mariensäule statt. Die "normalen" Hinrichtungen erfolgten dagegen weit außerhalb (Richtplatz liegt nach heutigen Begriffen zwischen der Hackerbrücke und der Theresienhöhe).

Gruß

Jacobum
 
Bei besonders herausragenden Exekutionen wurde die Hinrichtung dagegen am Marktplatz vorgenommen, wobei dieses Ereignis oft Volksfestcharakter hatte.

In München z.B. fanden solche besonderen Exekutionen auf dem Marienplatz neben der Mariensäule statt. Die "normalen" Hinrichtungen erfolgten dagegen weit außerhalb (Richtplatz liegt nach heutigen Begriffen zwischen der Hackerbrücke und der Theresienhöhe).



Gruß

Jacobum


Frage.
Ab welchem Vergehen wurde man in der Regel hingerichtet und was kann ich unter diesen "besonderen" Hirichtungen verstehen? Waren das höhere Persönlichkeiten, oder haben diese Leute ein besonders schweres Verbrechen begangen?
 
Ob jemand in oder vor der Stadt hingerichtet werden sollte, war gewiss nicht juristisch definiert. Öffentliches Interesse, Schwere des Falls, Prominenz des Delinquenten - da spielten mehrere Faktoren eine Rolle.

Die "besonderen Hinrichtungen" betrafen somit Fälle, die das normale Maß überschritten haben und denen eine besondere Tat zu Grunde lag.

Beispielsweise die Rädelsführer des Bauernaufstandes von 1706 wurden auf dem Marienplatz exekutiert.

Der "gewöhnliche Verbrecher", der zum Tode verurteilt war, starb außerhalb.

Ein Link:

http://www.ganzmuenchen.de/tourist/stadt/historisches/letzte_hinrichtung_per_schwert.html

Süddeutsche Zeitung, Mittwoch den 21. April 2004, von Barbara Kerbel)
Im Mittelalter starb nur der Adel stilvoll. Selbst bei einer Verurteilung zu Tode: Die ehrenvolle Hinrichtung durch das Schwert blieb Adeligen vorbehalten. Das niedere Volk starb durch „Rädern“. Diese und andere Geschichten erfährt, wer sich bei der Tour „Henker, Huren, Hexen“ auf die Reise in die Münchner Vergangenheit begibt. Das ist eine historische Stadtführung mit Schauspielern, die von kommenden Samstag an wöchentlich angeboten wird.
Sie beginnt am Karlstor. Ina Bergmann, Geschäftsführer des „Weis(s)en Stadtvogel“, lenkt den Blick zunächst stadtauswärts. „Nähe der Hackerbrücke lag früher der Richtplatz“, erzählt er. „Nur in Ausnahmefällen vollstreckte der Henker das Urteil in der Innenstadt.“

Gruß

Jacobum
 
Da wurde ziemlich rasch ersichtlich, dass wohl die meisten Orte über einen festen Hinrichtungsplatz verfügt haben, der sich außerhalb der Stadtgrenze befand. Dort wurde der Delinquent i.d.R. anschließend auch verscharrt.
Ja, das ist mir auch bekannt. Aber in Vechta gibt es zwei "Außenstellen". 1. Für die "Ehrbaren" und 2. Für die "Unehrbaren". Schaulustige könnten an beiden Orten zusehen, wie die Verurteilten hingerichtet wurden. Zu dem Galgenberg führte ein Weg, der von Bäumen und anderen Pflanzen befreit worden ist um freie Sicht zu sichern und um damit abschreckend zu wirken. Das man sowohl in den Städten als auch außerhalb hingerichtet hat, ist klar, aber kennt jemand denn eine Stadt die ZWEI Hinrichtungstätten ausserhalb hatte, die zudem zu selben Zeit existierten?
 
Ich weiß nicht, ob es historisch ist, aber in den Hildesheimer Stadtsagen wird von zwei Hinrichtungsstätten gesprochen. Einmal den sogenannten "Rabenstein" in der Steingrube, damals am Stadtrand gelegen, dort wurde zumeist durch das Schwert enthauptet und den vielsagenden Galgen auf dem Galgenberg.
 
aber in den Hildesheimer Stadtsagen wird von zwei Hinrichtungsstätten gesprochen. Einmal den sogenannten "Rabenstein" in der Steingrube, damals am Stadtrand gelegen, dort wurde zumeist durch das Schwert enthauptet und den vielsagenden Galgen auf dem Galgenberg.
Weißt du vielleicht mehr darüber? Bestanden sie auch zu selben Zeit?
 
Ob sie zur selben Zeit bestanden weiß ich nicht, aber ich denke schon. Da die Geschichten zu ziemlich im vergleichbaren Zeitrahmen spielen. Der Galgen wurde erst kurz vor der napolonischen Zeit abgerissen. Und das Richtschwert ist heute Ausstellungsstück im Museum für Stadtgeschichte (im Knochenhaueramtsamthaus).
 
@ Jacobum
Dein Artikel aus der Süddeutschen Zeitung ist nicht so ganz richtig und unterliegt wieder der typischen verfälschenden Verallgemeinerung. In Freiburg wurden zum Beispiel auch Diebe mit dem Schwert enthauptet. Entsprechende Akten und Schwert befinden sich im Stadtmuseum in Freiburg.

Ganz interessant finde ich auch die Deklassierung auch noch bei der Hinrichtung, wobei mir Görlitz recht gut im Gedächtnis ist, da ich dort ein Jahr lang wohnte. Durch das Finstertor wurden zum Beispiel dort die Delinquenten, mit denen man nicht viel Aufhebens machte, in das nördliche Vorfeld der Stadt geführt, um dort hingerichtet zu werden. Derweil fanden die publikumsträchtigen Hinrichtungen, wie bei der großen Erhebung der Tuchmacher im 16.Jh. auf dem Untermarkt statt.
 
@ Jacobum: dort wurde der Delinquent auch verscharrt
Dabei mußich an Archivalien aus dem Staatsarchiv in Marburg denken. Im frühen 19. Jahrhundert wurden die Leichen häufig auch an anatomische Sammlungen abgegeben. Mit der Schinderhannesbande stellte man recht makabere Experimente an. Interessant finde ich die Gleichzeitigkeit von Modernität und abergläubisch rituellen alten Bräuchen. Jüdische Banditen konnten, auch über den Tod hinaus, mit der Solidarität ihrer Glaubensgenossen rechnen. So ließ es sich die jüdische Gemeinde Marburg viel Geld kosten, die Leichen von gleich zwei Banditen auszulösen, um ihnen eine Bestattung zu ermöglichen. 1807 war dort ein Bandit ABraham Meyer, mit dem schönen Spitznamen Hampel hol mich" gehängt worden. Er sollte am Galgen hängenbleiben, bis er verweste, auch das gab es noch im 19. Jahrhundert. Die jüdische Gemeinde ließ sich das 57 Rthl. kosten, mehr als das dreifache was für einen Schutzbrief zu zahlen. Im gleichen Jahr starb der berüchtigte Abraham Picard im Gefängnis, ohne gestanden zu haben. Er wurde unter dem Galgen begraben. Die Juden protestierten über Picards Pflichtverteidiger, daß Picard als nicht überführter Krimineller unterm Galgen verscharrt wurde, denn zur Überführung war ein Geständnis nötig. Der Leichnam mußte daher exhumiert und durch ein Mitglied des Gerichts berührt und für "ehrlich" erklärt werden. Die jüdische Gemeinde kostete das weitere 25 Rthl., wobei die Marburger Gemeinde nicht reich war. Der Scharfrichter Hoffmann kam jedenfalls erst nach zwei Jahren und einigen Bescherden zu seinem Geld. Dabei stammte Picard aus Gent und Meyer aus Amsterdam, beide hatten nicht das geringste mit Marburg zu tun. Christliche Banditen hatten weniger Glück und wurden automatisch in die anatomische Sammlung überführt. Das hing mit dem Interesse an der durch Gall und Lavater repräsentierten Physiognomielehre zusammen.
 
Sonntag vor einer Woche habe ich im Landesmuseum Außenstelle Konstanz einen Totenkopf (eines ca. 25-30 jährigen Mannes) mit sauber durchhacktem Halswirbel gesehen.
Fundort ein Gräberfeld neben einer Konstanzer Kirche.

Grüße Repo
 
In Wien war man bezüglich Hinrichtungsstätten besonders gründlich; hier gab es gleich mehrere Plätze- streng getrennt nach Hinrichtungsart:
1) Die Gänseweide im heutigen 3. Bezirk für das Verbrennen;
2) der Rabenstein im heutigen 9. Bezirk vor dem Schottentor für das Hängen;
3) bei der Spiennerin am Kreuz im 10. Bezirk; sehr vielseitig; hier wurde mit Schwert, Rad und Galgen hingerichtet;
4) am Tabor- heutiger 2. Bezirk beim Donaukanal- für das Ertränken und Bäckerschupfen.
Todesurteile aus Staatsräson wurden oft innerhalb der Stadtmauern vollstreckt; bevorzugt war der "Hohe Markt" und der "Platz am Hof". Hier wurden auch außergewöhnlichere Hinrichtungsarten vollzogen, wie Vierteilen oder Ausweiden.
Die K.u.K.- Armee hatte noch einen eigenen Exekutionsplatz im heutigen 19. Bezirk; die Hingerichteten wurden- soferne sich keine Angehörigen um ihre Beerdigung kümmern konnten oder wollten- auf dem Gelände eines ehemaligen kleinen Klosters im 9. Bezirk (nahe der Hinrichtungsstätte) begraben.
Bezeichnenderweise befindet sich auf eben diesem Gelände heute ein- Finanzamt.

Soviel zur vielbesungenen wiener Gemütlichkeit...
 
Liegt auf der Hand: wo Leichen baumeln (und das über Tage), da kommen die Krähen. Rabensteige, -steine, aber auch Krähwinkel etc. zeugen von den traurigen Orten
(Wegen Wien: Alfred, Du meintest den Rabensteig* in der Rossau, der bis zur Schleifung der Bastionen vor der Stadt lag und heute zum 1. Bezirk (innere Stadt) gehört? Dieser ist neben dem Hohen Markt Wiens älteste Richtstätte.)

Das wichtigste wurde eh schon gesagt, nur noch als Anhang: es zeugen in Österreich v. a. hunderte erhaltene Galgen-Namen wie Galgenau, Galgenberg, Galgenstein und Galgenbichl (Bühel=Hügel) außerhalb der Städte und Märkte von deren Richtstätten.

*http://193.171.252.18/www.kidsweb.at/wienweb/alsergrund/damalsrossaustrafe.htm
 
Dabei muß ich an Archivalien aus dem Staatsarchiv in Marburg denken.
In Marburg gibt es übrigens noch einen "Richtsberg" und an dessen Rand einen "Rabenstein". Zu dem führt die "Scheppegewissegasse" hoch, in der man sein "schiefes Gewissen" noch einmal überprüfen konnte.
 
Die Stuttgarter Hinrichtungsstätte lag an der Hauptstätterstr., die ihren Namen nicht von dem Status als Haupt- und Residenzstadt hat, sondern von den vor Ort abgeschlagenen Köpfen.

Grüße Repo
 
Hallo ning!
Ja- genau diesen meine ich. Liegt allerdings- einem neuen Wienplan zu folge- tatsächlich bereits im 9. Bezirk; entspricht dem Gelände des heutigen Schlickplatzes. Und den Namen "Rabenstein" habe ich einem Buch entnommen; muß aber nochmal nachschauen, welches das genau war. Denkbar wäre aber auch, daß diese Richtstätte unter beiden Namen- "Raben steig" und "Rabenstein" bekannt war. Wichtig ist dabei sowieso hauptsächlich der Wortteil "Rabe"; und dessen Bedeutung hast Du ja ohnehin völlig zutreffend erläutert.
 
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