Sugambrer = Gambrivier?

Muspilli

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Sagt einmal, wißt ihr definitiv, ob die Sugambrer mit den Gambriviern identisch sind, so wie es bei Wikipedia dargestellt wird. In den Büchern, die mir vorliegen, wird ein solcher Zusammenhang nämlich nicht hergestellt.
Immerhin, während man über Sugambrer überhaupt etwas erfahren, erfährt man über die Gambrivier gar nichts.

Also, weiß jemand bescheid?
 
Ich hab mir eben mal den Artikel zu den Sugambrer in der wikipedia durchgelesen. Ich finde ihn etwas chaotisch und sehr wenig aussagekräftig. Alle Daten laufen darauf hinaus, daß es zwischen 11/12 v. Chr. und den Franken des 4. Jahrhundert keine Nachrichten über die Sugambrer gibt. Die Quellenlage läßt anscheinend gar keine zusammenhängende Geschichte der Sugambrer zu.

Wo werden denn die Gambrivier überhaupt erwähnt?
 
@ Saxo: das stimmt nicht ganz; so wird etwa bei Strabon im Zusammenhang mit den Kämpfen des Germanicus noch von einem Sugambrer-Fürsten namens Melo gesprochen. Die Gambrivier kannte ich bisher nicht, aber so wie ich das sehe, wird dieser Stamm nur bei Tacitus genannt, oder? Ich fände eine Identifizierung mit den Sugambrern daher auch etwas zu vorschnell.
 
Irgend jemand scheint diesem Melo mit einem späteren Mero gleichgesetzt zu haben. Anders kann ich mir die angedeutete Verbindung der Sugambrer mit den Merowingern bzw. Franken nicht erklären. Meiner Meinung nach liegt zu viel Zeit dazwischen, auch wenn man Germanicus berücksichtigt.
http://www.sungaya.de/schwarz/germanen/geographie/Sugambrer.htm
http://www.sungaya.de/schwarz/germanen/geographie/Merowinger.htm
Ich hab noch keine Stelle gefunden, wo der Schluß, daß Sugambrer und Gambrivier identisch sind, erklärt wird.
 
Allerdingts, der Wikipedia-Artikel gehört zu den schlechten, die es dort gibt.

Ich meine, mir sei der Gambrivier-Name auch in anderen Büchern begegnet, aber ich hab‘s gerade mal nur im Pohl (Die Germanen) gefunden:

In dem Abschnitt seiner „Germania“ mit der vielzitierten Origio vom erdentsprungenen Gott Tuisto als Ahne des Urvaters Mannus, von dem sich drei germanische Volksnamen (Ingaevonen, Herminonen und Istaevonen) ableiten, erwähnt Tacitus auch die damals wohl geläufige Vermutung, daß der urzeitliche Gott sicherlich mehr Söhne hatte, demnach es auch es mehr germanische Völker(namen) gebe „und das seien die echten, alten Namen“: Marser, Sueben, Vandilier und eben auch die Gambriver – so bei Pohl (Die Germanen).
In der Erwähnung von Plinius („Historia naturalis“ 4, 99), der auch eine etwas andere Anordnung von fünf germanischen genera anbot, sieht man einen Widerspruch zwischen der Angabe der Istaevonen „proximi Rheno“ zur Kenntnis, daß die eher unbedeutenden Gambriver direkt am Rhein wohnten.

Nun schrieben Tacitus und Plinius nun schon im fortgeschritten 1. Jh. n. Ztr.; wäre es also möglich, daß sich der Name der Gambriver möglicherweise auf einen rechtsrheinischen Rest der einst durchaus bedeutenden Sugambrer bezieht? Aber wie dem auch, eine Verwandtschaft der Stämme erscheint aufgrund des Wortstammes "gam-" zumindest nicht ausgeschlossen.
 
wäre es also möglich, daß sich der Name der Gambriver möglicherweise auf einen rechtsrheinischen Rest der einst durchaus bedeutenden Sugambrer bezieht? Aber wie dem auch, eine Verwandtschaft der Stämme erscheint aufgrund des Wortstammes "gam-" zumindest nicht ausgeschlossen.
Den Wortstamm hab ich mir auch angesehen. Ich denke aber, daß der Stamm nicht gam, sondern gambri ist, was "Tatkraft, Eifer" bedeutet. Es ist also ein Beiname, kein usprünglicher. So gesehen, können die Gambrivier noch mit einem ganz anderen, bisher unbekannten Stamm identisch sein. *sugambri scheint dasselbe zu bedeuten. Die Vorsilbe *so taucht öfter im germanischen auf, scheint aber keine klare Bedeutung zu haben. Es sei denn, man leitet es von *su(th)agambri ab, was dann einfach "die südlichen Gambrivier" bedeuten würde.
 
@ SAXO: Das ich das Lexem "gambri" verkürzte, fiel mir später auch auf, aber sehr gut daß du es korrigierst:

Den Wortstamm hab ich mir auch angesehen. Ich denke aber, daß der Stamm nicht gam, sondern gambri ist, was "Tatkraft, Eifer" bedeutet. Es ist also ein Beiname, kein usprünglicher. So gesehen, können die Gambrivier noch mit einem ganz anderen, bisher unbekannten Stamm identisch sein.

Vor allem beeindruckst du mich mit der Bedeutungserklärung, ebenso hier:

*sugambri scheint dasselbe zu bedeuten. Die Vorsilbe *so taucht öfter im germanischen auf, scheint aber keine klare Bedeutung zu haben. Es sei denn, man leitet es von *su(th)agambri ab, was dann einfach "die südlichen Gambrivier" bedeuten würde.

Könntest du mir vielleicht, ein paar Beispiele nennen, in welchen germanischen Worten das Präfix "su-/so-" oder wo das "gambri" in einem germanischen Wort erscheint, das aber kein Stammesnamen ist? Ich glaube es waren die Langobarden, die sich auf eine Stammmutter "gamba" oder so ähnlich zurückführten.

Allgemein dazu: In was für einem Lexikon schaust du so etwas nach? Oder gibt es ein Buch, das sich mit den überlieferten Stammesnamen auseinandersetzt?
 
Könntest du mir vielleicht, ein paar Beispiele nennen, in welchen germanischen Worten das Präfix "su-/so-" oder wo das "gambri" in einem germanischen Wort erscheint, das aber kein Stammesnamen ist?
Guck einfach mal hier http://www.koeblergerhard.de/germwbhinw.html nach. ;) Mehr habe ich auch nicht als sprachliche Grundlage. Daneben natürlich einige Bücher, wo man sich aber eher selten auf solchen Sachen wie Stammesnamen einläßt. Über Landkarten aller Art hänge ich auch ständig... Außerdem ist Etymologie ein Hobby von mir. Zwar vorwiegend in Bezug auf das Elbslawische (bin aus Brandenburg), aber in letzter Zeit hab ich auch hier immer wieder Hinweise auf germanische Namen gefunden. Es ist natürlich alles nur hypothetisch, und ich laß mich gern eines besseren belehren, wenn ich auf dem falschen Dampfer bin...
 
Hallo zusammen, bin recht neu hier und habe noch eine andere Frage zu den Sugambrern. In einigen Homepages wird gesagt, die Sugambrer wären möglicherweise Kelten gewesen, oder ihre Sprache wäre keltisch gewesen. Mit welchen Quellen kann man dieses belegen ?
 
Keltische Sugambrer?

Hallo zusammen, bin recht neu hier und habe noch eine andere Frage zu den Sugambrern. In einigen Homepages wird gesagt, die Sugambrer wären möglicherweise Kelten gewesen, oder ihre Sprache wäre keltisch gewesen. Mit welchen Quellen kann man dieses belegen ?

Ich bin ja offen, aber ich habe von einer solchen Überlegung nichts gelesen.

Allerdings habe ich bei einem Historiker (Orthbandt) einmal gelesen, der ähnliches über die Cherusker oder zumindest deren Oberschicht schreibt, sie waren bei ihm aber - wohl mit Kelten verandte - Veneter.

Kannst du eine Webseite nennen, wo die Sugambrer als Kelten firmieren?
 
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Hierzu noch mal ein Nachtrag: die Gambrivier sind wohl nicht mit den Sugambrern identisch. Strabon nennt sie als "Gamabrivier". In zwei Sätzen nennt er erst eine Gruppe von Stämmen, die man grob im Wesergebiet verorten kann (Cherusker, Chatten etc.); dazu gehören die Gambrivier. Dann nennt er eine Gruppe, die mehr in Rheinnähe und an der Nordsee sitzt. Hierunter zählt er die Sugambrer.
 
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Muspilli schrieb:
Bist du dir sicher? Du erwähntest die Gambrivier auch mal an ganz anderer Stelle: Der Begriff "Deutsches Reich"
Gemäß der dortigen Darstellung dürfte es sich eher um kaiserzeitliche Überlieferung römischer Provenienz handeln (vgl. z. B. Sugambrer = Gambrivier?); verwechselst du es mit dem Si- oder Sygamber-Namen beispielweise aus dem Brief des Bischofs von Reims?
Das stammt ja aus einer Abhandlung von Tacitus, wo er über den mythologischen Stammvater Mannus berichtet. Das bedeutet aber, daß er bereits die Gambrivier kannte.

Im Folgenden zitiere ich mal aus meinem Buch „Die Germanen“ Band 1 vom Akademie Verlag Berlin (1983) die Textstellen, in denen die Gambrivier vorkommen:

S. 408 schrieb:
Im Jahre 11 v. u. Z. (anm.: v. Chr.) waren die Sugambrer Ziel einer sogenannten Strafexpedition römischer Truppen unter Drusus. Ihre entgültige Unterwerfung gelang aber erst Tiberius im Jahre 7 v. u. Z. Stammesteile wurden von ihm in linksrheinische Gebiete umgesiedelt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Sugambrer später unter dem Namen Cugerner (Cuberner) auftraten.
S. 408 schrieb:
Der ursprüngliche Name blieb in der fränkischen Stammestradition erhalten und wird in der Völkerwanderungszeit mehrfach überliefert, z. B. bei der Taufe des Chlodwig (Gregor von Tours 2, 31). Die von Tacitus (Germ. 2) überlieferte „alte“ Namensform Gambrivi scheint sich ebenfalls auf diesen Stamm zu beziehen (R. Much 1967, S. 57ff).

S. 523 schrieb:
Tacitus nennt weitere Stämme als die Hauptstämme in diesen nur noch als “Kultgemeinschaften” existierenden Abstammungsgemeinschaften: die Marser, Gambrivier (=Sugambrer?) und Vandilier (Germ. 2). Den Marsern standen die Brukterer, Usipeter und Tubanten nahe, deren zentrales Heiligtum der Tamfana im Marsergebiet lag (Tacitus, Ann. 1, 51).
Das liest sich für mich so, als ob der Name „Gambrivier“ ein älterer Stammesname der Sugambrer war oder aber die Sugambrer ein Teil eines ehemals größeren Stammes "Gambrivier" waren, wobei nach dieser (jetzt mal von mir vermuteten) Stammesteilung der Name „Gambrivier“ verschwand.
:grübel:
 
Nun las ich doch tatsächlich in Wolters: "Die Schlacht im Teuteburger Wald" die Marser wären die Sugambern, die sich der Umsiedlung ins Linksrheinische verweigerten und rechts des Rheines blieben.
So jetzt ist die Verwirrung ja perfekt!:D

Über die Gambrivier habe ich mich auch gerätselt. Überhaupt ist Tacitus Beschreibung jener "echten" Großstämme sehr rätselhaft. Die Größe der Sueben ist ja noch ersichtlich, aber die Marser, Vandilier und Gambrivier scheinen ja zumindest in historischer Zeit keine den Sueben ebenbürtige Stellung zu haben.
 
Das fand ich noch einen überraschende Überlegung:
Im Übrigen hätten die Sugambrer ihren Namen vom Fluß Sieg (Siegerland) abgeleitet.
Könnt Ihr diese Theorie in irgendeiner Form bestätigen?

Wie es gelegentlich im Forum passiert: manche Frage werden doch nicht beantwortet. Bei http://de.wikipedia.org/wiki/Sieg_(Fluss) heißt es:

Wikipedia schrieb:
Der Flussname Sieg hat keinen Bezug zu Sieg als Triumph, sondern leitet sich vom keltischen Wort „Sikkere“ ab, was so viel bedeutet wie „schneller Fluss“ (verwandt ist der ebenfalls keltische Name der Seine). Es ist nicht ganz klar, ob auch der Name des Volksstammes der Sugambrer verwandt ist (jedoch lebten Sugambrer und Ubier wohl in frühgeschichtlicher Zeit in Nachbarschaft des Siegerlandes).

Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß ich in letzter Zeit bei Recherchen in diesem Forum auf die fragliche Erwähnung der Sugambrer als Kelten ohne nähere Klärung gestoßen bin.

Ferner ist ist mir bei einer Recherche aufgefallen, daß im 19. Jh. anscheinend bevorzugt von Sigambern gesprochen wurde - z. B. Engels, Friedrich, Zur Urgeschichte der Deutschen, Die ersten Kämpfe mit Rom - Zeno.org oder:

Meyers Konversationsöexikon schrieb:
Sigamber (Sugamber), german. Volksstamm, wohnte am Rhein zwischen Sieg und Ruhr (s. Karte »Germanien«), [* 9]
machte schon zu Cäsars Zeit Einfälle in Gallien, wurde aber von Drusus 12 v. Chr. zur Ruhe gebracht und von Tiberius zum Teil an das linke Rheinufer verpflanzt.
Später werden die S. im großen Bunde der Franken genannt.
Vgl. Essellen, Geschichte der S. (Leipz. 1868, Anhang 1871).
Sigamber | eLexikon
 
Ich meine auch, dass in der fränkischen Geschichtsschreibung die Franken nicht als Sugambrer sondern als Sicambrer bezeichnet werden. Irgendein König (oder sein Gefolge) wird bei Gregor oder Fredegar (ich weiß es leider nicht genau) in einer wörtlichen Rede als Sicamber angesprochen.
 
Ein Bsp. wäre die Origo Francorum Bonnensis, welche den Trojamythos schildert. Ebenso im Chronicon Moissiacense (9. Jhdt.). In beiden Quellen errichten die trojanischen Franken eine Stadt Sicambria.* Die Annales Quedlinburgiensis greifen dieselbe Geschichte auf.
Und die Stelle, die ich im Kopf hatte, das war die berühmte Taufszene, wo Remigius zu Chlodwig spricht: "Mitis depone colla, Sigamber; adora quod incendisti, incende quod adorasti. - Neige sanft deinen Kopf, Sigamber, bete an, was du in Brand stecktest und stecke an, was du angebetet hast." (Gregor Turensis)
In parallelen Überlieferungen wird hier auch Sicamber geschrieben.

*eine sogenannte aitiologische Legende
 
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Ich habe eben online in ein Buch von Reinhard Schmoekel hineingelesen (Die Geheimnisse der Merowinger), der die fränkische Wandersage als mündliche tradierte wahre Geschichte beweisen will. Es gab wohl in Pannonien ein Kastell Sicambria, er ordnet sarmatische Hilfstruppen der Römer (unter Kaiser Valentinian) diesem Kastell zu, der Stammes / Draco-Name wäre Sicambrier gewesen. Dieser Draco wäre später nach Nordwesten geflohen, und bei den germanische Stämmen am Niederhein aufgenommen worden. Liest sich spannend, was daran wahr ist, kann ich leider nicht beurteilen ......
 
Ich habe eben online in ein Buch von Reinhard Schmoekel hineingelesen (Die Geheimnisse der Merowinger), der die fränkische Wandersage als mündliche tradierte wahre Geschichte beweisen will. Es gab wohl in Pannonien ein Kastell Sicambria, er ordnet sarmatische Hilfstruppen der Römer (unter Kaiser Valentinian) diesem Kastell zu, der Stammes / Draco-Name wäre Sicambrier gewesen. Dieser Draco wäre später nach Nordwesten geflohen, und bei den germanische Stämmen am Niederhein aufgenommen worden. Liest sich spannend, was daran wahr ist, kann ich leider nicht beurteilen ......

Das ist eine Taschenspielerei von Schmoekel. Er räumt zwar selbst ein, dass es keine antike Belegstelle für Sicambria gibt (dass im "Liber historiae Francorum" im Zusammenhang mit dem "Troja-Mythos" erwähnt wird). Später nimmt er gleichwohl die Existenz des Kastells als gegeben hin.
 
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