Flottenpolitik Deutschlands unter Wilhelm II. als einer der Auslöser des 1. WK?

Maharbal

Neues Mitglied
Hi,
ich muß bis Mittwoch ein Geschichtsreferat (Leistunskurs, K12) über die "Flottenpolitik Deutschlands unter Wilhelm II." schreiben, und ich wollt mal fragen, was ihr von der These haltet, dass diese Flottenpolitik den ersten(sry, gleich 2 mal verschrieben^^) Weltkrieg teilweise mitverschuldet hat.
Danke,
Maharbal
 
Zuletzt bearbeitet:
Was spricht für diese These?
Dass, wenn Deutschland nicht mit seiner Flottenpolitik England zu einem Wettrüsten gezwungen hätte, (und Wilhelm II. außenpolitische Provokationen wie z.B. die Krüger-Depesche und die Daily-Telegraph-Affähre vermieden hätte, sowie das Bismarcksche Bündnissystem aufrechterhalten und etliche weitere fehler nicht gemacht hätte;)), England vielleicht irgendwann in den Dreibund mit Österreich-Ungarn, Italien und Deutschland eingetreten wäre.(glaube ich zumindest)
 
Ich kenne mich natürlich in diesem Gebiet nicht gerade aus, weil ich mich erst seit ein Paar Tagen mit diesem Gebiet beschäftige, und ich hatte außerdem in meiner ersten Geschichtsklausur nur lausige 5 Punkte, deshalb kann es natürlich leicht sein dass ich völlig daneben liege...;)
 
Also erstmal ist es ja fraglich, ob überhaupt ein Wettrüsten stattgefunden hat, ich hab darüber kürzlich eine Ausarbeitung geschrieben. Wenn du willst, kannst du mir deine Mailadresse per PN schicken, ich schick dir das Ding dann.

Ich denk mal, das internationale Aufrüsten des Militärs ist nur ein Ausdruck für die angespannte Lage zwischen den Nationen, die durch die allgemein aggressive deutsche Politik unter Wilhelm II. mitverursacht wurde.

Das England in den Dreibund eingetreten wäre, halte ich für unwahrscheinlich, das war es aber meiner Meinung nach auch nicht, worauf Wilhelm abzielte. Er wollte mE England irgendwie in die Knie zwingen, was ja letztlich nicht wirklich geklappt hat...
 
Für diese Annahme spricht vor allen Dingen die Tatsache, daß sie oft in Schuillehrbüchern steht und der Geschichtslehrer sie deshalb wahrscheinlich hören will.
Grundlage ist der Umstand, daß England das Ziel verfolgte, immer die deutlich stärkste Flotte zu haben. Durch den Ausbau der deutschen Flotte entstand daher ein Konflikt zwischen Deutschland und England. Dies soll den Krieg mitverschuldet haben. Dabei ist allerdings zu beachten, daß diese Meinung von einem selbstverständlichen Vorrecht Englands als führende Seemacht ausgeht und in diesem Licht das deutsche Flottenprogramm als indirekten Angriff wertet.
Eine der Ursachen für den Krieg war es vielleicht, von Verschulden aber sollte dadurch nicht automatisch die Rede sein.


Ostlandreiter
 
Ich denk mal, das internationale Aufrüsten des Militärs ist nur ein Ausdruck für die angespannte Lage zwischen den Nationen, die durch die allgemein aggressive deutsche Politik unter Wilhelm II. mitverursacht wurde.


Welche zusätzlichen innenpolit. Faktoren bei der Flottenrüstung
eine Rolle spielen , siehe Link.

..."Die deutsche Flottenrüstung als innenpolit. Kampfinstrument gegen die SPD "

http://webdoc.gwdg.de/edoc/p/fundus/4/duehrkohp.pdf
 
Für diese Annahme spricht vor allen Dingen die Tatsache, daß sie oft in Schuillehrbüchern steht und der Geschichtslehrer sie deshalb wahrscheinlich hören will.
Grundlage ist der Umstand, daß England das Ziel verfolgte, immer die deutlich stärkste Flotte zu haben. Durch den Ausbau der deutschen Flotte entstand daher ein Konflikt zwischen Deutschland und England. Dies soll den Krieg mitverschuldet haben. Dabei ist allerdings zu beachten, daß diese Meinung von einem selbstverständlichen Vorrecht Englands als führende Seemacht ausgeht und in diesem Licht das deutsche Flottenprogramm als indirekten Angriff wertet.
Eine der Ursachen für den Krieg war es vielleicht, von Verschulden aber sollte dadurch nicht automatisch die Rede sein.


Ostlandreiter

Es besteht für mich die Frage, ob eine Annahme dadurch bestätigt wird, dass sie in Schulbüchern steht und die Lehrperson sie deshalb in Schülervorträgen hören will. Ich glaube, da sollte Maharbal seinen Lehrer selbst einschätzen, ob er eher darauf steht, seine Lehrmeinung vertreten zu haben oder dass die Schüler die Referate nutzen um sich eine eigene Meinung zu bilden.

Allerdings ist es wahr, dass England stets darauf pochte, die größte Seemacht zu haben und ihren Flottenbestand stets über dem Two-Power-Standard, idealerweise sogar über den Three-Power-Standard zu halten, der aber 1911 den Schiffsbestand der Briten überstieg.

Ob aber der besagte Konflikt durch das Flottenwettrüsten entstand ist für mich ebenfalls fraglich. Meines Erachtens kam der schon viel früher auf, als es um die Kolonisation etc. ging. Soweit ich mich erinnere gab es ja auch Konflikte persönlicher Natur zwischen den Monarchen, aber ob das nun so ausschlaggebend war ist mir nicht klar, vermutlich ja eher nicht.
Das sogenannte Flottenwettrüsten war aber 1908 wieder beendet, als das englische Parlament die Mittel für acht neue Schiffe pro Jahr bewilligte. Damit war das Ziel Deutschlands, 2/3 des englischen Flottenbestandes zu erreichen wohl außer Kraft gesetzt.

Ich bin der Meinung, dass man von einem deutsch-britischen Flottenwettrüsten nicht reden kann, weil spätestens ab 1900, meiner Ansicht nach aber schon früher, ein Internationales Aufrüsten der Kriegsflotten begann. Dafür mochte jedes Land seine eigenen, mehr oder minder nachvollziehbaren Gründe haben. Dazu gibt es übrigens auch eine Karikatur, in welcher einige Matrosen am Ufer stehen und Gummischiffe aufblasen, die mit den jeweiligen Landesnamen bezeichnet sind. Der Karikaturist fragt dazu: "Wem geht wohl als erstes die Puste aus?".
Nun ja, für Deutschland, oder vielmehr für Wilhelm, dürfte die Flotte wohl vor allem ein Prestigeobjekt gewesen sein, der ja selber ein großer Schiffsliebhaber war. Ob die Herren Wilhelm und Tirpitz es allerdings tatsächlich für möglich hielten, an 2/3 des englischen Flottenbestandes heranzukommen, halte ich für unwahrscheinlich. Das Projekt "Risikoflotte" war wohl eher ein Propagandabegriff.

Der aber wurde von den Briten berechtigterweise tatsächlich als Angriff und Provokation gewertet und registriert, aber sofort wieder entkräftet. Damit war das Wettrüsten beendet, der deutsch-britische Gegensatz noch ein wenig verschärft, aber darin eine Ursache für den I. Weltkrieg zu sehen halte ich für Unfug.
 
Im englischen wiki heißt es:

The naval arms race that developed between Britain and Germany was intensified by the 1906 launch of HMS Dreadnought, a revolutionary warship that rendered all previous battleships obsolete. (Britain maintained a large lead over Germany in all categories of warship.) Paul Kennedy has pointed out that both nations believed in Alfred Thayer Mahan's thesis that command of the sea was vital to a great nation.
David Stevenson described the armaments race as "a self-reinforcing cycle of heightened military preparedness", while David Herrman viewed the shipbuilding rivalry as part of a general movement towards war. However, Niall Ferguson argues that Britain’s ability to maintain an overall advantage signifies that change within this realm was insignificant and therefore not a factor in the movement towards war.

Obwohl Fergusons Thesen gerade über den 1. WK sehr kontrovers diskutiert werden, gebe ich ihm hinsichtlich der o.a. Meinung recht.

Jacobum
 
Ich glaube auch nicht, das die Flottenpolitik Deutschlands ursächlich verantwortlich zeichnet, für den 1.Weltkrieg und in der Folge des 2.Weltkrieges. Das sogenannte Wettrüsten, war schon lange, spätestens aber mit der Neuentwiclung der Dreadnoughts, für Deutschland verloren.
Für den 1.Weltkrieg sind eine Reihe von Faktoren verantwortlich.
Zu nennen sind hier beispielsweise der Imperialismus der Großmächte, die Entwicklung der Volswirtswirtschaften , der Zeitgeist (Sozialdarwinismus) oder auch die innenpolitischen Befindlichkeiten der einzelnen Mächte.
Des Weiteren die vielen internationen außenpolitischen Krisen zwischen 1898 und 1914, die ein äußerst gereiztes Klima entstehen ließen.

Grüße
Amicus
 
Hallo Amicus,

ich muss Dir widersprechen!

Der Bau der Dreadnough war im Prinzip sogar sehr schlecht für England, da ein völlig neuer, allen alten Schlachtschiffen überlegener Schiffstyp kam und es den anderen Nationen ermöglichte, gleichwertige Schiffe zu bauen.

Im Vergleich der Vor-Dreadnoughts lag GB weit vor den konkurierenden Marinen (siehe dazu Beyer - Schlachtschiffe u. Schlachtkreuzer 1905-1970).
Der Sprung zum "All-Big-Gun-Battleship" war damals nur eine Frage der Zeit, da sowohl GB, die USA, F und das DR entsprechende Studien laufen hatten. Die USA legten ihr erstes Schlachtschiff dieses Typs sogar VOR den Enländer auf Kiel, hatten jedoch eine längere Bauzeit, da die Schiffe der US-Marine, ähnlich wie die des Deutschen Reiches, weitaus besser konzipiert waren und eine deutlich höhere Sinksicherheit aufwiesen.
Wie kostenintensiv dieses Wettrüsten zur See war, kann man auch an Karikaturen erkennen.
Ich erinnere mich da an eine, wo ein englisches Schlachtschiff spöttisch auf den Namen "The last Shilling" getauft wird.

Interessant ist auch, das GB zwar die offizielle Auffassung vertrat, die Flotte Englands müsse mindestens so groß sein, wie die beiden nachfolgenden Flotten zusammen.
Im Washington-Vertrag allerdings musste GB mit der US-Flotte eine gleichwertige akzeptieren!

Gruß,

Andreas
 
Hallo Andreas,

schöner Beitrag!

Meine Überlegung war, das die deutsche Werftenkapazität bei der Produktions dieses neuen Schlachtschifftyps mit der englischen nicht mithalten könnte und von daher das "Wettrüsten" verloren war.

Grüße
Amicus
 
Der Bau der Dreadnough war im Prinzip sogar sehr schlecht für England, da ein völlig neuer, allen alten Schlachtschiffen überlegener Schiffstyp kam und es den anderen Nationen ermöglichte, gleichwertige Schiffe zu bauen.

Die Logik verstehe ich nicht. England hatte die Dreadnought, die anderen Nationen konnten natürlich auch solche Schiffe bauen, aber dazu waren ja ersteinmal Planungen notwendig, da die Briten wahrscheinlich nciht die Baupläne verteilten. Auch wenn Planungen bereits liefen, England hatte den Vorsprung, zumindest den quantitativen. Der "schlechte" Faktor wäre höchstens, dass sich England damit gezwungen hat, weitere solche, ich nehme an teure, Schiffe zu bauen. Allerdings saß England insofern wieder am längeren Hebel, als das es die Mittel für mehrere Dreadnought-Schiffe besaß bzw. aufbringen konnte. Das deutsche Reich nicht.
Außerdem, wenn man ein Schiff hat, was allen anderen überlegen ist, heißt das ja nicht, dass alle anderen deswegen untauglich sind.

Ich halte das sogenannte Flottenwettrüsten für einen Auswuchs des Imperialismus, für Deutschlands Ausdruck der Sehnsucht nach einem Platz an der Sonne ("Ohne Deutschland und ohne den Deutschen Kaiser darf keine große Entscheidung mehr fallen") und für eine kleine Provokation der Briten neben vielen anderen, vielleicht, wenn es den Herren damals wirklich ernst gewesen ist, um einen lächerlichen Erpressungsversuch GBs, und glaube nicht, dass man das zu einer Kriegsursache hochschrauben kann/sollte. England hatte die größte Kriegsflotte, England baute jährlich acht neue Schiffe, das deutsche Reich nur vier, weshalb von einem Wettrüsten ja nun wirklich nicht gesprochen werden kann.
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Prinzip erhoffte sich England genau dieses, nämlich dass das DR nicht die Mittel und Kapazitäten aufbringen konnte, um mit dieser Entwicklung schritt zu halten.

Das DR ermöglichte es jedoch auch Privatwerften, sich an dem Schlachtschiffbau zu beteiligen (zusätzlich zu den ursprünglichen Militärwerften in Kiel und Wilhelmshafen), so dass in Bremen, Hamburg und ich glaube auch in Danzig Großkampfschiffe gebaut werden konnten.

Mit den Planungen zu einem All-Big-Gun-Battleship wurde bereits einige Jahre VOR der Dreadnough von ALLEN bedeutenden Marinen begonnen. England war lediglich das erste Land, welches seines fertig gestellt hat.
Wie gesagt, die USA hatten ihres sogar VOR den Engländern auf Kiel gelegt. Die Lücke zwischen 1905 und der Fertigstellung der "Nassau" 1907 wird von England gern als "Dreadnough"-Schock angesehen, Tatsache ist jedoch, dass die deutschen Planungen einfach nur gründlicher waren!

Ich werde heute aben noch einmal meinen Beyer zu rate ziehen, dann kann ich genaueres aussagen.
Tatsache ist jedoch, dass auch England nach der Dreadnough das nächste Schiff dieser Bauart erst 1907 fertigstellte. England versuchte anschließend in einem möglichst kurzen Zeitraum möglichst viele Schiffe fertigzustellen, was deutlich zu lasten der Qualität ging. So hatte erst die "Iron Duke"-Klasse einen vernünftigen Unterwasserschutz gegen Minen und erst diese und die Q- und R-Klasse konnten als wirkliche Schlachschiffe gelten.
Als Beispiel für die mangelhafte Qualität sei der Untergang der "Audacious" 1914 genannt, die auf EINE Mine lief und Aufgrund des mangelnden Unterwasserschutzes und des Fehlens einer vernünftigen Unterteilung in wasserdichte Abteilungen nicht gehalten werden konnte!
Die "Marlborough" erhielt in der Skagerrak-Schlacht EINEN Torpedotreffer, bekam Schlagseite und war nur noch bedingt gefechtsbereit!

Die deutschen Schlachtschiffe erhielten in dieser Schlacht zahlreiche Treffer, blieben aber voll Einsatzbereit.
Als extrem hat die "Seydlitz" zu gelten, die 21 schwere Treffer erhielt und zusätzlich von einem Torpedo getroffen wurde.
Rückwärtsfahrend erreichte sie mit nur noch 2,5 Metern Freibord Wilhelmshafen aus eigener Kraft!

Gruß,

Andreas
 
Das ist sehr interessant und spricht wirklich gegen die Engländer und die Qualität ihrer Schiffe, dennoch zeichnet sich für mich dadurch weder ein Rüstungswettlauf noch eine Kriegsursache ab.

Und Tatsache ist, dass Deutschland die Mittel nciht aufbringen konnte bzw. bewilligt bekam: dem Parlament konnten vier Schiffe pro Jahr abgerungen werdne, den Houses acht.
 
Ich denke, man sollte unterscheiden, ob das Flottenbauprogramm FAKTISCH eine Bedrohung Englands war (wohl eher nicht) oder ob England sich bedroht FÜHLTE (und das war wohl der Fall).

Das Flottenprogramm führte sehr wohl zum Abkühlen der deutsch-englischen Beziehungen und wohl auch zur Annäherung Englands an Frankreich. Vielleicht sogar umso mehr, als Deutschland trotz der Undurchführbarkeit des Programms sich weigerte, mit England einen Kompromiss einzugehen, der England Sicherheit und Deutschland immer noch eine Flottenrüstung zugestanden hätte: Haldane-Mission, 1912 (http://www.lib.byu.edu/~rdh/wwi/1914m/haldane.html):

- Das dt. Flottenbauprogramm sollte mindestens nicht vergrößert werden => man war bereit, das momentane Programm gerade noch zu akzeptieren.
- Dafür wäre England sogar bereit, Deutschland bzgl. des kolonialen Interesses entgegen zu kommen.

Es scheiterte an Deutschland.
Warum lässt man sowas scheitern, wenn man mangels finanzieller Mittel den Flottenbau sowieso nicht ausdehnen kann?

Wie ist zu interpretieren, dass England sogar bereit wäre, koloniale Zugeständnisse zu machen, wenn dafür Deutschland seine Flottenpläne wenigstens nicht erweitert ?

Lässt sich daraus nicht die Folgerung ziehen, dass England sich von einer deutschen Flottenpolitik weit bedrohter sah, als vom dt. Kolonialismus?

Ist der Zerfall des Bismarckschen Systems keine Kriegsursache?
Ist die Annäherung Englands an Frankreich keine Ursache für den Zerfall des Bismarckschen Systems?
Ist das Flottenbauprogramm kein Faktor, der England von Deutschland weg in die Nähe Frankreichs brachte?
 
War es nicht so gewesen, das England sich erst über das Thema Kolonien unterhalten wollte, nach dem das Deutsche Reich in der Flottenfrage entsprechende Zugeständnisse gemacht hatte?

Grüße
Amicus
 
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