Inwieweit spielt das Osmanische Reich ein Rolle in dem Jugoslawien-Krieg

Vor dem Auseinanderbrechen Jugoslawiens gab es folgende Bevölkerungsteile (Zahlen aufgerundet):

Serben: 36% = 15,6 Mio.
Kroaten: 20% = 8,7 Mio.
Slowenen: 8% = 3,5 Mio.
Albaner: 8% = 3,5 Mio.
Makedonen: 6% = 2,6 Mio.
Montenegriner: 2,6% = 1,1 Mio.
Ungarn: 1,9% = 830 000


(nach: Brockhaus-Lexikon 1986)
 
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Hier noch ein lesenswertes kurzes Referat, das in leicht verständlicher Form und gut gegliedert die Herrschaft des Osmanischen Reiches auf dem Balkan skizziert, welches schließlich einen der Hintergründe dieser Diskussion stellt.

Das Referat ist unverdächtig, da es von PD Dr. Hans-Lukas Kieser stammt, einem Historiker und Orientalisten der Uni Basel, der sich als ausgewiesener Kenner und auch kritischer Wissenschaftler etliche Meriten verdiente.

Osmanisch-europäisches Erbe auf dem Balkan:

http://www.hist.net/kieser/pu/erbe.html
 
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Welchem Volk wurden diese denn vorher "zugeschlagen"?

Offiziell gar keinem soweit ich weiss, bei Volkszählungen allerdings mussten die Bosniaken wahlweise Serbe, Kroate oder Jugoslawe angeben.

Die verschiedenen Nationalisten haben natürlich ihr jeweiliges dazu beigetragen. In Serbien waren Nationalisten der Meinung das die Muslime ursprünlich Serben sind und in Kroatien waren Nationalisten der Meinung die Muslime seien alles ehemalige Kroaten.

Die Meinung rührte aus der Mittelalterlichen Geschichte Bosniens und zwar vor den Osmanen. Da war Bosnien ein Königreich in dem Christen vereinigt lebten, die sowohl von Byzanz als auch Rom beeinflusst waren - sprich römisch-katholisch als auch orthodox, zudem gab es noch eine grosse Zahl Bogumilen. Da die Geschichte dieses Landes ziemlich turbulent verlief und vieles noch heute im Dunklen liegt, meinte jedes Nationale Lager mit seiner Meinung recht zu haben und damit auch Territorialen Anspruch auf Bosnien zu besitzen.

Zu alledem streiten sich heute Kroaten und Serben noch vereinzelt darüber, welcher Volksgruppe König Tvrtko Kotromanik I. angehörte, der die Völker im Mittelalterlichen Königreich Bosnien (den Namen Herzegovina gab es damals noch nicht) in seinem Reich vereinigte. Heute ist anzunehmen das er sich als Bosnier sah bzw. als Bosnischer König, ob er katholisch war oder orthodox weiss ich nicht. Das er irgend einem christlichen Glauben angehörte könnte man annehmen, da er 1389 ein Heer auf das Amselfeld führte um König Lazar gegen die Osmanen unter Murat I. zur Seite zu stehen, was er aber wahrscheinlich viel eher aus Prävention tat, da die anrückenden Osmanen auch eine Bedrohung für sein Reich darstellten.
 
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Tut mir leid, ich kann daran nichts stalinistisches erkennen. Ich meine, wofür gibts dann Rechtsstaaten und Verfassungen, wenn sowieso jeder das machen darf was er will. Der Grund für den Krieg wurde meiner Meinung nach von Scarlett sehr gut aufgezeigt. Der Missbrauch vom Selbstbestimmungsrecht der Völker war es ja überhaupt erst, der diesen Krieg entfachte, ich hoffe du verstehst was ich meine. Diese Ideologie vom Selbstbestimmungsrecht wurde meiner Meinung nach ohne jedes kritische Hinterfragen als Recht zur Errichtung eines, ethnisch möglichst homogenen Nationalstaates postuliert. Wo so viele Völkerschaften auf engstem Raum miteinander leben, noch dazu in Gegenden, wo Minderheiten verfassungsmässige Rechte besitzen, ist die Volkszugehörigkeit als Kriterium für eine Territoriale Einheit nichts weiter, als eine grosse Dummheit. Selbstbestimmung in ihrer rein nationalen Ausprägung, die noch dazu den Wunsch nach territorialer Exklusivität beinhaltete war finde ich der Motor für den Krieg.

Was Ihr, die Ihr Euch skeptisch zum Selbstbestimmungsrecht äußert, überhaupt nicht bedenkt, ist das Jugoslawien zum Zeitpunkt der Unabhängigkeitserklärungen nur noch auf dem Papier bestand.
Ferner gingen ihr - Slowenien, Kroatien und später Bosnien-Herzegowina! - Wahlen und Referenden voraus, in denen sich die jeweiligen Völker klar zur Unabhängigkeit dieser Länder geäußert habe. Die Unabhängigkeitserklärungen können also in der Tat als Willen des Volkes gewertet werden.

Den Erklärungen voraus gingen eine massive ökonomische Krise (die an die Grundfesten des Staates rührte), einen Vertrauensverlust in den Staat, das Aufleben des Nationalismus, Wirtschaftkriege zwischen den Republiken, etc.
Der Bundesstaat war faktisch gelähmt und handlungsunfähig.

So waren der Wunsch nach Unabhängigkeit - ich verweise auf den vor allem für die Nachbarrepubliken bedrohlichen serbischen Nationalismus, dessen sich Milošević nur allzu gern bediente! - nur konsequent.
Und bei allen Bedenken den Minderheiten ggüber, so bleibt doch festzustellen, daß an einem Minderheitenstatus nicht unbedingt etwas auszusetzen ist, solange dieser Rechte gewährt werden, die den europäischen Standards entsprechen.

Und im übrigen ist meines Wissens nach höchst umstritten, ob Minderheiten Träger des Selbstbestimmungrechtes sind.
 
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Welchem Volk wurden diese denn vorher "zugeschlagen"?

Sie hatten die Wahl zwischen muslimischer Serbe, Kroate oder national nicht weiter bestimmter Muslime.. ab 1961 durften sie sich als Muslime bekennen.

Das "nation building" der Muslime fand allerdings - im Vergleich zu Serben und Kroaten - etwas verspätet statt.
 
Und im übrigen ist meines Wissens nach höchst umstritten, ob Minderheiten Träger des Selbstbestimmungrechtes sind.


Mir ist nicht ganz klar, was du damit sagen willst. Es gibt in Europa bestimmte Standards, die hinsichtlich des Schutzes ethnischer Minderheiten einzuhalten sind. Meines Wissens hat hier insbesondere der Europarat für allseits anerkannte Prinzipien gesorgt. So kam es z.B. in Schleswig kurz nach dem Krieg zu einem entsprechenden Abkommen zwischen Deutschland und Dänemark, das die dänische Minderheit in Nordschleswig schützte. Sie genießt daher kulturelle Autonomie und hat mindestens einen Sitz im Landtag.

Problematisch ist gewiss die Frage, ab wann eine ethnische Minderheit die Loslösung von einem Staat verlangen kann. In Jugoslawien ist dies geschehen, da dort die Mehrheit der Bevölkerung - Kroaten, Slowenen, Makedonen, Bosnier - einen eigenen Staat wünschten. In Spanien ist das mit den Basken nicht geschehen, da die spanische Regierung den Standpunkt vertritt, die staatliche Integrität Spaniens müsse erhalten bleiben. Man kann darüber streiten, ob dieses Argument vor dem Hintergrund der Selbstbestimmung eines Volkes akzeptabel ist. Es gibt immerhin etwa 3 Millionen Basken. Und was ist mit einem kurdischen Staat, denn 30 Millionen Kurden leben ohne einen solchen Rückhalt.

Andererseits würde ein Chaos entstehen, wenn man jeder Minderheit einen souveränen Staat zugestehen wollte, abgesehen davon, dass viele wirtschaftlich gar nicht lebensfähig wären. Wo soll das beginnen, wo aufhören? Sollen die 80 000 Sorben in der Lausitz einen eigenen Staat bekommen? Die wenigen zehntausend Rätoromanen in der Schweiz? Soll das Kosovo zu Albanien kommen, da es eine zu 90% albanische Bevölkerung hat, die das auch wünscht?
 
Mir ist nicht ganz klar, was du damit sagen willst. Es gibt in Europa bestimmte Standards, die hinsichtlich des Schutzes ethnischer Minderheiten einzuhalten sind. Meines Wissens hat hier insbesondere der Europarat für allseits anerkannte Prinzipien gesorgt. So kam es z.B. in Schleswig kurz nach dem Krieg zu einem entsprechenden Abkommen zwischen Deutschland und Dänemark, das die dänische Minderheit in Nordschleswig schützte. Sie genießt daher kulturelle Autonomie und hat mindestens einen Sitz im Landtag.

Problematisch ist gewiss die Frage, ab wann eine ethnische Minderheit die Loslösung von einem Staat verlangen kann. In Jugoslawien ist dies geschehen, da dort die Mehrheit der Bevölkerung - Kroaten, Slowenen, Makedonen, Bosnier - einen eigenen Staat wünschten. In Spanien ist das mit den Basken nicht geschehen, da die spanische Regierung den Standpunkt vertritt, die staatliche Integrität Spaniens müsse erhalten bleiben. Man kann darüber streiten, ob dieses Argument vor dem Hintergrund der Selbstbestimmung eines Volkes akzeptabel ist. Es gibt immerhin etwa 3 Millionen Basken. Und was ist mit einem kurdischen Staat, denn 30 Millionen Kurden leben ohne einen solchen Rückhalt.

Andererseits würde ein Chaos entstehen, wenn man jeder Minderheit einen souveränen Staat zugestehen wollte, abgesehen davon, dass viele wirtschaftlich gar nicht lebensfähig wären. Wo soll das beginnen, wo aufhören? Sollen die 80 000 Sorben in der Lausitz einen eigenen Staat bekommen? Die wenigen zehntausend Rätoromanen in der Schweiz? Soll das Kosovo zu Albanien kommen, da es eine zu 90% albanische Bevölkerung hat, die das auch wünscht?

Mit dem Selbstbestimmungsrecht gehe ich von einer Loslösung des Staates aus.
Im Falle Kroatiens stellten die Serben 1991 etwa 11 % - hier sehe ich territoriale Ansprüche nicht als gegeben an, zumal sie ja zuvor zwar im jugoslawischen Gesamtstaat lebten, aber eben in der SR Kroatien, dessen Grenzen durch 74ger Verfassung gestärkt wurden.
Sie hätten im Rahmen demokratischer Mittel ihren Protest zum Ausdruck bringen sollen - griffen aber zu militärischen Mitteln, mit Unterstützung der JVA.

Spanien ist im Ggsatz zur SFRJ ein funktionierender Staat, auch vermag ich keine sonderlichen Härten in der Behandlung der Basken erkennen - allerdings ist dies nicht unbedingt mein Spezialgebiet - , das sind zwei sehr unterschiedliche
Staaten.

Dass Minderheiten einen dem europäischen Rahmen angemessenen rechltichen Schutz genießen (sollen!) habe ich nicht in Frage gestellt, allein mir geht es darum, daß einer Minderheit nicht per se ein Selbstbestimmungsrecht zugestanden werden kann.
Dies würde - das hast Du ja bereits anklingen lassen - die Integrität einiger Staaten gefährden.
 
Man kann das Selbstbestimmungsrecht nicht nach Gusto anwenden, ob es einem hier passt, oder dort nicht.

Wenn ethnische Minderheiten in einem Einheitsstaat leben, so müssen entsprechende Minderheitenschutzrechte vereinbart werden. Dass das im ehemaligen Jugoslawien nicht immer funktioniert, liegt nicht am Selbstbestimmungsrecht, sondern am Unvermögen und vielleicht auch am Willen, Schutzrechte wirksam und nachhaltig durchzusetzen.


In Bosnien war jede Ethnie für sich genommen in der Minderheit (Fischer Weltalmanach 1993, d.h. der Vorkriegsstand von 1991):
43,7% Bosniaken
31,35 Serben
17,3% Kroaten
7,6% Jugoslawen

In Kroatien fehlte es der Führung Tudjman in der Tat am Willen, den Serben der Krajina faire Minderheitsnrechte einzuräumen. Zwischen Tudjman und Milosevic kann ich keinen großen Unterschied erkennen- beide beuteteten den Nationalismus ihrer Völker zum eigenen Machterhalt aus- beide auf Kosten Jugoslawiens. Und auch die bosnische Führung war nicht zu Kompromissen bereit.

Skeptisch bzw. klar ablehnend bin ich über die Konsequenzen des Selbstbestimmungsrechts: Wenn die Bevölkerung von Bosnien-Herzegowina das Recht hat, per Abstimmung aus dem jugoslawischen Staatsverband auszuscheiden, mit welcher Argumentation kann man es dann den Serben oder Kroaten des Bosniens nehmen? (Die Serben z.B. haben 1991 in einem demokratischen Referendum für den Anschluss an Serbien gestimmt). Das ist eine Büchse der Pandora, die man besser fest geschlossen hält. Die konkreten Lebensbedingungen von Individuen stehen hier gegen die abstrakte Freiheit von Völkern; die relative Einschränkung der Nationalismen hat den einzelnen Jugoslawen ein besseres Leben gebracht als dessen freies Ausleben. Das ist es, was man aus der jugoslawischen Tragödie lernen kann.

Dieter schrieb:
Andererseits würde ein Chaos entstehen, wenn man jeder Minderheit einen souveränen Staat zugestehen wollte, abgesehen davon, dass viele wirtschaftlich gar nicht lebensfähig wären. Wo soll das beginnen, wo aufhören? Sollen die 80 000 Sorben in der Lausitz einen eigenen Staat bekommen? Die wenigen zehntausend Rätoromanen in der Schweiz? Soll das Kosovo zu Albanien kommen, da es eine zu 90% albanische Bevölkerung hat, die das auch wünscht?
Absolut. Aber wie will man objektiv entscheiden, ab wieviel tausend oder Millionen Angehörigen einer Ethnie und ab wieviel Quadratkilometern ein eigener Staat gestattet ist und wann nicht mehr?
 
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Die "Jugoslawen" sind aber nur ein statistische Größe, die man auch durch "Keine Angabe" ersetzen könnte.
 
Bosnien ist in der Tat ein schwieriges Beispiel, Saint-Just.

Wie aber beurteilst Du das Referendum, welches letztlich zur Unabhängigkeit BiHs führte?

Die Rolle der bosnischen Führung (Du meinst Izetbegovic?) ist im übrigen viel schwieriger zu beurteilen, als Du es dargestellt hast. ;)
 
Hi Scarlett,

Was Ihr, die Ihr Euch skeptisch zum Selbstbestimmungsrecht äußert, überhaupt nicht bedenkt, ist das Jugoslawien zum Zeitpunkt der Unabhängigkeitserklärungen nur noch auf dem Papier bestand.

Das verstehe ich nicht ganz. Wann genau?


Ferner gingen ihr - Slowenien, Kroatien und später Bosnien-Herzegowina! - Wahlen und Referenden voraus, in denen sich die jeweiligen Völker klar zur Unabhängigkeit dieser Länder geäußert habe. Die Unabhängigkeitserklärungen können also in der Tat als Willen des Volkes gewertet werden.
Das ist mir jetzt ein bisschen zu verwirrend - Wann fanden die Referenden statt, wann wurden Unabhängigkeiten ausgerufen und wann wurden diese Länder international anerkannt.

Die Stimme des Volkes ist ein weit dehnbarer Begriff. Soweit ich weiss, korrigier mich bitte falls es nicht stimmt, standen der 74er Verfassung nach den Teilrepubliken die Möglichkeit zur Sezession zwar zu, jedoch nur unter Zustimmung aller Teilrepubliken und Völker Gesamtjugoslawiens. Und das ist es ja auch was ich nicht so ganz verstehe - darum auch meine Frage an dich in einem anderen Post weiter hinten. Mir will einfach nicht in den Kopf, wie sich Kroatiens Regierung damals auf die Jugoslawische Verfassung und auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker beziehen konnte, wenn sie zur Gleichen Zeit beides Missachtete und sich darüber hinweg setzte.

Das Minderheiten überall Rechte geniessen dürfen ja sogar müssen, steht ausser Frage. Aber zwischen Minderheit, oder gar autonomer Minderheit wie den Ungarn in der Vojvodina und den Albanern in Kosovo, oder aber einem Staatstragende Volk gibt es einen erheblichen Unterschied. Und um so einen Status zu schützen, gibt es ja überhaupt erst Verfassungen - Selbiges gilt oder galt für die Minderheiten in Kosovo und in der Vojvodina, nur (du wirst mich korrigieren) das waren tatsächlich Autonome Minderheiten, die ihrer Autonomie ebenfalls enthoben wurden - Nur geschah das nicht eigenmächtig durch Serbien, wie ich immer angenommen habe, sondern unter Einwilligung des Jugoslawischen Staatspräsidiums.


Und im übrigen ist meines Wissens nach höchst umstritten, ob Minderheiten Träger des Selbstbestimmungrechtes sind.

Was genau ist ein "Träger des Selbstbestimmungsrechts"? Und seit wann ist das Selbstbestimmungsrecht, in allen völkerrechtlichen Punkten und seinen unterschiedlichsten Problemstellungen, eine klar definierte Angelegenheit. Das war es nie. Woodrow Wilson konzipierte eine Theorie, die überhaupt nicht wohl überlegt war - und die den Jugoslawen den Triebriemen für 11 Jahre Krieg lieferte.
 
Die "Jugoslawen" sind aber nur ein statistische Größe, die man auch durch "Keine Angabe" ersetzen könnte.
Soweit ich weiß, konnte man "Jugoslawe" bei der Volkszählung als gleichberechtigte Option anstelle der Nationalität wählen. Das können also durchaus auch Kroaten oder Serben angekreuzt haben, die sich mit dem Projekt Jugoslawien stark identifiziert haben, oder die Kinder von "Mischehen" usw.

Wie aber beurteilst Du das Referendum, welches letztlich zur Unabhängigkeit BiHs führte?

Vermutlich glaubten die Einwohner des Landes (gegen jede Vernunft), dass es ihnen in einem unabhängigen Staat wirtschaftlich besser gehen würde als im jugoslawischen Staasverband. Eine andere Möglichkeit ist, dass nationalistische Serben oder Kroaten ein unabhängiges B-H nur als Durchgangsstation zum Anschluss an ihre Nationalstaaten sahen.

Für letzteres spricht m.E., dass die bosnischen Serben und Kroaten nichts eiligeres zu tun hatten, als ihre eigenen Teilstaaten zu proklamieren- ebenfalls mit Zustimmung ihrer jeweiligen Bevölkerungsmehrheit. Eine bosnische Identät hat es jedenfalls nicht gegeben.

Letztlich ist Bosnien nur das Extrem, das die Unhaltbarkeit des Konzepts der nationalen Selbstbestimmung erweist.

Die Rolle der bosnischen Führung (Du meinst Izetbegovic?) ist im übrigen viel schwieriger zu beurteilen, als Du es dargestellt hast.
Das mag natürlich sein. Zumindest weiß ich, dass es auch bei den Bosniaken selbst und sogar in der Unzufriedenheit mit dem Kurs Izetbegoc´gab.

Zweifelhaft finde ich es auch, den Zerfall Jugoslawiens als "natürliche" Entwicklung darzustellen. Einmal- weil es eine gesellschaftliche Entwicklung und keine biologische Notwendigkeit war. Aber vor allem, weil dadurch im Grunde niemand verantwortlich ist. Der Staat Jugoslawien ist ja nicht "einfach so" zusammengebrochen, sondern weil eine ganze Reihe von Leuten einiges afür getan hat- die kroatisch/slowenische Entscheidung, die Zahlungen an deen Bundeshaushalt zu kürzen und zu streichen etwa (ohne Geld lässt sich kein Staat aufrechterhalten), oder Kroaten und Slowenen aus der Bundesarmee abzuziehen (und sich dann über serbische Dominanz zu beschweren) und dgl. Provokationen mehr an die Bundesregierung. Tudjman und der slowenische Präsident Kucan hätten sich auch für eine konstruktive Politik entscheiden können. Von der Verantwortung für den Zerfall Jugoslawiens kann man sie genausowenig freisprechen wie Milosevic oder Izetbegovic.
 
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Zweifelhaft finde ich es auch, den Zerfall Jugoslawiens als "natürliche" Entwicklung darzustellen. Einmal- weil es eine gesellschaftliche Entwicklung und keine biologische Notwendigkeit war. Aber vor allem, weil dadurch im Grunde niemand verantwortlich ist. Der Staat Jugoslawien ist ja nicht "einfach so" zusammengebrochen, sondern weil eine ganze Reihe von Leuten einiges afür getan hat- die kroatisch/slowenische Entscheidung, die Zahlungen an deen Bundeshaushalt zu kürzen und zu streichen etwa (ohne Geld lässt sich kein Staat aufrechterhalten), oder Kroaten und Slowenen aus der Bundesarmee abzuziehen (und sich dann über serbische Dominanz zu beschweren) und dgl. Provokationen mehr an die Bundesregierung. Tudjman und der slowenische Präsident Kucan hätten sich auch für eine konstruktive Politik entscheiden können. Von der Verantwortung für den Zerfall Jugoslawiens kann man sie genausowenig freisprechen wie Milosevic oder Izetbegovic.


Finde ich ziemlich zutreffend wie du das schilderst. Vor allem plausibel. Ich habe mich auch oft gefragt, wies denn sein kann das so ein Staat "natürlich" zerfallen kann. Das würde implizieren, das jeder einzelne Bürger die Nationale Schiene gefahren ist, oder mehr noch, ein Nationalist war der den Zerfall so schnell wie möglich herbei sehnt. Das wäre absolut irrational.
 
Scarlett Sie hatten die Wahl zwischen muslimischer Serbe, Kroate oder national nicht weiter bestimmter Muslime.. ab 1961 durften sie sich als Muslime bekennen.

Das "nation building" der Muslime fand allerdings - im Vergleich zu Serben und Kroaten - etwas verspätet statt.

Das verstehe ich nicht ganz. Würdest Du eine zusätzliche Erklärung geben?

  • Was für einen Nationalbewusstsein hatten die Bosniaken bis zum 1961?
  • Warum dürfen sie sich ab 1961 als Muslime bekennen? Was bedeutet das?
  • Hast Du nicht das Gefühl, dass in Jugoslawien absurde Dinge passierten? Es wurde per Gesetzt (offiziell) oder durch staatliche Gewalt (unoffiziell) geregelt wie darf man sich und wie darf man sich NICHT fühlen.
  • Was verstehst Du unter "nation building"? Wie “verspätetfand das "nation building" der Muslime” im Vergleich zu Serben und Kroaten statt? Vielleicht 300 oder 400 Jahre?
  • Wurden in Jugoslawien für politische Zwecke wie in der UdSSR Nationen” und “besondere Minderheiten konstruiert – zum Beispiel Muslime” (es ist bekannt, dass dieser Begriff für eine Religionsangehörigkeit und nicht für eine Nationalität steht) oder „Mazedonen” (anstatt Bulgaren, hier wurde von den Belgrader Spezialisten auch eine neue europäische Sprache erfunden), oder Ägypter(lachen Sie bitte nicht - das sind eine bestimmte Gruppe der Zigeuner), oder Goranen(der Name bedeutet buchstäblich Bewohner der Berge, aber in Jugoslawien wurde das zu einer Nationalitätbezeichnung), oder „Jugoslawe (was ist das mein Gott, sogar in der UdSSR gab es nicht als Nationalität „Sowietischer Mensch”?!).
Wer mit Feuer spielt, könnte sich selbst ein bisschen verbrennen!!!
 
Ich werde bald genauer auf Eure Beiträge eingehen, sobald ich Zeit dafür finde.

Nur, Kiprian, erkläre mir bitte Deinen letzten Satz.
 
Zweifelhaft finde ich es auch, den Zerfall Jugoslawiens als "natürliche" Entwicklung darzustellen. Einmal- weil es eine gesellschaftliche Entwicklung und keine biologische Notwendigkeit war. Aber vor allem, weil dadurch im Grunde niemand verantwortlich ist. Der Staat Jugoslawien ist ja nicht "einfach so" zusammengebrochen, sondern weil eine ganze Reihe von Leuten einiges afür getan hat- die kroatisch/slowenische Entscheidung, die Zahlungen an deen Bundeshaushalt zu kürzen und zu streichen etwa (ohne Geld lässt sich kein Staat aufrechterhalten), oder Kroaten und Slowenen aus der Bundesarmee abzuziehen .


Es ist verfehlt, die Auflösung Jugoslawiens nun dämonischen Kräften zuzuschreiben, die das intakte Staatswesen mutwillig zerstören wollten. Solche Verschwörungstheorien sind unsinnig, denn es gab eine breite Zustimmung in der Bevölkerung für eine Sezession. Sowohl bei den Slowenen, die schon längst nicht mehr dem Balkan zugezählt sein wollten, als auch bei den Kroaten und den muslimischen Bosniern. Die Albaner wollten ohnehin den Staatsverband verlassen, doch blieb ihnen das Selbstbestimmungsrecht seinerzeit verwehrt. In Kürze wird sich das mit dem Richtlinienpapier der UNO freilich ändern.

Es ist auch unsinnig die Bevölkerung nun belehren zu wollen, dass der Einheitsstaat besser für sie gewesen wäre. Wenn die Bevölkerung eines Staates mehrheitlich für eine Trennung ist, so muss man das akzeptieren. Diese Entwicklung gab es auch in der Sowjetunion, und großes Lamento darüber ist nicht zielführend.
 
Es ist verfehlt, die Auflösung Jugoslawiens nun dämonischen Kräften zuzuschreiben, die das intakte Staatswesen mutwillig zerstören wollten. Solche Verschwörungstheorien sind unsinnig, denn es gab eine breite Zustimmung in der Bevölkerung für eine Sezession. Sowohl bei den Slowenen, die schon längst nicht mehr dem Balkan zugezählt sein wollten, als auch bei den Kroaten und den muslimischen Bosniern. Die Albaner wollten ohnehin den Staatsverband verlassen, doch blieb ihnen das Selbstbestimmungsrecht seinerzeit verwehrt. In Kürze wird sich das mit dem Richtlinienpapier der UNO freilich ändern.

Mir ist noch keine leibhaftige Ideologie über den Weg gelaufen- nur Menschen, die sich als deren Interpreten berufen fühlen. Folglich konnte die Ideologie der Nationalismen erst dann ihre zerstörerische Wirkung entfalten, als ihre führenden Interpreten in Sschlüsselpositionen kamen, Präsidenten der jeweiligen Republiken wurden. Für die Handlungen von Kucan, Tudjman, Izebrgovic, Milosevic usw. sind nur diese selbst verantwortlich!- und nicht Tito, der schon ein Jahrzehnt tot war. Politiker die zur Sezession ja sagten, die jedes Augenmaß und jeden Realismus vermissen ließen, haben bewusst den Bürgerkrieg und Kauf genommen und sind insoweit auch für ihn verantwortlich.

Anzunehmen, dass der Zerfall Jugoslawiens oder irgend etwas anderes feststand, führt in den puren Geschichtsdetermisnismus- am Ende ist dann noch die Schlacht auf dem Amselfeld 1389 für den Zerfall Jugoslawiens verantwortlich! Geschichte wird von lebenden Menschen aus ihrer aktuellen Situation heraus gemacht- nicht weil vor xyz hundert Jahren irgendwo irgendwas passiert ist- das liefert nur die Kostümierung.

Wenn die Bevölkerung eines Staates mehrheitlich für eine Trennung ist, so muss man das akzeptieren. Diese Entwicklung gab es auch in der Sowjetunion, und großes Lamento darüber ist nicht zielführend.

Schön , dann können wir ja das Geshcichtsforum schließen. Alle Themen die hier behandelt werden, sind bereits abgeschlossen und nicht mehr zu ändern.Allerdings habe ich durchaus den Eindruck, dass Historiker durchaus die Vergangenheit nicht nur referieren, sondern auch beurteilen. Warum sollte das hier verboten sein? (Und warum sollte dabei nur die von Dieter geprüfte und gehmigte Fassung der Geschichte herausdkommen?)
 
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