Europäische Kolonialpolitik

mandi

Mitglied
Am Ausgang des 19. Jahrhunderts befand sich mehr als 66 % der Erdoberfläche in europäischen Besitz; aber der Kolonialbesitz war von den Industriestaaten eher unsystematisch erworben worden, nämlich so, wie private Kolonialgesellschaften diesen für den Handel erschlossen hatten: "The flag follows the trade" war eine zutreffende Kurzformel für diesen Kolonialerwerb. Das änderte sich um 1980.

Nun richtete sich die Politik der europäischen Staaten darauf, außerhalb ihrer eigentlichen Staatsgrenzen und traditionellen Interessengebiete umfangreiche Gebiete zu erwerben und in ihre Staatsgebiete einzuverleiben: Neue Großreiche sollten entstehen, Imperien, Hauptschauplatz dieser territorialen Expansion wurde Afrika, daß noch weitgehend unerforscht war, also als "herrenlos" gelten konnte. Ein weiterer Schwerrpunkt imperalistischer Interessen lag in Ostasien und der Südsee, wobei China allerdings formell seine staatliche Unabhängigkeit behaupten konnte.
:grübel: :grübel:
Jetzt meine Frage: Wie erfuhren die betroffenen Völker die Kolonialpolitik?

Kann mir jemand ein paar gute Links aufschreiben wo ich dazu was nachlesen kann oder sonst behilflich sein.
DANKE
 
Standard-Antwort: Uiuiuiui, ein weites Feld!!

Meine Afrika-Bibel ist The Scramble for Africa von Thomas Pakenham. Ein sagenhaftes Buch. Ob es das mitlerweile auf Deutsch gibt?

Kolonialpolitik aus Sicht der Betroffenen? :grübel: Da muss man wohl in die einzelnen Länder gehen. Jedes Land hat da unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Alles über einen Kamm gescheren, würde ich mich nicht trauen...
 
Also erstens würde ich das zu Imperialismus packen, nicht zum Ersten Weltkrieg. Zweitens 1880, nicht 1980. Nun geht es weiter:


Wie erfuhren die betroffenen Völker die Kolonialpolitik?

Ein paar Stichworte:

Sie verloren die Macht über ihr angestammtes Heimatland auf unterschiedliche Weise:
- Verkauf von Land und Hoheitsrechten an Handelsunternehmen, mehr oder weniger fair und bewußt, denn oft verstanden Sie gar nicht, was sie dort gegen irgendwelche Handelswaren abtraten. Der Gedanke, daß Land überhaupt verkauft werden konnte, war vielen Völker unbegreiflich, schließlich kann man es ja nicht irgendwohin mitnehmen.
- Abtretungen von Land und Hoheitsrechten an Vertreter imperialistischer Staaten unter Versprechungen von Schutz gegen Bedrohungen (feindliche Stämme oder andere Kolonialmächte)
- offene militärische Eroberung

So verloren die bisherigen Herren über das Land ihre Entscheidungsfreiheit und Hoheit. Sie wurden - mehr oder weniger - bestenfalls nur noch zu Ausführungsorganen auf niederer Ebene. Nur sehr selten konnten sich regional geschlossene Strukturen behaupten, was oft daran lag, daß man sie (noch nicht) zwingen konnte, sich den neuen Regeln zu beugen.

In der weiteren Folge mußten Sie vielerorts erfahren, daß die neuen Machthaber ihre Vorstellungen der Organisation und Verwaltung des Landes gegen den Willen der indigenen Bevölkerung durchsetzten. Die Menschen wurden je nach angegebener Notwendigkeit (Städtebau, Pflanzungsbau, Eisenbahn, Straßen etc) vertrieben, enteignet, mit symbolischen Entschädigungen vom angestammten Land zwangsumgesiedelt und weiterhin zur Arbeit gezwungen. Teils über den Umweg der Einführung von Steuern, die abgearbeitet werden mußten.

Ihre Kultur und die gesamte Werteordnung änderte sich durch (regional unterschiedlich aggressive) Missionierung, Schulausbildung, Handels-, Arbeits- und Pflanzungsstrukturen. Natürlich je nachdem, wie eng der Kontakt zu den Kolonisatoren war (Stadt, Land etc.)

Sie mußten weiterhin erfahren, daß jedes Aufbegehren gegen die oktroierte neue Lebensweise und Entmachtung von den europäischen Mächten mit überlegener Waffengewalt niedergeschlagen wurde. Bei größeren Aufständen kam es zu Einzelerfolgen, die jedoch mit den europäischen Militärmitteln schlußendlich in Blutbädern endeten.

Soll´s erstmal sein. Spezielle Nachfragen?
 
Zuletzt bearbeitet:
hab mal gehört gehört das frankreich seine kolonien gut gefürt haben soll im gegensatz zu dtl!8zusammenhang Kolonialpolitk)
allerdings kann ich nicht mehr sagen von wem die Quelle war Bzw wer dies ausgesagt hat( könnte ja ein Franzose gewesen sein)

gruß
 
nirvana-guy schrieb:
hab mal gehört gehört das frankreich seine kolonien gut gefürt haben soll im gegensatz zu dtl!8zusammenhang Kolonialpolitk)
allerdings kann ich nicht mehr sagen von wem die Quelle war Bzw wer dies ausgesagt hat( könnte ja ein Franzose gewesen sein)

War vielleicht ein Franzose. Das Bild der Kolonialgeschichte Frankreichs war lange verklärt und geschönt. Erst in den letzten Jahren wird das kritisch aufgearbeitet. Lies dir mal diesen Artikel dazu durch:

http://www.welt.de/data/2005/12/16/818159.html

Nach meiner Einschätzung war die französische Kolonialpolitik effektiv nicht besser, als die anderer Staaten. Vielleicht fielen die Massaker und Ungerechtigkeiten nur weniger auf, weil sie mehr auf die indirekte Herrschaft setzten, das heißt sie überliessen weite Teile der Exikutive den indigenen Herrschern. Manche Taten örtlichen Eliten und/oder Hilfsvölker wurden so nicht direkt den Franzosen angelastet.
 
Ich möchte an dieser Stelle keinesfalls die tatsächlich vorgekommenen Untaten der europäischen und insbesondere deutschen Kolonialgeschichte beschönigen, doch litt gerade das Bild der Deutschen als Kolonialherren lange sehr an den Folgen des Ersten Weltkrieges. Die Alliierten begründeten die Auflösung des deutschen Kolonialbesitzes u.a. damit, daß die Deutschen unfähige und grausame Kolonisatoren gewesen seien. Dieser Vorwurf ist nicht berechtigt, selbst vor dem Hintergrund des Hereroaufstandes. Im Durchschnitt waren alle Kolonialherren ähnlich hart oder zurückhaltend, um es ganz pauschal zu formulieren. Für den Erfolg in den einzelnen Weltgegenden waren dann viele Einzelfaktoren bestimmend: Erfahrung und Mittel der Kolonialmacht, vorgefundene Umstände, umsichtiges Vorgehen der Akteure usw. An besonderen Grausamkeiten stechen neben dem Hereroaufstand u.a. der Burenkrieg, die Ausbeutung des Kongo durch Belgien (darüber gibt es hier schon etwas zu lesen) und die spätkolonialen Kriege Frankreichs in Algerien und Vietnam hervor.
Man sollte sich zudem bemühen, wenn mir diese Empfehlung gestattet sei, die Kolonialpolitik im Lichte ihrer Zeit zu betrachten, bevor man sie bewertet. Neben den Hauptinteressen der wirtschaftlichen Ausbeutung und der Erweiterung der eigenen globalen Machtbasis spielten durchaus auch humanitäre Beweggründe eine Rolle, auch wenn diese fast immer auf ein Sendungsbewußtsein aufbauten.
Wirtschaftlich gesehen waren die Kolonien seit Ende des 19. Jahrhunderts für die Mutterländer, wie man sie damals nannte, bis auf wenige Ausnahmen ein Zuschußgeschäft (eine der wenigen Ausnahmen war meines Wissens nach Deutsch Süd-Westafrika), lukrativ war das Ganze nur für die diversen europäischen Konzerne, z.B. Bergbaugesellschaften.
 
Ja, der Satz war in der Tat schwach und deshalb habe ich mir erlaubt, die Warnung davor gleich mit auf den Weg zu geben; aber ich wollte (und konnte) an dieser Stelle nicht ausführlich auf den besonderen "Stil" der einzelnen Kolonialmächte eingehen, daher habe ich versucht, mit diesem Pauschalurteil einer dezidierten Betrachtung vorzugreifen. Ich bitte um Nachsicht!

In jedem Falle wäre hier doch ein Ansatzpunkt zur Vertiefung des Themas, ich selbst kenne bei weitem nicht das gesamte Spektrum des Imperialismus und stehe neuen Informationen offen gegenüber.
 
Ich denke, Eusebius ging es wohl vor allem darum, einmal differenziert über Europas Hinterlassenschaft in Afrika zu diskutieren, denn das waren ja nicht nur Kongogreuel und Hererokriege, Cecil Rhodes oder Carl Peters. Grundsätzlich ging man Ende des 19. Jahrhunderts allgemein von den positiven Errungenschaften der europäischen Zivilisation aus und war von einem starken Sendungsbewußtsein durchdrungen. Theoretisch war in der Ideologie der Imperialisten die Machtnahme auch an gewisse zivilisatorische Anforderungen der Kolonisatoren gebunden. Etwa so, wie Kiplings Ausspruch, wenn er von "the white man´s burden" sprach. Ein bedeutendes Argument in diesem Zusammenhang war die Bekämpfung der Sklaverei. In ihren Konzeptionen unterschieden sich Briten, Franzosen und Deutsche durchaus.
Die Franzosen verfolgten das Konzept, die Eingeborenen zu französischen Citoyens zu machen. Kammerabgeordnete aus dem Senegal verwiesen darauf, daß sie früher Franzosen waren, als die Einwohner Nizzas.
Die Briten hatten eine weniger romantische Vorstellung, ihre Konzeption war stärker kommerziell orientiert. Die Kolonien sollten sich selbst finanzieren. Die Briten waren daher bereit, ihren Kolonien mehr Autonomie zu erlauben, überließen ihnen dafür aber auch die Kosten für die Administration. Insgesamt nahmen die Briten durchaus Rücksicht auf einheimische Bräuche und Traditionen, solange sie nicht die Sicherheit des Handels gefährdeten. Diese Rücksichtnahme beinhaltete eine gewisse Arroganz. Einen "native" zu einem britischen "gentleman" zu machen, erschien ihnen absurd. Die deutschen Kolonien sollten zunächst von Privatgesellschaften verwaltet werden, ohne öffentliche Gelder zu verbrauchen. Das vernünftigste, was die Deutschen taten, war, Kisuaheli als Amtssprache einzuführen und 1907 jedermann zu erlauben, Grundbesitz zu erwerben. Eine gewisse Sonderstellung nahm der Kongofreistaat ein, der bis er 1908 belgische Kolonie wurde, im Grunde eine Privatdomäne Leopold II. war. Während zu dieser Zeit die meisten europäischen Kolonien bereits Zuschußunternehmen waren, in die das Mutterland investierte, sollte der Freistaat ausgebeutet werden zugunsten des Mutterlandes. Für den Gummianbau ließ man dort Fronarbeit einführen und drakonische Strafen verhängen. Nominell wurde natürlich im Kongofreistaat die Sklaverei abgeschafft, doch erlaubte man alten Sklavenhändlern wie Tibbu Tib sich dafür dem Elfenbeinhandel zu widmen, was ebenfalls Mord und Totschlag zur Folge hatte. Über die Kongogreuel hatten wir aber schon einmal einen eigenen Thread.
Die portugiesische Kolonisation war bei ihrer Christianisierungspolitik erstaunlich wenig rassistisch, wenn ein Schwarzer zum Christentum übertrat, machte man Mischehen keine Schwierigkeiten. Was die Europäer allerdings gemeinsam hatten, war der ziemlich exzessive Gebrauch der Prügelstrafe und die Bereitschaft, Widerstand mit harten Bandagen niederzuschlagen.
 
Ich möchte an dieser Stelle keinesfalls die tatsächlich vorgekommenen Untaten der europäischen und insbesondere deutschen Kolonialgeschichte beschönigen, doch litt gerade das Bild der Deutschen als Kolonialherren lange sehr an den Folgen des Ersten Weltkrieges.

lieber Eusebius,

da du neu hier bist, ist dir möglicherweise entgangen, daß alle von dir angesprochenen Fragen und-oder Mutmaßungen hinsichtlich der Einschätzung kolonialer Verhaltensweisen mit dt. Beteiligung hier im Forum schon einen schönen Aktenberg an Beiträgen angehäuft haben.
Bitte ließ dich mal quer durch die verschiedenen Links und entnehme freundlicherweise diesem Substrat noch ungeklärte Fragen, so denn diese auftauchen .

Schon mal vorweg : das Bild der dt. Kolonialherren litt in der Vergangenheit vorallem an apologetischer Verklärung und Verschleierung, die hist. Aufarbeitung nach seriösen Quellen hat erst neuerdings eingesetzt....:)

http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=2563

http://www.zeitenblicke.de/2004/01/speitkamp/index.html#headline_4

http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=3985

http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=10557
 
Zuletzt bearbeitet:
Da möchte ich keine Antwort schuldig bleiben:

Erstmal meinen Dank an Scorpio für die dezidierte Stellungnahme. Was mich jedoch am stärksten an der europäischen Kolonialgeschichte fasziniert, ist das, was ich einmal vorsichtig mit "kolonialer Stil" umreißen möchte. Vielleicht kann man sich darüber bei Gelegenheit mal ausstauschen.

Dann meinen Dank an Arcimboldo für den wohlgemeinten Hinweis. Zwar ist mir die wahrlich beeindruckende Datensammlung zum Thema nicht völlig entgangen, aber ich habe sie auch noch nicht vollständug gesichtet. Ich wollte mich durch meinen Beitrag auch keinesfalls über die bisherigen Leistungen erheben, sondern mich lediglich mit meiner Ansicht in die Diskussion einbringen. Selbstredend werde ich die von Dir empfohlenen Verbindungen bei nächster Gelegenheit nachlesen.
 
Was die Europäer allerdings gemeinsam hatten, war der ziemlich exzessive Gebrauch der Prügelstrafe und die Bereitschaft, Widerstand mit harten Bandagen niederzuschlagen.
Zu ersterem: Das auf koloniale "Gepflogenheiten" zu beschränken, ist etwas zu eng gefasst. Zur betreffenden Zeit war die Prügelstrafe auch in den europäischen "Mutterländern" durchaus üblich. Ich verweise hier nur auf den Rohrstock in den Schulen, der ja erst viel später abgeschafft wurde. Übrigens - aber das hier nur nebenbei: Die Prügelstrafe an Schulen wurde in der DDR soweit ich weiß 1949 verboten, in der BRD erst 1973 und in Bayern (!) sogar erst 1980. (btw.: Hab grad nochmal nachgegoogelt, die Daten sollten stimmen) Also - die Aussage mag zwar an sich stimmen, ist aber so in den zusammengestellt irreführend.
Zu zweiterem: Dabei verweise ich auf jeden beliebigen Aufstand in jedem nichtkolonialen Land zu beliebiger historischer (oder moderner) Zeit. JEDE herrschende Fraktion wird JEDEN Aufstand mit ALLEN ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterdrücken versuchen. Selbst das Ende der DDR ist so zu sehen, nur standen da eben nicht mehr die Mittel zur Verfügung, die zu einer Niederschlagung hätten führen können. Damit auch hier: Die Aussage als solche ist zwar sicher richtig, in diesem speziellen Kontext aber wieder nicht wirklich weiterbringend ...

Bye

Suedwester
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Das mag sein, Südwester@

Ich dachte in diesem Zusammenhang auch gar nicht so sehr an die Deutschen, sondern an Zustände in Kenia bei den von Tanja Blixen mit so viel Liebe beschriebenen Kikuyu. Diese durften dort kein Land besitzen und selbst keinen Kaffee pflanzen, da sie nach Meinung der weißen Pflanzer zu primitiv waren. Zur Prügelstrafe ist in diesem Zusammenhang zu sagen, daß Winston Churchill als Beobachter entsetzt war, und er vorhatte, das Unterhaus von diesen Zuständen zu unterrichten.

Zur Prügelstrafe im Schulbetrieb ist diese, nach meinen Informationen in Bayern 1970 und in Baden Württemberg 1976 beseitigt worden. In Großbritannien ist sie 1986 an öffentlichen und vier Jahre später an privaten Schulen abgeschafft worden. 1996 klagte allerdings eine Liverpooler Privatschule dagegen. In den USA existiert sie heute noch in 28 Staaten. Vor allem im Süden und entlang des "bible belts" im Mittleren Westen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich darf an dieser Stelle an meinen letzten Beitrag anknüpfen:

Was mich am stärksten am Kolonialzeitalter (spätes 19., frühes 20. Jahrhundert) fasziniert, ist die Faszination selbst. Ich wage zu behaupten, daß unsere Vorfahren insbesondere Afrika parzelliert haben, weil es dem Zeitgeschmack entsprach und jeder (ausgenommen die Afrikaner) Freude daran hatte. Ob sich das rechnen würde und ob das langfristig vernünftig wäre, danach hat niemand gefragt. Was für eine Zeit! Die Träume von der Weltmacht, ein heeres Sendungsbewußtsein, Bücher über die Überlegenheit der Seemacht, Flotten als Statussymbol, Geltungsdrang und Mode haben Afrika kolonisiert. Man war einfach "kolonial" so wie man heute demokratisch ist, natürlich mit mehr Pathos.

Nun ja, vielleicht übertreibe ich ein klein wenig...
 
Man war einfach "kolonial" so wie man heute demokratisch ist, natürlich mit mehr Pathos.

Nein, ..nicht "man" !... interessierte Kreise aus der Wirtschaft, die Absatzmärkte suchten, Militär, welches Stützpunkte suchte.....der einfache Mann ( man ) und nicht wenig Politiker incl. Bismarck haben das Abenteuer mit seinem Zuschußbetrieb erkannt. Schade , daß du weiterhin die einschlägigen Beiträge hier im Forum , die ich dir verlinkt habe ignorierst, :hmpf: sonst würde dir dein Vergleich "kolonial-wie heute demokratisch " in den Fingern steckenbleiben !
 
Kolonial und demokratisch?

So, nach einer recht gediegenen Weihnachtspause möchte ich mich wieder zu Wort melden!

Wo waren wir? Richtig, Kolonialismus als Modeerscheinung!
Aber zunächst etwas anders: Selbstverständlich habe ich mir hier die einschlägigen Beiträge angesehen, bevor ich mich geäußert habe, ebenso die empfohlenen Links, die ich allerdings nicht sehr ergiebig fand. Was die Beiträge angeht, so liegt es wohl in der Natur eines Forums, daß es sich dabei um Meinungen handelt, die an dieser Stelle ausgetauscht werden können, daher fällt es mir selbst nach der Lektüre eines kompletten Themas schwer, aus der detallierten Vielfalt eine allgemeingültige Aussage zu formulieren - aber wie gesagt: Darum kann es hier kaum gehen! Andererseits darf man nicht die Fakten, die zur Dikussion stehen, ohne gewichtige Gründe beiseite schieben.
Dabei möchte ich noch erwähnen, daß ich meine Beiträge hier immer nur als Meinung verstanden wissen möchte, ich bin eben nur Hobbyhistoriker.

Nun aber zurück zu Thema: Ich denke, daß ich bei meiner Meinung bleibe, daß der Imperialismus des späten 19. Jhdt.'s zu einem großen Teil durch bloßen Enthusiasmus getragen wurde, er gehörte zum Selbstbild des modernen Staates. Vielleicht war mein Vergleich "demokratisch - kolonial" nicht ganz passend, man könnte speziell den deutschen Koloniaslismus mit dem Wirken des Admirals v. Tirpitz und seines Flottenvereines vergleichen: Obwohl nur eine relativ kleine Menge von Marineoffizieren und interessierten Kräften vorhanden war, gelang es dieser durch ihre ungeheure Umtriebigkeit, die deutsche Öffentlichkeit in entscheidenden Teilen für den Bau einer Kriegsflotte zu gewinnen, für deren enorme Größe keine rationaler Grund bestand. Trotzdem war die Flotte als wichtiger Ausdruck deutschen Seins im Bewußtsein der Nation verankert, so daß unsere Urgroßväter als Kinder Sonntags in Matrosenanzügen herumliefen. Dieses Phänomen, so möchte ich behaupten, kann man auch beim Imperialismus beobachten.
Wenn ich es recht bedenke (allerdings ist das eine reine Hypothese, die ich nicht belegen kann), dann kam allerdings die reale Kolonisation vor der Mode, d.h. die deutschen Kolonien waren bereits besetzt und dann kam es erst zum Aufschwung des Imperialismus als allgemeine Mode oder als Teil des Breitenbewußtseins.

Was übrigens Bismarcks Weitsicht, die Interessen Einzelner und den tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg der Kolonien angeht, so stimme ich Dir zu und ich habe dies auch nicht in Frage gestellt.
 
Wir reden hier, wenn wir von deutscher Kolonialpolitik reden, von einem sehr engen Zeitraum. Der neuzeitliche europäische Kolonialismus bezeichnet eine Phase, die bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht.

Ich kann nur immer wieder Thomas Pakenham: The Scramble for Africa empfehlen. Darin wird sehr ausführlich dargelegt, wie aus einer "Kolonialskepsis" in Europa um 1850 ein Wettrennen um das ansehnlichste Kolonialreich ausbrach.

Dass die Menschen stets von fernen Ländern fasziniert waren, ist klar. Dass Kaufleute dort Handel trieben und Entdecker und Forscher mit unglaublichen Berichten zurückkamen. Aber der Schritt zur Landnahme und zur Durchführung eines nahezu oympisch anmutenden Wettlaufs der Nationen bei der Kartierung, Erforschung und Zivilisierung Afrikas, das war doch eine neue Stufe. Es wurde das Zeitalter des Imperialismus.

Die nationale Presse Europas stachelte mit ihren Meldungen den Wettkampf weiter an: bei den Niederlagen der Briten im Sudan, gegen die Buren oder die Zulus, wurde London zum Gespött Europas. Jeder Fortschritt, jede gelungene Expedition wurde gefeiert und den europäischen Nachbarn unter die Nase gerieben. Und als in Deutsch-Südwest das "Haus in Unordnung" zu geraten schien, setzte der Kaiser alles daran (= v. Trotha), dass wieder Ruhe herrschte. Rational gesehen hätte man Deutsch-Südwest auch einfach evakuieren können. Aber der Gesichtsverlust, der "Imageschaden" wäre einfach immens gewesen, daher ein undenkbares Ding. Die Regierungen Europas, ehe sie es merkten, waren "verdammt" dazu, kolonial zu sein. Und sie hatten (bis auf Bismarck, der das Spiel zur Perfektion trieb) Müh und Not, über die Afrikapolitik nicht in den Weltkrieg zu schliddern.
 
Zurück
Oben