Reihenfolge des Adels - Wer steht über wem?

Nur so als kleiner Hinweis, in der Forschung wird kaum noch von Reichskirchensystem gesprochen. Die Gründe dafür sind bequem der Literatur zu entnehmen ;)


Das stimmt so nicht ganz! Korrekterweise müsste man sagen, dass der Begriff "Reichskirchensystem" lediglich umstritten ist und viele (auch moderne) Historiker nach wie vor daran festhalten. Bei der Kontroverse geht vor allem um die Bezeichnung "System", die wohl in der Tat bezogen auf das ottonisch-salische Reich etwas missverständlich ist.

So lange es aber keine treffendere Bezeichnung für dieses historische Phänomen gibt, und jeder weiß, was gemeint ist, hat das "Reichskirchensystem" seine Berechtigung.
 
Herzöge
Herzöge standen im mittelalterlichen Deutschen Reich zunächst den fünf Stämmen vor, weshalb man sie auch als "Stammesherzöge" bezeichnet. Dazu zählten Sachsen, Bayern, Schwaben, Franken und Lothringen. Diese Stammesherzöge standen gleich unter dem König und waren neben ihm die wichtigsten Träger der Herrschergewalt. Im 12. Jh. lösten sich diese Stammesherzogtümer jedoch auf und es entstanden zahlreiche kleinere Herrschaftsgebiete. In ihnen gelangten Fürsten zur Macht, die konkurrierende Adelsfamillien verdrängt oder unterworfen hatten. Das konnten weltliche Fürsten wie Grafen oder Herzöge sein, aber auch geistliche Fürsten wie Bischöfe oder Äbte. Einige Herzöge behielten dennoch einen hohen Rang wie z.B. die von Bayern, Braunschweig-Lüneburg, Sachsen, Lothringen oder Württemberg.

Im Gegensatz zu den "älteren Stammesherzogtümern", die durch die Schwäche der merowingischen Königen entstanden und schließlich von den Karolingern zerstört worden waren, sind mittlerweile die "jüngeren Stammesherzogtümer" widerlegt worden, welche angeblich in Anlehnung auf die "älteren" entstanden sein sollten.

Diese Bezeichnung entstand aus der Meinung des 19. Jh. in dem sich neu formierenden kleindeutschen Fürstenbund, dass sich das Volk ein Reich geschaffen habe. Das "jüngere Stammesherzogtum" war ein reines Konstrukt der Forschung.

Die einzige Konstante in der Bildung der (Amts-)Herzogtümer, die eindeutig politische Strukturen waren und nicht auf der Kontinuität der "Stämme" (was man in der Forschung, sowohl in Beziehung auf die germanischen "Gentes" als auch auf die Bevölkerung der Herzogtümer überhaupt nicht mehr gerne benutzt) beruhten, war der Name, der in römisch-fränkischer Weise weiterbenutzt wurde.
 
Im Gegensatz zu den "älteren Stammesherzogtümern", die durch die Schwäche der merowingischen Königen entstanden und schließlich von den Karolingern zerstört worden waren, sind mittlerweile die "jüngeren Stammesherzogtümer" widerlegt worden, welche angeblich in Anlehnung auf die "älteren" entstanden sein sollten. Diese Bezeichnung entstand aus der Meinung des 19. Jh. in dem sich neu formierenden kleindeutschen Fürstenbund, dass sich das Volk ein Reich geschaffen habe. Das "jüngere Stammesherzogtum" war ein reines Konstrukt der Forschung.


Ich wollte auf eine sehr schlicht gestellte Frage am Anfang des Threads eine einfache und verständliche Antwort geben. Wenn ich eine detaillierte Analyse zur Entwicklung des Stammesherzogtums hätte geben wollen, wäre meine Antwort anders ausgefallen. Somit habe ich Begriffe wie "jüngeres Stammesherzogtum" oder "Amtsherzogtum" bewusst vermieden. Ich bitte, bei solchen eher summarischen Zusammenfassungen doch stets den Fragenden und die Ausgangssituation zu berücksichtigen!

Natürlich ist es unumstritten, dass in merowingisch-karolingischer Zeit die stammesmäßige Bindung die Grundlage für Form und Inhalt der Herzogsherrschaft gegeben hat. Diese war von den fränkischen Königen systematisch zurückgedrängt und erheblich reduziert worden, sodass die Herrschaft der älteren Stammesherzöge im 9. Jh. zu einer Amtsfunktion karolingischer Präfekten geworden war. Sie stand jedoch weiterhin in enger Beziehung zu den wichtigen Geschlechtern der Stämme.

Aus diesen gingen im um die Wende zum 10. Jh. Dynastien hervor, welche sich an die Spitze der Stämme setzten, von diesen anerkannt wurden und somit in der Lage waren, in Gerichtsbarkeit, Heerbann, Landfriedenssicherung und Ausübung der Kirchenherrschaft eine königsgleiche Stellung über die Stämme zu errichten.

Man nennt diese Herrschaft, die das frühe 10. Jh. prägte, das "jüngere Stammesherzogtum", eine Bezeichnung, die noch immer von der Mehrheit der Historiker favorisiert wird. Doch sollte man hier nicht am Begriff kleben, sondern die Inhalte der qualitativ veränderten Herzogsherrschaft betrachten. Sie realisierte sich vor allem in Bayern (Luitpoldinger), in Schwaben (Burkhardinger) und in Sachsen unter den Liudolfingern.

Im weit gespannten fränkischen Stammesgebiet kam es hingegen nicht zur Konsolidierung einer Herzogsherrschaft. Hier wie im Raum Thüringen-Hessen machten die sächsischen Herzöge ihren Einfluss geltend. Da sie seit Heinrich I. das Königshaus repräsentierten, kam das fränkische Stammesgebeit in besonders engen Kontakt zum Königtum und zum Reich, was die herrschaftliche Auflösung des fränkischen Stammesgebiets förderte. Die Landgrafschaften Hessen und Thüringen sind unter anderem ein Ergebnis dieser Entwicklung.

Seit der Königsherrschaft der Liudolfinger wandelte sich die Form der Herzogsherrschaft. Die Auseinandersetzung zwischen den Herzögen und den ottonischen Königen führte zur Einbindung der Herzogtümer in das Reich. Die Bindung der Herzogsherrschaft an das Stammesgefüge wurde zunehmend lockerer und es verstärkte sich der Amtscharakter des Herzogtums.

Am Ende dieser Entwicklung im 12. Jh. standen schließlich so genannte "Gebietsherzogtümer". Sie basierten nicht mehr auf dem Stamm, sondern fassten Eigengutkomplexe, Grafenrechte und Vogteien zusammen, was den Beginn der Territorialisierung charakterisiert. Entscheidend für die neue Herzogsherrschaft war der Ausbau der Ämterorganisation für die Gerichtsbarkeit und für die Regalienverwaltung: das neue Dienstrecht (Amt) führte die aus der Ministerialität kommenden Angehörigen in ein besonderes Beziehungssystem zu den Inhabern der Herzogsherrschaft.
 
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Ich wollte auf eine sehr schlicht gestellte Frage am Anfang des Threads eine einfache und verständliche Antwort geben.
Und ich konnte die falsche Behauptung nicht stehen lassen.


Diese war von den fränkischen Königen systematisch zurückgedrängt und erheblich reduziert worden, sodass die Herrschaft der älteren Stammesherzöge im 9. Jh. zu einer Amtsfunktion karolingischer Präfekten geworden war.
Du siehst also beim Beispiel von Schwaben eine Kontinuität vom agilolfingischen Herzogtum (um Cannstatt) zu den für Karl den Dicken und Karl III. geschaffenen regnum Alamannia, das auch Rätien, Teile Burgunds und das Elsaß beeinhaltete?

Vielmehr gab es in Schwaben keine bodenständige Institution zwischen dem Königstum und den Grafen.
Nach dem älteren Stammesherzogtum sind auch in Bayern nur noch für die erstren 3 Jahrzehnte Statthalter bekannt, danach war es Königsland.


Aus diesen gingen im um die Wende zum 10. Jh. Dynastien hervor, welche sich an die Spitze der Stämme setzten, von diesen anerkannt wurden... Ausübung der Kirchenherrschaft...
Die Ethnogenese des Adels vollzog sich erst zu dieser Zeit in den politischen Grenzen. Deswegen wird der Begriff Stamm auch nicht mehr gebraucht, da er eine Kontinuität, am besten noch seit der Völkerwanderungszeit, ausdrückt.

Die Ausübung der Kirchenherrschaft konnte allerdings nur Arnulf der Böse erringen, eindeutig im Gegensatz zu Burchard I..


Man nennt diese Herrschaft, die das frühe 10. Jh. prägte, das "jüngere Stammesherzogtum", eine Bezeichnung, die noch immer von der Mehrheit der Historiker favorisiert wird.
Wirklich? Da bin ich dann mal gespannt. Nenne mir doch einmal die Historiker, die immernoch daran festhalten.

Hans-Werner Goetz hat diese Ansicht bereits vor 30 Jahren zerschnitten ("Dux" und "Ducatus". Begriffs. und verfassungsgeschichtliche Untersuchung zur Entstehung des sogenannten "jüngeren" Stammesherzogtums an der Wende vom neunten zum zehnten Jahrhundert (Bochum 1977)).

Zumindest wird das von mehreren Historikern so gesehen.

Z.B.:
Schneidmüller, Bernd: Völker - Stämme - Herzogtümer? Von der Vielfalt der Ethnogenesen im ostfränkischen Reich[FONT=&quot], in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 108, 2000, S. 31-47.[/FONT]


Doch sollte man hier nicht am Begriff kleben, sondern die Inhalte der qualitativ veränderten Herzogsherrschaft betrachten. Sie realisierte sich vor allem in Bayern (Luitpoldinger), in Schwaben (Burkhardinger) und in Sachsen unter den Liudolfingern.
Naja, nenn mir doch mal die Herzöge in Schwaben vor den Burkhardingern. Da gab es keine. Vor den Herzögen hatte z.B. Bischof Salomo III. von Konstanz am meisten zu sagen.

Außerdem darf man nicht den Fehler machen und dux gleich Herzog stellen, da dux im 9. Jahrhundert verschiedene Bedeutungen hatte, wie Vorsteher von Grenzgebieten mit hauptsächlich militärischen Aufgaben oder eben Amtsherzöge als Vorsteher von Gebieten innerhalb des fränkischen Reiches.


Siehe auch:
Stingl, Herfried: Die Entstehung der deutschen Stammesherzogtümer am Anfang des 10. Jahrhunderts (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte. Neue Folgen Band 19), Aalen 1974, S. 53-64.
 
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Du erhebst leider nur bruchstückhafte Einwände gegen meine Darstellung, die sich für mich zu keinem Ganzen fügen und deren Richtung mir verborgen bleibt.

Vielleicht schilderst du einmal die Entwicklung des Stammesherzogtums aus deiner Sicht und erläuterst Übereinstimmungen und Unterschiede. In deinem Post finde ich dazu leider keine oder zu wenig Ansatzpunkte.







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Die Landgrafschaften Hessen und Thüringen sind unter anderem ein Ergebnis dieser Entwicklung.

Mal als kleine Anmerkung: Die Landgrafschaft Hessen entstand eigentlich nur durch Aufteilung der Landgrafschaft Thüringen Mitte des 13. Jh. Dabei hatte der sogenannte "Landgraf" durchaus keine Landesherrschaft, sondern diente nur als Mittler zwischen König und Adel. Die allseits bekannten Grafenkriege im 14. Jh. sind ein guter Beweis dafür, daß sich die Landgrafen in Thüringen bis dahin nicht durchsetzen konnten. Zeitweise waren sogar einige Grafen territorial stärker besetzt als die Landgrafen selbst.
Zur Herausbildung von Herzogtümern kam es in Thüringen erst im 15. Jh.
 
Vielleicht schilderst du einmal die Entwicklung des Stammesherzogtums aus deiner Sicht und erläuterst Übereinstimmungen und Unterschiede. In deinem Post finde ich dazu leider keine oder zu wenig Ansatzpunkte.

Erstens kann ich keine Entwicklung DER Stammesherzogtümer schildern, da man jedes Herzogtum einzeln betrachten muß. Zweitens bin ich erstmal nur auf Grundsätzliche Dinge eingegangen, aus welchem Grund ich auch die von mir kürzlich gelesene Literatur angegeben habe, die eben das "jüngere" Stammesherzogtum ausschließen.
Mich würden wirklich neuere Aufsätze oder Monographien interessiern, in denen die Theorie der "jüngeren" Stammesherzogtümer vertreten werden. Immerhin hast du geschrieben, dass die meisten Historiker diese Theorie vertreten.


Zur Widerlegung der Theorie der Stammesherzogtümer muß man wie gesagt die einzelnen Herzogtümer betrachten und kann sie nicht wie früher über eine Kamm scheren, also gehe ich jetzt mal auf das "Stammesherzogtum" der Burchardiner ein:

Wir sind wohl beide der Meinung, dass wenn es ein Stammesherzogtum in Schwaben gab, es zur Zeit Hermann I. und Liudolfs zumindest ausgesetzt war und spätestens mit dem Tode Hadwigs 994 geendet hat, nachdem Otto III. direkt auf ihr Erbe zugegriffen hatte (also Fiskus Bodman mit dem Hohentwiel und die Schutzschirmschaft über St. Gallen und die Reichenau; Breisach war an ihren Bruder Heinrich den Zänker gegangen).

Widukind und die anderen Quellen zeigen uns allerdings deutlich wie das Verhältnis von Burchard I. zu Heinrich I. gestellt war:
Er mußte nach Hessen ziehen und unterwarf sich dort mit all seinen Leuten (also Vasallen) und Burgen. Er bekam im Gegensatz zu Arnulf keinen Freundschaftsvertrag, hatte kein Reich und bekam auch keine Kirchenherrschaft. Er war also spätestens 919 kein Stammesherzog mehr, sondern eindeutig ein Amtsherzog.

Für das Stammesherzogtum der Schwaben käme also maximal die Zeit von 915, nach dem Sieg von Wahlwies wird nach den Alamannischen Annalen Erchanger zum dux erhoben, und eben 919 in Frage.

Erchanger wird von den Besiegten und Siegern der Schlacht bei Wahlwies, das zum Fiskus der Pfalz Bodman gehörte, zum dux erhoben. Das Bündnis von Burchard dem Jüngeren (der spätere Herzog) und Erchanger hat also die Königspartei um Bischof Salomon III. von Konstanz besiegt und erklären jetzt Erchanger zum "dux". Auch Hermann von Reichenau berichtet 150 Jahre später, dass nachdem "der Herzog Burchard auf seinem Landtag bei einem Aufruhr erschlagen" wurde, "an seiner Stelle Erchanger das Herzogtum an sich riß". Diese beiden Stellen waren also die einzigen "Belege" für die Macht der "jüngeren" Stammesherzöge.
Allerdings wird Burchard in den zeitgenössischen Quellen der Geschichtsschreiber nie dux genannt. Die einzige Quelle wäre eine Urkunde, allerdings ohne den Zusatz wovon. Allerdings war auch schon sein Vater der dux von Rätien, also der Führer der Markgrafschaft Rätien, die zu diesem Zeitpunkt nur eine Grafschaft umfasste.
Auch Erchanger wird in keiner anderen Quelle, selbst als er zum Tode verurteilt wurde, nicht mehr dux genannt. Außerdem muß man davon ausgehen, dass Burchard sich bereits nach Wahlwies aus dem Bündnis gelöst hatte. Erchanger war also auch nur der militärische Führer bei Wahlwies. Von einem Stammesherzogtum kann bei ihm also auch nicht die Rede sein.

Auch die geographische Lage zeigt eindeutig, dass es sich beim Herzogtum Schwaben nicht um ein "Stammesherzogtum" handelte. Es bestand aus Teilen Burgunds, Alamannien/Schwaben und Rätien, zeitweise kam auch noch das Elsaß hinzu. Auch die Grenzen waren den politischen Ereignissen unterworfen, wie z. B. nach dem Sieg bei Winterthur (also dem Gewinn von Zürich) und der Schenkung Basels an Rudolf II. von Hochburgund. Wo ist hier also die Kontinuität des alamannischen "Stammes"? Vielmehr wurde sich auf das durch die Karolinger erschaffene regnum Alamannia bezogen.

Genauso schließen die Wirkungsgebiete der Burchardinger ein Stammesherzogtum aus. Die einzigen Vororte waren die vom König verliehenen Lehen, also das Fiskus Bodman, die Reichsabteien und ihre eigenen Grafschaften. Obwohl sie als Amtsherzöge dem restlichen Land vorgestellt waren, hatten sie trotzdem nur die wirkliche Herrschaft über einen Teil des Landes in der Hand. Die restlichen Gebiete wurden wie überall von den Grafen oder Bischöfen verwaltet, die allerdings vor allem erst einmal dem König unterstellt waren.
 
Mal als kleine Anmerkung: Die Landgrafschaft Hessen entstand eigentlich nur durch Aufteilung der Landgrafschaft Thüringen Mitte des 13. Jh. Dabei hatte der sogenannte "Landgraf" durchaus keine Landesherrschaft, sondern diente nur als Mittler zwischen König und Adel.


Meine Darstellung ist oben natürlich verkürzt. In Beitrag Nr. 3 schrieb ich etwas ausführlicher:


"Landgraf" war seit dem 12. Jh. der Titel für die Vertreter königlicher Rechte in Gebieten, in denen dem König die herzogliche Gewalt selbst zustand wie in Thüringen oder sie zugunsten des Reichs eingeschränkt war wie im Elsass. In diesen Gebieten war der Landgraf ursprünglich vom König mit der hohen Gerichtsbarkeit belehnt und "Vorsitzender Richter" des Landgerichts (daher der Name). Seit dem 13. Jh. entwickelten sich aus solchen Gebieten Landgrafschaften. Neben der wichtigsten Landgrafschaft Thüringen entstanden unter anderem Landgrafschaften in Hessen, im Herzogtum Schwaben und auf dem Gebiet der späteren Schweiz.


Die Landgrafschaft Hessen, die durch Abspaltung aus der Landgrafschaft Thüringen hervorging, erreichte 1292 die Erhebung in den Reichsfürstenstand. Damit war sie unzweifelhaft ein Reichsfürstentum und der Landgraf selbstverständlich Landesherr und herzogsgleich.

Dass die Territorialisierung der Landgrafschaft Hessen damit längst nicht vollendet war, versteht sich von selbst. Auch in anderen Teilen des Reichs unterwarf sich der Adel nicht immer kampflos der Lehnshoheit reichsfürstlicher Dynastien. Daher ist die hessische Grafenfehde auch kein Indiz für fehlende Landesherrlichkeit, sondern lediglich ein Zeichen dafür, dass deren Ausbau nicht ohne Gegenwehr erfolgte.
 
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@ Witege

Du hast vielleicht überlesen, was ich in diesem Zusammenhang geschrieben habe:


Seit der Königsherrschaft der Liudolfinger wandelte sich die Form der Herzogsherrschaft. Die Auseinandersetzung zwischen den Herzögen und den ottonischen Königen führte zur Einbindung der Herzogtümer in das Reich. Die Bindung der Herzogsherrschaft an das Stammesgefüge wurde zunehmend lockerer und es verstärkte sich der Amtscharakter des Herzogtums.
Das bedeutet, dass sich seit Heinrich I. und verstärkt seit Otto I. ein Wandel vollzog, mit dem der Charakter der alten Stammesherzogtümer verschwand. Insofern sehe ich hier keinen Unterschied zwischen unserer Auffassung und halte es für Haarspalterei, darüber zu streiten, wie man diese im Fluss befindliche Entwicklung nun benennt.

In Schwaben bedeutete der Cannstätter Gerichtstag 746 das Ende des älteren Stammesherzogtums. In den neuen Grafschaften vermischte sich der fränkische Adel, der eingewandert war, mit den alteingesessenen Adelsfamilien. Damit entstand eine neue Führungsschicht, von der u.a. die Bertholde oder Alaholfinger Bedeutung erlangten. 917 übernahm der Hunfridinger Burchard d. J. die Führung des Gesamtstammes, womit er das jüngere schwäbische Herzogtum begründete.


Ob wir dieses Gebilde nun (jüngeres) Stammesherzogtum oder jüngeres Herzogtum nennen wollen, sei dahingestellt. Es weist zu Beginn noch starke Züge davon auf, die sich freilich in den folgenden Jahrzehnten rasch verlieren. Ich hänge somit nicht an diesem Begriff und halte eine Kontroverse darum für Beckmesserei.
:motz:

Viel interessanter wäre es, sich darüber zu unterhalten, wie sich derartige Herzogtümer zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert in ihren Strukturen wandelten.
 
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917 übernahm der Hunfridinger Burchard d. J. die Führung des Gesamtstammes, womit er das jüngere schwäbische Herzogtum begründete.
Das ist eben falsch. Er hatte nur die Kontrolle über einen Teil Schwabens inne und nicht die Kontrolle über einen Gesamtstamm bzw. ein eigenes Reich. Erst durch Heinrich I. wurde er zum Herzog von Schwaben gemacht.


Viel interessanter wäre es, sich darüber zu unterhalten, wie sich derartige Herzogtümer zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert in ihren Strukturen wandelten.
Für den Bereich Schwaben/Elsaß ist es einfach. Die Macht der Agilolfinger und Etichonen, die allerdings nicht das gesamte spätere Herzogtum umfasste, wurde unter den Karolingern beseitigt und auf zahlreiche comes aufgeteilt. Außer dem politischen Gebilde des regnum Alamanniens, das sehr kurz bestand, gab es keine Gewalt zwischen dem König und den Grafen und auch keine Empfindung eines geeinigten "Stammes".


Die Diskusion, ob es diese "Stammesherzogtümer" gab ist nunmal ein wichtiger Teil der Forschung, auch wenn du es für unnötig hälst darüber zu diskutieren, ob sich vom "Stamm" ein eigenes Reich geschaffen wurde oder ob sich das Volksbewußtsein erst durch die politischen Grenzen unter den Herzögen entwickelt hat.
 
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Die Landgrafschaft Hessen, die durch Abspaltung aus der Landgrafschaft Thüringen hervorging, erreichte 1292 die Erhebung in den Reichsfürstenstand. Damit war sie unzweifelhaft ein Reichsfürstentum und der Landgraf selbstverständlich Landesherr und herzogsgleich.
Dass die Territorialisierung der Landgrafschaft Hessen damit längst nicht vollendet war, versteht sich von selbst. Auch in anderen Teilen des Reichs unterwarf sich der Adel nicht immer kampflos der Lehnshoheit reichsfürstlicher Dynastien. Daher ist die hessische Grafenfehde auch kein Indiz für fehlende Landesherrlichkeit, sondern lediglich ein Zeichen dafür, dass deren Ausbau nicht ohne Gegenwehr erfolgte.
Soweit stimme ich dir vollkommen zu. Allerdings war nicht von vorn herein klar, daß den Landgrafen grundsetzlich der Weg zum Landesherren vorbestimmt war. Die von dir 1292 erwähnte Erhebung in den Fürstenstand betraf ausschließlich die Gebiete, die die Ludowinger bei der Teilung in beide Landgrafschaften besaßen (+ die Gebiete, die die Landgrafen von Hessen bis dahin dazuerwerben konnten).
Sehr deutlich wird das auch in der Ausdehnung der Landgrafschaft Thüringen 1349/50, zu dem Zeitpunkt, als die Wettiner ihr erstes Lehnbuch verfassten. Hier sind nur die Orte der ehemals den Ludowingern gehörenden Hausgüter, sowie einige Gebietsgewinne aus den Grafenkriegen verzeichnet. Kurz zuvor stand es auf der Kippe, ob die Grafen von Schwarzburg/Orlamünde oder die Wettiner die Vormachtstellung in Thüringen erwarben. Nur durch eine Reihe von günstigen Umständen ließen die Wettiner in diesem Konflikt als Sieger hervorgehen.
 
Hab noch etwas gefunden, was m.M.n. einer Korrektur bedarf, und zwar aus:

Zitat: Dieter Zimmerling "Der Deutsche Ritterorden" - Knaur schrieb:
...Auch die Souveränität des Hochmeisters als Staatschef wird reduziert: Er hat dem König von Polen jedesmal für seine Person dem Treueid zu schwören und ihm Heeresfolge zu leisten. Damit wird zwar rechtlich kein Lehnsverhältnis begründet zwischen dem Ordensstaat und Polen, aber es hat eine ungeheure psychologische Wikrung auf die Untertanen...

Das kann man so nicht stehen lassen, denke ich. Natürlich war jeder Fürst, der einem König den Treueid leistete, dessen Vasall und der König der Lehensherr. Preußen war zwischen 1466 und 1660 - heute unbestritten - polnisches Lehen.

Im übrigen finde ich keine Stelle in den Zitaten, die eine formale Zugehörigkeit zum Reich ausschließen.
:grübel:

Zu der übrigen hier inzwischen gelaufenen Diskussion kann ich nur sagen, daß ich durchaus der Meinung zustimme, daß jedes Herzogtum gesondert betrachtet werden muß und daß es in jedem einzelnen Hzm. eine laufende Entwicklung gab, die die Stellung des Herzogs natürlich veränderte. So war z. B. das Hzm. Lothringen nie ein Stammesherzogtum, sondern ein rein künstliches Gebilde, d. h. es gab auch von Anfang an Gebiete im Reich, die nicht unter der Bezeichnung Stammesherzogtum laufen können.

Aber zu der Meinung:
Witege schrieb:
Auch die geographische Lage zeigt eindeutig, dass es sich beim Herzogtum Schwaben nicht um ein "Stammesherzogtum" handelte. Es bestand aus Teilen Burgunds, Alamannien/Schwaben und Rätien, zeitweise kam auch noch das Elsaß hinzu. Auch die Grenzen waren den politischen Ereignissen unterworfen, wie z. B. nach dem Sieg bei Winterthur (also dem Gewinn von Zürich) und der Schenkung Basels an Rudolf II. von Hochburgund.

Das ist aber genau das, was ich als Alamannien - später Schwaben - zusammenfassen würde.
Und übrigens - welche "Teile Burgunds" gehörten jemals zum Hzm. Schwaben?
:grübel:
 
Zuletzt bearbeitet:
Das kann man so nicht stehen lassen, denke ich. Natürlich war jeder Fürst, der einem König den Treueid leistete, dessen Vasall und der König der Lehensherr. Preußen war zwischen 1466 und 1660 - heute unbestritten - polnisches Lehen


Ganz so einfach ist das nicht, denn das Ergebnis des 2. Thorner Friedens von 1466 wird hinsichtlich einer polnischen Lehnsabhängigkeit des Deutschen Ordens unterschiedlich beurteilt. Der Grund liegt darin, dass sich der Hochmeister lediglich zur Huldigung für seine Person bereit fand, was einige Historiker nicht als Lehnsabhängigkeit interpretieren. So schreibt z.B. das rennomierte "Lexikon der deutschen Geschichte":

Der Hochmeister Ludwig von Erlichshausen und der polnische König Kasimir VI. einigten sich schließlich nach völliger Erschöpfung des Ordens auf eine Landesteilung im wesentlichen auf der Grundlage des damaligen tatsächlichen Besitzstandes. Danach musste der Orden ganz Pomerellen, das Kulmerland und das Ländchen Michelau an Polen abtreten, dazu das Ermland sowie die Gebiete von Marienburg, Elbing Christburg und Stuhm.
Der Hochmeister wurde für das verbliebene Land polnischer Fürst und leistete dem polnischen König einen persönlichen Eid, ohne indes dafür von Polen lehnsabhängig zu werden.


Auch das vielbändige und verlässliche "Lexikon des Mittelalters" aus dem Jahr 1999 bemerkt u.a. zum 2. Thorner Frieden:

Der verbleibende Ordensstaat im östlichen Preußen musste den polnischen König als Oberen anerkennen, was nachträglich als Lehnsabhängigkeit gedeutet wurde ...


Wie dem auch sei, die Nuancen scheinen winzig zu sein, obwohl ich mir vorstellen könnte, dass die Betroffenen seinerzeit auf solche Feinheiten sehr geachtet haben. De facto wird der Orden nach dem 2. Thorner Frieden kaum noch große Bewegungsfreiheit gehabt haben.

Gänzlich unbestritten ist die Lehnsabhängigkeit von Polen seit Albrecht von Brandenburg, der 1525 den Ordensstaat in ein von Polen lehnbares weltliches Herzogtum verwandelte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hmmm:
[/size schrieb:
]Der Hochmeister wurde für das verbliebene Land polnischer Fürst und leistete dem polnischen König einen persönlichen Eid, ohne indes dafür von Polen lehnsabhängig zu werden.

Na ja, aber widerspicht sich das nicht irgendwie? Die feudalistischen Staaten und deren Fürstentümer im Mittelalter definierten sich doch über Lehensbeziehungen.
:grübel:

Übrigens:
aus Historischer Atlas Deutschland (1997)[/SIZE schrieb:
]...der Hochmeister war gezwungen, seine Residenz mit Königsberg zu vertauschen. Im 2. Frieden von Thorn (1466) mußte der Orden Westpreußen mit Danzig, Thorn und Kuln sowie die Bistümer Kulm und Ermland (fortan "königliches Preußen") an Polen abzutreten. Den Rest von Ostpreußen durfte er als "herzogliches Preußen" unter polnischer Leheshoheit behalten.
Für mich eine klare Beschreibung des Status.
 
Zuletzt bearbeitet:
Für mich eine klare Beschreibung des Status.


Naja, wenn mehrere aktuelle historische Handbücher solche Einschränkungen machen, werden sich die dahinterstehenden Historiker wohl etwas gedacht haben. Gerade dieses Thema wurde ja stets sehr intensiv diskutiert, sodass man auf die Feinheiten achten muss.

Es scheint also so zu sein, dass es eine persönliche Huldigung des Hochmeisters gab, nicht jedoch eine offizielle Lehnsübertragung des Ordensstaates. Wenn es die nicht gegeben hat, hatte das wohl seine Gründe, die eben mit den oben erwähnten Feinheiten zu tun hatte.

Wie ich aber schon sagte: Die Bewegungsfreiheit des Ordens war in jedem Fall empfindlich eingeschränkt!
 
Es scheint also so zu sein, dass es eine persönliche Huldigung des Hochmeisters gab, nicht jedoch eine offizielle Lehnsübertragung des Ordensstaates. Wenn es die nicht gegeben hat, hatte das wohl seine Gründe, die eben mit den oben erwähnten Feinheiten zu tun hatte.

Wie ich aber schon sagte: Die Bewegungsfreiheit des Ordens war in jedem Fall empfindlich eingeschränkt!


Mehr noch, die Hochmeister waren ja verpflichtet, zusammen mit dem polnischen König und mit einem eigenen Truppenkontinget zu Felde zu ziehen, wenn dieser rief, obwohl ich auch gelesen habe, daß diese mehrfach ihrer Pflicht nicht nachkamen.
;)
 
Im Übrigen bin ich der Ansicht, daß diese Diskussion mit dem Eingangsthema:
darchr schrieb:
könntet ihr mir vielleicht mal Grundlegendes zu den "Titeln" und den Monarchen im Mittelalter erklären?
schon zu speziell geworden ist. Mein Vorschlag wäre daher, daß ein Moderator diesen Pfad von Beitrag 62-71 abtrennt und einen neuen Pfad schafft, mit der Überschrift: Stammesherzogtümer kontra Territorialfürstentümer.

Ist das ok?
 
Nein, es gab oft jahre- oder jahrzehntelang überhaupt keinen Kaiser. So gab es eine "kaiserlose Zeit" 1245 (als der Papst Friedrich II. absetzte bzw. spätestens 1250, als Friedrich II. starb) bis 1328 (als sich Ludwig der Bayer in Rom "im Namen des römischen Volks" krönen ließ).
Heinrich VII. (Ks. 1312-1313) war der nächste Kaiser des HRR, der auf Friedrich II. folgte, dessen Nachfolger wiederum war erst Ludwig der Bayer.
Der Italienzug Heinrich VII. war, glaube ich, sogar ziemlich bedeutend.
 
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