Großer Aufmarsch Ost - praktikabel?

Solwac

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Wie in anderen Strängen, z.B. aktuell in dem über die belgische Neutralität, schon belegt, hat die deutsche Militärführung stur an ihrer Version vom Schlieffenplan festgehalten und 1914 keine andere politische Haltung zugelassen.

Hat jemand Quellen darüber, wie ein offensives Verhalten im Osten bei Defensive im Westen ausgesehen hätte?

Dabei finde ich folgende Punkte besonders interessant:
  • Wie hätte sich die Versorgungslage ohne das besetzte Belgien bzw. Teile Nordfrankreichs dargestellt?
  • Wäre die Grenze zu Frankreich überhaupt militärisch sinnvoll zu halten gewesen (im Elsass wurde ja auch im Schlieffenplan ein Zurückweichen einkalkuliert)?
  • Abgesehen von der tatsächlichen Planung, hätten sich im Osten überhaupt harte Kriegsziele geboten oder wäre die russische Front unter Druck nicht einfach nach hinten ausgewichen (so wie dann ja auch 1916) und hätte keine militärische Entscheidung erlaubt?
  • Welche Länder wären diplomatisch am stärksten davon betroffen gewesen (GB vielleicht neutral, Balkan, Osmanisches Reich, Italien, Übersee)?

Neben einer objektiven Sicht aufgrund der heutigen Forschung ist natürlich auch der subjektive Wissensstand der damaligen Parteien interessant.

Ich hoffe, die Fragestellung wird nicht zu spekulativ gesehen. :detektiv:

Solwac
 
Also wenn ich mich recht entsinne, ging der Aufmarschplan Ost von der Neutralität Frankreichs aus.

Man war aber beim Generalstab aber wohl nicht zu 100% vom Aufmarsch Ost überzeugt. Als Gründe galten beispielsewise die geogrphischen und klimatischen Bedingungen in Russland, die einen schnellen "totalen" Sieg wenig wahrscheinlich machten. Des Weiteren waren im Osten des Reiches die Eisenbahnverbindungen nicht so gut ausgebaut, wie im Westen, das bedeutete, das die Mobilisierung nicht so schnell ablaufen konnte, wie gewünscht.

Man hätte sich an Moltke d.Ä. erinnern sollen, der aus dem Sieg von 1870 die Schlussfolgerung zog, das der nächste Krieg total sein würde und nicht mit einer einzigen Schlacht gewonnen werden könnte. Auch bezweifelte Moltke, das Deutschland gegen Frankreich und Russland einen Krieg gewinnen könnte.
 
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[*]Wie hätte sich die Versorgungslage ohne das besetzte Belgien bzw. Teile Nordfrankreichs dargestellt?

Wohl besser. In dem Szenario gäbe es evt. keinen Kriegseintritt Großbritanniens, dessen Schlachtflotte Garant der Blockade 1914-1918 gewesen ist.

Belgien ist für die Versorgung auch nützlich, wenn Lieferungen über die Häfen des neutralen Landes abgewickelt werden können.

Für die Planbeurteilung wichtig ist auch der Zustand der russischen Streitkräfte nach dem russ.-jap. Krieg 1904/05.
 
Danke für die ersten Antworten. Ich kenne leider keine Details zu den Plänen, aber war wirklich die Neutralität Frankreichs für alle Varianten eine nötige Voraussetzung?

Nach der Kriegserklärung Österreichs an Serbien und der Mobilmachung Russlands erklärte Deutschland Russland am 1.8. den Krieg. Wäre jetzt nicht eine abwartende Haltung im Westen gegenüber der Mobilmachung Frankreichs möglich gewesen (natürlich mit anderen Militärs)?

@Silesia: Natürlich hätte ein Krieg ohne Blockade vieles erleichtert, aber wäre es nicht denkbar, dass ohne deutsche Besetzung Belgiens zwar ein Embargo bzw. eine Blockade durch die Flotte, aber keine britischen Landaktionen erfolgt wären? Die belgische Landwirtschaft hätte dann zwar nicht militärisch ausgebeutet werden können, dafür hätte es aber auch keine Schäden gegeben. :grübel:

Als Argument für den Schlieffenplan gilt ja die Feststellung, ein Zweifrontenkrieg wäre nicht gewinnbar gewesen. Hätte ein defensiveres Auftreten im Westen aber unbedingt einen Krieg gegen Frankreich bedeuten müssen? Oder hätte eine ausreichende Verteidigung nicht den französischen Angriff auf der Ebene von Scharmützeln halten können (französische Truppen drangen auf deutsches Gebiet, die Kriegserklärung kam aber aus Berlin)?

Auch wenn natürlich gerade dem "Erzfeind" solche Grenzverletzungen nicht einfach erlaubt werden durften, hätte hier nicht gegenüber den Neutralen diplomatisch mehr gemacht werden können?

Solwac
 
Einiges aus den tatsächlich angeschlossenen Planungen:

1893/84: geplant Zweifrontenkrieg,
Schwerpunkt West, im Osten nur 4 AK

1894/95: keine Änderung

1895/96: geplant Zweifrontenkrieg,
Schwerpunkt West, stärkere Kräfte im Osten als 1893

1896/97: geplant Zweifrontenkrieg,
kaum Änderungen

1897/98: geplant Zweifrontenkrieg,
Schwerpunkt West, 2 Armeen im Osten (7.,8.)

1898/99: geplant Zweifrontenkrieg,
Schwerpunkt West, 2 Armeen im Osten (7.,8.)

1899/00: geplant Zweifrontenkrieg,
zum ersten Mal stark verminderter Aufmarsch Ost (nur 6-7 Divisionen)
Variante: etwas stärker im Osten, Schwerpunkt West
(interessant: Einbeziehung der Italiener)

1900/01: geplant Zweifrontenkrieg
West-Ost-Aufmarsch etwa gleich, Westen wird durch Italiener unterstützt.

1901/02: geplant Zweifrontenkrieg, im Osten 4, im Westen 3 Armeen, Zuordnung der 4.Armee ungeklärt. West wird durch Italien unterstützt.

1902/03: geplant Zweifrontenkrieg
großer Schwerpunkt West, schwache Kräfte im Osten.
Variante: Verlagerung nach Osten, mit leichtem Schwerpunkt West.

1903/04: geplant Zweifrontenkrieg
großer Schwerpunkt West, schwache Kräfte im Osten
Variante: nur als Studie beigefügt

1904/05:
Variante I: Kriegszustand nur mit Frankreich, leichte Sicherungen im Osten
Variante II: geplant Zweifrontenkrieg, mit großem Schwerpunkt West, schwache Kräfte im Osten (8.)

1905/06: Änderungen ggü. Vorjahr bei Grenzschutzdivisionen, im Osten nun die 4.Armee
2 Varianten wie Vorjahr

1906/07: kaum Veränderungen, 2 Varianten wie Vorjahr
1907/08: kaum Veränderungen, 2 Varianten wie Vorjahr
1908/09: kaum Veränderungen, 2 Varianten wie Vorjahr, diesmal unter Berücksichtigung der Verletzung holländischer Grenzen auf Befehl der OHL, abhängig vom Verhalten Belgiens und der Festung Lüttich.
1909/10: kaum Veränderungen, 2 Varianten wie Vorjahr, Eingreifen England soll berücksichtigt werden, zusätzliche Variante: Frankreich bleibt neutral mit großem Aufmarsch Ost sowie weitere Variante: Frankreich bleibt nur zunächst neutral, Kriegseintritt nach Abschluß des großen Ostaufmarsches.

Die Überlegungen zum Aufmarsch Ost gingen davon aus, dass die russische Armee, die sich im Grenzbereich stellen würde, in 6 Wochen geschlagen werden kann, womit man sich deutscherseits wohl zufrieden geben konnte, weil ein Vorstoß in die Tiefe des Landes undurchführbar/erfolglos schien.
 
1909/10: kaum Veränderungen, 2 Varianten wie Vorjahr, Eingreifen England soll berücksichtigt werden, zusätzliche Variante: Frankreich bleibt neutral mit großem Aufmarsch Ost sowie weitere Variante: Frankreich bleibt nur zunächst neutral, Kriegseintritt nach Abschluß des großen Ostaufmarsches.
Vor allem der letzte Fall scheint mir sehr wahrscheinlich zu sein. Wie weit wurden diese Varianten tatsächlich geplant?
Und gab es neben den politischen Gründen (man fühlte sich stark und wollte es den Franzosen zeigen) auch militärische Gründe?

Ich kann mir das Versagen diverser Militärs im Verlauf des Krieges nicht nur durch politische Verblendung erklären. Irgendetwas muss den Glauben an ihr Vorgehen verursacht haben bzw. die möglichen Alternativen müssen im Generalstab bei Planspielen nachvollziehbar schlecht abgeschnitten haben.

Solwac
 
Vor allem der letzte Fall scheint mir sehr wahrscheinlich zu sein. Wie weit wurden diese Varianten tatsächlich geplant?

Solwac

Die "Generalstabsreisen" Ost und die Einführung des großen Ostaufmarsches sind ernsthaft geplant, dazu werden sich auch Kriegsspiele stattgefunden haben. Es handelt sich hier nicht nur um bloße Denkschriften, etc., sondern um Mob.-Fall-Varianten.

Ein Vorstoß in die Tiefe Rußlands widerspricht der Auffassung des Generalstabes zur Führung eines Krieges gegen Rußland. Vielmehr wäre, wie ich oben schon geschrieben habe, die russische Hauptmacht in 30-40 Tagen zu schlagen gewesen, danach wären die Truppen in einer Art Umdrehung der strategischen Anlage des Schlieffen-Planes schleunigst nach Westen verlegt worden, jedenfalls nach Stand der Planung.

Das (zuvor geschlagene) russische Heer hätte sich - "planungsgemäß" - in die Tiefe des Landes zurückgezogen.
 
Gibt es irgendwo im Netz Material dazu?

Diese Planspiele wurden ja nicht nur von den Deutschen gemacht. Was gab es denn bei den anderen Generalstäben an Planungen für diesen Fall?

Solwac
 
Die "Generalstabsreisen" Ost und die Einführung des großen Ostaufmarsches sind ernsthaft geplant, dazu werden sich auch Kriegsspiele stattgefunden haben. Es handelt sich hier nicht nur um bloße Denkschriften, etc., sondern um Mob.-Fall-Varianten.

Ein Vorstoß in die Tiefe Rußlands widerspricht der Auffassung des Generalstabes zur Führung eines Krieges gegen Rußland. Vielmehr wäre, wie ich oben schon geschrieben habe, die russische Hauptmacht in 30-40 Tagen zu schlagen gewesen, danach wären die Truppen in einer Art Umdrehung der strategischen Anlage des Schlieffen-Planes schleunigst nach Westen verlegt worden, jedenfalls nach Stand der Planung.

Das (zuvor geschlagene) russische Heer hätte sich - "planungsgemäß" - in die Tiefe des Landes zurückgezogen.


Der Generalstab ging ab 1911 davon aus, dass sich die Russen nicht westlich Warschau stellen würden, ein schneller Sieg im Osten deshalb unmöglich wäre. Was sich 1914 auch so darstellte, die Russen griffen an den Flanken an. Zwischen Posen und Warschau entwickelte sich 1914 ein Bewegungskrieg mit etlichem hin und her.

1915 wurden die Russen dann entscheidend geschlagen, waren aber noch durchaus in der Lage den Krieg 2 Jahre weiterzuführen. Insofern würde ich die Einschätzungen des Generalstabs als zutreffend ansehen.


Im Westen fehlten ja auch die Festungen, auf die sich die Verteidigung hätte stützen können. Und wie stark Feldbefestigungen mit reichlich Maschinengewehren waren, wusste man noch nicht.
 
Auch ohne einen schnellen Sieg gegen Russland, hätte es nicht Planungen für beide Kriegsschauplätze geben müssen?
Schließlich wollte in Deutschland (bei aller Bereitschaft für einen Waffengang an sich) keiner einen Zweifrontenkrieg. Warum also nicht auch Planungen dafür aufstellen, dass Kämpfe erstmal nur gegen einen losgehen?

Hätte ein Angriff gegen Russland zwangsläufig einen schnellen Sieg nach sich ziehen müssen? Eine Besetzung Polens z.B. hätte sicher nicht den russischen Widerstand gebrochen, wäre aber ein deutliches Zeichen gewesen, besonders wenn nicht im Westen die Kriegserklärung von Deutschland ausgegangen wäre.

@Repo: Die Festungen im Westen waren schwach, aber zumindest im Elsass war der Schlieffenplan ja auch auf Verteidigung gegründet. Gerade das deutsche Eisenbahnnetz hätte hier doch eine mobile Verwendung von Reserven ermöglicht, so dass im Osten starke Kräfte offensiv werden konnten und dennoch ausreichende Truppen gegen Frankreich hätten halten können. Schließlich gelang dies ja auch 1915, obwohl der stellungskrieg im Westen viele Truppen gebunden haben. :grübel:

Solwac
 
Um das Thema nochmal aufzuwärmen, wenn schon die Deutschen aus politischen Gründen die Möglichkeit eines defensiven Westen und eines offensiven Ostens nicht weiterverfolgt haben, was war mit den anderen Mächten?

Haben die Russen und/oder die Franzosen bei ihren Planspielen eine solche Möglichkeit berücksichtigt?

Hätte es nicht für die Aufmarschpläne gerade der Russen zur Unterstützung Serbiens einen großen Unterschied machen müssen?

Und wie wurde im Ausland die Kapazität des deutschen Eisenbahnnetzes beurteilt? Schließlich hätte in Ostpreußen ja einiges an Mensch und Material über die Schiene anreisen müssen.

Solwac
 
Nachdem Ende 1914 die Fronten erstarrten, machten sich die Deutschen durchaus Gedanken darüber, an der Ostfront offensiv zu werden, wo noch ein Bewegungskrieg möglich war. Hindenburg und Ludendorff planten eine gigantische Umfassungsoperation, sozusagen ein Super- Tannenberg. Franz Conrad von Hötzendorf setzte auf eine Durchbruchsschlacht. Falkenhayn glaubte nicht an eine operative Entscheidung im Osten. Er dachte an das Schicksal Napoleons, traute auch der k. k. Armee, die selbstständig eine Zange einer solchen Operation hätte bilden müssen, die dazu nötige Schlagkraft nicht mehr zu. Man musste auf den Juniorpartner Rücksicht nehmen, der bereits nach den Schlachten von Lemberg, dem Verlust von Przemysl, und nicht zuletzt durch die Karpatenschlacht angeschlagen war. So einigte man sich auf eine Durchbruchsschlacht bei Gorlice- Tarnow, die allerdings ein grosser Erfolg war, zumal die Mittelmächte Galizien zurückeroberten und Polen und das Baltikum besetzten, ehe dann im September 1915 auch die Ostfront wieder erstarrte.


Aus russischer Sicht war Ostpreussen das weitaus schwierigere Gelände. Es gab als Hindernisse die Masurische Seenplatte, die umgangen werden musste. Das deutsche Reich war ein stärkerer Gegner, als die Donaumonarchie, und ein Stoss nach Galizien war mit Sicherheit weniger riskant, als der Angriff auf das deutsche Reich.
 
@Scorpio: Ende 1914 waren aber große Teile des deutschen Feldheeres schon im Westen gebunden, standen also nicht im Osten zur Verfügung. Dies ist eine ganz andere Situation als wenn im Westen nur defensive Kräfte gebunden wären. So wäre die Front deutlich kürzer, die Besatzungstruppen in Belgien (wieviel waren das eigentlich?) wären nicht nötig und die Engländer nicht auf dem Kontinent gewesen.

Umgekehrt hätten die Russen nicht so stark gegen Galizien vorgehen können, d.h. die Situation der Mittelmächte wäre nicht von reiner Reaktion geprägt gewesen.

Zumindest die Russen müssen sich doch damit vor August 1914 beschäftigt haben, denn bei der langen Dauer der Mobilmachung hätten nur vorgefertigte Pläne noch Aussicht auf Umsetzung haben können.

Solwac
 
Die Planungen Ludendorffs und Hindenburgs stammen aber von 1915 und gingen von den an der Ostfront stehenden, tatsächlichen Kräften aus. Diese Planungen gingen allerdings von einem getrennten deutschen und österreichischen Kommando aus.

Das zaristische Russland litt an einem Mangel an Munition und an schweren Geschützen. Das Nachrichtenwesen war umständlich und wurde oft unprofessionell genutzt. Bei Tannenberg hatten die Deutschen Vorteile, weil der Kommandeur der Narewarmee, Samsonow, seine Funksprüche unverschlüsselt sendete.
 
Der Vergleich mit 1915 hilft bei meiner Frage leider nur begrenzt. Ich möchte ja gerne wissen, ob rein militärisch eine Alternative zum Schlieffenplan existiert hat. Da ja wohl leider keine aktuellen (1914) Planspiele vorliegen, versuche ich mich von zwei Seiten zu nähern, einmal durch möglicherweise vorhandene ältere Pläne und durch die Pläne der Russen, Franzosen usw.

Ebenso ist meine andere Frage aus dem Eingangsbeitrag noch offen: Wie weit hat die Offensive in Belgien und Nordfrankreich die Versorgungslage beeinflußt? Ich kenne nur Daten für das ganze Reich, waren die besetzten Gebiete bei aller Requisation eher Geber oder Empfänger?

Solwac
 
Die Mittellage des Deutschen Reiches bedingte, dass die militärisch- strategischen Optionen eng begrenzt waren. Die französische Armee hielten die deutschen Militärs für den stärksten Gegner, eine wirkliche Alternative zum Konzept des Schlieffenplans gab es daher nicht.

Der war nun aber ein sehr kühner und riskanter Plan, der beim Fehlen taktisch- strategischer Erfahrungen in der Führung von Millionenheeren von Anfang an nur minimale Chancen auf Erfolg bot. Auch die Kräfte, die an die Ostfront verlegt wurden, hätten daran nichts ändern können. Nach dem Scheitern des Schlieffenplanes und dem Übergang zum Stellungskrieg, hätten die Deutschen allerdings Grund gehabt, sparsamer mit den eigenen Ressourcen umzugehen, und zu überlegen, ob nicht eine offensive Iniative an der Ostfront bei der strategischen Lage des Reichs angebrachter gewesen wäre, um eventuell einen Sonderfrieden mit Russland zu erreichen, zumal die Mittelmächte an der Ostfront 1914/1915 grosse Erfolge hatten.

Statt dessen entschied sich Falkenhayn für eine Material- und Abnutzungsschschlacht an einem der schwierigsten Frontabschnitte an der Westfront bei Verdun, da er glaubte, eine Entscheidung sei unmöglich, solange die Kraft, vor allem der französischen Armee ungebrochen war. Frankreich geriet in arge Bedrängnis, hatte entsetzliche Verluste, doch die deutschen Verluste waren kaum geringer. Moralisch trug der Erfolg bei Verdun dazu bei, den Krieg bis zur Entscheidung weiterzuführen. ( On les aura). 1916 und 1917 konnten die Deutschen an der Westfront keine Offensive mehr führen und lediglich reagieren auf Angriffe der alliierten. Die mussten dabei freilich feststellen, dass nach wie vor die Defensive im Grabenkrieg stärker war, und die grossen alliierten Offensiven bei Arras, in der Champagne, in Flandern und bei Cambrai endeten mit unbedeutenden Geländegewinnen. Nach der Offensive Nivelles am Chemin de dames kam es sogar zu Meutereien in der französischen Armee, die Petain nur mit Mühe niederschlagen konnte.

Die deutschen Militärs hatten offenbar die Theorien Schlieffens verinnerlicht, und die Westfront war im militärischen Denken der Hauptkriegsschauplatz. Im Grabenkrieg war aber offenbar bei allen Militärs eine Tendenz zu erstarrtem Denken festzustellen, und vor allem- es fehlten praktische Erfahrungen. Das Trommelfeuer konnte niemals alle Stellungen vernichten und warnte den Angreifer. Als die Briten am 1. Juli an der Somme aus den Gräben stiegen, hatten sie an diesem Tag 50.000 Verluste, darunter fast 20.000 Tote. Die Deutschen erlitten wiederum an der Somme Verluste, indem sie wertloses Terrain erbittert verteidigten und ihre Reserven zu konzentriert in der 1. Linie postierten.
 
Über deutsche Planspiele und Möglichkeiten konnte ich in diesem Thread schon einiges Interessantes lesen. Wie aber sahen denn die Planspiele der Engländer, Franzosen und Russen vor dem Krieg aus? Wenn man bedenkt, daß eigentlich alle einen "großen Krieg" früher oder später für unausweichlich hielten, muß es doch auch bei deren Militärs entsprechende Überlegungen gegeben haben. Zumal dürfte das russ.-franz. Bündnis doch Auswirkungen auf die Strategien gehabt haben. Die Frage nach diesen Dingen von Solwac ist bislang leider noch nicht einmal ansatzweise beantwortet worden. Weiß da denn niemand etwas? :(
 
Für die Franzosen war das Hauptziel die Rückeroberung Elsass- Lothringens. Und 1914 setzten die Franzosen dort auch offensiv an. Das war allerdings eher eine als Deannexion gedachte Massnahme, es fehlte an konkreten Kriegszielen, doch sollte Frankreich gesichert werden, und das sollte durch Zerschlagung der deutschen Militärmacht geschehen. GB ging es um die Wiederherstellung Belgiens, konkrete Kriegsziele hatte man zu Beginn des Krieges nicht, doch plante man schon im August 1914 die Annexion der deutschen Kolonien.

Die Russen waren auch nicht gerade zurückhaltend in ihren Kriegszielen. Polen,dem man eine grössere Autonomität gewähren wollte, sollte Pommern, Posen und Westgalizien bekommen, während Russland Ostgalizien bis zum Njemen bekommen sollte. Hannover sollte wieder selbstständiger Staat werden. Im Gespräch mit dem französischen botschafter Paleoloque ging Nikolaus II. noch weit darüber hinaus: Er verlangte dazu die Verdrängung der Türken aus Europa, die Internationalisierung Konstantinopels und die "natürliche Karpatengrenze". Österreich Ungarn sollte dazu in drei Staaten aufgeteilt werden.
 
Danke Tekker! :friends:

@Scorpio: Kriegsziele sind erst mal eine politische Vorgabe. Wie sieht es aber mit der militärischen Planung aus?

@Repo: Du hast gesagt, dass ab 1911 die Deutschen nicht mehr von einem schnellen Sieg im Osten ausgegangen sind, da sich die Russen nicht westlich von Warschau stellen würden. Wie sollte ein Krieg im Osten denn aussehen? Bei den Möglichkeiten des Russischen Reiches wäre eine Ausschaltung der stehenden Truppen zwar ein großer Schlag, der Krieg wäre doch aber nicht unbedingt vorbei gewesen.

Der Stellungskrieg im Westen kam ja überraschend, wie groß waren denn die Unterschiede im Osten zwischen Erwartung vor dem Krieg und dem tatsächlichen Ablauf. Ich kann mir unter den Stellungssystemen im Osten nicht soviel vorstellen wie im Westen. Auch sind ja offenbar den ganzen Krieg über viel mehr taktische Möglichkeiten entwickelt worden - natürlich begünstigt durch die geringe Mannstärke pro Frontkilometer.

Solwac
 
Ein Großteil meiner (und Tekkers ;)) Fragen harren leider noch der Antwort. Gibt es da wirklich keine weiteren Informationen zum Thema? :weinen:

Solwac
 
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