Wie sprach Mozart?

Ruth

Neues Mitglied
Ein herzliches Hallo an alle!
Ich interessiere mich - aus welchen Gründen auch immer - für den guten W. A. Mozart, und zwar nicht nur musikalisch sondern auch und vor allem "menschlich-historisch". Ich habe bereits jede Menge Biographien gelesen (die mir leider nur mehr wenig Neues bieten können) und mich auch in die Briefe der Familie Mozart vertieft, die einem natürlich eine gewisse Nähe zu den Personen ermöglichen. Trotzdem bleibt da eine Barriere, bedingt durch meine Unfähigkeit, mich in das Lebensgefühl dieser Epoche (also um 1780/90 in Wien) einzufühlen, bedingt auch durch die Schwierigkeit, mir Mozart als wirkliche, leibhaftige PERSON vorzustellen.
Die Grundfrage würde also lauten: Wie war Mozart? - allerdings ist diese Frage entschieden zu umfangreich, um sie in einem Satz zu beantworten. (Bei Hildesheimer findet sich dazu ein netter kleiner Absatz, in dem er sinngemäß etwa schreibt: Wir wissen gar nicht, ob wir Mozart überhaupt menschlich "gemocht" hätten. Vielleicht stank er aus dem Mund, vielleicht hatte er schreckliche Angewohnheiten - vielleicht hätten wir uns abgewandt und gesagt: ja, der Mann ist ein Genie, aber er ist einfach UNERTRÄGLICH...)
Also beschränke ich mich mal auf die Sprache der Epoche: Wie sprach Mozart? Die Briefe geben mir da vielleicht eine Idee, aber ich fürchte nicht viel mehr als das, denn wir schreiben ja heute auch anders als wir sprechen. Dialekte waren damals, glaube ich, verbreiteter als heute und Mozart selbst wird als gebürtiger Salzburger einen "bairischen" Dialekt gesprochen haben, der wohl im Lauf der Jahre in Wien mit ein paar wienerischen Einsprengseln versehen wurde. Aber wie stelle ich mir vor, dass Mozart etwa auf der Straße mit Michael Puchberg gesprochen hat? Wie war der Rhythmus, die Sprachmelodie, welche Floskeln waren gebräuchlich? Und: würden wir ihn, wenn wir ihn heute träfen, denn überhaupt verstehen??? (und umgekehrt - wobei ich denke, er würde uns kaum verstehen können, weil wir sehr viele Worte nutzen, die es damals nicht gab...)
Vielleicht hat jemand dazu ein paar Ideen, Anregungen etc. Ich kann mich halt aus Zeitgründen nicht auf eine monate- und jahrelange Rcehreche einlassen - daher frage ich hier nach... und bin gespannt auf die Antworten!
Und: Ich kann mich hier nicht regelmäßig melden, wenn ich im Büro bin habe ich nicht sehr viel Zeit und daheim bin ich nicht soooo oft am Computer - aber wann immer ich die Gelegenheit habe, checke ich Eure (hoffentlich zahlreichen) Antworten und melde mich...
Vielen Dank schon mal
und herzliche Grüße
Ruth
 
Sein Vater kam aus Augsburg, Mozart Sohnemann kann also auch von dort aus ein bisschen beeinflusst gewesen sein. Jedenfalls verbrachte er tendenziel den großen Teil seines Lebens in Salzburg, was man vielleicht nicht überschätzen sollte, weil er immer wieder verreiste und dabei schon allein aus Kostengründen primär seinen Vater um sich hatte, bei der Reise nach Paris, bei welcher seine Mutter starb, mal auch sie. An den Höfen muss er ohne Zweifel beeinflusst worden sein, schließlich musste er mit vielen Adeligen verhandeln, weshalb er sicherlich auch ein verständliches Französisch palierte.

Wie er ansonsten war, eine Frage die man ähnlich wenig präzise beantworten kann wie seine Sprache, kann man sich zumindest an ein paar Fingern abzählen, wenn man ihn eben mit den Männern seiner Gesellschaftsklasse vergleicht. Dass er aus dem Mund roch, ist recht wahrscheinlich. Angeblich sollen die Zähne der Oberschicht im Allgemeinen nicht sehr gut gewesen sein, weil viel Süßes konsumiert werden konnte, wenn man, das hatte er, das nötige Kleingeld besaß. Ich weiß nicht wie tief Du genau drin steckst, ob Du ungefähr einen Eindruck hast wie oft er sich wusch etc., aber einiges kann man durchaus aus seinem Lebensstil und dem Aufwand den er dafür betrieb schließen.
 
Dann hielt er sich sehr intensiv in der Kurpfalz auf, heiratete mit Maria Constanze Caecilia Josepha Johanna Aloisia Weber, eine gebürtige Wiesentälerin.
Die Korrespondenz der Eheleute Mozart gibt einen recht positiven Eindruck über ihr Verhätnis zueinander.

Für die Sprache Mozarts läßt sich den Häsle-Bäsle-Briefen ebenfalls einiges entnehmen.

Allerliebstes Bäsle Häsle!
ich habe heute den Brief schief von meinem Papa haha, auch richtig in meine Klauen bekommen strommen. Ich hoffe Sie werden auch meinen Brief Trief, welchen ich ihnen aus Mannheim geschrieben erhalten haben, schaben. ...
...
Leben sie recht wohl, ich küsse sie 10000 mal und bin wie allezeit der alte junge
Sauschwanz Wolfgang
Amadè Rosenkranz.
 
Allerliebstes Bäsle Häsle!
ich habe heute den Brief schief von meinem Papa haha, auch richtig in meine Klauen bekommen strommen. Ich hoffe Sie werden auch meinen Brief Trief, welchen ich ihnen aus Mannheim geschrieben erhalten haben, schaben. ...
...
Leben sie recht wohl, ich küsse sie 10000 mal und bin wie allezeit der alte junge
Sauschwanz Wolfgang
Amadè Rosenkranz.

Wie fast alle "hochbegabten".
Was an einer Ecke im Hirn zu viel ist, ist an der anderen zu wenig.
 
Bleiben wir zunächst mal beim rein Sprachlichen:

Ich bin nicht sicher, ob man die Bäsle-Briefe wirklich als Gradmesser für die im Alltag gebräuchliche Sprache Mozarts nehmen kann. Denn das sind artiffizielle Produkte, in denen Mozart mit der Sprache gespielt hat (und nur am Rande: von Beschränktheit oder Ähnlichem zeugen sie ganz und gar nicht; vielmehr finden sich darin stilistisch-sprachliche Kaskaden, die fast mit musikalischen Figuren gleichgesetzt werden können). Diese schriftlichen Sprachspiele sind aber doch etwas anderes als die mündliche Unterhaltung. Mag schon sein, dass er in seine Konversation ähnliche Witzchen eingeflochten hat, aber in den Briefen finden sich diese konzentriert und ein Brief gibt einem ja auch die Möglichkeit, zu basteln und zu feilen, was er wohl getan haben wird. - Insofern sind solche Briefe vielleicht ein Hinweis, aber eben nicht viel mehr als das.

Dass er Fremdsprachen beherrschte, ist bekannt, Englisch, Französisch, auch Italienisch (und ich will jetzt gar nicht darüber nachdenken, wie sein Englisch oder Französisch geklungen haben könnte :) - Ihr habt recht, wenn Ihr anmerkt, dass sein Dialekt von seinen Reisen beeinflusst gewesen sein könnte. Trotzdem: Wie stelle cih mir die Konversation vor? Nehmen wir an, Mozart trifft einen Freund beim Ausreiten. Was sagte er? Ein "Hallo" wird's ja nicht gewesen sein. Wie begrüßte man sich also damals? Und wie weiter? "Wie geht's dem Stanzerl?" - "Gut geht's ihr"... - so etwa?

Und was den Lebensstil betrifft - ehrlich gesagt habe ich von seinen Waschgewohnheiten nicht viel Ahnung. Er gab viel Geld für Kleidung aus, das weiß man ja, in seiner letzten Wiener Wohnung scheint, laut einem vermutlich authentischen Grundriss, sogar so etwas wie ein WC gewesen zu sein, allerdings, wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe, nichts, was als Badezimmer hätte herhalten können...

Schließlich noch die naheliegende Frage nach seinem Aussehen... Es gibt ja nun nur eine begrenzte Anzahl von Bildern, die einander nicht unbedingt ähneln. Laut Constanze soll das Lange-Porträt das ähnlichste sein, andere Zeitzeugen bezeichnen das Krafft-Porträt als naturgetreu (das sich auch auf der Mozartkugel von Mirabell findet :), aber das wurde ja erst Jahre nach seinem Tod gemalt. Groß war er nicht, Pockennarben hatte er wahrscheinlich, aber wohl nicht viele, ein bißchen dicklich, die Hände werden als "schön" bezeichnet, aber was waren für die damalige Zeit "schöne" Hände? Große Nase und dann die Geschichte mit der Ohranomalie, die durch die Mozartliteratur geistert und soweit ich weiß aber nicht belegt werden konnte...

Zu schade, dass man sein Grab nicht kennt und sein Skelett wohl nie finden wird - der Mozart-Schädel aus Salzburg hat sich ja glaube ich als Fälschung herausgestellt. Es gibt zwei Phantombilder von ihm und Constanze, über die ich aber zu wenig weiß, um sie beurteilen zu können - keine Ahnung wie sie entstanden sind...

Das Thema ist wahrlich unerschöpflich (für mich wenigstens...)
liebe Grüße
Ruth
 
Noch eine kleine Anmerkung zum erwähnten Verhältnis der Eheleute Mozart: Das Problem bei dessen Bewertung ist, dass sehr viele Briefe nicht mehr existieren. Es heißt, Constanze habe sie vernichtet, wobei ich nicht mal sicher bin, woher diese Annahme kommt. Wenn sie stimmt, kann man natürlich annehmen, dass sie jene Briefe vernichtete, in denen es nicht so heiter zuging, in denen Probleme angesprochen wurden oder die eben nicht zum Mozart-Bild der Zeit passten (denn der Hype um ihn ging ja schon recht bald nach seinem Tod los). Man müsste für die Frage, wie Mozart und Constanze wirklich zueinander standen, einen eigenen Thread eröffnen, das ist ein ungeheuer weites Feld... Ich persönlich bin bei der Bewertung Constanzes etwas zwiespältig. Er hat sie wohl geliebt (wobei - neue Frage: was hieß denn im 18. Jahrhundert "Liebe"? - das romantische Verständns von Liebe, das heute herrscht, kam ja erst in der Romantik auf, davor war das alles wohl etwas pragmatischer...) - aber wie sie zu ihm stand ist kaum mehr zu rekonstruieren, weil es von ihr ja nur zwei dürre Briefnachschriften gibt; alle Briefe von ihr sind verschwunden (vernichtet? oder verschollen...)

auch eine schwierige Frage, die mich beschäftigt, keine Frage

und noch etwas zu seinem Aussehen: es gibt ja diese angebliche Totenmaske von Willi Kauer, um deren Echtheit lang herumgestritten wurde - ich weiß jetzt nicht, wie der allerletzte Stand der Dinge ist. DAS wäre natürlich eine echte Hilfe bei der Antwort auf die Frage, wie er aussah - aber ist das Ding nun echt oder nicht?

liebe Grüße
Ruth
 
Zur Sprache, wie ich schon ausführte, er wird so gesprochen haben wie damals üblich. Nimm Dir mal aus einer Uni-Bibliothek Deines Vertrauens ein paar Originalbücher zur Hand, in welchen die typischen Redewendungen vorkommen. Geeignet sind vor allem Deutschbücher der Zeit mit üblichen Redewendungen.
Schau mal hier unter "Zeitgenössische Sprache": http://www.ingenieurgeograph.de/Living_History/Material/material.html
besonders dort: "Anrede für alle Stände". Meine Erfahrungen mit zeitgenössischer Literatur ergeben eigentlich dasselbe Bild, so waren die Maßgaben und ungefähr wissen wir aus Briefen, Berichten, Zeitungsartikeln, Rapporten etc. dass auch wirklich so gesprochen wurde. Wir schreiben, kurz mal angemerkt, auch nicht so ganz unterschiedlich zu unserer Sprache im Alltag.

Es gibt ein paar Gemälde von Mozart, die ihn auch noch zu Lebzeiten zeigten, an diese würde ich mich halten, egal was irgendwer sagt. Neben dem Gemälde als Ritter vom Goldenen Sporn http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Martini_bologna_mozart_1777.jpg ist mir mittlerweile auch dieses aus Berlin bekannt, das auch in der Ausstellung zur Porträtmalerei in Wien "Aufgeklärt - Bürgerlich" ausgestellt wurde: http://www.dieter-david-scholz.de/dieter_david_scholz_mythosmozart.htm Allerdings ist bei Letzterem nicht ganz sicher, ob es ihn zeigt und die Zuordnung entstand, laut einem Katalog der Gemäldegalerie in Berlin, erst in den letzten Jahren und vor allem durch eben jenes italienische Gemälde als Ritter vom Goldenen Sporn, welches zweifelsfrei ihm zugeordnet werden konnte.
Meines Wissens gibt es noch ein Relief von Mozart von Leonhard Posch, das auch recht authentisch erscheint.

Noch kurz eine Anmerkung: Ich finde es eigentlich erstaunlich und es spricht für Mozarts Ruhm schon zu Lebzeiten und wohl auch für sein Vermögen (denn Bilder von namenhaften Künstlern sind nicht gerade billig), dass sich so viele Porträts von ihm erhalten haben. Von seiner Frau natürlich nicht, da kenne ich fast nur recht späte Abbildungen. Wenn man aber diese Quantität mal vergleicht mit anderen Künstlern, Charpentier, sicherlich nicht unbedeutender als Mozart, ist uns von keinem Gemälde überliefert, wir wissen nicht wie er aussah, von J.S.Bach gibt es nur ganz wenige glaubhafte Bilder... nur beim großen Händel schaut es weitaus besser aus, aber der hatte auch Geld und Einfluss.

Die Größe der Wohnungen in Wien war im allgemein derart begrenzt, dass mir ein Badezimmer bei 6-7 Leuten auf recht beengten Raum sehr unwahrscheinlich erscheint. Im 18.Jh. gab es auch durchaus Möglichkeiten mehr als nur den schnöden Nachttopf unter dem Bett, aber mir ist dergleichen aus dem Inventar, was man in Wien sieht, nicht bekannt.

Jedenfalls dürfte Mozart nach Pomade und Parfums gerochen haben, gemischt mit anderen Gerüchen, das kenne ich aus experimenteller Erfahrung mit recht ähnlich gefertigter Kleidung. Auf den Bildern von ihm, schaut es aus, als ob er seine eigenen Haare frisieren ließ und keine Perücke trug, ist darüber näheres bekannt?
 
In einer Fernsehsendung vor vielen Jahren mutmaßte man, dass Mozart am Tourette-Syndrom litt. Angeblich ließe sich das auf die ("saumäßigen") Briefe zurückführen, in denen er sich überaus ausführlich in jeglicher Form über das Hinterteil der Angebeteten ausliess.
Allerdings glaube ich dies nicht, ob die Tourettler in ihrer Schrift auch so schreiben wie unwillkürlich sprechen. Denn die Tourettler arbeiten, wo sie dürfen.

PS: in der Trickfilmserie auf KIKA spricht der kleine Mozart wunderschön hochdeutsch. :)
 
Am lustigsten und merkwürdigsten das unterste mit der Frisur aus dem 19.Jh. à la Ludwig II..
Das Bild von Barbara Krafft gefällt mir garnicht, denn es hat ja keinerlei Quellenwert, denn es ist ja nur eine Replik des Bildes von Croce, wobei die Frisur sogar realtiv ungelenk wiedergegeben wurde.

Von Constanze Mozart war mir eigentlich vor allem dieses Bild bekannt: http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Constanze_Mozart.jpg
Auch die anderen Bilder stammen eher aus der Zeit nach Wolfgang Amadeus Tod. Als Bewahrerin seines Nachruhms scheint sie dann wohl eher in den Vordergrund getreten zu sein.
Dieses scheint wenigstens noch aus dem späten 18.Jh. zu sein (ca. 1795-1800): http://aeiou.iicm.tugraz.at/aeiou.encyclop.w/w235465.htm
 
Zu den Porträts von Constanze: das Bild aus dem Österreich-Lexikon erscheint mir deshalb interessant, weil darauf eine etwas verschobene Mundpartie zu erkennen ist - wie auch bei dem Porträt von Lange. Möglicherweise hatte sie tatsächlich einen etwas deformierten Kiefer, obwohl das auf anderen Bildern nicht so zu sehen ist, z. B. auf dem Hanson-Porträt... Es soll ja angeblich ein Foto von ihr geben (das findet man auch im Web, wenn ich auch nicht mehr weiß wo, aber ich habe es auf irgend einer Seite mal gesehen) - das stammt angeblich aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, es ist ein Gruppenbild und auf der Rückseite soll sich ein handschriftlicher Vermerk befinden, dass eine der Damen eben Constanze Mozart sei... Ich glaube aber, das Foto ist sehr umstritten - weiß vielleicht irgend jemand etwas Näheres darüber?

Dass Mozart an Tourette litt halte ich persönlich für sehr unwahrscheinlich. Dann hätte er ja im Alltag mit Unflätigkeiten um sich geworfen, auch gegenüber seinen adeligen Gönnern (ein Tourette-Patient kann das ja nicht steuern) und damit hätte er sich nur unmöglich gemacht. Und, wie Hurvinek anmerkt, ein Tourette-Patient muss nicht so schreiben wie er spricht - insofern halte ich diese These für einfach nicht richtig.

Vielen Dank übrigens an alle für die Links!
 
@ Ruth
Arcimboldo hatte doch das besagte Foto verlinkt. Ich selber muss zugeben, dass ich zu den Theorien um das Bild garkeine Meinung habe. Schließlich ist doch nicht so wichtig, ob man sie nun von einem Foto her kennt oder nicht, außer vielleicht um die Genauigkeit der Gemälde zu überprüfen, aber so lange ein paar Fragezeichen bleiben... Außerdem ist Constanze nun nicht die historisch bedeutende Persönlichkeit, die Fotos von Jerome Bonaparte, die ich mal gesehen habe, der immerhin König von Westphalen war, finde ich da noch weit interessanter bspw.. Das Frappierende an diesen Bildern überhaupt ist, dass uns Zeitgenossen des 18.Jh. so lebensecht gegenübertreten, weil es eben die Fotographie noch heute gibt, aber die Porträtmalerei in der Breite und Art bis heute fast nicht mehr überlebt hat, leider.
In meiner Reclam-Ausgabe der Bäsle-Briefe stand, dass diese vor allem eines wurden über die Jahrhunderte, nämlich hoffnungslos überbewertet und -interpretiert. Herje er flaxt halt mit einer nahen Verwandten herum und scherzt dabei, es gibt hingegen und das wird gern, weil es nicht so spektakulär ist, übersehen auch die ganz sachlichen Schreiben Mozarts, wie einen, in dem er sich entschuldigt, dass er nicht bei einer Versammlung der Freimaurer erscheinen kann. Natürlich sind die Briefe von Mozart auch an das Bäsle Kinder ihrer Zeit. Liest man ein paar Romane des 18.Jh. findet man durchaus derben Humor, der hilft, diesen Zug an W.A. Mozart zu relativieren.
 
Sorry, den Foto-Link hatte ich irgendwie übersehen...

Im Grunde finde ich es interessant, wie ungeheuer schwierig es ist, sich von einer historischen Persönlichkeit - in dem Fall eben Mozart - ein WIRKLICHES Bild zu machen (und dabei ist sein Leben ohnehin vergleichsweise gut dokumentiert, weil die Mozarts eben so passionierte Briefschreiber waren). Man hat Porträts, man hat Briefe, man hat Berichte von Zeitzeugen - und dennoch: Können wir uns W. A. Mozart, den Menschen, wirklich vorstellen? Sehen wir ihn zu einer Tür hereinkommen, sich niedersetzen, hören wir ihn vielleicht einen Witz machen oder dem Dienstmädchen eine Anweisung geben? Ich muss gestehen, dass mir das kaum gelingt. Meist ist es ein intellektuelles Zusammensetzen der Puzzleteile, die man hat - aber von da zur echten EMPFINDUNG einer Person ist es doch ein sehr weiter Weg...

Daher auch mein Ansatz mit der Sprache: Ich möchte ihn HÖREN können, in seinem Alltag. Und das kriege ich eben nicht hin. Vielleicht ist das ein vermessener Wunsch, vielleicht liegt es in der Natur der Sache, dass man eben NIE eine wirklich Vorstellung eines Menschen hat, der vor so langer Zeit lebte (wobei kommende Generationen von den Persönlichkeiten unserer Tage wenigstens Filmdokumente haben - das macht's vielleicht ein bißchen leichter). - So ausführlich Mozarts Leben auch dokumentiert sein mag - da sind immer noch große weiße Flecken. Ich frage mich z. B., ob diese Interpretationen des in den Briefen an Constanze erwähnten N.N. nicht alle fürchterlich an der Realität vorbeilaufen - Mozart verwendete N.N. für mehrere Personen, das geht aus den Briefen hervor, aber ob er in manchen Passagen wirklich Süßmayer meinte oder in anderen diesen ominösen Herrn Goldhahn - das erscheint mir eben alles spekulativ. Vielleicht sitzt Mozart selbst gerade oben auf seiner Wolke und lacht sich krumm und schief darüber, was wir aus ihm zu machen versuchen...
 
Wenn man sich mit dem 18.Jh. beschäftigt und so ungefähr anfängt den Wahrheitsgehalt der Bilder zu übersetzen, indem man noch authentischere Zeugnisse wie die Wachsfiguren von Posch anschaut, die Orte des Geschehens besucht und vielleicht mal ein paar Tage in die Zeit eintaucht, was ich in ein paar Tagen wieder machen werde :)urlaub: :banana: ), kann man sich schon, wenn man sich darauf einlässt, kurz in die Zeit versetzen. Wird man mit den alltäglichen Problemen der Menschen der Zeit vertraut, dann sind sie zumeist einem näher und menschlicher, was vor allem bei einem Mozart mir zumindest einfacher erscheint als bei einem Friedrich II. in Preußen zum Bsp..
 
Tja, wenn man sich wirklich eingehend mit dem 18. Jahrhundert beschäftigt, hat man's vermutlich leichter - aber ich mache ja im Alltag etwas vollkommen anderes; ich habe nicht Geschichte studiert und für die WIRKLICH ausführlichen Recherchen fehlt mir schlicht die Zeit. Das Ganze ist mehr so eine Art Hobby und daher notwendigerweise unvollständig...

Eine Zeitmaschine wär' halt schön :) - wobei sich eben dann wieder die Frage stellt: wie lang käme ich im Jahr 1781 in Wien klar? Könnte ich mich mit den Menschen überhaupt verständigen? Oder würde ich in kürzester Zeit einen Volksauflauf verursachen und letztlich am Pranger enden?
 
1. Eine Zeitmaschine wär' halt schön :) - wobei sich eben dann wieder die Frage stellt: wie lang käme ich im Jahr 1781 in Wien klar? 2. Könnte ich mich mit den Menschen überhaupt verständigen? Oder würde ich in kürzester Zeit einen Volksauflauf verursachen und letztlich am Pranger enden?
2. Führt zwar etwas weg, von der Thematik, aber gerade in den 1780ern war die Modernisierung der deutschen Sprache schon recht weit voran geschritten. Einer der verdienstvollsten Leute in der Hinsicht war sicherlich Gottsched. http://gutenberg.spiegel.de/autoren/gottschj.htm Nicht umsonst ist ja gerade die Literatur der zweiten Jahrhunderthälfte des 18.Jh. für uns moderne Menschen schon recht verständlich. (Vergl. das mal mit dem 17.Jh.!)
1. Das wäre sehr schwierig, weil Du über keine damaligen Papiere wie Ausweis etc. verfügen würdest und vermutlich allein deswegen von der Polizei aufgegriffen werden könntest.;) Reisen war, damals wie heute, nur mit gültigen Papieren, ausgestellt von entsprechenden Behörden, möglich.
PS: Das mache ich auch nur aus Hobby und bin kein Historiker, sondern Laie.:winke:
 
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Ehrlich gesagt, wenn ich mir in Deinem Link (ingenieurgeograph) schon allein die damals gebräuchlichen Redewendungen ansehe, fürchte ich, dass ich mich ganz, ganz schnell unbeliebt machen würde, weil ich ja schon bei den einfachsten Regeln - also wen man wie anzureden hat - komplett versagen würde :)) - In den Mozartbriefen stolpert man ja auch immer und immer wieder über Ausdrücke, die man schlicht nicht mehr verwendet (Bezeichnungen für Kleidung etwa). Insofern fürchte ich, dass mein Aufenthalt in Wien 1781 nicht nur wegen meiner fehlenden Papiere ein unrühmliches Ende nehmen würde...

Irgendwo fand ich mal einen Satz, den ein Kurfürst zu Mozart gesagt haben soll - anspielend auf den Krach zwischen Mozart und dem Erzbischof. Besagter Kurfürst fragte höflich nach: "Habt's enk z'kriagt?" - Allein daran sehe ich, wie stark der Einfluss der Dialekte damals war, sogar in höheren Adelsschichten (und bekanntlich sprach man am Wiener Hof ja auch Dialekt, der dann liebevoll "Schönbrunner Deutsch" genannt wurde...). Da stellt sich natürlich die Frage, ob denn das für heutige Ohren überhaupt verständlich wäre. (Vor allem wenn man, so wie ich, nicht mit einem Dialekt aufgewachsen ist sondern allenfalls ein bißchen Umgangssprache intus hat.)
 
Stimmt am Kaiserhof sprach man Deutsch, wohl weil die Kaiserkrone eben zusehends mehr mit dem "deutscher" Nation in Verbindung gebracht wurde, daneben dürfte ähnlich viel Französisch als Sprache der Oberschicht gesprochen worden sein.
Stimmt übrigens, dass man damals durch die falsche Verwendung von Titularien wie "Hochedler Herr" sehr rasch unten durch sein könne. Ich erinnere mich an ein recht förmliches Abmahnungsschreiben einer Behörde an einen Polizeidiener in Norddeutschland im 18.Jh., weil er den Beamten nicht in der richtigen Anrede in einem Brief begegnet war. Manche deutsche Autoren wie Joseph Richter meinten dass durch diesen hohen Wert, welcher in der deutschen Sprache auf die Titularien gelegt wurde, den Ausländern das Erlernen des Deutschen erschwert würde.
Bei Mozart dürfte die korrekte Anrede wohl "Wohlgeborener Herr und Ritter" gewesen sein, ich kann mich auch an eine ähnliche Titulierung erinnern aus einem Schreiben an ihn.
Ergänzung: Hier hatte ich das schon mal: http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=201023&postcount=5
 
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