Deutsches Fürstentum in Palästina?

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Tekker

Gast
Hallo Gemeinde,

neulich bin ich mal wieder auf dieses Thema gekommen, finde aber keine Informationen dazu. Ist es richtig, daß Wilhelm II. vor dem Ersten Weltkrieg eine Heimstätte der Juden mit einem deutschen Fürsten an der Spitze in Palästina errichten wollte? Ganz dunkel erinnere ich einen Lehrfilm aus Schulzeiten, in dem sogar eine entsprechende Karte gezeigt wurde.

Irgendwie ist mir, als hätte ich das vor Ewigkeiten schonmal gefragt, find aber nix dazu... :red: :grübel:
 
Hallo Gemeinde,

neulich bin ich mal wieder auf dieses Thema gekommen, finde aber keine Informationen dazu. Ist es richtig, daß Wilhelm II. vor dem Ersten Weltkrieg eine Heimstätte der Juden mit einem deutschen Fürsten an der Spitze in Palästina errichten wollte? Ganz dunkel erinnere ich einen Lehrfilm aus Schulzeiten, in dem sogar eine entsprechende Karte gezeigt wurde.

Irgendwie ist mir, als hätte ich das vor Ewigkeiten schonmal gefragt, find aber nix dazu... :red: :grübel:

Ich hab da noch nicht meine Kristallkugel befragt aber: eine Heimstätte für Juden unter Führung eines deutschen Fürsten mit neutestamentarischem Flair? Oder sollte es ein jüdischer Fürst werden?
Sicherlich hats Gedankenspiele gegeben, aber mit nem Fürsten voran halte ich für ne Schnapsidee.
Aber wer weiß, was zu diesem Thema alles noch zu Tage befördert wird und lasse mich eines besseren belehren.
 
Ich kenne nur die Templer (nicht den Ritterorden, sondern eine protestantische Gruppierung, eigentlich Tempelgesellschaft oder Deutscher Tempel). Die siedelten zwischen 1868 und 1945 mit einer Unterbrechung als ab 1917 britische Verbände Palästina aus dem osmanischen Reich herauslösten und die deutschen Siedler ab Februar 1918 in Ägypten internierten. Im April 1920 wurden die Siedler zwangsrepatriiert, aber schon im Juni 1920 (Übernahme Palästinas durch die Zivilverwaltung) wurde dem Deutschen Tempel die Wiederansiedlung in Palästina erlaubt.

Edit: Möglicherweise hilft dir dies ja ein wneig weiter: http://www.geschichtsforum.de/f62/das-deutsche-levantekorps-11803/
 
Zuletzt bearbeitet:
Bei wikipedia unter "Wilhelm II." steht, dass dieser eine Palästinareise 1898 mit Theodor Herzl im Gefolge gemacht hätte und mit Herzl die Einweihung der Erlöserkirche vornahm. Wikipedia ist reif für die Mülltonne.
Doch an anderer Stelle in Wikipedia (Stichwort "Palästinareise Kaiser Wilhelms II.") kommt man der Wahrheit wieder näher. Hier wird Herzl eine Audienz im Kaiserlichen Zeltlager vor Jerusalem zuteil und eine klare Absage erhaltend.

Ich vermute auch, dass der Tempelorden und seine Erlöserkirche (evangelisch) gemeint ist und Juden keine Rolle spielten.
 
Danke Hurvinek und Quijote, Den Levante-Thread hatte ich dieser Tage gelesen, dewegen kam die Frage ja auch wieder bei mir auf.

Die Tempelgesellschaft hatte ich dann auch über Google gefunden, ist allerdings wohl doch die falsche Fährte, denn soweit ich mich entsinne, stand der Lehrfilm damals im Zusammenhang mit Zionismus.

Wie gesagt Leute, das is ne Weile her, und was ich sicher erinnere ist die Karte des fraglichen Gebietes. Das Gebiet umfaßte Palästina incl. eines Streifens östlich des Jordan, dafür ohne Negev.
 
...
Die Tempelgesellschaft hatte ich dann auch über Google gefunden, ist allerdings wohl doch die falsche Fährte, denn soweit ich mich entsinne, stand der Lehrfilm damals im Zusammenhang mit Zionismus.
......

Dann müsstest unter "Theodor Herzl" recherchieren. Der hatte Ende des 19.Jhd. diese Idee.
Der Kaiser wäre angeblich zuerst auch wohlwollend dafür gewesen, was mich an einem antisemitischen Kaiser sehr wundert.
Angeblich gab es einige Landmarkungen, die man Herzl von britischer Seite anbot: etwas nördlich des Sinai (Wüste) oder in Ostafrika. Gescheitert sollen all die Angebote, weil der Zionismus nur das gelobte Land in Betracht zog.
 
Der Antisemitismus hat viele Gesichter, nicht jedes muss so extrem sein, wie das der Nazis. Selbst einige davon hingen ja der utopischen Idee, die Juden in Madagaskar zu konzentrieren und isolieren, an.
 
Wie gesagt Leute, das is ne Weile her, und was ich sicher erinnere ist die Karte des fraglichen Gebietes. Das Gebiet umfaßte Palästina incl. eines Streifens östlich des Jordan, dafür ohne Negev.

Aus meiner näheren Umgebung stammt ein Baurat Konrad Schick der sich im 19. Jahrhundert in Jerusalem betätigt hat, von ihm stammen (unter vielem anderem) die ersten modernen Karten von Jerusalem und Umgebung, er hatte einen sehr evangelisch/frommen Hintergund. Ist mir bei der Nennung des Wortes "Karte" eingefallen. Vielleicht hat da jemand etwas vermischt.

Ich kann mir, schon aus Rücksicht auf die Türken, kein halbwegs ernsthaftes Projekt in der Richtung vorstellen.
Haben nicht die Österreicher irgendwo im osmanischen Machtbereich koloniale "Ideen" gehabt, die sie auf Bismarcks Drängen wieder fallen gelassen haben?
 
Danke Repo.


Haben nicht die Österreicher irgendwo im osmanischen Machtbereich koloniale "Ideen" gehabt, die sie auf Bismarcks Drängen wieder fallen gelassen haben?


Das ist mir wiederum nicht bekannt, aber diesbezüglich hatte ich mich neulich schon gefragt, inwieweit Aufteilungspläne schon Gestalt hatten.
Letztlich wollten sich doch einige Europäer ein Stück unter den Nagel reißen.

Vielleicht könnten wir das Thema dahingehend aufbohren, mit der Ausgangsfrage kommen wir wohl eh nicht weiter...
 
Theodor Herzl sprach bei Kaiser Wilhelm II während dessen Orientreise im Jahr 1898 vor, um ihm von seinem Plan einer "öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte Palästina" zu überzeugen. Dabei signalisierte Kaiser Wilhelm, der übrigens keineswegs ein Antisemit war, eine mögliche Zustimmung.

Bei seinem Einzug in Jerusalem mag sich Wilhelm II wie der Staufer Friedrich II vorgekommen sein. Dabei dürften sich romantische Schwärmerei für das sagenumwobene Reich der Staufer mit handfesten machtpolitischen Interessen gemischt haben. Für Friedrich II hatte der Frieden mit dem Sultan Al Kamil eine bedeutende Stärkung seiner Position im Machtkampf mit dem Pabst, aber auch gegenüber Frankreich und England bedeutet. Nach der Vorstellung Wilhelms II sollte ein Bündnis mit dem Osmanischen Reich die deutsche Position gegenüber Frankreich, Großbritannien und Rußland stärken. Daher setzte sich Wilhelm II vehement für den Bestand des Osmanischen Reiches ein. Außerdem versicherte er während einer Rede in Damaskus den "300 Millionen Mohammedanern, dass zu allen Zeiten der Deutsche Kaiser ihr Freund sein wird."

Bei seinem Versuch, Weltpolitik zu betreiben und namentlich Einfluß im Orient zu gewinnen, kam ihm das Anliegen Herzls gelegen. Eine starke jüdische Kolonie in Palästina, geführt von deutschen bzw. deutschsprachigen Juden unter dem moralischen Protektorat des Kaisers hätte ganz den Vorstellungen Wilhelms II entsprochen. Eine solche Einflußnahme konnte allerdings nicht im Sinne des Osmanischen Reiches sein, ganz abgesehen von den innenpolitischen Spannungen, welche die Ansiedlung einer großen Zahl von Juden in Palästina mit sich bringen mußte. So lehnte Sultan Abdulhamid II den Plan für einen jüdischen Staat in Palästina ab.

Gneisenau
 
Theodor Herzl sprach bei Kaiser Wilhelm II während dessen Orientreise im Jahr 1898 vor, um ihm von seinem Plan einer "öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte Palästina" zu überzeugen. Dabei signalisierte Kaiser Wilhelm, der übrigens keineswegs ein Antisemit war, eine mögliche Zustimmung.

......aber wie es weiterging, ist wenig geeignet, den Kaiser W II. nicht als Antisemiten zu erkennen. In traditionell hohenzollernscher Nützlichkeits-Strategie , zynisch getarnt unter einem pseudo-humanistischen Mäntelchen ,wird das Bestreben Herzls nach Unterstüztung Wilhelms für ein Protektorat Palästinas 1898 , von kaiserlicher Seite nicht nur nebenbei als willkommene Gelegenheit gesehen,u.a. lästige jüdische Sozis , Proletariat und polit. Querulanten aus Deutschland loszuwerden.
Was letztlich die Hybris der wilhelm. Politik in Sachen Zionismus zeigt, erhellt folgender Artikel der "Zeit"

"Anders als seine Begeisterung für die Schlachtflotte, anders als sein Glaube an die Monarchie von Gottes Gnaden oder seine Entschlossenheit, das Deutsche Reich zum Rang einer Weltmacht zu erheben, war sein Interesse am Zionismus flüchtig und oberflächlich. Von Anfang an von antisemitischen Vorurteilen und egoistischem Kalkül motiviert, verlief seine Absicht, ein deutsches Protektorat über einen Judenstaat in Palästina zu proklamieren, nach Abdulhamids njet schnell im Sande.

Von Jerusalem fuhr der Kaiser nach Damaskus, wo er am 8. November alle Welt mit der Verkündigung in Erstaunen setzte, er betrachte sich als Beschützer von 300 Millionen Muslimen. Aus seiner Enttäuschung über das, was er in Palästina erlebt hatte, machte der allerhöchste Kreuzfahrer allerdings kein Hehl. Palästina sei "ein trostloser, ausgetrockneter Steinhaufen", schrieb er seiner Mutter auf der Heimfahrt. "Der Mangel an Schatten und Wasser ist entsetzlich ... Jerusalem ist gänzlich verdorben durch die vielen ganz modernen Vororte ... voller jüdischer Kolonisten. 60 000 von diesen Leuten waren da, schmierig, erbärmlich, kriechend und verkommen, die nichts zu tun haben außer sich bei den Christen und Musulmanen gleichermaßen verhaßt zu machen, indem sie diesen Nachbarn jeden schwerverdienten Groschen abzuknöpfen versuchen. Lauter Shylocks allesamt."

Wilhelms seltsamer Kreuzzug: Vor hundert Jahren traf der deutsche Kaiser den Zionisten Theodor Herzlim Wüstensand. Der Antisemit Wilhelm II. schien bereit, sich für einenjüdischen Staat in Palästina stark zu machen. Sein Biograph John C. G. Röhlschil
 
Dass die Türken in ihrer politischen Zwickmühle und finanziell in der Bredouille nicht begeistert von der Idee sein würden, hätte (und hat womöglich) Wilhelm sich denken können.

Herzl ist es auch nicht- wie von ihm eigentlich geplant- gelungen, die finanziellen Mittel aufzutreiben, mit denen er in der Lage gewesen wäre, die Türken für seine Sache zu überzeugen.

Wilhelms in dem Zeit- Artikel zitierten antisemitischen Äußerungen bedürfen keines weiteren Kommentars.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Wußt ich's doch, daß dieses Thema hier auch noch vor sich hinschlummert. :D

"Der Spiegel" weiß auch etwas dazu:
So propagierte der preußische Offizier Helmuth von Moltke, beauftragt mit der Reorganisation der türkischen Armee, um 1840 ein christliches Fürstentum Palästina mit einem unbeschränkten, aber toleranten deutschen Herrscher an der Spitze.
SPIEGEL GESCHICHTE*3/2009 - Verheißung und Erschrecken
Als krönender Abschluss des 19. Jahrhunderts wurde schließlich in Jerusalem der Besuch des deutschen Kaisers Wilhelm II. im Jahr 1898 inszeniert.

Zum christlich-deutschen Fürstentum Palästina, von dem Helmuth von Moltke einst fabuliert hatte, hat es aber dann doch nicht ganz gereicht.
Jerusalemsehnsucht, Jerusalemwahn: Verheißung und Erschrecken - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Reise

Und auch die Buchsuche lieferte Hinweise:
Europäer in der Levante - Google Bücher

Das reiht sich ganz gut in den "deutschen Kolonialismus" und die "vergessenen Kolonialprojekte" ein, finde ich. Nur ne Karte scheint es nicht zu geben. :(

Repo, hier biste auch nochmal gefragt:
Haben nicht die Österreicher irgendwo im osmanischen Machtbereich koloniale "Ideen" gehabt, die sie auf Bismarcks Drängen wieder fallen gelassen haben?
Hat sich da infotechnisch was ergeben in den letzten drei Jahren? :D
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Österreicher waren jedenfalls schon vorher da - und sind es noch....*
Das österreichische Hospiz in Jerusalem


Sehr interessantes Buch da es die Levenate-Politik der Habsburger-Monarchie schildert die anders geartet war als die der anderen imperialistischen Mächte. Es ging um Einfluss in einem Raum ohne aber die Souverinität des osmanischen Sultans zu unterlaufen.


*hier bin ich wiedermal etwas sekkant gewesen, aber manchmal kann ichs mir nicht verkneifen....
 
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