Madonna steht auf einem Gesicht?

pelzer

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Grüezi
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In den vergangenen Tagen ist mir grad zweimal eine sonderbare Madonnen-Darstellung über den Weg gelaufen. Eine Madonna steht auf einem Gesicht!

Das erste Bild zeigt ein Altartuch aus dem Jahr 1440/50. Die Madonna steht auf einem Gesicht (Kopf)!
Das zweite Bild ist wohl eine Sichelmadonna, ich schätze mal aus dem 16/17. Jahrhundert mit einem pfausbäckigen Jesuskind. Zuerst fällt es gar nicht auf, aber auch sie steht auf einem (Mond?)Gesicht.

Mir kommt diese Darstellung etwas seltsam vor. Ist euch eine solche Darstellung bekannt? Hab ich da in der Kunstgeschichte nicht aufgepasst?

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Gruss
Pelzer
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Grüezi Mercy

Danke für die prompte Antwort: Aber schau noch mal genau hin, nix mit "Maria lactans".:grübel:
Ist vermutlich auch eine Mondsichelmadonna?

Mich interessiert eher das andere Ende der Madonna, das Gesicht unter ihren Füssen...

Gruss
Pelzer

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Ich kenne ein paar Abbildungen der Madonna auf einer Weltkugel die Schlange zertretend, eindeutig keine "Maria" sondern die Frau aus der Apokalypse des Johannes (mit Szepter).
Ich würde auf eine Spielart der Mondsichel tippen, denn wenn du genau hinschaust sind nach unten gedrehte Sichelhörner bei beiden Abbildungen zu erkennen. Und Gesichter auch in Halbmondformen wurden (und werden) bei Monddarstellungen häufig eingesetzt.
 
Ja, ich denke auch, dass dieses Gesicht den Mond darstellen soll. Auch wenn man meistens für die Mondsichelmadonna eine Sichel als Mond kennt, ist diese wahrscheinlich nur eine andere Art der Darstellung.
Hier noch ein paar Hintergründe:
"Und es geschah ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von 12 Sternen..." (Apokalypse 12,1)
Dieser Auszug bezieht sich höchstwahrscheinlich auf die oben sichtbaren Bilder (vor allem das erste!). Die Sonne kann man auf dem bild deutlich erkennen und auch der Mond ist nicht zu übersehen. Was die 12 Sterne betrifft: Es gibt andere Darstellungen, wo die mondsichelmadonna 12 Sterne über ihrem Kopf hat. Dies ist hier nicht der Fall, aber wenn man genau nachzählt hat die Krone (der mittlere Teil) auch Zwölf "Ecken".

Die 12 Sterne werden seit der alten Kirche mit den 12 Tierkreiszeichen in Verbindung gebracht; die Sonne als Christus; und den Mond als die Vergänglichkeit der Welt. Die Frau wird seit Epiphanius mit Maria identifiziert, später mit der Kirche.
 
Die Mondsichelmadonna, zuerst wohl um 1380 in Erfurt, zeigte anfangs noch einen Vollmond mit Gesicht, und nicht nur unter ihrem Fuß, sondern auch über ihr oder neben ihr.

Später wurde daraus dann eine Sichel, mal mit Gesicht, mal ohne, mal nach oben offen, mal nach unten, aber immer die Sichel des aufgehenden Mondes.

Der Mond, wie im Deutschen, ist einer der seltenen Fälle, wo der Mond in einer Sprache männlich ist. Im christlichen Verständnis war die aufgehende Mondsichel ein Symbol der Unbefleckten Empfängnis. Das kam wohl daher, dass Luna (lat. ist der Mond weiblich) schon in vorchristlicher Zeit als ein Symbol für Weiblicheit galt.

Also in beiden Fällen ein Beispiel für eine Mondsichelmadonna.
 
Bei uns in der Gegend sind die sog. Mondsichelmadonnen gar nicht so selten. Ad hoc fallen mir 3 ein, bei denen der Mond ein Gesicht hat. Eine besonders nette Darstellung krönt einen großen Schnitzaltar von ca. 1510. Hier trägt das Mondgesicht eine Augenbinde, damit es Maria nicht unter den Rock schauen kann... (Hab auf die Schnelle leider kein Foto davon parat)

Was mich an diesem Thema interessiert ist die Frage, warum der Mond ein Gesicht hat.
Ich hab mir deswegen schon die Tastatur klapprig gegoogelt, diverse Pastoren genervt und gelesen, was hier in der Pampa halt greifbar war... leider ohne Ergebnis.
Weiß hier vielleicht jemand, wie die Darstellung des Mondes mit einem Gesicht in die christliche Ikonographie geraten ist? Und wann?
 
Danke für den Link, Pfeiferhans. Aber warum der Mond ein Gesicht hat, wird dort leider auch nicht erklärt... :eek:(
 
Was mich an diesem Thema interessiert ist die Frage, warum der Mond ein Gesicht hat.
Ich hab mir deswegen schon die Tastatur klapprig gegoogelt, diverse Pastoren genervt und gelesen, was hier in der Pampa halt greifbar war... leider ohne Ergebnis.
Weiß hier vielleicht jemand, wie die Darstellung des Mondes mit einem Gesicht in die christliche Ikonographie geraten ist? Und wann?

Ich würde die Frage, warum der Mond ein Gesicht hat, einfach damit beantworten, dass die verschiedenen "Färbungen" am Mond einfach nur so aussehen wie ein Gesicht. Dies haben wahrscheinlich auch schon die Menschen früher gesehen und deshalb in ihren Abbildungen des Mondes das Gesicht hinzugemalt...das wär vllt die einfachste Erklärung...wenn du allerdings wissen möchtest, warum die Einschlaglöcher auf dem Mond unbedingt so aussehen wie ein Gesicht, so kann ich dir leider nicht weiterhelfen;)
lg Thalia
 
Du meinst also, daß die Darstellung auf Motiven aus der Volkskunst basiert? Aber es gibt ja auch Monddarstellungen ohne Gesicht, insbesondere im Altertum und frühen Mittelalter. Da war der Mond eine Sichel und gut...
Ich könnte die Volkskunst-Kröte auch eher schlucken, wenn die Darstellungen des Mondgesichts bei eher einfachen Leuten oder in bescheideneren Kirchen oder Kapellen zu finden wären... halt dort, wo Volkskunst und Volksfrömmigkeit zu Hause sind. Das ist aber nicht der Fall.

Deswegen würde ich für das Mondgesicht auch eher den umgekehrten Weg, also von der sakralen Kunst in die Volkskunst, für wahrscheinlich halten.
(Vielleicht ähnlich wie bei der Vorstellung, daß Moses Hörner hatte. Das begannen die Menschen auch erst zu glauben, weil Pfaffen, Kirchenmaler und -schnitzer ihnen die falsch übersetzte Bibelstelle eingetrichtert haben)

BTW: Ich persönlich sehe da ja üüüberhaupt keinen Mann im Mond, sondern wahlweise einen Frosch oder eine Kröte. ;)
 
Vielleicht war Galileis Blick durch das Fernrohr daran schuld.


Der hat für die Mondsichelmadonnen und andere Darstellungen zu spät ins Rohr geschaut. Was ich bisher an Mondgesichtern gefunden habe, stammt u.a. aus der 2. Hälfte des 15. / Anfang des 16. Jahrhunderts. Da war Galileo noch bei den Fröschen.

Aber apropos Galileo... Hatte nicht Plutarch ein Buch mit dem Titel "Das Mondgesicht" (oder so) geschrieben? Ich glaube, der war damals in unseren Breiten auch ziemlich "in". Aber ich hab keine Ahnung, ob sein "Mondgesicht" wirklich von demselben handelt, ganz zu schweigen davon, ob es tatsächlich einen derartigen Einfluß auf die Gedanken- und Kunstwelt des Abendlandes hatte.

Apropos Abendland: Wie weit waren diese mondgesichtigen Strahlenkranzmadonnen eigentlich verbreitet?
Fragen über Fragen... :grübel:
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber apropos Galileo... Hatte nicht Plutarch ein Buch mit dem Titel "Das Mondgesicht" (oder so) geschrieben?

Philosophenkollegen deuten den Mond als großen Spiegel. In seinen Flecken erkennen sie die Umrisse von Ländern und Meeren der Erde. Aristoteles nimmt den Mond genau in Augenschein. Nein, er sieht da nur ein paar dunkle Flächen und geht zu Bett.
Plutarch dagegen ist dem Mond und insbesondere seinen Flecken wohl gesinnt. "Das auf dem Mond erscheinende Gesicht ist daraus zu erklären, dass der Mond, ebenso wie die Erde, große Vertiefungen aufweist, die Wasser oder dunkle Luft enthalten", schreibt er in seinem Werk "Über das Antlitz des Mondes".

mare
 
Noch ein paar unsortierte Gedanken:
Ich meine, Mondsichel und Gesicht sind getrennt zu sehen. Das Gesicht steht für den Satan/Antichrist, der zertreten wird. Es hat für mich auch einiges von der üblichen Darstellungsweise eines Narren, der als mit dem Teufel im Bunde stehend gesehen wurde.
Dass dem Mond ein Gesicht aufgesetzt wird, und auch der Mann im Mond kommt zweifelsfrei von den Flecken. Das hat aber (weniger zweifelfrei, sondern nach meiner persönlichen Meinung) nichts mit dem Gesicht unter der Madonna zu tun.
Kirchenkunst war bis weit ins 19. Jahrhundert, wenn nicht Volkskunst im engeren Sinne, so doch immer Kunst fürs Volk. Den Analphabeten sollte durch bildhafte Darstellung die Botschaft, die sie nicht lesen konnten (und, soweit es sich um Katholiken handelte, auch bis vor ca. 100 Jahren gar nicht selbst lesen durften), entsprechend ihrem Erkenntnishorizont nahe zu bringen.
 
Zwar gab es viele solcher Bibliae pauperum, das heißt aber nicht, dass jegliche kirchliche Kunst nur fürs unbedarfte Volk war, es gab durchaus theologisch kompliziertere Bilder, die sich dezidiert nicht an das Volk, sondern an den Lesekundigen, in den Septem artes liberales gebildeten richteten.
Dass Katholiken nicht lesen durften, ist Unsinn. Was es gab war er Index der Verbotenen Bücher - noch bis in die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts! - der natürlich eine Bevormundung der Bürger von seiten der katholischen Kirche darstellte, wenn er auch aus theologischer Sicht zum Schutz der Gläubigen war.
 
<schnipp> Plutarch dagegen ist dem Mond und insbesondere seinen Flecken wohl gesinnt. "Das auf dem Mond erscheinende Gesicht ist daraus zu erklären, dass der Mond, ebenso wie die Erde, große Vertiefungen aufweist, die Wasser oder dunkle Luft enthalten", schreibt er in seinem Werk "Über das Antlitz des Mondes". mare

Mercy @ Mercy
Tja, da scheint Plutarch als Inspirationsquelle für das Madonnenmondgesicht wohl auszufallen. Fast ein bißchen schade eigentlich...
 
Dass Katholiken nicht lesen durften, ist Unsinn. Was es gab war er Index der Verbotenen Bücher - noch bis in die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts! - der natürlich eine Bevormundung der Bürger von seiten der katholischen Kirche darstellte, wenn er auch aus theologischer Sicht zum Schutz der Gläubigen war.

Ich habe nicht behauptet, dass Katholiken ü b e r h a u p t n i c h t lesen durften, sondern nur, dass sie die Botschaft, im Klartext: die B i b e l nicht lesen durften, weil ebendiese nämlich auf dem Index stand. Unglaublich, aber wahr!
 
Vielleicht muss ich meine Interpretation der Madonna doch revidieren. Was da steht ist zwar keine akademische Abhandlung, klingt aber ziemlich informiert und überzeugend:
probe.htm



Und da gibt es anscheinend auch so eine Madonna. Den Mond kann zumindest ich auf dem Bild aber nicht erkennen.
Madonna auf dem Mond
 
Rana, die nie eine Frage vergißt, die sie einmal gestellt hat, bekam heute Post von einer Kunsthistorikerin, die folgende Erklärungen für das Mondgesicht anbot:

Der Mond (Wechelgestirn) versinnbildlicht ihre [Marias - Anm. v. Rana] Macht über die Verfehlungen der irdischen Welt.
Ein menschliches Gesicht auf dem Mond läßt sich in diesen Zusammenhang
somit sicherlich als Herrschaft Mariens über die "verderbte, sündige"
Menschheit deuten. Im Zuge der im späteren Mittelalter zunehmenden
Individualisierung der Heilige- und Marienverehrung kann man auch an
einen konkreteren Hinweis auf einen möglichen Stifter denken!
Hmmm...
 
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