Ashigaru
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"Ich will nicht mehr in Kiew bleiben, sondern ziehe es vor in Pereslyavets an der Donau zu leben... Hier ist der Kern meiner Länder, wo alle Reichtümer zusammenkommen: seidene Kleider, goldene Geräte, Weine und verschiedene Früchte aus Byzanz; silberne Gegenstände und schnelle Pferde aus Böhmen und Ungarn; und wertvolle Felle, Bienenwachs, Honig und Sklaven aus den Rus."
Diese Worte - den Traum eines Reiches - legt die erste russische Chronik dem Kiewer Prinzen Sviatoslav I. (942-972) in den Mund (Eintrag für das Jahr 969). Sviatoslav ist vielleicht eine der am meisten in Vergessenheit geratenenen Eroberergestalten der europäischen Geschichte.
Unter seinen Vorgängern gewann das Reich der Rus langsam an Bedeutung und Einfluss - Grund war die wichtige Rolle als Handelspartner und Verbündeter der Byzantiner. Sein Vater Igor Rurikowitsch wagte 941 die offene Feindschaft mit Byzanz - in einer Seeschlacht auf dem Schwarzen Meer wurde seine Flotte zwar geschlagen, doch im Friedensvertrag von 945 wurde die Position des Kiewer Großfürsten eher gestärkt. Nun durften Rus nur mit Erlaubnis des Großfürsten Söldner in byzantinischen Diensten werden.
Sviatoslav kam vermutlich mit 21 Jahren an die Macht; zuvor hatte seine Mutter Olga die Regentschaft übernommen. Anhand seiner Quellen und der Taten erscheint er als ruheloser Krieger, der sich wenig um die Administration scherte und auch an der Christianisierung - die seine Mutter begonnen hatte - keinerlei Interesse zeigte. Er selbst blieb Heide.
Seine kurze Regentschaft war charakterisiert durch pausenlose Feldzüge. Die Erste Russische Chronik schildert sein persönlich anspruchsloses Leben wie folgt, vielleicht mit etwas Übertreibung:
"Bei seinen Expeditionen führte er weder Wagen noch Kessel mit sich, und kochte kein Fleisch, sondern schnitt sich kleine Streifen von Pferdefleisch, Wild oder Rind, und aß sie, nachdem er sie auf den Kohlen geröstet hatte. Er hatte auch kein Zelt, sondern legte eine Pferdedecke unter sich und den Sattel unter seinen Kopf, und genauso machte es sein Gefolge."
In den ersten Jahren seiner Herrschaft zerschlug er das östlich gelegene, im Niedergang befindliche Chasarenreich. Dies führte ihn bis ans kaspische Meer, wo er 969 die chasarische Hauptstadt Atil zerstörte.
Doch bereits ein Jahr vorher kam es zu einem Ereignis, dass schicksalhaft für Sviatoslav werden sollte. Byzanz hatte dem von inneren Krisen geschüttelten Bulgarenreich einen Tribut verweigert; stattdessen bat Kaiser Nikephoros II. die Rus, eine Strafexpedition gegen die Bulgaren zu starten. Dies war eine verhängnisvolle Entscheidung. Zwar waren die byzantinischen Truppen in Syrien gebunden, so dass sie nicht selbst die Bulgaren bekämpfen konnte.
Doch Sviatoslav, der 968 gleich die bulgarische Haupstadt Preslav/Pereslyavets eroberte, kehrte sofort, nachdem er die Chasaren endgültig geschlagen hatte, auf den Balkan zurück - hier, an der Donau, sollte nun sein Reich sein, so wie es im Eingangszitat geschildert wurde. Gleich den gesamten Kern seines Reiches in eine Region zu verlagern, in der mit den Bulgaren und Byzanz seit langem etablierte Reiche existierten, war ein kühner und radikaler Plan - der auch fast geglückt wäre.
Denn Sviatoslav gelang es, den zweiten großen Schutzwall des Byzantinischen Reiches nach den Mauern von Konstantinopel zu durchbrechen: die Diplomatie - bei der es den Byzantinern zumeist gelungen war, ihre slawischen Nachbarn gegeneinander auszuspielen.
Die Bulgaren, die Anstoss des neuen Krieges waren, besiegte er 969, und setzte sich selbst auf den Zarenthron, nachdem der betagte Peter I. gestorben war. Danach schmiedete er eine Allianz aus praktisch den gesamten nördlichen Nachbarn, um gegen das byzantinische Reich zu ziehen: sein Heer bestand aus drei Teilen: einem aus Russen und Bulgaren; einem aus Magyaren; einem dritten aus Petschenegen, die zuvor schon oft als Verbündete an seiner Seite standen.
So zog er gegen Byzanz, wobei er zunächst Adrianopel belagerte; 100 Kilometer nördlich von Konstantinopel, bei Arcadiopolis, kam es 970 zum Treffen mit den Truppen des Feldherrn Bardas Skleros. Sviatoslav soll die dreifache Übermacht gegenüber dem 10000 Mann starken byzantinischen Heer gehabt haben. Warum er eine vernichtende Niederlage erlitt, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall musste er sich hinter das Haimos-Gebirge zurückziehen, wo seine Armee nur deshalb der Vernichtung entging, weil sich in Anatolien gleichzeitig eine Revolte ereignete. Skleros wurde abberufen, um diese niederzuschlagen.
Im nächsten Jahr erlebte Sviatoslav die totale Niederlage gegenüber dem oströmischen Reich, dass die wichtigen Städte Durostorum und Preslav erobern konnte. Schimpflich musste er sich nach Kiew zurückziehen, von wo er ausgezogen war, um den Balkan zu erobern. Auf dem Weg dorthin durchkreuzte er das Gebiet der Petschenegen; diese waren längst von ihm
abgefallen und hatten vom byzantinischen Kaiser den Auftrag erhalten, ihn zu töten. So kam es, und Sviatoslav erging es wie vielen unterlegenen Heerführern zu dieser Zeit im Osten: sein Schädel endete als Trinkgefäß des
Petschenegen-Khans Kruja.
Möglicherweise war Sviatoslavs' Großmachttraum, der nur drei Jahre lang währte, zu übermütig; möglicherweise hätte er aber auch für einen der großen Wendepunkte in der Geschichte Osteuropas sorgen können. So aber gerieten Svjatoslav und die Schlacht von Arcadiopolis weitgehend in Vergessenheit. Die Kiewer Rus sollten hingegen in der Folgezeit wieder ihre Rolle als Verbündete von Byzanz einnehmen.
Diese Worte - den Traum eines Reiches - legt die erste russische Chronik dem Kiewer Prinzen Sviatoslav I. (942-972) in den Mund (Eintrag für das Jahr 969). Sviatoslav ist vielleicht eine der am meisten in Vergessenheit geratenenen Eroberergestalten der europäischen Geschichte.
Unter seinen Vorgängern gewann das Reich der Rus langsam an Bedeutung und Einfluss - Grund war die wichtige Rolle als Handelspartner und Verbündeter der Byzantiner. Sein Vater Igor Rurikowitsch wagte 941 die offene Feindschaft mit Byzanz - in einer Seeschlacht auf dem Schwarzen Meer wurde seine Flotte zwar geschlagen, doch im Friedensvertrag von 945 wurde die Position des Kiewer Großfürsten eher gestärkt. Nun durften Rus nur mit Erlaubnis des Großfürsten Söldner in byzantinischen Diensten werden.
Sviatoslav kam vermutlich mit 21 Jahren an die Macht; zuvor hatte seine Mutter Olga die Regentschaft übernommen. Anhand seiner Quellen und der Taten erscheint er als ruheloser Krieger, der sich wenig um die Administration scherte und auch an der Christianisierung - die seine Mutter begonnen hatte - keinerlei Interesse zeigte. Er selbst blieb Heide.
Seine kurze Regentschaft war charakterisiert durch pausenlose Feldzüge. Die Erste Russische Chronik schildert sein persönlich anspruchsloses Leben wie folgt, vielleicht mit etwas Übertreibung:
"Bei seinen Expeditionen führte er weder Wagen noch Kessel mit sich, und kochte kein Fleisch, sondern schnitt sich kleine Streifen von Pferdefleisch, Wild oder Rind, und aß sie, nachdem er sie auf den Kohlen geröstet hatte. Er hatte auch kein Zelt, sondern legte eine Pferdedecke unter sich und den Sattel unter seinen Kopf, und genauso machte es sein Gefolge."
In den ersten Jahren seiner Herrschaft zerschlug er das östlich gelegene, im Niedergang befindliche Chasarenreich. Dies führte ihn bis ans kaspische Meer, wo er 969 die chasarische Hauptstadt Atil zerstörte.
Doch bereits ein Jahr vorher kam es zu einem Ereignis, dass schicksalhaft für Sviatoslav werden sollte. Byzanz hatte dem von inneren Krisen geschüttelten Bulgarenreich einen Tribut verweigert; stattdessen bat Kaiser Nikephoros II. die Rus, eine Strafexpedition gegen die Bulgaren zu starten. Dies war eine verhängnisvolle Entscheidung. Zwar waren die byzantinischen Truppen in Syrien gebunden, so dass sie nicht selbst die Bulgaren bekämpfen konnte.
Doch Sviatoslav, der 968 gleich die bulgarische Haupstadt Preslav/Pereslyavets eroberte, kehrte sofort, nachdem er die Chasaren endgültig geschlagen hatte, auf den Balkan zurück - hier, an der Donau, sollte nun sein Reich sein, so wie es im Eingangszitat geschildert wurde. Gleich den gesamten Kern seines Reiches in eine Region zu verlagern, in der mit den Bulgaren und Byzanz seit langem etablierte Reiche existierten, war ein kühner und radikaler Plan - der auch fast geglückt wäre.
Denn Sviatoslav gelang es, den zweiten großen Schutzwall des Byzantinischen Reiches nach den Mauern von Konstantinopel zu durchbrechen: die Diplomatie - bei der es den Byzantinern zumeist gelungen war, ihre slawischen Nachbarn gegeneinander auszuspielen.
Die Bulgaren, die Anstoss des neuen Krieges waren, besiegte er 969, und setzte sich selbst auf den Zarenthron, nachdem der betagte Peter I. gestorben war. Danach schmiedete er eine Allianz aus praktisch den gesamten nördlichen Nachbarn, um gegen das byzantinische Reich zu ziehen: sein Heer bestand aus drei Teilen: einem aus Russen und Bulgaren; einem aus Magyaren; einem dritten aus Petschenegen, die zuvor schon oft als Verbündete an seiner Seite standen.
So zog er gegen Byzanz, wobei er zunächst Adrianopel belagerte; 100 Kilometer nördlich von Konstantinopel, bei Arcadiopolis, kam es 970 zum Treffen mit den Truppen des Feldherrn Bardas Skleros. Sviatoslav soll die dreifache Übermacht gegenüber dem 10000 Mann starken byzantinischen Heer gehabt haben. Warum er eine vernichtende Niederlage erlitt, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall musste er sich hinter das Haimos-Gebirge zurückziehen, wo seine Armee nur deshalb der Vernichtung entging, weil sich in Anatolien gleichzeitig eine Revolte ereignete. Skleros wurde abberufen, um diese niederzuschlagen.
Im nächsten Jahr erlebte Sviatoslav die totale Niederlage gegenüber dem oströmischen Reich, dass die wichtigen Städte Durostorum und Preslav erobern konnte. Schimpflich musste er sich nach Kiew zurückziehen, von wo er ausgezogen war, um den Balkan zu erobern. Auf dem Weg dorthin durchkreuzte er das Gebiet der Petschenegen; diese waren längst von ihm
abgefallen und hatten vom byzantinischen Kaiser den Auftrag erhalten, ihn zu töten. So kam es, und Sviatoslav erging es wie vielen unterlegenen Heerführern zu dieser Zeit im Osten: sein Schädel endete als Trinkgefäß des
Petschenegen-Khans Kruja.
Möglicherweise war Sviatoslavs' Großmachttraum, der nur drei Jahre lang währte, zu übermütig; möglicherweise hätte er aber auch für einen der großen Wendepunkte in der Geschichte Osteuropas sorgen können. So aber gerieten Svjatoslav und die Schlacht von Arcadiopolis weitgehend in Vergessenheit. Die Kiewer Rus sollten hingegen in der Folgezeit wieder ihre Rolle als Verbündete von Byzanz einnehmen.
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