Frage zu Degen und Trageweise im 18.Jh.

Brissotin

Aktives Mitglied
Ich habe mal den Thread vorsichtshalber gesondert gemacht, da es mir diesmal wirklich nur um Degen des 18.Jahrhunderts geht.
Eingangs habe ich auch gleich eine Frage. Wie üblich sind Portepees an Degen im Zivilen?
Auf diesem Gemälde des großen Thomas Gainsborough trägt der Herr ein Portepee auf jeden Fall und ich dachte mir, waren diese nicht auf Soldaten und Offiziere, das Militär im Allgemeinen beschränkt?
http://www.tate.org.uk/britain/exhibitions/gainsborough/room3.htm
 
Ob im 18. Seculo absonderliche Degen vor das Frauenzimmer seyn; Item, ob solcher Manier Degen-Mode eygentlich nützlich und zugelassen seye.

Da meine Anmeldung im Reenacter*-Forum im Juni fehl schlug, handle ich die gewissen 'Degendamen' nun endlich an dieser Stelle ab, was ich schon seit Wochen vor mir her geschoben habe. Als Verfechterin des galanten Wohlwesens ist es meine heilige Pflicht, hierzu Stellung zu nehmen:

Nutzerin "Maria von Virmond" fragte im Reenacterforum am 25.04.07 folgendes:
"... wieviel würde ein Degen für Damen (18. Jhd.) kosten und wie schwer wäre dieser?
Sind eigentlich noch Originalstücke aus diese Zeit die speziell für Frauen angefertigt wurden erhalten?"

Als bekennende Tantzmeisterin muß ich dazu sagen, daß bei uns im 18.Jahrhundert 'Zuckertorte mit Senf' nicht angesagt sei. Zu ausladenen Kleidern paßt ein Degen einfach nicht. Außerdem ist Frauenzimmer-Kleidung zum Fechten viel zu unpraktisch! Die Dame vertraut sich ja dem Schutze des Cavaliers an ...
Daß aber unsere galante Zeit dem Frauenzimmer nicht einige Emanzipation vergönne, kann man nicht eigentlich behaupten: Wußten Sie eigentlich, daß Damenwahl auf unseren Bällen überflüssig ist? Weil nämlich im frühen 18.Jahrhundert die Dame jederzeit einen Herrn zum Tanz bitten kann - eben nicht allein der Herr die Dame. Die galante Welt achtet aber sehr auf Stil. Ich darf einmal den verehrten Maitre LOUIS BONIN zitieren:

"Hat aber eine Dame hoch tanzen gelernet/ welches was rares/ und sie hat den Habit [also den Aufzug bzw. die Kleidung] eines Cavaliers/ da wird man ihr das hohe Tanzen nicht verwehren/ sondern vielmehr aus ihrer Geschicklichkeit ein Ergötzen schöpfen."

Die Tanzmeister des 18. Jahrhunderts begründen stets zu recht, daß allzu heftiges Tanzen in weiblicher Kleidung nur komisch wirken würde. Mir erschien dies sogar schon bei Feüillets Gigue à deux, obwohl darin nur flach gesprungene Contretemps vorkommen: Weil dieser Tanz aber recht wild anmutet, kamen mir die Damens wie hüpfende Nilpferde vor, deren Kunstpopos wild hin, her, auf und nieder schleuderten. Oder waren sie alle Fregatten in Seenot?

Doch, ist das nicht im 21.Jahrhundert genauso? Ist es nicht so, daß wir Frauen uns im schicken Kleid oder Rock deutlich dezenter bewegen, als in Jeans oder Trainingszeug? Einfach deswegen, weil die Wirkung der Kleidung (sowie die conventionell-feminine Aura) sonst zerstört wird. Auch die Frau des 21.Jahrhunderts möchte 'Frauenzimmer-gemäß' wirken und wird sich kaum männliche Requisiten umhängen. Bei Männern haben sie so immer noch den besten Erfolg (!!!).
Übrigens gilt obige Frage bei LOUIS BONIN auch umgekehrt: Er besteht nämlich darauf, daß Männer, die auf einem Ball weibliche Kleidung tragen, dementsprechend flach und "doucement" zu tanzen haben, weil es sonst ja doch nur grotesk herüber kommen würde.

Am 26.April antwortete im Reenacterforum ein gewisser Jacobus u.a. folgendermaßen:
"Im Mittelalter, gerade im späten, waren es bedeutend mehr Damen als nur Jean d´Arc.
Nun war das Mittelalter deutlich emanzipizierter als viel heute wissen. In meinen 15 Jht. Fechtbüchern von Thalhofer und anderen ist der gerichtliche Zweikampf zwischen Mann und Frau immer ein Thema!!!Und mit dieser Emanzipitation gings aber ab M. Luther und Reformation deutlich bergab."

Ich muß dazu sagen, daß dem Mittelalter der Humanismus noch fremd war und dementsprechen wenig galt auch ein Frauenleben. Frauen sind Männern nachweislich körperlich unterlegen, weshalb der obgenannte Zweikampf eigentlich reine Barbarei ist. Andernfalls wäre bei einer Olympiade die Geschlechteraufteilung unnötig. Bei Blankwaffen kommt es allemal auch auf Muskelkraft an. Wie wenig aber dem Mittelalter ein Frauenleben gilt, sieht man im "Armen Heinrich": Zwar wird die Jungfrau schließlich nicht zu Heilungszwecken des Ritters geschlachtet, doch wird die ganze Zeit mit dem Gedanken daran gespielt. Das erinnert mich doch stark an den afrikanischen Aberglauben des 21. Jahrhunderts, wonach der Geschlechtsverkehr mit einer Jungfer von Aids heile. - Daß das Mittelalter weitaus roher, abergläubischer und unbarmherziger war, als die Frühneuzeit, entnimmt man der Sprache von Originalliteratur. - Mittelalterfans werden natürlich immer bestrebt sein, zu beschönigen.
Der von mir gleichfalls verehrte Caspar Stieler schreibt 1695 in seinem Buch "Zeitungs Lust und Nutz":

"Nachdem es aber iezo nicht mehr um die Zeit der alten Welt ist/ da das Weibes-Volk/ gleich den Schnecken Jahr aus Jahr ein/ im Hause bleibet und arbeitet/ sondern eine mehrere Freyheit erlanget hat/ in Gesellschaften zu kommen und Politische/ oder tugend Gespräche zu halten ..."

Ich sage : Stieler hat recht. In der Gotik galt zwar die Dame hohen Standes etwas und lebte recht emanzipiert, doch erst in der Vor- und Frühaufklärung kam die bürgerliche Frau in diesen Genuß. - Die bürgerliche Revolution scheint frauenemanzipatorisch zunächst einen Rückschritt gemacht zu haben (die "Damenwahl" ist ja sogar noch um die Mitte des 20ten Jahrhunderts Ventil!). Inzwischen kann man aber sagen, daß Frauen nie zuvor in der Geschichte so frei gelebt haben, wie heute in unserer westlichen Kultur. - Mal ganz offen gesagt, halte ich die Histörchen vom früheren Matriarchat für reichlich übersteigert und schönfärberisch idealisiert - womit sich bekennende Frauenaktivistinnen beruhigen (woanders als hier ist's immer beser/ bzw. gaanz gaanz früher? - ein nostalgischer Allgemeinplatz). Berichte von sagenumwobenen Amazoninnen der Antike findet man ja auch in der Litteratur des 18.Jahrhunderts. Vergessen wir aber nicht, daß der Mann auf natürliche Weise mit Testosteron 'gedopt' ist. (Den Hormonspiegel alter Amazonen kann man heute schlecht überprüfen, doch ich fürchte, daß so manche als Hermaprodit durchgehen könnte ...) - Das mit dem "Matriarchat" erinnert mich stark an Beteuerungen, daß in muslimischen Landen die Frau aber-ja-doch das Sagen im Hause habe und folglich nun-ja-immerhin-doch einigen Einfluß. Das ist Scheinlogik welche Realitäten von Unterdrückung auf den Kopf stellt. Und genauso verherrlicht man heute auch das Mittelalter.

Nein, für mich steht fest, daß die frühe Neuzeit in Sachen Frauenbefreihung einen großen Fortschritt gebracht hat. Der zweite Schritt wurde im 19./20.Jahrhundert vorbereitet und getan, wovon wir heute profitieren dürfen.

Das Thema "Degen speziell für Damen" kann man getrost abhaken. Eine Frau, die zu ihrer Damenrobe einen Degen tragen wollte, würde im frühen 18.Jahrhundert zum Gespött werden. Je nach der Strenge der örtlichen Obrigkeit, kann auch leicht passieren, daß sie deswegen vor Gericht landen wird, wo man ihr die Auflage machen wird, den Degen künftig abzulegen. Weil "Crossover" in der galanten Welt im großen und ganzen numal verpönt ist. Es wäre, wie man dort argumentiert, ein Auflehnen gegen die gottgewolte Geschlechterordnung. Außerdem sehen die Männer den Degen (ebenso wie die Hose) als ihr männliches Vorrecht an und sind von daher wenig nachgibig in diesem Punkte.

Es hat aber in der Frühneuzeit einige wenige Frauen gegeben, welche zu wahrem Heldenruhm gelangt sind - weshalb man ihnen ihre Ehre und männliche Kleidertracht auch gelassen hat : als Soldaten zu Felde, zur See ect.; bekanntermaßen hat es ja auch berühmte Piratinnen gegeben. Diese in der Tat gefeierten Heldinnen agierten aber allesamt in männlicher Kleidung, worin sie sich jahrelang als Männer ausgegeben hatten (bis man ihnen auf die Schliche kam). Trotzdem sollte man nicht übersehen, daß die Masse derjenigen Frauen, die sich zum Militär stahlen, mit Schimpf und Schande davon gejagt wurde, sowie des öfteren auch bestraft.
Das waren aber - das muß hier betont werden - keinesfalls normale Frauen. Nicht wenige unter ihnen waren schlicht homosexuell und teils sogar mit Frauen verheiratet. Andererseits trieb natürlich auch das Elend Frauen zum Militär - oder die drohende Zwangsverheiratung.
Eine galante Dame würde niemals ohne Not soetwas machen - es sei denn sie steht z.B. auf Frauen und will partout aus ihrer Rolle ausbrechen ...

Heute, im 21.Jahrhundert dürfen wir Frauen ja wirklich ALLES. Wir können alles das tun, was Männer auch tun - sogar mit einer Panzerfaust durch den Schlamm robben, oder mit einem schweren Bohrhammer malochen. Ja, wir dürfen sogar mehr, als die Männer : alles anziehen, ob Rock oder Hose, selbst wenn es Männerklamotten sind. Wer würde davon einen Skandal machen wollen? Männer haben soviele Freiheiten nicht - in Frauenkleidern werden sie schnell lächerlich gemacht und skandalisiert.
Doch in der Regel nutzen wir Frauen diese Freiheiten kaum voll aus. Weil wir eben doch Frauen sein wollen. Und so kehren wir eben doch immer wieder freiwillig in die Schranken gewisser weiblicher Conventionen zurück. Tragen eher zierliche kleine Acsencoires, als klotzige Bohrhämmer. (Ich hörte übrigens öfters Raunen, daß die Herren dies heute noch honorieren würden, um die Frauen zur Weiblichkeit zu ermuntern.) ...

Ähnlich muß man die Dame des 18.Jahrhunderts auch betrachten. Warum sollte sie einen Degen tragen? Sie wird ja in der Regel nicht auf Frauen, sondern auf Männer stehen, welche einen Degen tragen, womit sie gerade auch das "Damen=Volck" beschützen möchten. Ein Calvalier wäre tief verletzt, wollte seine Ballbegleiterin mit einem Degen erscheinen, als wäre er nicht Kerls genug, für die Sicherheit seiner Dame zu sorgen(!!).
Andererseits hat es in Europa einige wenige Höfe gegeben, wo man sich fast jede Verrücktheit heraus nehmen konnte. Höfe etwa, wo Homosexualität völlig offen gelebt wurde. In Wolfenbüttel etwa, wo der schwule Herzog Anton-Ulrich regierte (der sich sehr um die Teütsche Sprache und Litteratur verdient gemacht hat!), kann ich mir so ziemlich alles vorstellen. Und es gab gewiß noch den einen oder anderen Winkel in Europa, wo ungewöhnliche Dinge an der Tagesordnung waren. In Norditalien soll es z.B. noch doller zugegangen sein, als etwa in Pariß und Versaille. Und in Holland vernahm man auch zuweilen Frauen Trompete und Posaune blasen, oder die Pauke schlagen, was ansonsten undenkbar war.

Als Tanzmeisterin, in der Tradition des frühen 18.Jahrhunderts, muß ich aber den guten Geschmack anmahnen!!!!!!!! Wer seine Rolle ernst nimmt und nicht mit groteskem Narrentum aufzuziehen gedenkt, sollte sich überlegen, ob frau nicht lieber zur Herrenstange greift, um sich einen schicken Justeaucorps überzustreifen, wenn frau nunmal so sehr an ihrem schönen Degen hängt.

Weil sich - selbst der erlesenste und kostbarste Senf - eben nicht zur Zuckertorte schickt !!!!!!!!!!!!


* Ich bin keine "Reenacterin". Ich selbst spreche und schätze US-Englisch sehr, aber warum kann man nicht - wo man sich doch so gerne ins 18.Jahrhundert versetzten möchte - Ausdrücke wählen, die dem Zeitgefühl entsprechen? Sonst ist's ja kein authentischer Aufenthalt in jener Zeit mehr.
 
Zuletzt bearbeitet:
Compromiß, der mir heute Morgen einfiel:

Es gibt Ecken - vornehmlich wenns finster - die gefährlich sind und ein Frauenzimmer hat nicht zu jeder Zeit männliche Begleitung zu ihrem Schutze.
Für solche Fälle möchte ich doch anregen, daß die Dame ihren Degen in ihrem Beütel/Sack verstaut, dieser fein zugezogen, sodaß der Degengriff oben heraus schaut; es müßte freilich ein etwas größerer Sack sein, damit solches Gewehre nicht ständig heraus kippe. Zu mehrer Sicherheit köndte sie noch eine Pistolen mit hinein legen.
Nun ist im 21.Seculo eingerißen, daß man dort Frauenzimmer mit Degen auftreten läßet, welche gar ein und ander Combat wider das Mannsvolck fechten, dabey die Dam mehrentheils obsiegende; Daß wie man dem Frauenzimmer dort gar so freündlich gesonnen, ist sehr zu loben, es ist allein keines Weges die Würcklichkeit im 18ten Seculo, nein! wer ein Frauenzimmer solcher Manier angreiffen thäte, wolte doppelte Leybes=Straffe zu erwarten haben.

Das 21.Seculo darff allein spielen, wie es ihme beliebet, und wündsche demselbigen, daß darbey sich ferner lustig machen wolte. - Meine Auffgab, solche mir daselbsten gestellet, ist, aus der todten Litteratursprache deß Frühneuhochdeutsch wieder die lebende Teütsche Sprach erstehen zu laßen : gestalten ja doch die Sprache uns weiset, wie es würcklich und in der That beschaffen, welches in vielerley alten Zeitungen und Büchern nachlesen kan, wer der Teütschen Sprache mechtig.

Dienstlich
Demoiselle
 
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Immerhin focht der berühmte Chevalier d'Eon, Träger des Saint-Louis-Orden in Damenkleidern, wozu man anmerken muss, dass er ein Mann war.
Homosexuality in Eighteenth-Century England: The Case of Chevalier D'Eon, 1777 Ganz unten sieht man ein Bild dazu.

Zu meiner Eingangsfrage: Sie scheint wohl doch etwas speziell zu sein und ich bekam auch aus der Kennerszene bis jetzt noch keine Antwort.

Außerdem beschäftige ich mich derzeit damit wer alles unter den Zivilisten Degen trug. Dabei scheinen die früher noch deutlicheren Kleiderordnungen wenig dazu beigetragen haben, dass das Degentragen auf den Adel beschränkt geblieben wäre. So wissen wir von Bach, der einen Geiger mit dem Degen schlug, dass er obwohl Bürgerlicher über einen solchen verfügte.

Kennt noch jemand dazu Hinweise?
 
Zu meiner Eingangsfrage: Sie scheint wohl doch etwas speziell zu sein und ich bekam auch aus der Kennerszene bis jetzt noch keine Antwort.
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Kennt noch jemand dazu Hinweise?

Ich habe mal den Thread vorsichtshalber gesondert gemacht, da es mir diesmal wirklich nur um Degen des 18.Jahrhunderts geht.
Eingangs habe ich auch gleich eine Frage. Wie üblich sind Portepees an Degen im Zivilen?

Zwar bin ich diesbezüglich alles andere als ein profunder Kenner, aber alle Definitionen zum Portepee, welche ich bis dato online gefunden habe, gehen definitiv vom Militär aus.
Danach kennzeichnete im 18. Jh. das Portepee vor Einführung der entsprechenden Rangabzeichen zunächst die Offiziere, gegen Ende jenes Jh. (lt. Wikipedia in Preußen ab 1789) auch Unteroffiziere mit besonderen Rechten - sprich: ab Feldwebel aufwärts.
Aus diesem Grund unterscheidet man auch heute noch Unteroffiziere ohne Portepee (z.B. Bundeswehr: Unteroffizier, Fahnenjunker, Stabsunteroffizier) und Unteroffiziere mit Portepee (z.B. Bundeswehr: Feldwebel, Fähnrich, Oberfeldwebel, Hauptfeldwebel, Oberfähnrich, Stabsfeldwebel, Oberstabsfeldwebel).
Hier die beiden relativ gleichlautenden, aber wohl voneinander unabhängigen Artikel (welche Du sicher schon kennen wirst):
Portepee - Wikipedia
-> hier auch der Verweis zu Portepee - Wiktionary, das freie Wörterbuch - Das Wikiwörterbuch
Definition: Portepee - Meyers Lexikon online

Aber ich schaue zuhause noch einmal nach, ob ich in der Waffenenzyklopädie evt. dazu noch etwas finde...
 
Aber ich schaue zuhause noch einmal nach, ob ich in der Waffenenzyklopädie evt. dazu noch etwas finde...
Erstmal danke. Ja das stimmt die Portpees waren ursprünglich den Offizieren überlassen, wenngleich in der preußischen Armee sehr früh auch für Mannschaften eingeführt. In Frankreich blieben Portepees bis zur Revolutionszeit nicht vorgeschrieben, waren aber mit der Zeit verbreiteter und wurden während der Koalitionskriege auch dort reglementiert, sie waren ja ohnehin auf Grenadiere, Chasseurs (bis diese den Säbel verloren), Carabiniers und Voltigeurs (letztere erst ab ihrer Einführung nach dem Ende der Republik), also Eilteinfanteristen beim franz. Fußvolk beschränkt.

Bei dem vorliegenden Gemälde ist ein Portepee ganz ähnlich dem eines Offiziers erkennbar. Vielleicht war der dargestellte englische Edelmann aber auch Offizier und kombinierte ein militärisches Element seiner Uniform mit seiner zivilen Kleidung. Auffällig ist ja auch die etwas klobrige, auf jeden Fall mächtige Ausführung des Degens, bei dem es sich durchaus um einen Degen handeln sollte, der für den Kampf geeignet war.
 
Immerhin focht der berühmte Chevalier d'Eon, Träger des Saint-Louis-Orden in Damenkleidern, wozu man anmerken muss, dass er ein Mann war.

Meinen höchsten Respect! Doch es ist in der Tat so, daß Damenkleider eher behindern - unter diesen Bedingungen muß er umso virtuoser gewesen sein. - Was Engelland angeht, so hörte ich wohl, daß es am Hof Wilhelms von Oranien, der ja selbst homosexuell war, recht locker zuging. In meinem ersten, längeren Text habe ich auf dererlei Ausnahmen ja auch hingewiesen. Ich interessiere mich aber eigentlich mehr für den gewöhnlichen galanten Alltag, vornehmlich in der bürgerlichen Welt. Und da hatte man lange nicht solche Narrenfreiheit. (Es hat übrigens im 16.Jahrhundert in Südamerika einen Conquistador namens Catalina gegeben. Es war bekannt das diese Frau lesbisch war. Weil sie aber, wie es überliefert ist, als bester Fechter Südamerikas galt, hat man sie wohl in Frieden gelassen. Sie hat um manche Frau gefochten und offenbar stets obsiegt.)

Zu meiner Eingangsfrage: Sie scheint wohl doch etwas speziell zu sein und ich bekam auch aus der Kennerszene bis jetzt noch keine Antwort.

Außerdem beschäftige ich mich derzeit damit wer alles unter den Zivilisten Degen trug. Dabei scheinen die früher noch deutlicheren Kleiderordnungen wenig dazu beigetragen haben, dass das Degentragen auf den Adel beschränkt geblieben wäre. So wissen wir von Bach, der einen Geiger mit dem Degen schlug, dass er obwohl Bürgerlicher über einen solchen verfügte.

Brissotin, so ziemlich jeder Mensch trug damals einen Degen. Es ist ein Vorurteil des 20.Jahrhunderts, daß der Degen Vorrecht des Adels gewesen sein sollte. Bach war da keine Ausnahme. Ich persönlich weiß von einer Auseinandersetzung Bachs mit einem Fagottisten. Bach hatte ihn während einer Probe als "Zippelfagottisten" critisiert. Draußen vor der Kirche wollte der Mann seinem musicalischen Oberen ans Leder. Da zog dieser seinen Degen und der zornige Fagottist trollte sich.
In der Societas Cvriosa erzählte ich bestimmt von dem Duell zwischen Händel und seinem 'vätterlichen Freund' Mattheson. Während einer Opernaufführung verließ Mattheson einmal das Clavier, um sich durch Händel kurz vertreten zu lassen. Dieser aber wollte das Clavicimbal nicht mehr räumen, als jener wieder zurückkam. Da forderte der ältere zum Duell, während dem Händel an einem seiner Rockknöpfe getroffen wurde: Der Degen Matthesons rutschte vom Knopf ab und kam dann an Händels Schnupptoback=Dößgen zum stehen - Gott-seys-gelobet-und-gedancket! - Beide jungen Herren trugen also Degen, als Musiker und auch wenn sie zur Arbeit in die Hamburger Oper am Gänsemarckt gingen - vielleicht sogar am Instrument.

Man sieht auf alten Stichen und Gemälden allerorten Männer mit Degen - auch in bürgerlicher Umgebung. Aus meiner Tanzmeister-Literatur geht dies ja auch eindeutig hervor: Jeder noch so popelige Studente geht nebenbei zum Fechtmeister. Und er trägt seinen Galanteriedegen bei jeder Gelegenheit - leider auch in den Wirthshäusern, sodaß es unter Alkolholeinfluß zu manch tödtlicher Auseinandersetzung kommt. Der Schriftsteller Meletaon beklagt dies in seinem Buch von 1712.

Leibzig, eine Hochburg des galanten Tantzens, phasziniert mich als Universitätstadt sehr. Doch als Berlinerin wüßte ich persönlich gern mehr aus dem galanten Berlin. Wer waren hier die führenden Tantz- und Fechtmeister? Irgendwo werden schon Quellen schlummern, die gleichwohl auch Deine Fragen mit erhellen könnten, Brissotin. Darunter befindet sich gewiß auch der eine oder andere Kupferstich, auf dem unzweideutig zu erkennen ist, was sonst mit vielen Worten zu umschreiben wäre. Ich finde es sinnvoll, alte Stiche zu sammeln - zu copieren wo man nur kann. Ich möchte meinen Fundus künftig noch erweitern, denn er hat mir schon manche Frage beantwortet. Jedenfalls schaue ich jedesmal, wenn mich eine ähnliche Frage quält, wie Dich jetzt, in meine Eckspannhefter und breite all die Bildchen auf dem Fußboden aus. Das finde ich immer wieder schön.
 
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... ich schaue zuhause noch einmal nach, ob ich in der Waffenenzyklopädie evt. dazu noch etwas finde...

So - ich habe soeben in der Waffenenzyklopädie von David Harding nachgeschaut, aber - wie ich "befürchtete" - dazu nichts gefunden; doch das kann man dem guten Mann auch nicht anlasten, zumal sein Werk ja eine Klassifikation von verschiedensten Waffen und Waffensystemen anhand ihrer Funktionsweise darlegt.

Bei dem vorliegenden Gemälde ist ein Portepee ganz ähnlich dem eines Offiziers erkennbar. Vielleicht war der dargestellte englische Edelmann aber auch Offizier und kombinierte ein militärisches Element seiner Uniform mit seiner zivilen Kleidung. Auffällig ist ja auch die etwas klobrige, auf jeden Fall mächtige Ausführung des Degens, bei dem es sich durchaus um einen Degen handeln sollte, der für den Kampf geeignet war.

Wie ich in meinem vorigen Beitrag ja bereits erwähnt habe, befinde ich mich da auf ziemlich dünnem Eis...
Aber ich würde bei einem solchen Gemälde auch vermuten, daß es sich um einen Offizier handelt, der sich lediglich nicht in Uniform abbilden ließ (aus welchem Grund auch immer). Dies wäre auch deshalb eine nicht allzu verwegene und/oder weit hergeholte Interpretation, da mW zu jener Zeit Adel und Offiziersrang sehr oft miteinander in Verbindung standen (falls ich mich irre, bitte ich um Korrektur).
Doch wie aus meinen Formulierungen ersichtlich ist, vermute und interpretiere ich dabei sehr frei ohne tieferen Hintergrund...
 
... da mW zu jener Zeit Adel und Offiziersrang sehr oft miteinander in Verbindung standen (falls ich mich irre, bitte ich um Korrektur).
Doch wie aus meinen Formulierungen ersichtlich ist, vermute und interpretiere ich dabei sehr frei ohne tieferen Hintergrund...

Ja, genau. Es ist ja sogar so, daß all diese höheren und hohen Standesränge aus militärischen Führungsrängen erwuchsen. Der Titel Graf war ebenso wie der Hertzog ein Heerführer im engsten Sinne. In der Neuzeit stellten diese Leute immer noch die Generäle. Beim Ritter liegt die Sache klar : das ist ein berittener Soldat, der eben höher steht als das gemeine Fußvolk. Es war ursprünglich auch in der Regel so, daß Adelstitel (der Adelsstand steht unter den Fürsten und Grafen!) aufgrund militärischer Verdienste verliehen wurden. Später bekam der Adel teilweise immer mehr zivilen Charakter. Doch im Kriegsfall stellte er immer für Könige und Fürsten die Offiziere. Und ich betone immer so gerne, daß sogar Fürsten und deren Söhne (Prinzen) nicht allzu selten fielen. Diese Leute hatten im Kriegsfall ein hartes Amt auszufüllen. Sie mußten möglichst weit vorne mit in einen Combat, weil die Truppe sonst nicht optimal motiviert war. Auf diese hohen Ränge schoß der Feind natürlich bevorzugt, daher die hohen Verluste. Ich wiederhole dies deswegen so gerne, weil die Moderne immernoch glaubt, Hofleute wären durchweg Menuetweichlinge gewesen und womöglich allesamt schwul. Ja selbst die schwulen mußten harte Kerle sein, womit auch die Ehre der "Sodomiten" (wie man Schwule damals noch nannte) gerettet wäre.

Fürsten Grafen und Adelige (Ritter, Barone) waren in der Regel hartgesottene Männer und eines ihrer Hauptgeschäfte war das Kriegeshandwerck.

Portepee:
Ich wußte gar nicht was das sei. In den Nachschlagewerken des späten 17. und frühen 18.Jahrhunderts fand ich diesen Begriff gestern nicht - auch nicht im Frantzoschen Teil des Teutsch=Frantzösischen Wörterbuchs. Also schlug ich in modernen Büchern nach und nun weiß ich, daß es eine Degenzierquaste ist. Dann suchte ich auf meinen Abbildungen und fand nur Degen ohne Quaste. Vielleicht schau ich im Uniformbuch nochmal bei denen Herren Frantzoß ...
 
Habe in einem Originalstich des frühen 18.Jahrhunderts einen gemeinen Gardisten Fridrichs I. von Preußen gesehen. Es handelt sich hier ausdrücklich weder um einen Officier, noch um einen Unterofficier. Trotzdem trägt er eine Zierquaste am Degen. Diese Dinger werden um 1700 ja überall dran gehängt : Tischdecken, Vorhänge, oder auch z.B. an Damen-Schabracken (Pferdedeckchen, als Reitunterlage zum sitzen); wie ich einmal im Frauenzimmer=Lexicon [1715] las, befinden sie sich auch öfters unten an den Geldkatzen der Damen, womit sie einkaufen gehen.

Vielleicht kam der Name "Portepee" erst später auf und aus dem Zierrat wurde dann ein Rangkennzeichen für Officiere.
Daß aber Fridrich seine Leibguarde möglichst prächtig ausstattet, schickt vor solchermaßen Trouppe sich gewißlich.
 
Brissotin, so ziemlich jeder Mensch trug damals einen Degen. Es ist ein Vorurteil des 20.Jahrhunderts, daß der Degen Vorrecht des Adels gewesen sein sollte. Bach war da keine Ausnahme. Ich persönlich weiß von einer Auseinandersetzung Bachs mit einem Fagottisten. Bach hatte ihn während einer Probe als "Zippelfagottisten" critisiert. Draußen vor der Kirche wollte der Mann seinem musicalischen Oberen ans Leder. Da zog dieser seinen Degen und der zornige Fagottist trollte sich.
In der Societas Cvriosa erzählte ich bestimmt von dem Duell zwischen Händel und seinem 'vätterlichen Freund' Mattheson. Während einer Opernaufführung verließ Mattheson einmal das Clavier, um sich durch Händel kurz vertreten zu lassen. Dieser aber wollte das Clavicimbal nicht mehr räumen, als jener wieder zurückkam. Da forderte der ältere zum Duell, während dem Händel an einem seiner Rockknöpfe getroffen wurde: Der Degen Matthesons rutschte vom Knopf ab und kam dann an Händels Schnupptoback=Dößgen zum stehen - Gott-seys-gelobet-und-gedancket! - Beide jungen Herren trugen also Degen, als Musiker und auch wenn sie zur Arbeit in die Hamburger Oper am Gänsemarckt gingen - vielleicht sogar am Instrument.

Man sieht auf alten Stichen und Gemälden allerorten Männer mit Degen - auch in bürgerlicher Umgebung. Aus meiner Tanzmeister-Literatur geht dies ja auch eindeutig hervor: Jeder noch so popelige Studente geht nebenbei zum Fechtmeister. Und er trägt seinen Galanteriedegen bei jeder Gelegenheit - leider auch in den Wirthshäusern, sodaß es unter Alkolholeinfluß zu manch tödtlicher Auseinandersetzung kommt. Der Schriftsteller Meletaon beklagt dies in seinem Buch von 1712.

Leibzig, eine Hochburg des galanten Tantzens, phasziniert mich als Universitätstadt sehr. Doch als Berlinerin wüßte ich persönlich gern mehr aus dem galanten Berlin. Wer waren hier die führenden Tantz- und Fechtmeister? Irgendwo werden schon Quellen schlummern, die gleichwohl auch Deine Fragen mit erhellen könnten, Brissotin. Darunter befindet sich gewiß auch der eine oder andere Kupferstich, auf dem unzweideutig zu erkennen ist, was sonst mit vielen Worten zu umschreiben wäre. Ich finde es sinnvoll, alte Stiche zu sammeln - zu copieren wo man nur kann. Ich möchte meinen Fundus künftig noch erweitern, denn er hat mir schon manche Frage beantwortet. Jedenfalls schaue ich jedesmal, wenn mich eine ähnliche Frage quält, wie Dich jetzt, in meine Eckspannhefter und breite all die Bildchen auf dem Fußboden aus. Das finde ich immer wieder schön.


Duelle unter Studenten waren durchaus häufig und gelegentlich tödlich. In den meisten Unistädten gab es dann auch feste Treffpunkte wo man sich zum Duell traf. In Göttingen machte man das an der Reithalle, in der heutigen Reitstallstrasse aus. In Marburg traf man sich am Landgrafenschloss. Eigentlich ungewöhnlich, denn offiziell waren natürlich in Hessen- Kassel wie in Hannover Duelle verboten. Es machte allerdings insofern Sinn, als man als Studiosus der Gerichtsbarkeit des Dekans unterstand, wenn man das Duell in der Unistadt austrug. Dafür gab es dann maximal ein paar Tage Karzer. Anders sah die Sache aus, wenn man sich auf fremdem Terrain, etwa auf dem Gebiet der Freiherrn von Nörten-Hardenberg schlug. Übel war auch, wenn es zu einem Todesfall kam, denn dann schaltete sich offenbar ein Kriminalgericht ein, und die Angelegenheit war nicht mehr Sache des Dekans.

Es ist ja ein bisschen OT, doch interessanterweise behielten die Universitäten die Gerichtsbarkeit über ihre Studenten bis zum I. Weltkrieg. Da gab es in Göttingen mal einen interessanten Fall. 1914 wurde der kanadische Student Winthrop P. Bell, er war ein Kommilitone von Edith Stein, vom Ausbruch des I. Weltkriegs überrascht. Bell sollte in ein Internierungslager überstellt werden, doch da griff der Dekan ein. Er stellte ihn unter Arrest und gab ihm den Karzer als Asyl, wo Bell tatsächlich bis zum Ende des Krieges in Schutzhaft sass. Winthrop P. Bell hat es seiner alma Mater gedankt und kam nach dem Krieg noch häufig nach göttingen zurück.
 
MELETAON schreibt zwar eigentlich von der Nutzbarkeit des Tantzens, gerät aber zwischendurch immer wieder mal vom Tantz=Boden auf den Fecht=Boden. Dabei mahnt er auch, an die vielen Tränen von Müttern zu denken, die ihre Söhne bei Duellen verloren. Schließlich empfiehlt er, gewisse Schanckhäuser zu meiden, von denen bekannt ist, daß dort Händel zwischen Studenten vorkämen. Studenten ließen sich damals üblicherweise im Tanzen, wie im Fechten, unterrichten (informiren) und einige warteten nach MELETAON förmlich auf eine Gelegenheit, sich einmal mit dem Degen zu beweisen. So kam es nicht selten wegen Lappalien zu Todesfällen.

Das Duellthema ist in der historischen Fechtscene recht populär - ich fühle da ganz anders und verfluche diese Weibesbilder, die das auch noch mittragen. Wer auf so ein Eifersuchtsduell besteht, dem sollte eine galante Dame die Freundschaft aufzukündigen androhen ...

Hm - ich denke immer an MELETAONS weinende Mütter und ich hasse Eitelkeit und Hochmut.

Wozu ist ein Degen meiner Meinung nach da? ... Nachts kann es in den einsamen Gassen gefährlich sein. Habe sogar schon von Frauenzimmern gehört, die Passanten nachts mit Messern überfielen. Besonders gefährlich soll es jenseits der Stadtmauern, wo der Berlinische Thier=Garten begann, gewesen sein, wo Räuber gern die Passagiers ausnahmen, um ihnen nicht mal das Leben zu lassen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Duellbericht in Originalzeitung

Auf der Suche nach Spuren Teutscher Sprachpraxis in Dänemark stieß ich im Heuhaufen der Anno1700er Zeitungsmeldungen auf eine Duell-Affaire:
Brüssel/ vom 3.August.
Von den Frontieren vernimmt man/ daß zwischen 4. Schweitzerisch= und dergleichen Frantzös. Capitains von der Guarnison zu Menin ein Duell gewesen/ dabey 3. todt geblieben/ und die Leichname an die Füsse aufgehenckt/ die hinzu gelauffene Wacht hätte sich der 5. andern versichert/ die auch executiret worden.
"Wöchentlicher Mercurius (ANNO 1700. Num. 32.) Zur Ordinari Post=Zeitung." (Braunschweig), 3. Seite, oben
 
Eine andere Frage zur Trageweise und wie die tiefe Aufhängung der Degen möglich war, fand ich nun in der Encyclopédie von Diderot mit einem Stich von einem Wehrgehänge erklärt.
 
Ich hab mal ein bisschen recherchiert, was passierte, wenn es unter Studenten in einem Duell tatsächlich zu einem Todesfall kam. Offenbar fiel ein solcher Fall dann nicht mehr in die Zuständigkeit des Dekanats, sondern es schaltete sich ein Kriminalgericht ein. So hatte ein gewisser von Dalwig im Duell einen Studenten namens Wolf getötet, worauf das Kriminaltribunal des Werradepartements die Angelegenheit verfolgte.

Einige Jahre früher hatte ein Göttinger Student einen Kommilitonen getötet, sich allerdings noch rechtzeitig aus dem Staub gemacht. Daraufhin wurde an seinem Abbild symbolisch die Todesstrafe vollzogen und sein Konterfei an den Galgen genagelt.
 
@ Scorpio
Ich denke mal das ist von Universität zu Universität extrem unterschiedlich und hängt davon ab, mit welchen Rechten die jeweilige Universität ausgestattet war. Dies war natürlich auch über die Jahrhunderte einem Wandel unterworfen.

Thematisch sollte es eigentlich eher darum gehen, wie der Degen getragen wurde und weniger von wem. Letzteres kann man aber auch mit einschließen.
 
Ich denke eigentlich schon, dass die Universitäten sich ein recht hohes Maß an eigenständigen Rechten gegenüber dem Landesherren erhalten konnten. Der Dekan von Göttingen hatte immerhin noch im 1. Weltkrieg das (Gewohnheitsrecht) Recht der Gerichtsbarkeit. Auch die Marburger Philipps Universität genoss bedeutende Privilegien, wobei zu bedenken ist, dass Marburg gleichzeitig Festungs- und Garnisonsstadt mit einem Kommandanten und einem Festungsgouverneur war. In anderen Festungen, z. B. in Ziegenhain konnten sich die Kommandeure viel mehr herausnehmen, z. B. auch die Zivilisten verpflichten, im Winter die Gräben zu enteisen. Anders war die Lage in einer Residenzstadt wie Kassel oder aber in der Universitätsstadt Marburg. Zwischen Studenten und Militär gab es oft Reibereien, wobei das Militär sich in Marburg erstaunlich zurückhalten mußte und die Universität eigentlich bei Auseinandersetzungen mit der Militärbürokratie fast immer Recht bekam.

Bei einem Todesfall, bei "Blutsgerichtsbarkeit" ist dann aber ein höheres, peinliches Kriminalgericht zuständig, immerhin waren Duelle in den meisten Ländern verboten.

Thematisch mag ich etwas Off Topic sein, ich dachte aber schon daran, einen eigenen Thread zu Duellen aufzumachen. Die Frage, von wem Degen getragen wurden und wie verbreitet Duelle in Universitätsstädten waren, hat mich allerdings auch mehr interessiert, zumal solche Themen recht interessante kultur- und auch rechtsgeschichtliche Schlaglichter werfen, worüber man sonst leider wenig erfährt.
 
Also bis jetzt haben wir an Degenträgern im 18.Jh.:
- Studenten
- Adelige
- Bürgerliche mit Vermögen
Gerade Letzteres ist ja recht weit gefasst. Schaut man sich die zeitgenössischen Gemälde an, ging ja deutlich nicht jeder in Waffen. Und dass dies ganz uneingeschränkt gehandhabt wurde, kann ich mir auch nicht vorstellen.

@ Scorpio
Ich denke auch, dass es viele Rechte gab. Aber diese hatten die Universitäten ja vom Landesherren, der diese gründete, verliehen bekommen. In Freiburg gingen die Rechte der Universität soweit, dass sie selbst ein Stand innerhalb der Landstände im Breisgau wurde.

OT mach doch einen Thread zu Duellen auf! Aber das dann bitte auf eine Zeit (bspw. 17.Jh.) beschränkt, weil er sonst sehr unübersichtlich wird.
 
Also bis jetzt haben wir an Degenträgern im 18.Jh.:
- Studenten
- Adelige
- Bürgerliche mit Vermögen
Gerade Letzteres ist ja recht weit gefasst. Schaut man sich die zeitgenössischen Gemälde an, ging ja deutlich nicht jeder in Waffen. Und dass dies ganz uneingeschränkt gehandhabt wurde, kann ich mir auch nicht vorstellen.

@ Scorpio
Ich denke auch, dass es viele Rechte gab. Aber diese hatten die Universitäten ja vom Landesherren, der diese gründete, verliehen bekommen. In Freiburg gingen die Rechte der Universität soweit, dass sie selbst ein Stand innerhalb der Landstände im Breisgau wurde.

OT mach doch einen Thread zu Duellen auf! Aber das dann bitte auf eine Zeit (bspw. 17.Jh.) beschränkt, weil er sonst sehr unübersichtlich wird.

An "Vermögen" wird das Degentragen sicher nicht gekoppelt gewesen sein.

Deine Wort bewegte ich in meinem Herzen. Wer trug damals eine lange Blankwaffe? Wer verzichtete darauf, oder durfte dies nicht tun?

Es ist ziemlich schwierig, dies für alle Gegenden des Hl.Röm. Reiches zu klären. Vielleicht hatten einzelne Landesfürsten schärfere Regeln als gewöhnlich - das finde ich absolut vorstellbar. Aber ganz allgemein gehörte das Waffentragen schon zu den Rechten eines freien Mannes. Die Welt war ja auch weniger friedlich als heute - vor allem außerhalb der Stadtmauern.
Bei freien Bürgern halte ich den Degen für Standart, den kaum jemand bezweifelt haben wird. Was aber die unteren Bediensteten anbetrifft - also Knechte (und Mägde), so konnten diese natürlich weniger tun und lassen was ihnen beliebte. Ähnliches galt wohl auch für einfache Handwerksleute und Arbeiter, die bei ihrem Dienstherrn wohnten. All dieses 'Dienstvolk' wird sich wohl bitter häufig den berühmten Satz: "Solange du deine Füße unter meinem Tisch hast ..." anhören müssen, den Eltern heute noch gern ihren Halbwüchsigen angedeihen lassen.
Keine Frage, diese einfachen Bediensteten durften nie so richtig das Leben eines freien Erwachsenen leben. Irgendwie blieben sie immer Kinder, die sich dem Willen anderer zu beugen hatten. Auf dem Lande erging es den Bauern ja nicht uneben. Der kleine Landadel (Ritter, Freiherrn) war ja vielfach besonders tyrannisch, sodaß das Landvolk oft genug bei den höheren Instanzen (Fürsten, Könige) um Hilfe bat (siehe auch der Streit um die Reductionspolitic der Krone Schweden - gerade auch wider den Lieffländischen Landadel).

Dann gab es aber noch Leute, die den Galanteriedegen genauso verachteten, wie etwa das Menuet tanzen und die ganze Galanterie überhaupt. Gottfried Taubert critisiert Anno 1717 ja diese Typen : wie sie mit klobigen Schuhen und breitem "hängigten" Hut daher kämen, ein breites "sächsisches Hau=Schwerdt" an ihrer Seite, um sich als "Todtmacher" zu inscenieren. Dieser 'Hool'-Typus des frühen 18.Jahrhunderts wird einen galanten Degen als Spielzeug verlacht haben. Wo er nicht einen schweren Reiterdegen, gar eine ältere Bauart des Rapiers getragen hat, so kann ich mir auch vorstellen, daß der eine oder andere Ururgroßvaters Schwert in Ehren hielt. Noch im 30jährigen Krieg sind Schwerter schließlich eingesetzt worden.
Hinzu kommt, daß einfache Schichten von jeher besonders lange an althergebrachten Sitten festhielten. Und so kann ich mir leicht vorstellen, daß auch manche Bauern noch capitale Schwerter in der Ecke stehen hatten. Im Verteidigungsfall bediente man sich ja der unbestreitbaren Werhaftigkeit des Landvolks.

Zurück zum Rapier: Wenn ich mir gewisse Werktätige in einer Druckerei des späten 17.Jahrhunderts auf einem Kupferstich ansehe, stelle ich fest, daß nicht allein die Setzer schick gekleidet sind. Auch Preßmeister und der Ballenmeister (der die Farbe aufträgt) sehen recht wohlbetucht aus. Bei denen kann ich mir eigentlich schwer vorstellen, daß sie keinen Degen im Spind hatten, denn es sind ja ehrbare Handwerksleute und keine kleinen Knechte.
Andererseits kann einer Stadt natürlich nicht daran gelegen sein, daß jeder Fremde schwer bewaffnet zum Tor herein kam (um womöglich nachts Leute auszunehmen). Vielleicht war das Degentragen hie und da ans Bürgerrecht gekoppelt. Daneben gab es vergleichbare Rechte. Oberwähnter Taubert floh vor der Danziger Pest und arbeitete dann als Tanzmeister an der Leipziger Uni. Da er dort schon seit seiner vordanziger Zeit immatriculiert war, war dies dem Bürgerrecht gleich zu setzen, auch wenn er als Leipziger Bürger nicht eingetragen war. Studenten trugen ja eh einen Degen. - Ich weiß es nicht, vermute aber sehr stark, daß auch Zunftrechte dies beinhalteten.
 
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