Wann hatte wer die Führungsrolle in Europa?

Marlon

Mitglied
Mir ist bekannt, dass die Niederlande im 17. Jahrhundert militärisch und wirtschaftlich die Führungsrolle in Europa inne hatten. Doch wer hatte sie zuvor inne? Waren es die Spanier oder wechselte unter der Königin Elisabeth die Führungsrolle nach England, weil man ja auch von dem goldenen Zeitalter spricht? Und wenn England eine Vormachtstellung hatte, wann und vor allem warum verlor es diese an die Niederlande?
 
Niederlande war die größte Wirtschaftsmacht des 17. Jahrhunderts.

Spaniens Macht als die Nation, die Südamerika entdeckte und ausbeutete, brach bereits im Lauf des 16. Jahrhunderts in sich zusammen. Der Import von Gold nach Europa stattete die reiche Schicht Spaniens mit Geld aus, das mit fortlaufendem Goldimport jedoch stets an Wert verlor. Spanien nahm geschützt durch den eigenen Reichtum gleichzeitig nicht am Aufbau der Infrastruktur teil, die im Lauf des 19. Jahrhunderts Europas Industrienationen ermöglichen sollten. Die spanische Flotte, Garantin der Vormacht, entwickelte sich nicht zur Weltmacht, die den Vorsprung der Finanzmacht verteidigen konnte – hier fehlte eine Verbindung von Staatsmacht und Wirtschaft

Die Niederlande wurden die große Wirtschaftsmacht des mittleren 17. Jahrhunderts, Großbritannien übernahm diese Position in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts. Wirtschaftskraft lag, wie sich im 17. Jahrhundert herausstellte, weniger im Geldbesitz als in der Fähigkeit aus Warenhandel und Finanzverkehr Mehrwerte schaffen zu können. Die Niederlande demonstrierten dies als Staatsverband, der über keine Rohstoffe verfügte und in der landwirtschaftlichen Produktion unbedeutend bleibt. Amsterdam gewann als wichtigster europäischer Handelsplatz zentrale Bedeutung

17. Jahrhundert - Wikipedia
 
Die Frage ist etwas komplexer:

Das, was hier als Spanisches Reich im 16. Jahrhundert bezeichnet wird, war eigentlich das viel größere Reich der Habsburger. Karl V. war eben nicht nur König von Spanien, sondern auch Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation (HRR). Zudem gehörten die Niederlande zu seinem Machtbereich und auch Gebiete in Norditalien.
Diese Personalunion endete zwar bereits mit der Abdankung Karls V. als Spanischer König zu Gunsten seines Sohnes Phillip II. im Jahre 1556, doch blieben sich die spanische und die österreichische Linie der Habsburger auch weiterhin eng vebunden. In dieser Zeit muss das Habsburgische Imperium klar als Hegemonialmacht in Europa gesehen werden.

Wirtschaftlich und Militärisch verlor dieses Reich im 16. und 17. Jahrhundert an Macht. Die Seemacht Spanien verlor mit der Versenkung der Armada 1588 ihre Vormachtstellung. Die Habsburger im Deutschen Reich mussten Zugeständnisse an die zum Protestantismus konvertierten Fürsten machen (Augsburger Religionsfriede). Die nördlichen Niederlande kämpften gegen Spanien um die Freiheit.

Einen letzten Versuch, die Habsburgische Vorherrschaft zu sichern, wurde mit dem 30jährigen Krieg unternommen. An dessen Ende stand jedoch nicht nur der Friede von Münster und Osnabrück, in dem die Niederländer endgültig ihre Unabhängigkeit erlangten und die Glaubensfreiheit der Protestanten bestätigt wurde. Am Ende des dreißigjährigen Krieges hatte das HRR etwa ein Drittel seiner Bevölkerung verloren.

Als Landmacht übernahm Frankreich die Vormachtstellung in Europa. Sie sollte bis zur Niederlage Napoleons bestehen bleiben.
Als Handelsmacht und Seemacht übernahmen die Niederländer die Führungsposition. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts führten England und die Niederlande drei Seekriege, an deren Ende England die Führungsposition als Seemacht errungen hatte. England verteidigte diese Vormachtstellung, bis es 1945 von den USA als führender Seemacht abgelöst wurde.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts übernahm England auch die Führungsposition im Welthandel, besonders als Folge des siebenjährigen Krieges und des vierten Englisch-Niederländischen Krieges 1780-1784. Die Wirtschaftliche Vormachtstellung Englands wurde im späten 19. Jahrhundert durch das 2. Deutsche Kaiserreich in Frage gestellt. Nach dem ersten Weltkrieg wurde immer mehr klar, dass die USA die neue führende Wirtschaftsnation werden würden, was sich nach dem zweiten Weltkrieg auch bewahrheitete.
 
Spaniens Macht als die Nation, die Südamerika entdeckte und ausbeutete, brach bereits im Lauf des 16. Jahrhunderts in sich zusammen. Der Import von Gold nach Europa stattete die reiche Schicht Spaniens mit Geld aus, das mit fortlaufendem Goldimport jedoch stets an Wert verlor. Spanien nahm geschützt durch den eigenen Reichtum gleichzeitig nicht am Aufbau der Infrastruktur teil, die im Lauf des 19. Jahrhunderts Europas Industrienationen ermöglichen sollten.

Die Frage ist etwas komplexer:

Richtig, man kann den Zusammenbruch der spanischen Wirtschaft nicht monokausal mit der Inflation durch amerikanische Edelmetalle erklären erklären. Es fehlten nicht nur Investitionen in die Infrastruktur, weite Teile der existierenden Infrastruktur brachen zusammen, weil die arbeitswillige Bevölkerung zu großen Teilen eben nach Amerika ging, Juden (1492) und Moriscos (in Wellen, 1499, 1502, 1570 - 1572, 1608/09) aus Spanien vertrieben wurden. Und wer ein hidalgo war, der bewohnte zwar häufig nur einen besseren Schweinestall, war sich als 'Adeliger' aber zu fein zu arbeiten. Es gab also keinen Wertschöpfungsprozess.

Das, was hier als Spanisches Reich im 16. Jahrhundert bezeichnet wird, war eigentlich das viel größere Reich der Habsburger. Karl V. war eben nicht nur König von Spanien, sondern auch Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation (HRR). Zudem gehörten die Niederlande zu seinem Machtbereich und auch Gebiete in Norditalien.

Diese Personalunion endete zwar bereits mit der Abdankung Karls V. als Spanischer König zu Gunsten seines Sohnes Phillip II. im Jahre 1556, doch blieben sich die spanische und die österreichische Linie der Habsburger auch weiterhin eng vebunden. In dieser Zeit muss das Habsburgische Imperium klar als Hegemonialmacht in Europa gesehen werden.

Ja, nur hier muss noch immer differenzieren. Es war mit der Hochzeit der Reyes Católicos 1479 keineswegs klar, dass Spanien nun auf immer aus der Verbindung der kastilischen und der aragonesischen Herrschaft fortbestehen würde. Als 1506 Isabel von Kastilien starb, vererbte sie Kastilien an ihre Tochter Juana (Johanna die Wahnsinnige), die mit ihrem Mann (dem Habsburger Philipp dem Schönen, nicht zu verwechseln mit dem gleich titulierten Bourbonen) von Flandern kam, um Kastilien zu regieren, was Ferdinand von Aragón nicht wohl schmecken wollte. Als Philipp beim Tennisspiel starb (er trank ein Glas eiskalten Wassers) gab es das Gerücht, sein Schwiegervater, der noch bis 1516 über Aragón herrschte, die Reiche waren also zeitweise wieder getrennt, hätte ihn vergiften lassen. Flandern (also die Gebiete des heutigen Belgiens und der Niederlande) gingen mit Philipps (bzw. seines Sohnes Karls) Erbteil an Spanien, das Königreich Neapel war aragonesische Besitzung. Sowohl die spanischen Granden, als auch die deutschen Reichsstände achteten sehr eifersüchtig darauf, dass die jeweiligen habsburgisch beherrschten Gebiete auch unter Karl ihre Eigenständigkeit behielten.


Dreissigjähriger Krieg...
Als Landmacht übernahm Frankreich die Vormachtstellung in Europa. Sie sollte bis zur Niederlage Napoleons bestehen bleiben.

Schon Karl V. führte mit den französischen Königen (Franz I./Heinrich II., die sich u.a. auch mit den Osmanen verbandelten) ständig Kriege, die aber letztlich nur beide Parteien schwächten. Die Habsburgische Vormacht unter Karl konnte aber trotz der Einklammerung Frankreichs Frankreich nicht die Knie zwingen. Das lag wohl auch an den Problemen mit den Piraten im Mittelmeer, mit den Protestanten im Reich und den Osmanen, die ja zu Karls Herrschaft erstmalig bis nach Wien vorstießen.
 
Mir ist bekannt, dass die Niederlande im 17. Jahrhundert militärisch und wirtschaftlich die Führungsrolle in Europa inne hatten.

Militärisch? Wo?
Das Goldene Zeitalter stützt sich auf den regen und erfolgreichen Handel. Auf militärische Erfolge nicht. Die nordamerikanischen Überseekolonien gingen im "Goldenen Zeitalter" verloren und die weitere Expansion in Südamerika wurde aufgegeben und auch der Reichtum der Niederländer sank mit vollständiger Unabhängigkeit 1648 bereits wieder.
Der 1. englisch-niederländische Krieg verloren die Niederlande. 1652-1654
Der 2. englisch-niederländische Krieg endete mit einem Kompromiss. (diese zwei Jahre waren die einzig erfolgreichen militärischen Jahre der Niederländer auf See) 1665-1667
Der 3. englisch-niederländische Krieg wurde von englischer Seite abgebrochen. Eigentlicher Kriegsgegner der Niederländer war Frankreich, die sämtliche Schlachten gegen die Niederländer gewannen. 1672-1674
 
Na ja! Ihr werdet lachen! Ich habe gerade nochmal im Buch von Matuz` gelesen: Das Osmanische Reich:

Matuz´ schrieb:
...Der Osmanenstaat stand äußerlich und innerlich auf der Höhe seiner Macht. Er war im 16 Jh. zweifellos die stärkste militärische und politische Macht der Erde. Nach außen hin galt das Reich des osmanischen Sultans als unschlagbar...
 
Noch mal zu den Niederlande: Die waren in jeder Hinsicht Vorreiter in Europa: Schiffbau, Wirtschaft, auch Militärisch:

Moritz von Oranien - Wikipedia

Viele Potentaten bereisten die Niederlande (so z.B. Peter d. Gr.), um dort zu lernen, andere heirateten Angehörige des holländischen Adels (so Friedrich Wilhelm v. Brandenburg, der Große Kurfürst) oder holten holändische Siedler ins Land, um dieses wirtschaftlich zu entwickeln.

Gerade militärisch gilt also: Es gab eine Zeit, in die die Niederlande die modernste Armee Europas hatten, sonst hätten sie u.a. ihren Unabhängigkeitskrieg gegen die Spanier verloren. Dennoch waren sie keine militärische Großmacht. Dazu reichte weder die Kraft des kleinen Landes, noch war das im Interesse der holländischen Eliten.
 
Na ja! Ihr werdet lachen! Ich habe gerade nochmal im Buch von Matuz` gelesen: Das Osmanische Reich:

Matuz´
...Der Osmanenstaat stand äußerlich und innerlich auf der Höhe seiner Macht. Er war im 16 Jh. zweifellos die stärkste militärische und politische Macht der Erde. Nach außen hin galt das Reich des osmanischen Sultans als unschlagbar...


Darüber lache ich garnicht, denn Matuz hat nicht unrecht! In Südosteuropa waren die Osmanen unbestreitbar die vorherrschende Macht in dieser Zeit. Ihre Soldaten, besonders die Janitscharen, galten als nahezu unbesiegbar. Zum Teil mag dieser Ruf auch auf die westliche Propaganda zurückzuführen sein, die die Osmanen als übermächtigen Gegner darstellte.
Das Osmanische Reich schaffte es jedoch nicht, sein Macht auf Mitteleuropa auszudehnen. Im 16. und 17. Jahrhundert unternahmen die Osmanen zwei Versuche, nach Mitteleuropa vorzudringen, die beide vor den Toren Wiens scheiterten (Erste Türkenbelagerung Wiens 1529, Zweite Türkenbelagerung 1683).

Die ständige Bedrohung aus dem Südosten war mit ein Grund dafür, dass Habsburg seine Militärische Macht nicht vollständig in Mitteleuropa einsetzen konnte. Besonders Frankreich profitierte von dieser Entwicklung.
 
Zum Teil mag dieser Ruf auch auf die westliche Propaganda zurückzuführen sein, die die Osmanen als übermächtigen Gegner darstellte.
Das denke ich, ist einer der ausschlaggebenden Gründe. Wenn man den Vormarsch der Osmanen anschaut, genügt es nicht die Siege der Osmanen zu betrachten, sondern eben auch die schwierigen Situationen, in welchen sich Ungarn, Polen und auch das Haus Österreich befanden. Die Habsburger hatten im 15. und 16. Jh. neben den Kriegen in Italien und andernorts gegen die Franzosen auch mit den Fürsten im Reich immer wieder zu kämpfen und das obwohl ihnen anders als dem französischen Herrscher nicht in ähnlichem Maße die Fürsten unterstanden und die Beschaffung von Mitteln für umfangreiche Kriege im HRR schwierig war. Dass sich das Osmanische Reich so lange halten konnte ist außerdem wohl auch den Konflikten Polens im 17.Jh. zuzuschreiben, welche an der Ostsee starke Kräfte band.

Der Eindruck von einem mächtigen Osmanischen Reich kam zum einen von der Darstellung der Feinde des Osmanischen Reiches, welche bei einem scheinbar unbesiegbaren Feind die eigenen Erfolge um so höher hängen lassen konnten, zum anderen von der Wirkung des Osmanischen Reiches, welches dieses selbst förderte.

Ich würde im 17.Jh. von einer gewissen Führungsrolle Frankreichs sprechen, welches von der Schwächung England durch innere Konflikte profitierte, welche von Frankreich aus durchaus gezielt noch bis in die Mitte des 18.Jh. unterstützt wurden. Ganz sicher bin ich mir nicht, wann man von einer Verdrängung Frankreichs durch England genau sprechen kann, als Seemacht zeichnete sich die erfolgreiche Marine Englands ja ab, aber zu Lande blieben die Kräfte bescheiden. Außerdem traten zusehends Mächte wie Russland auf den Plan, welche bis zum Nordischen Krieg noch nicht direkt und bedeutend mit dem westeuropäischen politischen Mächtekonzert interagiert hatten.
 
In Osteuropa war die Polnisch-Litauische Union die grosste Macht des XVII Jhdts. Nicht nur militarisch aber auch wirtschaftlich, was auch die sehr seriousen Konsequenzen fur Westeuropa produziert hat.
Die Flotten von England, Spanien und Frankreich :boot::boot::boot::boot: wurden aus polnischem Holz gebaut.
Das Polen war auch der haupte Teer/Pech - Hersteller (um 90% des eur. Marktes) jener Zeit auf dem Kontinent. Ohne Teer/Pech kann man kein Segelboot zu bauen und die Entwaldung Englands, Spaniens und anderer westeur. Lander machte ganz unmoglich, um die eigene Produktion dieses strategischen Stoffs in diesen Staaten zu starten.
Monopol Polens auf dem Feld der Teer/Pech-Produktion war genau die Ursache fur England, um in Nordamerika die intensive Exploatation der Walder anzufangen. Hauptmann John Smith, der Grunder der ersten Kolonie in Jamestown hat sehr gut polnisch gesprochen (er hat im Polen fruher gewohn) und wurde nach Polen gesenden, um die polnischen Holzfaller zuruck nach Jamestown zu bringen. Was er wirklich gemacht hat. Auch andere Staate haben die Losung gesucht. Nederlandischer "Fort Casimir" (von Namen pol. Konigs Jan Kazimierz so gennant) wurde von pol. Holzfaller der protestantischen Glaube gebaut.

Es ist also sehr uberrachend, dass das Polen in XVII Jhdt. keine eigene Flotte gehabt hat :)
 
Zu einer Führungsrolle in Europa gehören m. E. mehr als eine regionale Dominanz (wie die Osmanen im Südosten) oder der erste Platz in Einzelbereichen (Militärtechnik/Niederlande oder Teerexport/Polen).

Es geht doch mehr um die Gesamtkombination von wirtschaftlicher, militärischer und politischer Stärke.
Und da bleibe ich doch bei der ganz klassischen Sicht: Zuerst die Vorherrschaft Spaniens, dann die Frankreichs, dann die Englands.
Gut festzumachen auch daran, daß die übrigen europäischen Ländern sich bei Zeremoniell, Mode, Sprache und anderen kulturellen Einflüssen an der jeweiligen Vormacht orientierten.
 
Und da bleibe ich doch bei der ganz klassischen Sicht: Zuerst die Vorherrschaft Spaniens, dann die Frankreichs, dann die Englands.
Gut festzumachen auch daran, daß die übrigen europäischen Ländern sich bei Zeremoniell, Mode, Sprache und anderen kulturellen Einflüssen an der jeweiligen Vormacht orientierten.
Das ist eben das unendlich schwierige. Es stimmt, dass sich im 18.Jh. die englische Mode in ganz Europa durchsetzte und z.B. im Laufe des 18.Jh. das spanische Hofzeremoniell zusehends verdrängt wurde. Aber diese Verdrängung ist ja zumeist eine Gleichzeitigkeit, ein Wandel von fast einem Jahrhundert, wobei gerade bei den kulturellen Einflüssen die Eindrücke auch täuschen können. So haben wir in der Zeit des angeblichen französischen Niedergangs (um die Mitte des 18.Jh.) eben die französischen Gelehrten am Berliner und St.Petersburger Hof und man amüsiert sich in Berlin, wenn ein Minister oder General nicht das Französische ganz richtig beherrscht.
 
In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass England nie die Hegemonialstellung in Kontinentaleuropa angestreb hat, sondern sich vielmehr immer gegen den jeweiligen Hegemon auf dem Kontinent stellte, oft auch mit Bündnissen. Hier einige Beispiele:

16. Jahrhundert: England führt fast ständig Krieg gegen Spanien

Spätes 17. Jahrhundert - 1815: England Hauptgegener ist Frankreich. Durch Bündnisse mit Preussen stellt sich England im siebenjährigen Krieg gegen Frankreich. Während der Revolutionszeit und Napoleons Herrschaft ist England ein Hauptgegner der Franzosen.


Spätes 19. Jahrhundert - 1945: Als sich das Deutsche Reich zur neuen Hegemonialmacht in Europa aufschwingt, verbündet sich Großbritannien mit Frankreich und Russland gegen Deutschland.

1945-1991: Die UdSSR ist die größte Militärische Macht auf dem Kontinent. Großbritannien verbünden sich mit den USA und den Westeuropäern in der NATO gegen die UdSSR

1991-heute: Die EU entwickelt sich zu potentiellen Hegemonialmacht in Europa (auch militärisch). Großbritannien gliedert sich nur wiederwillig in die EU ein und bindet sich militärisch stärker an die USA. (Zweiter Irak-Krieg)

England (Großbritannien) ging es also nie um die Vorherrschaft auf dem Kontinent. Für England war es nur wichtig, die See zu kontrollieren, um die eigenen Küsten zu schützen.
 
Die Frage ist so komplex, dass man ganze Bücher mit der Antwort füllen könnte. Es gibt auch keine klare Antwort, da Europa zu groß ist, als dass ein Reich allein die Führungsrolle übernehmen könnte, deshalb oft mehrere mächtige Reiche gleichzeitig bestanden, von denen man nur schwer das Mächtigste benennen könnte. Auch gehen wirtschaftliche und militärische Macht nicht immer Hand in Hand, wie z.B. Venedig zeigt, die zwar wirtschaftlich im 12-15Jh. eines der mächtigsten Reiche in Europa war, aber letztendlich nie eine starke Armee zu Lande aufstellen konnte und deshalb nur geringe Gebietszuwächse auf europäischen Boden verzeichnen konnte, andererseits aber die mächtigste Flotte des Mittelmeers sein Eigen nannte (bis die Osmanen kamen).

Ich würde die Mächteverhältnisse in Europa so gliedern:

Bis ca. 4-3Jh. v.Chr. die Kelten

Ab ca. 3-2Jh- v. Chr. die Römer

Nach der Spaltung des römischen Reiches wurde im 5 Jh. Byzanz zur europäischen Großmacht, die germanischen Stämme waren zu uneins, um ein einheitliches Reich zu schaffen, die Hunnen dagegen waren Nomaden und wurden nicht wirklich sesshaft.

Die Araber, die ab dem 7. Jh. große Gebiete eroberten, dehnten mit der Eroberung der ganzen iberischen Halbinsel ihren Machtbereich bis nach Europa aus und wurden so bis zur Reconquista zum Machtfaktor in Europa.

Im 8. Jh. stieg das Frankenreich zum mächtigsten Reich in Europa auf, wobei aber Byzanz bis ins 12. Jh. eines der mächtigsten Reiche blieb.

Ab dem 9 Jh. expandierten die Wikinger stark und eroberten bis ins 11. Jh. Gebiete im heutigen Russland, Frankreich, zudem ganz England und Sizilien.

Nach der Teilung des Frankenreichs im 9. Jh. stieg das heutige Frankreich allmählich zur Großmacht auf, die bald zu den mächtigsten in Europa gehörte.

Das wiedervereinte mittlere und östliche Frankenreich wurde zum heiligen römischen Reich und blieb bis ins 19. Jh., wobei es unter verschiedenen Herrschern mal mächtiger und mal weniger mächtig war, ein großer Machtfaktor in Europa.

England wurde im 12. und 13. Jh. immer mächtiger und verlor seine Position als Großmacht auch bis heute nicht mehr. Es führte Jahrhunderte lang Krieg mit Frankreich, ohne dass einer als Sieger hervorging.

Im 15. Jh. steigen Spanien und Portugal dank neuester Schiffstechnik zu den Gromächten auf. Ihre Eroberungen und späteren Kolonien machten sie reich (aber Inflation, siehe oben), die Macht hielt bis ins 16. Jh., vl. sogar 17. Jh., dann machten die neuen Seemächte wie England und Holland den Platz an der Sonne streitig.

Das Osmanische Reich hatte zudem in Osteuropa ca. ab dem 15. Jh. bis ins 17. Jh. das mächtigste Reich. Dann stieg auch Russland ab dem 16. Jh. langsam zur Großmacht auf.

Frankreich war durch die Französische Revolution kurz zur größten Macht in Europa angewachsen, nach der Neuordnung Europas war das Kräftegleichgewicht aber wieder zwischen England, Russland, dem deutschen Bund und Frankreich aufgeteilt, wobei Österreich bald nach dem Austritt aus dem Bund zur eigenständigen Macht wurde.


Mag zwar nicht ganz genau sein und bestimmt habe ich auch viele andere mächtige Reiche (vl. Polen, etc.) nicht aufgezählt, aber ungefähr so sehe ich die Entwicklung der Machtverhältnisse in Europa im Verlauf der Geschichte.
 
Das ist eben das unendlich schwierige.
Die Datierung ist in der Tat schwierig bzw. kann nur mit Unschärfen und Überlappungen versucht werden.
Die grundsätzliche Abfolge Spanien-Frankreich-England halte ich dagegen für ziemlich klar.

Wobei TGDarmstadt völlig recht damit, daß England im Unterschied zu den beiden Vorgängern keine wirkliche Vormacht in Kontinentaleuropa war bzw. werden wollte - seine Ambitionen waren weltweit.

Es stimmt, dass sich im 18.Jh. die englische Mode in ganz Europa durchsetzte
Bei Mode bin ich recht schwach - aber war das 18. Jh. nicht noch französisch dominiert?

und z.B. im Laufe des 18.Jh. das spanische Hofzeremoniell zusehends verdrängt wurde.
Da würde ich ein Jahrhundert früher ansetzen - mit Ludwig XIV war Frankreich DAS große Vorbild in vielen Fragen, auch beim Hofzeremoniell, und seine Vorherrschaft kulminierte (und endete) mit Napoleon.

Aber diese Verdrängung ist ja zumeist eine Gleichzeitigkeit
Im wesentlichen ja, vor allem wenn man die Kombination verschiedener Faktoren betrachtet.

Halbwegs trennscharf kann man eigentlich nur das Ende der französischen Vorherrschaft angeben.
Die war mit Napoleon auf dem Höhepunkt, England war zwar mächtig genug, um immer Paroli bieten zu können - aber doch deutlich schwächer und auf Koalitionen angewiesen.

Nach 1815 dagegen war Frankreich dagegen zwar immer noch Großmacht, aber nie wieder an der Spitze.

So haben wir in der Zeit des angeblichen französischen Niedergangs (um die Mitte des 18.Jh.)
Wie schon gesagt: Den sehe ich nicht. Diverse Krisen gab es, der Glanz des Sonnenkönigs verblaßte - aber dennoch blieb Frankreich bis 1815 die Nummer Eins in Europa.
 
Es gibt auch keine klare Antwort, da Europa zu groß ist, als dass ein Reich allein die Führungsrolle übernehmen könnte,
Das kommt auf die Epoche an.
Eine Führungsrolle ist ja nicht eine vollständige Beherrschung.

Bis ca. 4-3Jh. v.Chr. die Kelten
Nein. Dazu fehlte jede Struktur.

Ab ca. 3-2Jh- v. Chr. die Römer
Deutlich ja.

Nach der Spaltung des römischen Reiches wurde im 5 Jh. Byzanz zur europäischen Großmacht
Im Prinzip ja, obwohl sein Einfluß auf die nicht direkt von ihm beherrschten Gebiete gering war und der größte Teil Europas wenig mit Byzanz zu tun hatte.

Eroberten einige Randbereiche Europas und waren anderen Gebieten überaus unangenehm - aber niemals auch nur ansatzweise eine Vormacht IN Europa.

Im 8. Jh. stieg das Frankenreich zum mächtigsten Reich in Europa auf,
Würde ich auch so sehen. Obwohl Byzanz mit seinen vielen reichen außereuropäischen Gebieten wohl doch mächtiger war.

Ab dem 9 Jh. expandierten die Wikinger stark
Die sehe ich wie die Kelten mangels Struktur und Einheitlichkeit nicht als Vormachtskandidaten.

Nach der Teilung des Frankenreichs im 9. Jh. stieg das heutige Frankreich allmählich zur Großmacht auf
Langsam.
Der eigentliche Erbe des Frankenreichs als Vormacht in Europa war eindeutig das römisch-deutsche Kaiserreich. Das blieb auch das ganze Hochmittelalter so, mit einem fließenden Übergang über die Personalunion Karl V zu Spanien.

In all dieser Zeit war Frankreich hochvornehm und zweitklassig, mußte erst von Paris aus den Süden erobern und dann 100 Jahre lang die Engländer rausschmeißen. Erst im 30-jährigen Krieg begann es den Habsburgern die Chefposition ernsthaft streitig zu machen, mit Ludwig XIV war Frankreich dann die Nummer Eins.

England wurde im 12. und 13. Jh. immer mächtiger
Aber von einem sehr niedrigen Niveau aus!
England war im Mittelalter relativ dünn besiedelt, Schottland noch völlig selbständig und wirtschaftlich und militärisch war der englische König nicht so viel stärker als einer der großen deutschen oder französischen Herzöge.
Nur durch die Kombination Englands mit großen Gebieten in Frankreich war der englische König überhaupt in der Lage, dort mit Aussicht auf Erfolg Krieg zu führen.
Bis England auch nur in die Nähe einer Großmachtstellung kam, dauerte es eine Weile. Da mußte es erst die Seeherrschaft von den Spaniern erobern, die Handelsvormacht von den Niederländern, die britischen Inseln zwangsvereinigen - erst im 18. Jahrhundert ist es eine von den großen Mächten in Europa und im 19. Jahrhundert dann erste Weltmacht.

Dann stieg auch Russland ab dem 16. Jh. langsam zur Großmacht auf.
Großmacht ja, aber Führungsmacht in Europa eigentlich erst mit dem zweiten Weltkrieg - und da war das dann nebensächlich, die Stellung in der Welt zählte, und da waren die USA Nummer Eins.

Frankreich war durch die Französische Revolution kurz zur größten Macht in Europa angewachsen
Wie oben skizziert: M. E. war es das schon zur Zeit des Sonnenkönigs.
 
Mag zwar nicht ganz genau sein und bestimmt habe ich auch viele andere mächtige Reiche (vl. Polen, etc.) nicht aufgezählt,

Dafür hast Du einiges aufgezählt, was man beim besten willen nicht als "Reich" bezeichnen mag.

- Die Kelten haben nie eine politische Einheit gebildet.

- Die Wikinger (nicht zu verwechseln mit den französischen Normannen) haben es auch nie zu einem "Reich" gebracht.

- Das Heilige Römische Reich stellt zwar zweifellos ein "Reich" dar, kann aber spätestens seit dem Dreißigjährigen Krieg nicht mehr als "großer Machtfaktor" bezeichnet werden. Die Habsburger kann man als Machtfaktor - innerhalb und außerhalb dieses Reiches - bezeichnen, aber das Reich als solches?
 
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