Arminius nach 16

Ave Aragon

Aragon schrieb:
....Da wäre nun nur noch die unbedeutende Frage zu stellen, warum der Leichnam eines Cheruskers in Boihaemum respektive Mähren zu Grabe getragen wurde...

Yep, genau das. Die Antwort liegt aber im Prinzip auf der Hand.

Wie sah es denn für Arminius aus ab dem Jahre 15: In dem Jahr wurde ihm seine Frau und sein ungeborenes Kind entführt, und landeten in 17 in Ravenna in Verbannung. Zwischenzeitliche besiegte Arminius den Germanicus in 16 und vertrieb damit die Römer endgültig aus Germanien.

In 17 ging dann der germanische Bruderkrieg los: Das seit zwei Jahrzehnten nach römischen Vorbild existierende germanische Reich des Marbod und sein neu entstandener germanischer Konkurrent aus dem Norden prallten aufeinander. Vermutlich ging die Initiative sogar von Marbod aus, denn in 9 hatte er das Bündnisangebot (den Kopf des Varus) von Arminius abgelehnt und vermutlich gehofft, das sich die Cherusker an Rom aufreiben würden. Das hatte nicht geklappt und nun kam es zum Kampf, den Arminius für sich entscheiden konnte, nachdem er die Elbsässigen Stämme auf seine Seite gebracht hatte.

Nun ging der Marbodkrieg für Arminius aber nicht so ganz auf, denn Marbod musste sich zwar zurückziehen, aber vernichtend geschlagen war er nicht. Er kam lebend, wenn auch schwer politisch geschädigt nach Böhmen zurück. Arminius wiederum hatte zwar militärisch die Oberhand behalten, aber war auch nicht schadlos geblieben, denn sein Onkel Inguiomerus war zu Marbod übergelaufen. Das hatte sicher schwere cheruskisch-innenpolitischen Konsequenzen zur Folge.

An dem Punkt stand nun Arminius, mit etwa 33 Jahren für antike Verhältnisse auch nicht mehr der allerjüngste. Was sollte er nun tun? Rational würden wir heute sagen, am besten sollte er sich in sein Kernland zurückziehen und retten was zu retten ist, denn er hatte sein militarisch-politisches Blatt bis zur Belastungsgrenze ausgereizt. Und er hätte natürlich seine Frau und seinen Sohn, den er noch nie gesehen hatte, auf immer abschreiben müssen.

Aber er machte natürlich denselben Fehler, den schon so viele erfolgreiche Feldherrn vor ihm und nach ihm machten, von Alexander bis Napoleon: Er setzte alles auf sein längst übereiztes Blatt im Glauben an den gewohnten Erfolg. Denn in 19 wurde der angeschlagene Marbod gestürzt, zunächst durch den Gotonen Katuwalda, der im gleichen Jahr noch durch den Hermunduren Wibilo ersetzt wurde. Offensichtlich hatte Arminius es geschafft seinen Konkurrenten Marbod durch einen ihm seit kurzem freundlich verbündeten Fürsten der mittelelbischen Stämme zu ersetzen.

Ab 19 gab es damit für Arminius einen Vasallenkönig in Böhmen/Mähren; er konnte nun ungefährdet bis direkt an die Donaugrenze des römischen Reiches beim heutigen Wien vorrücken. Dieses Gebiet grenzt direkt an Pannonien (Ungarn), welches wiederum eine für Rom neuralgische östliche Eingangspforte in die Poebene nicht weit von Ravenna eröffnet.

Der für ihn so schmerzliche Raub seiner Familie lag nur vier Jahre zurück, wir können uns leicht denken, was da in ihm vorging. Germanicus genauso ein Hasardeur wie Arminius selbst, hatte damals durch einen tiefen und unerwarteten Vorstoß auf das von Arminius beherrschte Gebiet die Beiden entführt. Warum sollte er nicht das gleiche jetzt auch versuchen und sich seine Familie zurückholen? Auf markomannischem Gebiet durfte er sich ja nun sicher fühlen, von der Südgrenze Mährens aus lag der Vorstoß durch Pannonien auf Ravenna greifbar nahe, zumindest war er denkbar. Ob er es versucht hat?


Schlagt mich tot, aber Ich denke, genau das war der Fall!
Denn was für eine Alternative hatte er denn nach 17? Er konnte im Prinzip nur weitermachen, was er bereits angefangen hatte. Sich als von Germanicus gehörnter Ehrloser aufs Altenteil zurückziehen und in der Hildesheimer Börde Kartoffeln pflanzen, die Möglichkeit hatte er nicht. Oder sich einfach irgendwo verstecken oder als Raubritter durch die Gegend tingeln und auf das unvermeidliche Ende warten, das war ganz bestimmt auch nicht denkbar für den genialen Feldherrn und Varusbezwinger. Es gab nur einen Weg, der nach Süden, Alles oder Nichts!



Beste Grüsse, Trajan.
 
In 17 ging dann der germanische Bruderkrieg los: Das seit zwei Jahrzehnten nach römischen Vorbild existierende germanische Reich des Marbod und sein neu entstandener germanischer Konkurrent aus dem Norden prallten
aufeinander. Vermutlich ging die Initiative sogar von Marbod aus, denn in 9 hatte er das Bündnisangebot (den Kopf des Varus) von Arminius abgelehnt und vermutlich gehofft, das sich die Cherusker an Rom aufreiben würden. Das hatte nicht geklappt und nun kam es zum Kampf, den Arminius für sich entscheiden konnte, nachdem er die Elbsässigen Stämme auf seine Seite gebracht hatte.

Du glaubst nicht im Ernst daran, dass Arminius ein staatsähnliches Gebilde, vergleichbar dem Markomannenreich Marbods, errichtet hat, oder? Wie soll das möglich gewesen sein? Marbod war wahrscheinlich König der Markomannen, der in Frieden- wie in Kriegszeiten über seinen Stamm gebot, Arminius dagegen war allenfalls ein Heerführer, dessen Kriegsheil dazu führte, dass er seinen Einfluss für eine Zeit lang über die Gesamtheit der Cherusker ausdehnen konnte. Vom Range her war er damit aber keinesfalls mit Marbod vergleichbar, denn dieser hatte zumindest zur Glanzzeit seines Königtums wohl keine Opposition, Arminius dagegen lag in ständigem Konflikt mit seinen Widersachern, die nicht nur unter den benachbarten Stämmen zu finden war, sondern gerade innerhalb des eigenen Stammes. Zurecht erwähnst du Inguiomerus, der während des Konflikts mit Marbod auf die elbgermanische Seite wechselt. Der größte Gegenspieler des Arminius war Segestes, Anführer der pro-römischen Partei der Cherusker.
Wie soll Arminius denn je ein staatenähnliches Gebilde, eine Hegemonie im rhein-wesergermanischen Raum aufgebaut haben, wenn er niemals unangefochtener Herrscher, Fürst, Herzog, von mir aus auch König seines Stammes gewesen ist. Für die Errichtung eines solchen Staates fehlte es ihm schlichtweg an einer Basis, einem Stamm der ihm voll und ganz untertan ist, Marbod verfügt mehr oder minder über diese Voraussetzung, als er die Markomannen aus dem Maingebiet nach Böhmen führte. Arminius besaß in Friedenszeiten einfach nicht die Anzahl von Kriegern, der es bedurft hätte um seine Macht inner- und außerhalb des cheruskischen Stammesgebiet zu konsolidieren, Segestes und Inguiomerus standen nicht auf seiner Seite und die benachbarten Stämme hätten sich ihm mit Sicherheit nicht freiwillig unterworfen. Für viele Krieger und auch den Adel mag er ein fähiger Heerfüher gewesen sein, aber er war eben kein Marser, kein Brukterer und auch kein Chatte. Von woher hätte er also seine Macht und seine Legitimation für den Aufbau eines Reiches nehmen sollen, ganz zu schweigen von logistischen Mitteln und administrativen Know-how.

Vielleicht beabsichtigte Arminius ein solches cheruskisches Königtum mitsamt Hegemonie über benachbarte einige Völkerschaften zu begründen, gelungen ist ihm das meiner Meinung nach nie anders als Marbod zum Beispiel, der aber über andere Voruassetzungen verfügte.
Aus meiner Sicht war Arminius ein sehr erfolgreicher Heerführer, dem es aufgrund seiner Herkunft, seiner Erziehung, seiner Fähigkeiten und seines Schlachtenglücks mehrere Jahre erfolgreich gelungen ist, größere germanische Truppen gegen einen Feind zu mobilisieren, ein Novum bis dato. Doch schon diese Machtfülle führte dazu, dass er von seinen eigenen Verwandten (!), ergo Cheruskern, nicht etwa von anderen germanischen "Untertanen", ermordet wurde

An dem Punkt stand nun Arminius, mit etwa 33 Jahren für antike Verhältnisse auch nicht mehr der allerjüngste. Was sollte er nun tun? Rational würden wir heute sagen, am besten sollte er sich in sein Kernland zurückziehen und retten was zu retten ist, denn er hatte sein militarisch-politisches Blatt bis zur Belastungsgrenze ausgereizt. Und er hätte natürlich seine Frau und seinen Sohn, den er noch nie gesehen hatte, auf immer abschreiben müssen.
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Der für ihn so schmerzliche Raub seiner Familie lag nur vier Jahre zurück, wir können uns leicht denken, was da in ihm vorging. Germanicus genauso ein Hasardeur wie Arminius selbst, hatte damals durch einen tiefen und unerwarteten Vorstoß auf das von Arminius beherrschte Gebiet die Beiden entführt. Warum sollte er nicht das gleiche jetzt auch versuchen und sich seine Familie zurückholen? Auf markomannischem Gebiet durfte er sich ja nun sicher fühlen, von der Südgrenze Mährens aus lag der Vorstoß durch Pannonien auf Ravenna greifbar nahe, zumindest war er denkbar. Ob er es versucht hat?
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Denn was für eine Alternative hatte er denn nach 17? Er konnte im Prinzip nur weitermachen, was er bereits angefangen hatte. Sich als von Germanicus gehörnter Ehrloser aufs Altenteil zurückziehen und in der Hildesheimer Börde Kartoffeln pflanzen, die Möglichkeit hatte er nicht. Oder sich einfach irgendwo verstecken oder als Raubritter durch die Gegend tingeln und auf das unvermeidliche Ende warten, das war ganz bestimmt auch nicht denkbar für den genialen Feldherrn und Varusbezwinger. Es gab nur einen Weg, der nach Süden, Alles oder Nichts!
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Ab 19 gab es damit für Arminius einen Vasallenkönig in Böhmen/Mähren; er konnte nun ungefährdet bis direkt an die Donaugrenze des römischen Reiches beim heutigen Wien vorrücken. Dieses Gebiet grenzt direkt an Pannonien (Ungarn), welches wiederum eine für Rom neuralgische östliche Eingangspforte in die Poebene nicht weit von Ravenna eröffnet.

Also ich bewzeifle deine These hier doch sehr sehr sehr stark, du willst mir nicht allen Ernstes erzählen, dass Arminius einen Krieg gegen Marbod führt, nur um dann, bei erfolgreichem Verlauf des Krieges, von Mähren aus nach Ravenna vorstoßen zu können um seine Frau und seinen Sohn aus der Geiselhaft zu befreien? Ich glaube kaum, dass er seine inner-cheruskische Macht und das Ansehen bei den benachbarten Stämmen aufs Spiel für seine Liebe gesetzt hätte. Seine Frau und sein Sohn waren für ihn verloren und wenn er das Leben seiner Krieger für dieses Himmelfahrtskommando aufs Spiel gesetzt hätte, wäre er nicht der herausragende Kommandant gewesen, der erwahrscheinlich war. Für meinen Fall hast du hier ein bisschen zuviel Jörg Kastner gelesen...

Aber er machte natürlich denselben Fehler, den schon so viele erfolgreiche Feldherrn vor ihm und nach ihm machten, von Alexander bis Napoleon: Er setzte alles auf sein längst übereiztes Blatt im Glauben an den gewohnten Erfolg. Denn in 19 wurde der angeschlagene Marbod gestürzt, zunächst durch den Gotonen Katuwalda, der im gleichen Jahr noch durch den Hermunduren Wibilo ersetzt wurde. Offensichtlich hatte Arminius es geschafft seinen Konkurrenten Marbod durch einen ihm seit kurzem freundlich verbündeten Fürsten der mittelelbischen Stämme zu ersetzen.

Ja klar, Vibilius war ein Marionettenkönig des Arminius...Nein ernsthaft, unter Katualda begann das Markomannen-Reich bereits zu zerfallen, unter Vibilius gewannen die Hermunduren ihre Unabhängigkeit zurück. Ich denke nicht, dass es da ein Verhältnis Lehnsherr-Vasall zwischen Arminius und Vibilius gab, und auch eine zweitweise Herrschaft des Arminius über böhmisch-mährische Bereiche sind aus meiner Sicht absurd, zu diesem Zeitpunkt hätte kein germanischer Fürst dieses riesige Gebiet, vom Rhein bis zur Oder kontrollieren geschweige denn regieren können, dafür war die Zeit noch nicht reif.
 
Ave Aragon,

Aragon schrieb:
...Du glaubst nicht im Ernst daran, dass Arminius ein staatsähnliches Gebilde, vergleichbar dem Markomannenreich Marbods, errichtet hat, oder?...

Nein, hat er ja auch nicht. Das heisst aber nicht, das er es nicht versucht hatte. Denn sein strategisches Vorgehen deutet das durchaus an, beginnend mit dem Versand des Varuskopfes in 9. Darüber, das er gescheitert ist brauchen wir uns nicht zu entzweien.

Aragon schrieb:
...Vielleicht beabsichtigte Arminius ein solches cheruskisches Königtum mitsamt Hegemonie über benachbarte einige Völkerschaften zu begründen, gelungen ist ihm das meiner Meinung nach nie anders als Marbod zum Beispiel, der aber über andere Voruassetzungen verfügte...

Genau.


Aragon schrieb:
...Aus meiner Sicht war Arminius ein sehr erfolgreicher Heerführer, dem es aufgrund seiner Herkunft, seiner Erziehung, seiner Fähigkeiten und seines Schlachtenglücks mehrere Jahre erfolgreich gelungen ist, größere germanische Truppen gegen einen Feind zu mobilisieren, ein Novum bis dato. Doch schon diese Machtfülle führte dazu, dass er von seinen eigenen Verwandten (!), ergo Cheruskern, nicht etwa von anderen germanischen "Untertanen", ermordet wurde...

Ja natürlich. Wobei aber Tacitus nur Adgandestrus, ein Chatte (!), als Komplottbeteiligten nennt.


Aragon schrieb:
...Also ich bewzeifle deine These hier doch sehr sehr sehr stark, du willst mir nicht allen Ernstes erzählen, dass Arminius einen Krieg gegen Marbod führt, nur um dann, bei erfolgreichem Verlauf des Krieges, von Mähren aus nach Ravenna vorstoßen zu können um seine Frau und seinen Sohn aus der Geiselhaft zu befreien?...

Nein, so einfach ist es auch wieder nicht. Sicher wird er das im Hinterkopf gehabt haben, wie könnte er anders. Aber er hatte sowieso keine grossen Freiraum mehr nach der Marbodschlacht in 17. Nach dem halben Sieg gab es nur noch zwei Handlungsmöglichkeiten: Erstens Rückzug, und der hätte im Reputation, Gefolgschaft und damit Kopf und Kragen gekostet, oder eben Zweitens weiter voran zu schreiten, alles oder nichts. Er musste es zu Ende bringen, das war bei anderen Feldherren seines Kalibers nicht anders. Er musste versuchen, doch noch den Sack zu zumachen, obwohl ihm die Potenz dafür schon bedenklich abhanden gekommen war. Das er dabei scheiterte war zu befürchten und unterscheidet ihn nicht von Hanibal, Alexander oder Napoleon.


Aragon schrieb:
...Ich glaube kaum, dass er seine inner-cheruskische Macht und das Ansehen bei den benachbarten Stämmen aufs Spiel für seine Liebe gesetzt hätte. Seine Frau und sein Sohn waren für ihn verloren und wenn er das Leben seiner Krieger für dieses Himmelfahrtskommando aufs Spiel gesetzt hätte, wäre er nicht der herausragende Kommandant gewesen, der erwahrscheinlich war....

Naja, sein Ansehen war durch den gelungen Raub ja sowieso beschädigt, die Rückeroberung seiner Familie hätte ihn da wieder auf die Spur gebracht. Und die Aussicht auf erneute fette römische Beute hätte seine Helden sicher auch noch motivieren können.


Aragon schrieb:
...Ja klar, Vibilius war ein Marionettenkönig des Arminius...Nein ernsthaft, unter Katualda begann das Markomannen-Reich bereits zu zerfallen, unter Vibilius gewannen die Hermunduren ihre Unabhängigkeit zurück. Ich denke nicht, dass es da ein Verhältnis Lehnsherr-Vasall zwischen Arminius und Vibilius gab, und auch eine zweitweise Herrschaft des Arminius über böhmisch-mährische Bereiche sind aus meiner Sicht absurd, zu diesem Zeitpunkt hätte kein germanischer Fürst dieses riesige Gebiet, vom Rhein bis zur Oder kontrollieren geschweige denn regieren können, dafür war die Zeit noch nicht reif.....

Auch da stimme ich weitgehend zu, denn das die beiden germansichen Reiche, das von Marbod und das Versuchte von Arminius, untergingen ist im Nachhinein klar und richtig. Aus der Sicht der Zeitgenossen aber war das garnicht so klar.

Richtig, mit Katualda ging auch das erste Markomannenreich unter, dann kam direkt der Hermundure Wibilo. Ob der jetzt ein Vasall war oder ob er nur befreundet war lässt sich nicht mehr klären. Jedenfalls konnte Arminius jetzt erstmal bis an die Donau kommen. Gefallen hats Wibilo und Co. auf jedenfall nicht, denn er hat sie nicht überschritten, denn das wäre dem Tacitus wenigstens einer seiner Halbsätze wert gewesen.

Ich vermute, das er sich mit der Andeutung eines solchen Himmelfahrtskommando seine wackeligen Koalitionäre zu Feinden machte, schliesslich lag der pannonische Krieg nicht lange zurück und Rom wieder zu reizen lag nicht in deren Interesse. Das dürfte sein Ende gewesen sein.

Der Chatte Adgandestrus bat um Gift in Rom nach, soveil wissen wir jedenfalls, und kurze Zeit später wurde der Hermundure Wibilo durch den Rom verbundenen Quaden Vannius ersetzt. Damit war das Markommenreich erledigt.

All das, insbesondere auch was das Marbodreich angeht, ist leider durch römische Historiographen nur andeutungsweise überliefert. Solange es nicht direkt Rom tangierte, interessierte man sich dort für innergermansiche Angelegenheit so gut wie nicht.

Beste Grüsse, Trajan.
 
Nein, so einfach ist es auch wieder nicht. Sicher wird er das im Hinterkopf gehabt haben, wie könnte er anders. Aber er hatte sowieso keine grossen Freiraum mehr nach der Marbodschlacht in 17. Nach dem halben Sieg gab es nur noch zwei Handlungsmöglichkeiten: Erstens Rückzug, und der hätte im Reputation, Gefolgschaft und damit Kopf und Kragen gekostet, oder eben Zweitens weiter voran zu schreiten, alles oder nichts. Er musste es zu Ende bringen, das war bei anderen Feldherren seines Kalibers nicht anders. Er musste versuchen, doch noch den Sack zu zumachen, obwohl ihm die Potenz dafür schon bedenklich abhanden gekommen war. Das er dabei scheiterte war zu befürchten und unterscheidet ihn nicht von Hanibal, Alexander oder Napoleon.

Die Ausweglosigkeit dieser Situation, die du hier beschreibst finde ich als Gedankengang sehr interessant. Allerdings spricht aus meiner Sicht dagegen, dass Arminius, als erfahrenem Militär, die Unsinnigkeit dieses Unterfangens deutlich vor Augen stand. Er selbst wird gewusst haben, dass das "Alles auf eine Karte setzen", wie du es nennst, noch weniger Erfolg gehabt hätte, als eine Konzentration auf die Herrschaft über das Cheruskergebiet. Immerhin hatte Inguiomerus seine Machtposition innerhalb des eigenen Stammes durch das überlaufen zu Marbod wohl äußerst geschwächt. Arminius könnte, auch durch seine Reputation als "Marbod-Bezwinger", versucht haben, seine Position bei den Cheruskern weiterauszubauen. Ich glaube schon, dass es ein "Zurück" ins Cheruskergebiet gab mit gleichzeitigem Verzicht auf irgendwelche mittelelbischen Gebiete bzw. böhmisch-mährischen Gebiete. Was hätte er denn von anderen Stämmen erwarten sollen, viele werden ihm dankbar gewesen sein, dass er das expansive Markomannen-Reich besiegt hatte, allen voran die Chatten, die nun wieder gegen die benachbarten "unabhängigen" Hermunduren vorgehen konnten, was z.B. beim Kampf um die Salzquellen zum Tragen kommt, auch wenn davon erst 50 n.Chr. berichtet wird.

Naja, sein Ansehen war durch den gelungen Raub ja sowieso beschädigt, die Rückeroberung seiner Familie hätte ihn da wieder auf die Spur gebracht. Und die Aussicht auf erneute fette römische Beute hätte seine Helden sicher auch noch motivieren können.

Genauso gut hätte er eine Fürstentochter aus einem der benachbaten Stämme ehelichen können um sein Ruf wieder in Ordnung zu bringen. Im vorbeigehen hätte er omit auch weitere Adelige samt deren Krieger an sich binden können.
Gleichwohl hätte er mit einem Heer nach Ravenna gehen können, doch woher nehmen und nicht stehlen, ich ziehe eine Einplanung von quadischen, markomannischen u.a. Kontingenten stark in Zweifel, selbst rhein-wesergermanische Verbände hätten daran wohl nicht teilgenommen. Der Raub und die Geiselnahme seiner Frau als auch seines Kindes ist meiner Meinung nach eher mit einer Privatfehde verzugleichen, Kriegern anderer Stämme, ja selbst Krieger die einem anderen Cherusker Gefolgschaft leisteten, werden sich aus diesem privaten Konflikt herausgehalten haben. Und mit den Männern die Arminius für einen solchen Zweck dann schließlich unter Waffen gehabt hätte, war eine solche Mission auf römischem Reichsgebiet wohl nicht zu machen.

Auch da stimme ich weitgehend zu, denn das die beiden germansichen Reiche, das von Marbod und das Versuchte von Arminius, untergingen ist im Nachhinein klar und richtig. Aus der Sicht der Zeitgenossen aber war das garnicht so klar.

Eben es war den Zeitgenossen nicht klar, weil es ein Reich, das von Arminius geführt wurde, schlicht und einfach nicht gab. Daran mangelte es, wie schon zuvor erklärt, an Kampfverbänden, Logistik und administrativen Einrichtungen und dem dazugehörigen Wissen.

Nein, so einfach ist es auch wieder nicht. Sicher wird er das im Hinterkopf gehabt haben, wie könnte er anders. Aber er hatte sowieso keine grossen Freiraum mehr nach der Marbodschlacht in 17. Nach dem halben Sieg gab es nur noch zwei Handlungsmöglichkeiten: Erstens Rückzug, und der hätte im Reputation, Gefolgschaft und damit Kopf und Kragen gekostet, oder eben Zweitens weiter voran zu schreiten, alles oder nichts. Er musste es zu Ende bringen, das war bei anderen Feldherren seines Kalibers nicht anders. Er musste versuchen, doch noch den Sack zu zumachen, obwohl ihm die Potenz dafür schon bedenklich abhanden gekommen war. Das er dabei scheiterte war zu befürchten und unterscheidet ihn nicht von Hanibal, Alexander oder Napoleon.

Die Ausweglosigkeit dieser Situation, die du hier beschreibst finde ich als Gedankengang sehr interessant. Allerdings spricht aus meiner Sicht dagegen, dass Arminius, als erfahrenem Militär, die Unsinnigkeit dieses Unterfangens deutlich vor Augen stand. Er selbst wird gewusst haben, dass das "Alles auf eine Karte setzen", wie du es nennst, noch weniger Erfolg gehabt hätte, als eine Konzentration auf die Herrschaft über das Cheruskergebiet. Immerhin hatte Inguiomerus seine Machtposition innerhalb des eigenen Stammes durch das überlaufen zu Marbod wohl äußerst geschwächt. Arminius könnte, auch durch seine Reputation als "Marbod-Bezwinger", versucht haben, seine Position bei den Cheruskern weiterauszubauen. Ich glaube schon, dass es ein "Zurück" ins Cheruskergebiet gab mit gleichzeitigem Verzicht auf irgendwelche mittelelbischen Gebiete bzw. böhmisch-mährischen Gebiete. Was hätte er denn von anderen Stämmen erwarten sollen, viele werden ihm dankbar gewesen sein, dass er das expansive Markomannen-Reich besiegt hatte, allen voran die Chatten, die nun wieder gegen die benachbarten "unabhängigen" Hermunduren vorgehen konnten, was z.B. beim Kampf um die Salzquellen zum Tragen kommt, auch wenn davon erst 50 n.Chr. berichtet wird.

Naja, sein Ansehen war durch den gelungen Raub ja sowieso beschädigt, die Rückeroberung seiner Familie hätte ihn da wieder auf die Spur gebracht. Und die Aussicht auf erneute fette römische Beute hätte seine Helden sicher auch noch motivieren können.

Genauso gut hätte er eine Fürstentochter aus einem der benachbaten Stämme ehelichen können um sein Ruf wieder in Ordnung zu bringen. Im vorbeigehen hätte er omit auch weitere Adelige samt deren Krieger an sich binden können.
Gleichwohl hätte er mit einem Heer nach Ravenna gehen können, doch woher nehmen und nicht stehlen, ich ziehe eine Einplanung von quadischen, markomannischen u.a. Kontingenten stark in Zweifel, selbst rhein-wesergermanische Verbände hätten daran wohl nicht teilgenommen. Der Raub und die Geiselnahme seiner Frau als auch seines Kindes ist meiner Meinung nach eher mit einer Privatfehde verzugleichen, Kriegern anderer Stämme, ja selbst Krieger die einem anderen Cherusker Gefolgschaft leisteten, werden sich aus diesem privaten Konflikt herausgehalten haben. Und mit den Männern die Arminius für einen solchen Zweck dann schließlich unter Waffen gehabt hätte, war eine solche Mission auf römischem Reichsgebiet wohl nicht zu machen, selbst die Aussicht auf Beute wäre es wohl nicht Wert gewesen seine Machtbasis und sein Ansehen im Cheruskerland zu verspielen.

Richtig, mit Katualda ging auch das erste Markomannenreich unter, dann kam direkt der Hermundure Wibilo. Ob der jetzt ein Vasall war oder ob er nur befreundet war lässt sich nicht mehr klären. Jedenfalls konnte Arminius jetzt erstmal bis an die Donau kommen. Gefallen hats Wibilo und Co. auf jedenfall nicht, denn er hat sie nicht überschritten, denn das wäre dem Tacitus wenigstens einer seiner Halbsätze wert gewesen.
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Der Chatte Adgandestrus bat um Gift in Rom nach, soveil wissen wir jedenfalls, und kurze Zeit später wurde der Hermundure Wibilo durch den Rom verbundenen Quaden Vannius ersetzt. Damit war das Markommenreich

Ich denke, dass es Vibilius recht egal war, ob Arminius jetzt die Möglichkeit hatte an der Donau zu stehen, wie schon erwähnt, war er Hermundure und wahrscheinlich am Erhalt seiner Macht, wie groß oder gering diese auch immer gewesen sein mag, innerhalb hermundurischen Siedlungsgebiets zwischen Werra und Elbe. Was sicht jenseits davon in Böhmen abspielte konnte ihm mehr als egal sein, das Reich des Marbod war zerfallen und Markomannen und Quaden mussten zusehen wie sie jetzt zurechtkamen. In diesem Kontext sehe ich die Einsetzung des Vannius als Herrscher des restlichen "Marbod-Reiches"

Ich vermute, das er sich mit der Andeutung eines solchen Himmelfahrtskommando seine wackeligen Koalitionäre zu Feinden machte, schliesslich lag der pannonische Krieg nicht lange zurück und Rom wieder zu reizen lag nicht in deren Interesse. Das dürfte sein Ende gewesen sein.

Nun ja, ich gehe eher davon aus, dass das Ende des Arminius im Versuch des Ausbaus und der Festigung seiner Macht über die Cherusker zu finden ist. Ein Großteil des cheruskischen Adels sah sich seiner Stellung beraubt, allen voran die Sippe des Inguiomerus, die ohnehin verlorene Macht zurückerobern wollte, zudem zählte diese Sippe zu seiner eigenen Verwandschaft und auch Segestes
dürfte von seinem Wohnsitz in Gallien aus seine Finger im Spiel gehabt haben.

Ja natürlich. Wobei aber Tacitus nur Adgandestrus, ein Chatte (!), als Komplottbeteiligten nennt.

Ob die Tatsache, dass ein Chatte sich anbietet, Arminius zu ermorden, jetzt dafür spricht, dass Arminius eine Art Oberhoheit über diesen Stamm ausübte, erscheint mir wenig glaubhaft. Vielleicht interpretierst du den Zusammenhang aber auch ganz anders als ich. Genauso gut könnte eine nahe Verwandte des Adgandestrius die neue Ehefrau des Arminius gewesen sein und Adgandestrius erhoffte sich aufgrund seiner Nähe zu Arminius und eine dadurch mögliche Ermordung des Cheruskers eine große finanzielle Belohnung seitens Rom um damit seine eigene Machtposition auszubauen. Man weiß es nicht...

All das, insbesondere auch was das Marbodreich angeht, ist leider durch römische Historiographen nur andeutungsweise überliefert. Solange es nicht direkt Rom tangierte, interessierte man sich dort für innergermansiche Angelegenheit so gut wie nicht.

Genau! Und deshalb bleibt hier alles auch nur Vermutung.
 
Ich hätte da mal eine Frage!

Ich lese immer von Schriften des Tacitius, Dio oder Paterculus in denen über die germanische Lebensweise bzw. über dir römischen Kriegszüge in germanisches Gebiet berichtet wird.

Gibt es kein germanisches Schriftgut??

Marbod, Segestes oder Arminius selbst, waren doch eng mit den Römern verbunden bzw. ihrer Lebensweise. Sicher kannten sie das lateinische Alphabet oder hatten zumindest schreibfähige Sklaven ?

Selbst in überlieferten germanischen Sagen und Legenden habe ich bis jetzt etwas über die Schlachten zwischen Römern und Germanen gelesen oder gehört. Die Siegfriedsage mal ausgenommen . Aber diese spielte ja eh zu späterer Zeit eine Rolle.

Die Germanen an sich waren doch sehr stolz auf Ihre Helden . Wieso gibt es keine Sage oder Legenden von der Varusschlacht oder aus der Schlacht bei Idistaviso ?

MfG Henricus
 
@Henricus: Sicher kannten sie das lateinische Alphabet oder hatten zumindest schreibfähige Sklaven ?
Schreiber, Hauslehrer und Philosophen an Arminius Hof? Das übersteigt nun wirklich mein Vorstellungsvermögen.

Seinen Hausbarden wird er gehabt haben, aber überliefert ist nix. Es gibt die Theorie das Siegfried auf seiner Person beruht, das ist aber nicht wirklich beweisbar.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Balticbirdy

Das Arminius mit Siegfried identisch ist glaube ich auch wirklich nicht.

Aber Arminius als römischer Bürger und sogar Ritter wird wohl sicher Latein gesprochen und geschrieben haben.
Sollte er nicht auch Aufzeichnungen gemacht haben, oder zumindest Briefe geschrieben haben. An seinen Bruder Flavus z.B.?

Oder auch an den Markomannenherzog ?
Schade das uns da nichts erhalten blieb.

lg Henricus
 
Sollte er nicht auch Aufzeichnungen gemacht haben, oder zumindest Briefe geschrieben haben. An seinen Bruder Flavus z.B.?

Ganz bestimmt nicht. Dem Flavus wäre er am liebsten an die Gurgel gesprungen (siehe Idistaviso). Sooo romanisiert wird er nicht gewesen sein.
 
Ich lese immer von Schriften des Tacitius, Dio oder Paterculus in denen über die germanische Lebensweise bzw. über dir römischen Kriegszüge in germanisches Gebiet berichtet wird.

Gibt es kein germanisches Schriftgut??

Es gibt germanische Schriftzeugen (Runen) bis an die Jahrhundertwende vom zweiten zum ersten vorchristlichen Jahrhundert. Das sind meist Einzelnamen von Göttern oder Personen. Der älteste germanische Textzeuge ist die Gotenbibel des Bischofs Wulfila, entstanden nach 380 n. Chr. Wulfila entwicklete dafür extra eine eigene Schrift aus Runen und dem griechischen Alphabet. Man kann wohl davon ausgehen, dass Schrift einen äußerst magischen Charakter hatte (also nicht zur Aufbewahrung diente und zudem auf vergänglichem Material geschrieben wurde.
 
Ave Aragon,

zunächst mal vielen Dank für deine ausführliche Antwort.

Aragon schrieb:
Die Ausweglosigkeit dieser Situation, die du hier beschreibst finde ich als Gedankengang sehr interessant. Allerdings spricht aus meiner Sicht dagegen, dass Arminius, als erfahrenem Militär, die Unsinnigkeit dieses Unterfangens deutlich vor Augen stand. .....

Nun, deine Argumentation geht von rationaler Klarheit bei Feldherren aus. Das ist aber nicht unbedingt die Regel. Ob Alexander oder Napoleon, Hitler oder George Dubbelju Bush, alle machen Sie entscheidende Fehler aus scheinbar völlig irrealen Beweggründen. Im Nachhinein die Gründe für das folgende Scheitern aufzuzeigen ist vergleichsweise leicht, im Moment des Geschehens dagegen sehen die betroffenen Personen das ganz anders.

Insbesondere sind antike Personen auch Gesetzmässigkeiten unterworfen, die wir heute garnicht mehr nachvollziehen können. Die Lebenserwarung beträgt für heute Geborene rund 80 Jahre, zur Zeit Arminius dagegen lag sie etwa bei 35 Jahren. Zwar gab es auch damals alte, auch uralte Leute, aber das waren die Ausnahmen.. Arminius hatte schon tausende gleichaltrige und jüngere sterben sehen; als er vor seiner letzten Entscheidung stand konnte er sich sowieso kein allzu langes Leben mehr ausrechnen. Damals musste man früh in die vollen gehen, um was vom Leben zu haben, die Bekanntschaft mit Sterben und Tod war damals so normal wie bei uns heute das tägliche Zähneputzen. Hinzu kommt noch die von den Römern so beschriebene und gefürchtete Eigenschaft, dass die Germanen eine selbst für antike Zeiten enorme Todesverachtung an den Tag legten. Unter diesen antiken Randbedingungen ist die Flucht nach vorn nicht nur mutiger, sondern ggf. sogar rationaler als die Flucht nach hinten.

Aragon schrieb:
....Genauso gut hätte er eine Fürstentochter aus einem der benachbaten Stämme ehelichen können um sein Ruf wieder in Ordnung zu bringen. Im vorbeigehen hätte er omit auch weitere Adelige samt deren Krieger an sich binden können....

Auch das ist wieder sehr rational gesehen. Wie sieht es denn bei uns aus in einer vergleichbaren Situation, Frau und Kind entführt, greifbar nah aber trotzdem unerreichbar, aus? Heiraten wir dann einfach die nächste Millionärstochter und alles ist wieder gut? Vielleicht nach aussen hin, aber in uns? Wirklich rational sind wir nach so einem Ereignis ganz sicher nicht, da hilft auch die Grösse des Feldherrn nicht weiter.

Denken wir nur z.B. mal an Hitler: der verheizt seine letzten Chancen und hundert tausende Soldaten, weil er sich in eine Stadt verrannt hat, nur weil sie zufällig den Namen seines Gegners Stalin trug. Oder auch Bush Junior: ein Kriegsgrund im Irak war sicherlich auch, es seinem Pappi mal so richtig zu zeigen, wie man sowas besser macht. Darin dürfte er seinem Urahn Germanicus auch ähnlich gewesen sein, auch er wird so verbissen gekämpf haben u.a. um das Werk seines Vaters durchzuziehen. Von Alexander dem Grossen wollen erst garnicht reden, was an seinem Erfolg und Untergang rational war, ist mir rätselhaft.


Aragon schrieb:
...Nun ja, ich gehe eher davon aus, dass das Ende des Arminius im Versuch des Ausbaus und der Festigung seiner Macht über die Cherusker zu finden ist. Ein Großteil des cheruskischen Adels sah sich seiner Stellung beraubt, allen voran die Sippe des Inguiomerus, die ohnehin verlorene Macht zurückerobern wollte, zudem zählte diese Sippe zu seiner eigenen Verwandschaft und auch Segestes dürfte von seinem Wohnsitz in Gallien aus seine Finger im Spiel gehabt haben. Ob die Tatsache, dass ein Chatte sich anbietet, Arminius zu ermorden, jetzt dafür spricht, dass Arminius eine Art Oberhoheit über diesen Stamm ausübte, erscheint mir wenig glaubhaft....

Nun kommen wir zum Thema. Diese deine Aussage, und auch einiges mehr von den Ausführungen, hätte ich dir letztes Jahr auch noch unterschrieben. Warum? Weil es im wesentlichen die Standardlehrmeinug ist und der schliesse ich mich natürlich i.d.R. auch an. Warum aber bin jetzt anderer Meinung? Weil die archäologischen Realien dem widersprechen!

Und das kam so: Ich bin u.a. zwei Fragen nachgegangen, nämlich.
(1.) Wo ist eigentlich die Beute aus der Varusschlacht geblieben?
(2.) Wo ist eigentlich Arminius geblieben?

Zu (1.) findet man nämlich erstaunlich wenig, eigentlich fast garnichts im Weserbergland. Wäre nach der Standardmeinung die Beute grösstenteils unters Volk gestreut worden, so müsste man speziell in der Gegend der Varusschlacht, zwischen Teutoburger Wald und Weser, regelmässig mal das eine oder andere gute Stückchen finden. Bislang wurde aber neben kläglichesten resten in Kalkriese nur etwas in Hildesheim, und das ist schon klar jenseits des Gebietes, gefunden und das sind auch nur lächerliche 55 kg. Der ausgesprochene Mangel von römisch-augusteiischen Material in der Fundstatistik des Weserberglandes deutet schon auf eine Verschatzung hin.

Zu (2.) habe ich dann erstmal nach Fürstengräbern der frühen Kaiserzeit in der Cheruskischen Gegend gesucht, denn es ist kaum anzunehmen, Mord hin oder her, das man den grossen Feldherrn einfach im Moor versenkt hat. Vielmehr sollte ein formidabler Grabhügel schon zu finden sein. Aber da war wenig in der Literatur zu finden, der erste brauchbare Kandidat hatte ich in Marwedel an der Elbe ausgemacht. Es war recht nahe dran, Zeitstellung stimmte, aber sonst nicht viel. Es ist zu ärmlich für Arminius und zudem auch zu nördlich auf Chaukengebiet, und mit denen hatte Arminius unseres Wissens nach nichts zu schaffen.

Erstaunlich war für mich aber die Statistik dieser sogenannten Fürstengräber: Hier findet sich nun genau die einen oder anderen Schätzchen der augusteiischen Zeitstellung, aber alle ziemlich weit östlich, sogar bis ins heutige Polen, das meiste aber entlang der Elbelinie und schliesslich bis nach Böhmen/Mähren. Wie kann das sein, dass dort, wo kaum Kontakt mit Rom und Gallien herrschte, das Zeugs gehäuft auftritt und da wo es eigentlich sein sollte, im Weserbergland so gut wie nicht?


Nun es gibt eine reihe statistischer Studien über diese Fürstengräber, die etwa Anfang des 1. Jhd. starten und mit dem 3. Jahrhundert wieder ausdünnen. Ich zitiere stellvertretend für viele aus einer Arbeit eines böhmischen Archäologen (Ryszard Wolagiewicz; Der Zufluss römischer Importe in das Gebiet nördlich der mittleren Donau in der älteren Kaiserzeit, ZfA, 4, Berlin 1970, S.222-249 ) . Der hatte die Grab-Inventare analysiert und versucht damit römisch-germanische Handelsströme von böhmischen Boden aus zu konstruieren und zu belegen. Die erste und älteste Welle, genau die Anfang des ersten Jahrhunderts, nennt er die "Böhmische Welle". Ausserdem unterteilt er Germanien in verschiedene Zonen:

S 229 ff.:"Das Material der ältesten Importwelle strömte grundsätzlich nur der westlichen Zone zu (nach Böhmen, Thüringen, Sachsen, Altmark, Brandenburg, Mecklenburg und Westpommern). In der ostlichen und nördlichen Zone ist es bedeutungslos....Bemerkenswert ist das plötzliche Nachlassen des Importflusses....Dagegen steht das Nachlassen der Importe der älteren Gruppe im engen Zusammenhang mit dem Sturz Marbods im Jahre 19 u.Z......Bestattungen dieser Art kommen nur in der westlichen Zone, in Westpommern und Böhmen vor."

S. 243: "Es ist symptomatisch, das Importe der böhmischen Welle in der Mehrheit aus Fürstengräber stammen. Man muss daher mit einem geringen Handelstausch während der regierungszeit des augustus und Tiberius rechnen...Es scheint, daß der Importzufluss der böhmischen Welle auf ausserökonomische, d.h. vornehmlich politische Ursachen zurückzuführen ist."

Nun, das passt. Wenn Arminius die Varusbeute grösstenteils verschatzt hat, um damit später seine poltischen und militärischen Aktionen zu finanzieren, dann ist das so zu erwarten. Denn er dürfte in 17 die Elbsässigen Stämme mit Teilen dieser Beute bezahlt haben. (ganz nebenbei: Aus der Münzfundstatistik der germania liber kann man sogar erahnen, wo der Schatz lag und wo entlang er transportiert wurde).

Und dann kam noch das Grab von Musov hinzu. Das ist eine sehr komplexe Materie, und den rund 700 Seiten des hier zitierten Fundberichts von 2003 werden wohl noch viele tausend Seiten folgen. Die unter den Experten in weiten Teilen strittige Analyse und die ungeheure Vielfalt an Details und Interpretationen sprengt natürlich den Rahmen dieser späten Diskussion, ich zitiere hier erstmal nur aus der Zusammenfassung:

S. 510 ff: "...Hinsichtlich der Frage, welche Persönlichkeit oder Persönlichkeiten im Grab von Musov bestattet worden waren, kann man sich dem Versuch der näheren historischen und ethnischen Identifikation der Verstorbenen nicht entziehen. Wegen der speziellen Besonderheiten der Beigabensitte und weiterer Merkmale unter dem Fundstoff hat seinerzeit H.W. Böhme auf die engen Beziehnungen des Grabes zum langobardischen Milieu an der unteren Elbe verwiesen, und es wird sogar um einen König langobardischen Geblüts gerätselt.....Die Ausstattung mit den charakteristischen provinzialrömischen Beigaben, die eine Übernahme der provinzialrömischen Totenrituale andeuten, führte schon früh zu der Annahme, daß es sich wenigstens in einem Fall um die Bestattung eines germanischen nobilis, der schon teilweise romanisiert war, ... gehandelt haben könnte.....Letzthin bezeichnete auch E. Künzl den König aus dem Grab von Musov als einen römischen Alliierten; daß sich aber seine Residenz am unweit gelegenen Burgstall befand, ist bislang wenig wahrscheinlich."

Nun ja, wenn das mal nicht unser Spezi ist.

Guts Nächtle, Trajan.
 
Insbesondere sind antike Personen auch Gesetzmässigkeiten unterworfen, die wir heute garnicht mehr nachvollziehen können.

Stimmt, schon allein deshalb solltest du Alexander,Arminius und Germanicus nicht mit Feldherren der Neuzeit, Moderne und Post-Moderne vergleichen, wie du es hier getan hast.

--->

Nun, deine Argumentation geht von rationaler Klarheit bei Feldherren aus. Das ist aber nicht unbedingt die Regel. Ob Alexander oder Napoleon, Hitler oder George Dubbelju Bush, alle machen Sie entscheidende Fehler aus scheinbar völlig irrealen Beweggründen. Im Nachhinein die Gründe für das folgende Scheitern aufzuzeigen ist vergleichsweise leicht, im Moment des Geschehens dagegen sehen die betroffenen Personen das ganz anders.

Insbesondere sind antike Personen auch Gesetzmässigkeiten unterworfen, die wir heute garnicht mehr nachvollziehen können. Die Lebenserwarung beträgt für heute Geborene rund 80 Jahre, zur Zeit Arminius dagegen lag sie etwa bei 35 Jahren. Zwar gab es auch damals alte, auch uralte Leute, aber das waren die Ausnahmen.. Arminius hatte schon tausende gleichaltrige und jüngere sterben sehen; als er vor seiner letzten Entscheidung stand konnte er sich sowieso kein allzu langes Leben mehr ausrechnen. Damals musste man früh in die vollen gehen, um was vom Leben zu haben, die Bekanntschaft mit Sterben und Tod war damals so normal wie bei uns heute das tägliche Zähneputzen. Hinzu kommt noch die von den Römern so beschriebene und gefürchtete Eigenschaft, dass die Germanen eine selbst für antike Zeiten enorme Todesverachtung an den Tag legten. Unter diesen antiken Randbedingungen ist die Flucht nach vorn nicht nur mutiger, sondern ggf. sogar rationaler als die Flucht nach hinten.

Auch das ist wieder sehr rational gesehen. Wie sieht es denn bei uns aus in einer vergleichbaren Situation, Frau und Kind entführt, greifbar nah aber trotzdem unerreichbar, aus? Heiraten wir dann einfach die nächste Millionärstochter und alles ist wieder gut? Vielleicht nach aussen hin, aber in uns? Wirklich rational sind wir nach so einem Ereignis ganz sicher nicht, da hilft auch die Grösse des Feldherrn nicht weiter.

Denken wir nur z.B. mal an Hitler: der verheizt seine letzten Chancen und hundert tausende Soldaten, weil er sich in eine Stadt verrannt hat, nur weil sie zufällig den Namen seines Gegners Stalin trug. Oder auch Bush Junior: ein Kriegsgrund im Irak war sicherlich auch, es seinem Pappi mal so richtig zu zeigen, wie man sowas besser macht. Darin dürfte er seinem Urahn Germanicus auch ähnlich gewesen sein, auch er wird so verbissen gekämpf haben u.a. um das Werk seines Vaters durchzuziehen. Von Alexander dem Grossen wollen erst garnicht reden, was an seinem Erfolg und Untergang rational war, ist mir rätselhaft.


Und das kam so: Ich bin u.a. zwei Fragen nachgegangen, nämlich.
(1.) Wo ist eigentlich die Beute aus der Varusschlacht geblieben?
(2.) Wo ist eigentlich Arminius geblieben?

Zu (1.): Gut möglich, dass Arminius die Beute aus der Varusschlacht als Bestechungs- bzw. Beruhigungsgeld an Verbündete bezahlt hat. Ein Auftauchen von potentiellen Beutestücken in mittelelbischem Gebiet bestätigt doch nur die Vermutung, dass Arminius vor dem besagten Krieg gegen Marbod Semonen und Langobarden, denn deren Siedlungsgebiete lagen in jener Region, durch Schenkung von Teilen der Beute auf seine Seite gezogen hat. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Zudem steht aus meiner Sicht noch immer nicht fest, dass Kalkriese der tatsächliche Ort der Varusschlacht war, deshalb konnte man dort, wenn überhaupt, nur wenig Bedeutendes finden.

Auch eine Verteilung von varianischem Beutegut an die Bevölkerung im Sinne eines Robin Hoods erscheint mir ebenso fraglich wie wahrscheinlich dir. Den größteil des sog. "Schatzes" wird Arminius an sich genommen haben, die einfachen Krieger werden sich mit der Ausplünderung der gefallenen Legionäre und Zivilisten begnügt haben, zudem stellte ja schon der Besitz römischer Waffen einen nicht unbdeutenden Reichtum im rechtsrheinischen Germanien dar.
Natürlich kommt man zu der Frage, wie Arminius sich die Gefolgschaft anderer cheruskischer und weiterer germanischer Adeliger erkauft hat bzw. mit welcher Aussicht er sie auf seine Seite ziehen konnte. Wenn er dies mit Teilhabe an der Beute, speziell an Teilen des Schatzes, getan haben sollte, fällt die Tatsache ins Auge, dass wie du zurecht erwähnst, kaum Fundgut in rechtsrheinischem Gebiet erfasst worden ist. Ob dies darauf zurückzuführen ist, dass Arminius den größten Teil des erbeuteten Schatzes an sich gebracht hat oder er den Nobilitäten der Stämme materiellen Ausgleich angeboten hat, ist und bleibt vorerst unbeantwortet. Allerdings könnte der Schatz in Teilen spätestens unter Italicus wieder in römische Hände zurückgelangt sein, wenn Arminius ihn denn hat zusammenhalten können.


Zu (2.) habe ich dann erstmal nach Fürstengräbern der frühen Kaiserzeit in der Cheruskischen Gegend gesucht, denn es ist kaum anzunehmen, Mord hin oder her, das man den grossen Feldherrn einfach im Moor versenkt hat. Vielmehr sollte ein formidabler Grabhügel schon zu finden sein. Aber da war wenig in der Literatur zu finden, der erste brauchbare Kandidat hatte ich in Marwedel an der Elbe ausgemacht. Es war recht nahe dran, Zeitstellung stimmte, aber sonst nicht viel. Es ist zu ärmlich für Arminius und zudem auch zu nördlich auf Chaukengebiet, und mit denen hatte Arminius unseres Wissens nach nichts zu schaffen.
...
S. 510 ff: "...Hinsichtlich der Frage, welche Persönlichkeit oder Persönlichkeiten im Grab von Musov bestattet worden waren, kann man sich dem Versuch der näheren historischen und ethnischen Identifikation der Verstorbenen nicht entziehen. Wegen der speziellen Besonderheiten der Beigabensitte und weiterer Merkmale unter dem Fundstoff hat seinerzeit H.W. Böhme auf die engen Beziehnungen des Grabes zum langobardischen Milieu an der unteren Elbe verwiesen, und es wird sogar um einen König langobardischen Geblüts gerätselt.....Die Ausstattung mit den charakteristischen provinzialrömischen Beigaben, die eine Übernahme der provinzialrömischen Totenrituale andeuten, führte schon früh zu der Annahme, daß es sich wenigstens in einem Fall um die Bestattung eines germanischen nobilis, der schon teilweise romanisiert war, ... gehandelt haben könnte.....Letzthin bezeichnete auch E. Künzl den König aus dem Grab von Musov als einen römischen Alliierten; daß sich aber seine Residenz am unweit gelegenen Burgstall befand, ist bislang wenig wahrscheinlich."

Naja, wie wir ja wissen war Arminius nicht der einzige germanische Adelige in römischen Diensten, gerade die Chauken werden ja als treue Bündnispartner der Römer genannt, demnach werden auch dort viele Kommandeure chaukischer Auxilien mit reicher Beute aus römischem Dienst zurückgekehrt sein.

Zum Grab von Musov:
Natürlich passen alle Hinweise, die das Grab gibt, auf den Lebensweg des Arminius. Aber Arminius, war wie schon erwähnt, nicht der einzige germanische Aristokrat der in römische Dienste trat. Auch die Markomannen scheinen ja, wie am Beispiel Marbod ersichtlich, Geiseln an Rom gestellt zu haben, wie es in ähnlicher Weise auch die Cherusker getan haben. Das Grab kann genauso gut einem markomannischen oder auch quadischen Adeligen gehört haben, der im römischen Heer Auxilien befehligte und nach Ausscheiden aus der Armee nach Mähren zurückkehrte.
Ich denke nicht, dass das Grab jetzt eindeutige Aussagen über Herkunft und Status des Begrabenen liefert, es könnte eine Viezahl germanischer Adeliger dort zu Grabe getragen worden sein.

Zudem erschließt sich mir noch immer nicht, warum Arminius, der, wie schon öfters erwähnt, von seinen eigenen Verwandten ermordet wurde, ausgerechnet in einem Gebiet beerdigt worden sein sollte, dass nicht im Geringsten zu seinem Machtbereich gezählt hat. Auch die Verortung in langobardisches Gebiet des Begrabenen spricht aus meiner Sicht gegen Arminius als Begrabenem.

Die pro-römische Fraktion der Cherusker wird nach der Ermordung des Arminius ihr Übriges getan haben um dessen Ruf zu zerstören und ihn somit in Vergessenheit geraten zu lassen. Dazu zähle ich auch Schändung und Verschwindenlassen des Leichnams. Schwer war das nicht, denn dadurch, wie Ralf G. Jahn meint, dass sich eventuell die Chatten in inner-cheruskische Angelegenheiten einschalteten, und die Anti-Arminius-Partei stärkten, wird die Fraktion des Arminius mehr und mehr in Bedrängnis geraten sein und wird mit Arminius am Ende aufgerieben worden sein. Das könnte zumindest erklären, warum man im Wesergebiet und angrenzenden Regionen kein, dem Arminius würdiges Fürstengrab bisher hat finden können.

Nun ja, wenn das mal nicht unser Spezi ist.

Schön wärs, wobei ich aus objektiven Gesichtsgründen nicht daran glaube.
 
Der für ihn so schmerzliche Raub seiner Familie lag nur vier Jahre zurück, wir können uns leicht denken, was da in ihm vorging. (...) Warum sollte er nicht das gleiche jetzt auch versuchen und sich seine Familie zurückholen?

Beste Grüsse, Trajan.

Also, ich schließe mich Trajans Version einer von Arminius geplanten Befreiungsaktion seiner Frau und seines Sohnes bedenkenlos an!
Schließlich war es deutschen Fallschirmjägern auch möglich, Mussolini auf dem Gran Sasso zu befreien. Das zeigt doch, wie nachlässig Italiener mit ihren Geiseln umgehen, wenn sie sich sicher fühlen...
 
Ave Aragon,


Aragon schrieb:
...Zudem steht aus meiner Sicht noch immer nicht fest, dass Kalkriese der tatsächliche Ort der Varusschlacht war, deshalb konnte man dort, wenn überhaupt, nur wenig Bedeutendes finden....

Naja, Kalkriese ist mit weitem Abstand der grösste augusteiisch-varianische Fundort im Weserbergland, auch schon vor der modernen Prospektion. Wenn da wo anders noch was vergleichbares wäre, hätte man es längst gefunden. Trotzdem, es ist halt gemessen am Gesamtbestand des Varuszuges nur eine Marginalie.

Aragon schrieb:
...Zum Grab von Musov: Natürlich passen alle Hinweise, die das Grab gibt, auf den Lebensweg des Arminius. Aber Arminius, war wie schon erwähnt, nicht der einzige germanische Aristokrat der in römische Dienste trat. ..... Das Grab kann genauso gut einem markomannischen oder auch quadischen Adeligen gehört haben, der im römischen Heer Auxilien befehligte und nach Ausscheiden aus der Armee nach Mähren zurückkehrte.
Ich denke nicht, dass das Grab jetzt eindeutige Aussagen über Herkunft und Status des Begrabenen liefert,.....

Nun gut, wirklich eindeutiges gibts in der Althistorischen Forschung ja fast nie, meist nur mehr oder weniger hohe Wahrscheinlichkeiten. Was den beerdigten nobilis angeht: es handelt sich auf Grund des Reichtums, der Waffen der germanisch hergestellten Prunkkessels mit den Büsten etc. pp.um eine Person der absoluten creme de la creme, das kommt an vielen Stellen in den 700 Seiten zu Tage, Zitate kann ich noch ggf. nachliefern. Zudem kam er möglicherweise aus augusteiisch-tiberiansicher Zeit und aus dem niederen-mittleren Elbegebiet nördlich des Erzgebirges. Für diese Zeit gibts es praktisch aber keine anderen Kandidaten als Arminius, denn Marbod, schon ethnisch nicht passend, war ja in Ravenna im Exil.

Einige versuchen daher das Grab in Böhmen möglichts hochzudatieren, um es in die Zeit sogar nach dem Markomannen Krieg zu verschieben, um dann einen passenden König zu finden, nämlich Ballomarus, König von 160 - ??, oder gar Furtius, dort Quadenkönig ab 173 und später vertrieben. Dafür muss man sich aber reichlich verbiegen, das Grab gibt eine so späte Datierung nicht her, und auch die nötige nobilis nicht.

Zitat S. 512:"...Von der Zusammenstellung des Inventars, vorallen von den repräsentativen Waffenbeigaben, läßt sich ablesen, das im Grab nicht nur ein Mitglied der vornehmsten germanischen Nobilität beigesetzt wurde, sondern auch der erste Krieger des Stammes, der in seinen Händen sowohl die erbliche Würde des Stammeskönigs als auch die Macht des Heerführeres oder Oberbefehlshabers vereinigt hatte."

Interessant an dem Fundmateriel ausserdem: Manches ist zerrissen und auch schonmal vorsätzlich zerquetscht. Es erinnert stark an einige Funde in Kalkriese, wo manches Beutegut offensichtlich an Ort und Stelle nach den wertvollsten Teilen zerupft und Silberbleche zu handlicher Grösse gequetscht wurden. Was ja auch für eine Verschatzung einfacher ist, zumal wenn man über mehr als nötig Beute verfügt.

Aragon schrieb:
...Zudem erschließt sich mir noch immer nicht, warum Arminius, der, wie schon öfters erwähnt, von seinen eigenen Verwandten ermordet wurde, ausgerechnet in einem Gebiet beerdigt worden sein sollte, dass nicht im Geringsten zu seinem Machtbereich gezählt hat.,.....

Warum er dort ermordet wurde, hatte ich ja erläutert. Warum er vermutlich auch dort begraben wurde? Nunja, transportieren war damals schlecht möglich. Aber vielleicht gab es noch andere Gründe.

Aragon schrieb:
...Auch die Verortung in langobardisches Gebiet des Begrabenen spricht aus meiner Sicht gegen Arminius als Begrabenem.,.....

Die Langobarden waren die Nachbarn der Cherusker auf der rechten Seite der Elbe, nur durch den Fluss getrennt. Die ethnischen Unterscheide dürften nicht gross gewesen sein. Das ein Archäologe den Typ Langobarde heranzieht und nicht den Typ Cherusker, liegt nur daran, das Langobarden viel besser bekannt sind, denn die Cherusker verschwanden ja schnell wieder von der archäologischen Bildfläche und sind daher bis heute kaum fassbar geblieben.

Aragon schrieb:
...Die pro-römische Fraktion der Cherusker wird nach der Ermordung des Arminius ihr Übriges getan haben um dessen Ruf zu zerstören und ihn somit in Vergessenheit geraten zu lassen. ..... denn dadurch, wie Ralf G. Jahn meint, dass sich eventuell die Chatten in inner-cheruskische Angelegenheiten einschalteten, und die Anti-Arminius-Partei stärkten, wird die Fraktion des Arminius mehr und mehr in Bedrängnis geraten sein und wird mit Arminius am Ende aufgerieben worden sein. Das könnte zumindest erklären, warum man im Wesergebiet und angrenzenden Regionen kein, dem Arminius würdiges Fürstengrab bisher hat finden können..,..

Klar, das ist Lehrmeinung, die nicht zuletzt durch Jahn verfestigt wurde, darin bin ich ihm auch immer gefolgt. Aber ist sie denn richtig? Der Beleg für diese Meinung ist ja gerade das Nichtvorhandensein eines Grabes im Weserbergland. Aus dem Nichtvorhandensein von etwas zu schliessen, ist fragwürdig und nur dann in Ordnung, wenn man nichts besseres hat. Die archäologischen Realien dagegen, die jetzt vorliegen, müssen natürlich Anlass zum Überdenken auch dieser Meinung geben.


Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende,
Beste Grüsse, Trajan.
 
El Quijote schrieb:
Man kann wohl davon ausgehen, dass Schrift einen äußerst magischen Charakter hatte (also nicht zur Aufbewahrung diente und zudem auf vergänglichem Material geschrieben wurde.

In weiten Teilen des freien Germaniens wird dies so gewesen sein. Ich bezweifle allerdings, dass viele hochgestellte Germanen des 4./5. Jahrhunderts komplette Analphabeten waren. Immerhin wurden schon während des 4. Jahrhunderts sehr viele Germanen zu hochrangigen Offizieren, und in der bürokratisierten Welt der Spätantike ist es schwer vorzustellen, dass sie über keinerlei Schriftkenntnisse verfügten.
 
Hallo Trajan

1. zum Grab des Arminius

Ich denke mir, das seine Anhänger das Grab so angelegt haben um es vor der Schändung seiner Feinde zu schützen . Das heisst. Versteckt .
Ein Grabhügel oder dergleichen wäre zu auffällig.

2. Zur Beute aus der Varusschlacht

Wie ich schon schrieb, hatte Varus den Tross verbrennen lassen . Also viel Beute , außer Waffen und Rüstungen, dürften die Germanen nicht gemacht haben .
Die Kleinigkeiten die die Legionäre bei sich trugen wird sicher auch den ´´armen´´ Germanen als Reichtum erschienen sein . Aber auf Schätze darf man da kaum hoffen .

lg Henricus
 
Nun gut, wirklich eindeutiges gibts in der Althistorischen Forschung ja fast nie, meist nur mehr oder weniger hohe Wahrscheinlichkeiten. Was den beerdigten nobilis angeht: es handelt sich auf Grund des Reichtums, der Waffen der germanisch hergestellten Prunkkessels mit den Büsten etc. pp.um eine Person der absoluten creme de la creme, das kommt an vielen Stellen in den 700 Seiten zu Tage, Zitate kann ich noch ggf. nachliefern. Zudem kam er möglicherweise aus augusteiisch-tiberiansicher Zeit und aus dem niederen-mittleren Elbegebiet nördlich des Erzgebirges. Für diese Zeit gibts es praktisch aber keine anderen Kandidaten als Arminius, denn Marbod, schon ethnisch nicht passend, war ja in Ravenna im Exil.

Nun ja, da wäre z.B. noch Vibilius, der zweifelsohne nicht mit Arminius und Marbod verglichen werden kann, aber dennoch im regionalen, elbgermanischen Bereich gewisse Macht besaß, er schüttelte nicht nur die Oberhoheit der Markomannen über die Hermunduren ab, er war wahrscheinlich auch am Sieg der Hermunduren über die Chatten um Salzquellen beteiligt. Diese Umstände und der Fakt, dass die Hermunduren engen Handel mit den Römern bis nach Castra Regina (Regensburg) betrieben, könnten eine herausgehobene Stellung des Vibilius innerhalb der Aristokratie der elbgermanischen Völkerschaften begründen: Vibilius könnte als hermundurischer nobilis aufgrund von Bündnisverträgen mit Rom in dessen Dienst getreten sein, nach der Rückkehr in die Heimat nimmt er ähnlich wie Arminius bei den Cheruskern eine herausgehobene Stellung bei seinem eigen Stamm ein. Später profitiert er vom Sturz des Marbod und führt die Hermunduren wieder in die Unabhängigkeit zurück. Den Römern hilft er dabei, indem der markomannische Machtkomplex durch das Ausscheren der Hermunduren weiter auseinanderbricht. Bei den benachbarten elbgermanischen Stämmen gelangt er zu hohem Ansehen, weil auch diese sich dadurch von der Hegemonie der Markomannen lösen können. Später besiegt (ca. 58 n.Chr.) schwächten die Hermunduren unter seiner Führung vermutlich die Chatten, den neuen größten germanischen Gegner Roms, indem er sie in der sog. Salzschlacht schlägt. Die Römer sind ihm ob dieser Tat, geleistet von einem Bündnispartner, zutiefst dankbar und er wird, auch durch Handelsbeziehungen mit Rom, reich.
Du siehst, so leicht ließe sich ein ähnlicher, wenngleich unbedeutender Werdegang im Vergleich mit Arminius auflisten. Auch hier würden dann die Grabbeigaben Pasohlávky/Musov der Karriere des Vibilius entsprechen.

Zitat S. 512:"...Von der Zusammenstellung des Inventars, vorallen von den repräsentativen Waffenbeigaben, läßt sich ablesen, das im Grab nicht nur ein Mitglied der vornehmsten germanischen Nobilität beigesetzt wurde, sondern auch der erste Krieger des Stammes, der in seinen Händen sowohl die erbliche Würde des Stammeskönigs als auch die Macht des Heerführeres oder Oberbefehlshabers vereinigt hatte."

Interessant an dem Fundmateriel ausserdem: Manches ist zerrissen und auch schonmal vorsätzlich zerquetscht. Es erinnert stark an einige Funde in Kalkriese, wo manches Beutegut offensichtlich an Ort und Stelle nach den wertvollsten Teilen zerupft und Silberbleche zu handlicher Grösse gequetscht wurden. Was ja auch für eine Verschatzung einfacher ist, zumal wenn man über mehr als nötig Beute verfügt.

Über den Fund von Musov kann ich so gut wie nichts sagen, weil ich keine Kenntnisse davon hatte deswegen vertraue ich hier auf dein fundiertes Wissen über das besagte Grab.

Warum er dort ermordet wurde, hatte ich ja erläutert. Warum er vermutlich auch dort begraben wurde? Nunja, transportieren war damals schlecht möglich. Aber vielleicht gab es noch andere Gründe.

Und welche "anderen" Gründe wären das aus deiner Sicht?

Wieso sollte Arminius, wenn er von seinen eigenen Verwandten in einem anderen "Land", schon das allein finde ich grotesk, ermordet wird, dass er noch nicht einmal beherrscht, dort mit allen Ehren und großem Prunk beigesetzt werden. Tut mir leid, Trajan, aber das will mir einfach nicht in den Kopf...

Die Langobarden waren die Nachbarn der Cherusker auf der rechten Seite der Elbe, nur durch den Fluss getrennt. Die ethnischen Unterscheide dürften nicht gross gewesen sein. Das ein Archäologe den Typ Langobarde heranzieht und nicht den Typ Cherusker, liegt nur daran, das Langobarden viel besser bekannt sind, denn die Cherusker verschwanden ja schnell wieder von der archäologischen Bildfläche und sind daher bis heute kaum fassbar geblieben.

Es gab vielleicht kaum ethnische Unterschiede, dennoch sind die Langobaren dem elbgermanischen Kulturraum zuzuordnen, während die Cherusker laut heutigem Forschungsstand Rhein-Weser-Germanen waren, darin liegt für mich schon ein deutlicher Unterschied, gerade auf die Funde aus Musov bezogen. Außerdem kommt es mir reichlich merkwürdig vor, dass in dem Begrabenen Arminius siehst, obwohl der Begrabene gleichzeitig "...ein König langobardischen Geblüts" gewesen sein könnte. Wenn Arminius also ebenfalls verwandtschaftliche Beziehungen zur langobardischen Aristokratie hatte, warum treten diese erst kurz vor der Schlacht gegen Marbod auf die Seite des Cheruskers und nicht schon gegen Varus 9 n.Chr. ?


Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende,
Beste Grüsse, Trajan.

Danke, das wünsche ich Dir ebenfalls!
 
Die Langobarden waren die Nachbarn der Cherusker auf der rechten Seite der Elbe, nur durch den Fluss getrennt. Die ethnischen Unterscheide dürften nicht gross gewesen sein. Das ein Archäologe den Typ Langobarde heranzieht und nicht den Typ Cherusker, liegt nur daran, das Langobarden viel besser bekannt sind, denn die Cherusker verschwanden ja schnell wieder von der archäologischen Bildfläche und sind daher bis heute kaum fassbar geblieben.
Im allgemeinen nimmt man für die taciteischen Langobarden ein Gebiet links der Elbe an. Natürlich mag es auch auf der anderen Seite Langobarden gegeben haben.
 
Ave Aragon,


Aragon schrieb:
....Nun ja, da wäre z.B. noch Vibilius, der zweifelsohne nicht mit Arminius und Marbod verglichen werden kann, ......so leicht ließe sich ein ähnlicher, wenngleich unbedeutender Werdegang im Vergleich mit Arminius auflisten. Auch hier würden dann die Grabbeigaben Pasohlávky/Musov der Karriere des Vibilius entsprechen. ...

Nun, wie bereits erläutert, der Tote war absolute germanische creme de la creme. Wie du schon selber in diesem Beispiel andeutest, u.a. die nötige nobilis fehlt Vibilius dafür. Andererseits, natürlich, es ist noch lange nicht klar, wer tatsächlich dort beerdigt wurde. Es spricht nur so einiges gewichtiges für Arminius. Die Diskussion über den Toten wird vermutlich auch in zwanzig Jahren noch nicht beendet sein, seine Identifikation bleibt vorläufig spannend.

Aragon schrieb:
....Und welche "anderen" Gründe wären das aus deiner Sicht? Wieso sollte Arminius, wenn er von seinen eigenen Verwandten in einem anderen "Land", schon das allein finde ich grotesk, ermordet wird, dass er noch nicht einmal beherrscht, dort mit allen Ehren und großem Prunk beigesetzt werden. ...

Nun, warum denn nicht? Er wurde ermordet, weil er sich zu weit aufs dünne politische Eis gewagt hatte. Trotzdem war er der grösste germanische Held weit und breit, auch im ehemaligen Reich Marbods. Ein angemessenes Begräbnis war man ihm jedenfalls schuldig, allein schon um das eigene schlechte Gewissen, die Gefolgschaften und die Götter zu besänftigen.

Aragon schrieb:
....Es gab vielleicht kaum ethnische Unterschiede, dennoch sind die Langobaren dem elbgermanischen Kulturraum zuzuordnen, während die Cherusker laut heutigem Forschungsstand Rhein-Weser-Germanen waren, darin liegt für mich schon ein deutlicher Unterschied, .....

Anhand eines Grabes allein kann der Archäologe so feinsinnig nicht unterscheiden, denn er findet ja nur ein paar Kulturgegenstände. Und da gibt es keine Besonderheiten, die einen Cheruskler von seinem unmittelbaren Nachbarn, den Langobarden, klar unterscheidet. Archäologisch sind sie faktisch identisch.


Beste Grüsse, Trajan
 
Nun, wie bereits erläutert, der Tote war absolute germanische creme de la creme. Wie du schon selber in diesem Beispiel andeutest, u.a. die nötige nobilis fehlt Vibilius dafür.

Das sagst Du so. Sicher, wir haben kaum verwertbare Nachrichten über Vibilius, außer, dass er König der Hermunduren war und Catualda stürzte. Aber verwertbare Nachrichten über innergermanische Angelegenheiten haben wir sowieso kaum.

Andererseits, natürlich, es ist noch lange nicht klar, wer tatsächlich dort beerdigt wurde. Es spricht nur so einiges gewichtiges für Arminius. Die Diskussion über den Toten wird vermutlich auch in zwanzig Jahren noch nicht beendet sein, seine Identifikation bleibt vorläufig spannend.

Nehmen wir mal an, bei den Gegenständen in besagtem Fürstengrab in Tschechien handelt es sich tatsächlich um einen Teilschatz der mit dem Hildesheimer Schatzfund zusammengehörig war und weiter, dass der Hildesheimer Fund tatsächlich in den Zusammenhang Varusschlacht zu bringen ist, also die tschechischen Funde und die hildesheimer Funde zusamengehören: Wäre es dann nicht plausibler anzunehmen, dass es sich um das Grab eines hochgestellten Elbgermanen (ob Vibilius sei dahingestellt) handelt? Arminius schickte den Kopf des Varus an Marbod, der ihn den Römern weiterschickte. Doch wozu? Um Marbod zu zeigen, dass die Römer besiegbar sind. Sonst hatte der Kopf keinen weiteren Wert. Um sich aber Marbod zu verpflichten, wäre es also sinnvoll gewesen, ihm Geschenke zu machen - später im Mittelalter war das gang und gäbe, über Grenzen und Kulturen hinweg. Marbod hätte also den Kopf an die Römer weiter geschickt, aber das Silber vorerst für sich einbehalten, dann aber, als er Hals über Kopf vor Catualda fliehen musste, zurückgelassen (wie hätte er auch den Römern seine Besitztümer erklären sollen?). Catualda wiederum verliert den Schatz, als er von Vibilius vertrieben wird. Dem Sieger gehört die Beute. Das erscheint weitaus plausibler, als ein Arminius-Grab so fern der Heimat.
 
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