Was-wäre-wenn Szenarien sind immer spekulativ. Dass die Moltkevariante nicht gelingen konnte, kann man auch nicht wissen. Man kann sich nur eine Meinung dazu bilden.
Das sehe ich anders. Schließlich wurde das ursprüngliche Ziel der Umgehung beibehalten, die hierfür aufgebotenen aber drastisch verringert.
Weil das britische Parlament pazifistisch eingestellt war und nicht in den Krieg eintreten wollte. Jedenfalls behaupten das Winston Churchill, Sebastian Haffner und Barbara Tuchmann. Laut diesen Herrschaften war eine Mehrheit für eine Kriegserklärung nur zu erreichen, weil und nachdem das Deutsche Reich in Belgien einmarschiert war.
Diese Einschätzung verliert völlig aus den Augen, warum Großbritannien überhaupt eine Garantie für Belgien abgab. Der Hintergrund war immer die Doktrin der balance of power.
Es hätte nicht erst einer drohenden französischen Niederlage bedurft, um das Parlament mit Blick auf dieses uralte und ureigenste britische Interesse zum Krieg zu bewegen.
Folgerichtig trat neben der Befreiung Belgiens auch sehr früh die Wiederherstellung des Mächtegleichgewichts als britisches Kriegsziel auf den Plan. Gerade die Zurückweisung der französischen Forderungen im Vertrag von Versailles bezeugt diese Politik!
Deshalb meine ich, der Kriegseintritt auf französischer Seite wäre nur in einem einzigen Fall nicht erfolgt: ein für Frankreich erfolgreicher Kriegsverlauf, der ein geschwächtes Deutschland zu hinterlassen drohte.
Warum hat Russland im Krimkrieg, im russ.-jap. Krieg 1905 und auf der Berliner Konferenz einen Vergleichsfrieden geschlossen, obwohl es noch nicht niedergeworfen war? Kosten-Nutzen-Analyse vermutlich.
Frankreich hätte darauf eingehen sollen, weil es alleine keine Siegeschance gegen Deutschland und Österreich hat.
Russisch-Japanischer Krieg ? Wikipedia
(beachte vor allem den ersten Satz der Schlussbetrachtungen!!!)
Russland war eindeutig besiegt. Von einer Kosten-Nutzen-Analyse kann keine Rede sein.
Russland verfügte in diesem Raum schlicht nicht mehr über die zu einer Fortführung des Krieges notwendigen Mittel. Zudem drohten revolutionäre Entwicklungen!
Also nochmal:
Warum hätte Russland kurz nach Kriegsausbruch 1914 auf einen Frieden drängen sollen, wenn man mit der Generalmobilmachung bewusst zu einer Eskalation beigetragen hatte?
Warum hätte Russland 1915 auf einen Frieden hinwirken sollen, obwohl ein Sieg noch möglich war?
1916 hätte Russland auf einen Frieden hinzuwirken guten Grund gehabt. Aber zu diesem Zeitpunkt hätten sich die Franzosen bereits jahrelang im Krieg befunden. Und gerade in der damaligen nationalistisch bis chauvinistisch geprägten Zeit, in der man zum Totalen Krieg übergegangen war, sehe ich keinen Grund, warum Frankreich ein noch stärkeres Deutschland hätte hinnehmen sollen, statt dennoch den Sieg zu erkämpfen. Auch das Reich kämpfte letztlich bis zum Ende seiner Kraft.
Und hier liegt auch der entscheidende Unterschied zum Dritten Reich. Das Zweite Reich kämpfte nur, solange ein Kampf noch als sinnvoll erachtet werden konnte. Die Führer des Dritten Reiches kämpften weit über diesen Punkt hinaus.
Um aber Frankreich in eine ähnliche Lage zu bringen, hätten Deutschland und ÖU angreifen müssen. Und spätestens hier ist der Moment, lange bevor Frankreich am Rand einer Niederlage steht, an dem sich GB nicht mehr hätte heraushalten können und eingreifen müssen.
Nebenbei: 1917 hat Russland kapituliert und in Frankreich hat niemand im Traum daran gedacht, die Waffen zu strecken, trotzdem man die schlimmsten Befürchtungen hegte.
Die Ziele, die ich mit dem Krieg erreichen will, sind aber nunmal die Gründe in den Krieg zu ziehen. Das ist nur eine andere Formulierung.
Falsch. Man kann, wie das Reich bewies, auch ohne konkrete Kriegsziele in einen Krieg gehen.
Weiters sind Kriegsziele nicht in Stein gegossen, sondern können und werden dem Kriegsverlauf oft angepasst. Also ist es unwahr, dass die Ziele des Krieges und die Gründe des Krieges verschiedene Bezeichnungen desselben Phänomens wären.
Sicher lässt sich das bestreiten. Man wollte ja den Sozialdemokraten den Krieg als Verteidigungskrieg unterjubeln, das wäre wohl schlecht gegangen, wenn man vorher imperialistische Kriegsziele festgelegt hätte.
Mit was lässt sich das bestreiten? Mit Nichtwissen?
Derartige Kriegsziele hätte man auch im Kabinett oder in den Planungsstellen festlegen können, ohne auf die Sozialdemokraten Rücksicht zu nehmen.
Nein, das Septemberprogramm setzte erstmals Kriegsziele fest und auch bei diesem wurde versucht, öffentliche Debatten zu unterbinden!
Da steht, dass GB einem Bündnis angehörte, der Mittelmeerentente, dessen Hauptzweck es war: "In der Praxis war das Abkommen gegen die Expansion Russlands auf dem Balkan und an den Meerengen des Bosporus und der Dardanellen gerichtet. Die Existenz des Osmanischen Reiches wurde gesichert."
1896 lösten die Briten die Mittelmeerentente auf, betrieben also keine aktive Politik mehr gegenüber Russlands Drang nach Konstantinopel, diese Rolle überliessen sie jetzt Deutschland.
Das ist aber noch meilenweit von einer Zustimmung zu den russischen Interessen und Ansichten entfernt!
Der Unterschied ist, dass ein Vergleichfrieden nur mit Deutschland geschlossen werden muss. Alle Großmächte davon abzuhalten Krieg mit Deutschland zu führen ist nicht dasselbe wie alle Großmächte davon abzuhalten überhaupt Krieg zu führen. Beispielsweise hindert ein Vergleichsfriede mit Deutschland Russland nicht unbedingt daran, Krieg mit der Türkei zu führen, um Konstantinopel zu erobern.
Ein Krieg Russlands mit der Türkei, um Konstantinopel zu erobern, hätte aber einen Vergleichsfrieden mit Deutschland behindert!
Erneut stellt sich wieder die Frage, wann wer welches Interesse an einem Frieden gehabt hätte. Und nur wenn die Beteiligten gleichzeitig ihre Interessen in Übereinkunft bringen können, besteht die Möglichkeit zu einem Frieden.
In diesem Thema ist ja bereits auf die gescheiterten deutschen Bemühungen hingewiesen worden!