Zahnschmerzen im Mittelalter?

Petra_44

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Hallo zusammen,

ich bin gerade fleißig am Lernen auf meine Mittelalter-Klausur. Und nicht zum ersten Mal stelle ich mir die Frage, wie das eigentlich früher so war, wenn man mal Zahnschmerzen hatte. :gruml:

Gab es wirklich keine andere Möglichkeit, als sich den bösen Zahn ziehen zu lassen? Gab es Plomben? Gab es Zahnprothesen?

Ok, es ist jetzt nicht mehr Mittelalter, aber einer der ersten amerikanischen Präsidenten hatte wohl so eine "mittelalterliche" Zahnprothese. Aus diesem Grund aß er nie in Gesellschaft, und immer nur Suppe. Weiß nicht, ob diese Geschichte stimmt - so habe ich es gehört.

Aber um auf das Mittelalter zurückzukommen: Was hat so ein Herrscher gemacht, wenn der zufällig schlechte Zähne hatte? War er dann eben irgendwann ab 30 oder 40 ein zahnloser Herrscher? Hat das seine Untertanen nicht gestört? Einer durfte mal nicht König werden, weil er einäugig war ... War ein strahlendes Lächeln empfehlenswert, um Herrscher werden zu dürfen? :D Oder war das den Leuten egal?

Hmm ... über die wirklich interessanten Fragen hört man nichts in den Vorlesungen. Vielleicht weiß hier jemand was darüber?

Schöne Grüße

Petra
 
Hmm ... über die wirklich interessanten Fragen hört man nichts in den Vorlesungen. Vielleicht weiß hier jemand was darüber?

Eigenartigerweise, hatten immer die reichen schlechte Zähne. Das lag wohl daran, das sie Zucker zur Verfügung hatten.

Aber, wer selber schlechte Zähne hat, macht sich über den anderen nicht lustig. Da kommt dann, guck dich mal an.
 
Pharao Ramses II. musste nach Aussagen der Wissenschaftler bei Begutachtung der Röntgenaufnahmen des Kopfes der Mumie zu Lebzeiten wahnsinnige Zahnschmerzen gehabt haben.
 
Vielleicht kann man die Frage noch ausweiten, ob schöne Zähne im MA überhaupt als (weibliches?) Schöhnheitsideal galten?
 
Vielleicht kann man die Frage noch ausweiten, ob schöne Zähne im MA überhaupt als (weibliches?) Schöhnheitsideal galten?

Zumindest das Konzept war bekannt. Aus dem Hohelied der Liebe (nein, nicht mittelalterlich, sondern altisraelitisch bzw. biblisch, aber wurde mittelalterlich rezipiert; früher Salomon zugesprochen):

Deine Zähne sind wie eine Herde Schafe mit beschnittener Wolle, die aus der Schwemme kommen, die allzumal Zwillinge haben, und es fehlt keiner unter ihnen. (4,2)
Deine Zähne sind wie eine Herde Schafe, die aus der Schwemme kommen, die allzumal Zwillinge haben, und es fehlt keiner unter ihnen. (6,6)
 
Über die Zähne aus dem Mittelalter weiß ich leider nichts, aber vielleicht darf ich etwas über die Zähne der Madame Bonaparte erzählen - denn ich meine gelesen zu haben, dass diese nur mit geschlossenem Mund lächelte, damit man ihre schlechten Zähne nicht sieht - sie hatte in früheren Zeiten zuviel Zuckerwerk genascht. :pfeif:

Gruß.....
 
Ich könnte mir vortstellen, das im Laufe der Neuzeit der Zustand der Zähne, besonders bei der Oberschicht, immer schlechter wurde. Kaffee und Tee und damit auch Zucker wurden ja immer populärer. Also so wie florian17160 schon schrieb.


Im MA dürfte es ja eigendlich keinen Zugang zu Zucker gegeben haben, oder? Da dürfte Honig die Süßigkeit Nummer 1 gewesen sein.

Um etwas mehr auf die Ausgangsfrage zurückzukommen, gibt es denn medizinische Literatur aus dem MA die sich dem Thema Zahnheilkunde annimmt?





Zumindest das Konzept war bekannt. Aus dem Hohelied der Liebe (nein, nicht mittelalterlich, sondern altisraelitisch bzw. biblisch, aber wurde mittelalterlich rezipiert; früher Salomon zugesprochen):

Deine Zähne sind wie eine Herde Schafe mit beschnittener Wolle, die aus der Schwemme kommen, die allzumal Zwillinge haben, und es fehlt keiner unter ihnen. (4,2)
Deine Zähne sind wie eine Herde Schafe, die aus der Schwemme kommen, die allzumal Zwillinge haben, und es fehlt keiner unter ihnen. (6,6)


Die alten Israeliten waren schon echte Romantiker. Werde dieses Kompliment demnächst mal ausprobieren.
 
Hmm ... das klingt ja alles nicht sehr aufbauend.

Dass es den Zähnen nicht gut tut, wenn man ständig etwas nascht - ob nun Honig oder Zucker - sich nie die Zähne putzt und nie zum Zahnarzt geht, ist schon klar.

Aber mussten die Leute wirklich, wie der arme Pharao Ramses II, einfach mit ihren Zahnschmerzen klar kommen? Haben sie sich Zähne ziehen lassen, wenn es zu schlimm wurde? Gab es Füllungen?

Übrigens - mich interessiert das natürlich auch in anderen Epochen, nicht nur im Mittelalter. Aber da ist es mir eben gerade eingefallen. Wer weiß, vielleicht haben die Leute ja so viele Kriege geführt, weil sie ständig Zahnschmerzen hatten?

Ab wann wurde eigentlich die Zahnbehandlung, so wie wir sie heute kennen, erfunden? Im 19. Jahrhundert gab es glaube ich schon so fußbetriebene Bohrer. Aber was kam als Füllung in den Zahn?

Agatha Christie lässt jedenfalls in einem ihrer Romane eine ältere Dame darüber sprechen, wie verweichlicht doch die Jugend sei. "They want injections when they have their teeth pulled." :still: Also lange kann das wohl noch nicht her sein mit der modernen Zahnmedizin.

Ok, ich mache dann mal weiter mit diesen mittelalterlichen Herrschern. :fs: Bald bin ich bei der Goldenen Bulle angekommen, dann ist das Skript zu Ende.

Dieses Stelle in der Bibel habe ich übrigens auch schon mal gelesen. Schon damals habe ich mich gefragt, wie wohl so ein Zahn damals aus dem Mund kam, wenn er eben nicht mehr aussah wie ein frischgeschorenes Schaf. :rotwerd:

Schöne Grüße

Petra
 
... stelle ich mir die Frage, wie das eigentlich früher so war, wenn man mal Zahnschmerzen hatte...

Bestimmt waren die Schmerzen damals nicht weniger schlimm wie heutzutage.
Wenn sie auch nicht so lange anhielten (es lebe die Pharmaindustrie).

...Gab es wirklich keine andere Möglichkeit, als sich den bösen Zahn ziehen zu lassen? Gab es Plomben? Gab es Zahnprothesen? ...

Ich denke, das was man heute als Großmutters Heilmittelchen kennt war damals weit verbreitet. Bei Zahnschmerzen griff man zu Nelken (was übrigens wirklich, zumindest kurzfristig, hilft oder man verwendete sonstige Kräuter und Pasten.
Wenn dann nichts mehr ging, ging man zum Bader :haue:
Über Prothesen zu der Zeit kann ich leider nicht verbindliches sagen.
Aber ich meine gelesen zu haben das es früher schon eine Art "provisorische" Krone gegeben hat.

Vielleicht hilft Dir folgender Link weiter:
Geschichte der Zahnmedizin
Zahnarzt und Gesundheit - von Dr. J. G. Schnitzer
 
Im MA dürfte es ja eigendlich keinen Zugang zu Zucker gegeben haben, oder? Da dürfte Honig die Süßigkeit Nummer 1 gewesen sein.
In mittel- und nordeuropäischen Gefilden dürfte das wohl stimmen. Die Araber, die den Zucker aus Indien und Persien kannten, haben ihn aber schon im 8. Jahrhundert in Europa eingeführt: In Andalusien. Auf Sizilien ist er seit dem 9. Jahrhundert zu finden.
Man müsste mal bei Olivia R. Constable gucken, ob er auch ins Frankenreich gehandelt wurde.


Die alten Israeliten waren schon echte Romantiker. Werde dieses Kompliment demnächst mal ausprobieren.
Ich bitte um einen Erfahrungsbericht.
 
Gegen Zahnschmerzen half schon im Mittelalter das kauen von Gewürznelken oder man nahm mit Wasser verdünntes Nelkenöl zu sich. Nelkenöl wirkt anästhesierend, antiseptisch und desinfizierend. Bei Entzündungen griff man auf Salbeiblätter, die als verdünnte Tinktur (Spülung) zum Einsatz kamen, zurück.
Bei Blutungen im Mundraum, z. B. nach dem ziehen eines Zahns, wurde eine Zinnkrautspülung verwendet, da diese blutstillend und zusammenziehend wirkt. Selbst die für uns etwas unspektakuläre Petersilie hat eine Krampfstillende und schmerzlindernde Wirkung. Die Kalmuswurzel hat die gleiche Wirkung und wurde entweder gekaut oder als Spülung angewendet, zusätzlich wirkte sie noch Zahnfleischentzündungen entgegen.
Auch Präparate aus Johanniskraut, Lein, Flachs, Eichenrinde und Kamille wurden verabreicht.

Was den Honig im Übrigen so süß macht, ist Zucker.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich lese gerade bei Ernst Schubert, Essen und Trinken im MA, dass die Hanse ab spätestens 1456 Salz und Zucker gegen nordeuropäisches Holz von der iberischen Halbinsel importierte (S. 49). Allerdings ist das MA da schon beinahe Geschichte.
Und auf S. 165: "Regional verbreitet war als Süßmittel die Wurzel des Süßholzes, das zum Beispiel im Bamberger Land angebaut [...] wurde. Die Lakritze, ein Süßholzprodukt, diente auch medizinischen Zwecken.
Die Entdeckung Amerikas hat eine neue Vielfalt in die Geschichte der Gewürze gebracht. Der Zuckerluxus wird zur höfischen Welt der frühen Neuzeit gehören. [...] Aber das ist kein umstürzender Vorgang, sondern setzte eine spätmittelalterliche Entwicklung fort, als der Zucker bereits in deutschen Landen bekannt geworden war. Die norddeutsche Krude war ein Sammelbegriff für stark gezuckerte Speisen. Rohrzucker, der aus Sizilien, Madeira, von den kanarischen Inseln oder aus Ägypten importiert wurde, war ein gern zur Schau gestelltes Luxusgut, das wesentlcih teuer war, als [...] Honig."

Und, auf derselben Seite finde ich noch die Info, dass die Raffinade des Rübenzuckers 1747 entdeckt wurde, diese Erfindung schließlich als Auswirkung des Zuckermagels durch die Kontinentalsperre - also nach 1806 - erst verbreitet wurde.
 
Petra, googel mal unter Geschichte- Zahnersatz. das hier zB
Den frühesten Zahnersatz bildeten Zähne aus Elfenbein, aus Holz, von Tieren oder Verstorbenen. Diese wurden mit Golddrähten an verbliebene gesunde Frontzähne gebunden. Dies wirkte nur ästhetisch und verbesserte die Aussprache, ohne die Kaufunktion wiederherstellen zu können. Solche künstlichen Zähne, die schon die Etrusker kannten, führten oftmals zu Entzündungen im Mundbereich. Einer der frühesten archäologische Funde in Mitteleuropa stammt aus dem slawischen Gräberfeld von Sanzkow (Kreis Demmin) aus dem 12. Jahrhundert[1]. Ende des 18. Jahrhunderts gab es erste Porzellangebisse. Erst im 19. Jahrhundert ermöglichte der Rohstoff Kautschuk die Herstellung funktionierenden Zahnersatzes, der auch für breitere Bevölkerungsschichten erschwinglich war.
Zahnersatz ? Wikipedia
 
Zunächst einmal suchte sich der mittelalterliche Mensch für dieses Leiden eine Heilige: Apollonia, der bei ihrem Martyrium die Zähne ausgerissen wurden und die deshalb bei Zahnleiden angerufen werden konnte.

Operativ konnte man zu der Zeit in den breiten Bevölkerungsschichten so gut wie nichts machen, außer, den Zahn zu ziehen. Das wurde dann von einem Barbier, Gliedereinrenker, Hufschmid, Priester oder Apotheker übernommen, je nachdem, wer gerade verfügbar war. Natürlich gab es auch Schriften, die sich mit der Zahnmedizin befassten. Bis zum 7. Jahrhundert waren es kommentierte Werke von Galen und Hippokrates, derer sich bedient wurde. Seitdem sind es vor allem arabische Mediziner, die maßgeblich wurden. Unter ihnen Rhazes (850-923), der in der siebzig(!)bändigen Abhandlung über Medzin im allgemeinen als Schmerzlinderung das "absprengen" der Zahnkrone empfahl. Für uns als moderne Menschen liegt es auf der Hand, dass diese Prozedur alles andere als förderlich für die Zahngesundheit ist, jedoch wurde es über Jahrhunderte hinweg angewandt.

Der nächste, etwas prominentere Araber, war Avicenna. In seinem "Kanon der Medizin" empfiehlt er, Kälte und Hitze an den Zähnen zu meiden. Bei ihm wird auch erstmals die Bohrung empfohlen , um faule Stellen im Zahn zu entfernen. Wie breit die Palette der theoretisch bekannten Zahnheilmittel war, zeigt sich im "Al Tasrif" des Albucassis, wo Gerätschaften zur Entfernung von Zahnstein sowie Ausbrenner für Zahnfisteln und erschlafftes Zahnfleisch erwähnt werden. Ob die im europäischen Raum durchaus bekannten Methoden (Handschriften sind nachweisbar) angewandt wurden, darüber kann ich keine Aussagen machen. Albucassis gehört zu den Medzinern, die das "Absprengen" der Zahnkrone für gefährlich hielten, was ja durchaus eine gängige Methode war, wie oben bereits dargestellt. Das ist interessant, denn daraus können wir schließen, dass vorhandene medizinische Schriften nicht nur rezipiert wurden, sondern dass sich breits im 10. Jahrhundert ein Forschungsprozess in Gang gesetzt hatte. Er empfiehlt auch schon den "Vorläufer der Zahnbürste", denn er spricht von einem Stäbchen (siwak), mit dem man sich nach dem Essen die Zähne abreiben sollte. Auch ein primitives Rezept für Plomben, gemischt aus Alaun und Harz der Mastixpflanze wird von ihm gegeben.

Beschäftigt man sich mit Medizin im Mittelalter, darf natürlich die Schule von Salerno nicht unerwähnt bleiben. Einer ihrer prominentesten Vertreter war Johannes de Mediolano, der in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts das Werk "Reginem sanitatis Salernitatnum" verfasste. Dort findet sich auch ein mahnendes Gedicht:

Reinige deine Zähne und halte sie sauber.
Nichts ist so hässlich, als wenn du plapperst oder lachst
und man unter deinem Hut rabenschwarze Zähne sieht,
die dir einen schlechten Atem geben.

Erwähnen möchte zuletzt noch den Mann, der erstmals den Begriff "Dentisten" prägte und damit als bedeutender Wegbereiter der heutigen Zahnmedizin anzusehen ist. Es handelt sich um Guy de Chauliac (14. Jahrhundert), der dagegen wetterte, dass auch Leute sich im Munde anderer Leute zu schaffen machten, die keine ausgebildeten Chirurgen seien. Damit schoß er gegen Quacksalber und Barbiere. Er teste auch Verfahren zur Betäubung aus, unter anderem empfahl er Opium und teste Verfahren zur Betäubung durch Inhalation aus.

Ein paar Bemerkungen zum Schluß:
Grundsätzlich kann man wohl festhalten, dass schlechte Zähne und Zahnschmerzen kein neuzeitliches Phänomen sind, sondern im Mittelalter in ähnlicher Intensität vorhanden waren wie heute. Das wurde ja bereits in diesem Pfad diskutiert (Stichwort Honig). Ich wage sogar die Behauptung, dass der Zustand der Zähne noch schlechter war, wenn man bedenkt, dass Getreide auf Mühlsteinen gemahlen wurden, die mit langsam stetig sandige Substanz ins Mehl abgeben, was die Zähne abschmiergelte.
Ein Indiz dafür ist sicherlich auch die "Bemühung" einer eigenen Heiligen für Zahnschmerzen.

Es sind Schriften vorhanden, die sich mit Zahnmedizin befassen und die in Europa geläufig waren. Aussagen darüber, wie häufig sie am Menschen angewandt wurden, müsste man in der einschlägigen Literatur nachlesen, da man an Kieferskelettfunden mit Sicherheit die meisten von ihnen nachweisen kann. Da in diesen Werken jedoch gegen die Praxis des Zahnziehens von nicht ausreichend ausgebildeten Personen (Barbiere etc.) gewettert wird, ist anzunehmen, dass die Behandlung durch Laien am gängisten war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielleicht kann man die Frage noch ausweiten, ob schöne Zähne im MA überhaupt als (weibliches?) Schöhnheitsideal galten?

Mein Gefühl täuschte nicht, ich wurde bei Boccaccio im Rime fündig:

"Makellose unberührte Perlen aus dem Orient
unter lebendig leuchtend roten Rubinen,
von denen sich ein engelsgleiches Lächeln erhebt."

Pope schrieb:
Schau Dir mal Herrscherportraits aus dem Mittelalter an. Warum wohl ist der Mund stets geschlossen?

Ist das ironisch gemeint? Wenn nicht, würd ich da eine Hypothese anbringen wollen. :inarbeit:
 
In Wrocław in XIII Jhdt 98% der reichen Burger, die bei Hl. Elisabeth-Kirche begraben wurden, haben tief entwieckelte Karies. Interessant, dass bei den armen - nur 22-27% (Ausgrabungen bei Hl. Kristoph Kirche). Das hatte aber nichts mit Zucker zu tun. Die Ursache war das weisse Brot, das aus Weizen gemacht wurde. Die armen haben das Schwarzbrot gegesen :fs:
 
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