Sklaverei in der Neuzeit in Europa

Deserta

Mitglied
Hey Leute,

ich habe mich neulich gefragt, ob Sklaverei auch in Europa weiterhin existierte :grübel:, wenn man das Lehnswesen im Mittelalter unter diesem Gesichtspunkt betrachten konnte. Ich habe bisher unter diesem Thema nur wenig Hinweise erhalten, da in allen möglichen Büchern und Internetseiten nur der transatlantische Sklavenhandel und die Versklavung von Sklaven in den Vereinigten Staaten erklärt wird. Ich bin nun an dem Punkt angelangt, dass ich denke, es gab durchaus sklavereiähnlich Ausbeutung in Europa, aber ich habe noch keine interessante Idee dazu gefunden. Welche Epoche mich sonderlich interessiert ist die Neuzeit, also von ca. 1450 bis 1789. Wenn jemand mir Anregungen und/ oder Tipps dazu geben kann, wäre ich echt froh.:winke:

Lg

Deserta
 
Ich bin nun an dem Punkt angelangt, dass ich denke, es gab durchaus sklavereiähnlich Ausbeutung in Europa, aber ich habe noch keine interessante Idee dazu gefunden.

Feudalsystem und Sklaverei kann man natürlich miteinander vergleichen, ist aber imho längst nicht dasselbe. Bei "sklavereiähnlicher Ausbeutung in Europa" fällt mir hingegen die Situation der "Arbeiterschaft" zur Zeit der Industrialisierung ein... :winke:
 
Welche Epoche mich sonderlich interessiert ist die Neuzeit, also von ca. 1450 bis 1789. Wenn jemand mir Anregungen und/ oder Tipps dazu geben kann, wäre ich echt froh.

Ich würde mich zu dieser Frage mal in die Themen "Leibeigenschaft", "Eigenbehörigkeit" und "Erbuntertänigkeit" einlesen.

Auch wenn diese Themen theoretisch nicht zur Sklaverei gehören, sind sie von der "klassischen" Sklaverei (meiner Meinung nach) kaum zu unterscheiden.
 
Ich würde mich zu dieser Frage mal in die Themen "Leibeigenschaft", "Eigenbehörigkeit" und "Erbuntertänigkeit" einlesen.

Auch wenn diese Themen theoretisch nicht zur Sklaverei gehören, sind sie von der "klassischen" Sklaverei (meiner Meinung nach) kaum zu unterscheiden.

De Facto mag sich das Schicksal eines Leibeigenen in vielen Zügen kaum von dem eines Sklaven unterschieden haben, doch es gibt doch erhebliche Unterschiede. Man müßte sich überlegen, von welcher Form der Sklaverei und zu welcher Zeit wir sprechen, und das Schicksal eines Sklaven konnte sehr unterschiedlich sein.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen einem Leibeigenen und einem Sklaven besteht darin, dass ein Leibeigener rechtsfähig ist. Er ist zu einem System von Leistungen und Abgaben verpflichtet, kann aber nicht einfach straflos getötet werden. Er kann heiraten und Besitz erwerben und vererben. Seine Familie kann nicht einfach von ihm getrennt und verkauft werden.
 
De Facto mag sich das Schicksal eines Leibeigenen in vielen Zügen kaum von dem eines Sklaven unterschieden haben, doch ...

Tja ... das mit dem De Facto und dem De Jure ist schon so ein Ding ... ich widerspreche Dir auch nicht.

Ich wage aber zu behaupten, dass der Leibeigene ... dessen Herr ihm die Kuh aus dem Stall trieb (weil er am Spieltisch mal wieder ein nettes Sümmchen verloren hat) , ihm die Reitpeitsche übern Schädel zog (weil es Unstimmigkeiten bezüglich des Rechtes "Besitz zu erwerben" gab) ... ja ... dieser Leibeigene hätte Dir bestimmt widersprochen.

Ist halt wie beim Wetter ... da gibt es auch die "gefühlte Kälte" und die "tatsächliche Kälte". Und der "Wetterbericht" sagt auch wieder was ganz anderes.
 
Danke:), eure Antworten bestätigen mir, was ich mir schon fast gedacht habe: Für die einen gehört Leibeigenschaft dazu und für die anderen nicht, und auch bei den Quellen bin ich auf diese widersprüchliche Aussage gestoßen.
Mit der Industrialisierung... ja, bei mir war das der nächste Punkt auf meiner Liste, doch die richtigen oder ersten Probleme begannen ja erst 1750 und eigentlich noch später um 1814 und 1830, aber mich interessiert die Zeit vor der Industrialisierung und nach dem Feudalsystem. Ihr könnt ja noch mal darüber nachdenken. Ich habe Hinweise zum Beispiel zu Zigeunern gefunden, die in dieser Zeit wie Sklaven behandelt wurden...
Vielen Dank auf jeden Fall!
:winke:
 
der Leibeigene ...

Zu berücksichtigen ist doch wohl auch, daß es verschiedene Ausformungen der Leibeigenschaft gab. Auch bin ich mir nicht schlüssig, ob dein illustres Beispiel eher eine Alltags- oder Ausnahmesituation darstellt... ;)

mich interessiert die Zeit vor der Industrialisierung und nach dem Feudalsystem

Welches "Zwischenstadium" meinst du denn? Und worauf willst du letztlich hinaus? :confused:
 
Auch bin ich mir nicht schlüssig, ob dein illustres Beispiel eher eine Alltags- oder Ausnahmesituation darstellt... ;)

Also ...

Es war einmal, vor langer Zeit, da saß der kleine Maksim auf dem Schoß seines Großväterchens und lauschte den Geschichten aus der alten Heimat in einem fernen Land. Als Ded noch selbst ein kleiner Junge war ...

... und in diesen Geschichten kamen eben die bösen Landbesitzer und die armen Leibeigenen vor .... :weinen:.
 
Hey Tekker,

ich schreibe eine Endarbeit zum Thema "Sklaverei und Neue Armut". Und ich möchte mich vor allen Dingen mit der Sklaverei im europäischen Raum beschäftigen, deswegen ist der transatlantische Sklavenhandel durchaus interessant, weil die europäischen Kolonialmächte darin verwickelt waren, aber die SKlaverei existierte nicht direkt bei uns "zuhause". Und ich möchte herausfinden, ob es nicht trotzdem SKlaverei bei uns gab. Ich nehme die Leibeigenschaft als SKlaverei an, da es eigentlich keine genaue Definition von Sklaverei gibt und die wirtschaftliche Ausbeutung und die vollkommene Abhängigkeit eines Menschen von einem anderen Menschen in meinen Augen durchaus als Sklaverei zu bezeichnen ist. Da sich dieses Feudalsystem allerdings auflöste (durch verschiedene Umstände, wie beispielsweise die Erbfähigkeit eines Lehen, die Entwicklung der Städte und somit die Landflucht), frage ich mich, ob es in dieser Zeit also so um 1400 nicht doch eine ähnliche Ausbeutung von beispielsweise Bauern oder Händlern oder Stadtbewohnern oder Arbeitern gab. Ich stoße in der Beziehung zu Sklaverei erst wieder in die europäische Geschichte ein, wenn ich von der industrielle Revolution und der Ausbeutung der Arbeiter spreche, aber das ist ja knapp 400 Jahre später. Was ist in dieser Epoche denn geschehen mit den europäischen SKlaven? Das ist eigentlich das, was mich interessiert.
Na ja, danke auf jeden Fall!:)
 
In Spanien gab es die Germanía, das war - wenn ich richtig informiert bin - eine Geheimsprache afrikanischer Sklaven und sonstiger krimineller Elemente (aus staatsoffizieller Sicht der frühen Neuzeit).
 
Feudalsystem und Sklaverei kann man natürlich miteinander vergleichen, ist aber imho längst nicht dasselbe. Bei "sklavereiähnlicher Ausbeutung in Europa" fällt mir hingegen die Situation der "Arbeiterschaft" zur Zeit der Industrialisierung ein... :winke:
Das ähnliche ist die Ausbeutung. Sklaven, Leibeigene und Proletarier stellten jeweils große Teile der schwer körperlich arbeitenden Bevölkerungsschicht und hatten daher recht ähnliche ökonomische Lagen (soweit das bei den Unterschieden in den Wirtschaftssystemen überhaupt ähnlich sein kann). Ich würde daher Leibeigene und Proletarier nicht als mittelalterliche oder neuzeitliche Sklaven bezeichnen, sondern lieber alle als Arbeiter oder etwas unspezifisches in der Richtung. Alle 3 Begriffe leben aber auch wesentlich von der rechtlichen Situation und darin liegen auch imho die entscheidenden Unterschiede, die so leicht übersehen werden, wenn Sklave zu einer Art Überbegriff wird.
 
Die Parallelen bei wirtschaftlicher Situation und Abhängigkeit wurden schon genannt.
Unterschiede liegen m.E. eher in den Menschenrechten, kein Recht auf Selbstbestimmung. Der Sklave ist Besitz seines Eigentümers. Die wirtschaftliche Situation konnte sehr gut sein und der Einfluss von einigen Spezialsklaven gross, ich denke an Eunuchen am osmanischen Hof.
Das sind aber Extrembeispiele für Sklaven in Europa und in der frühen Neuzeit.
 
Also Slaven waren wohl das Eigentum ihres Herren. Waren Leibeigene auch Eigentum oder eher Besitz?

Sie waren eher nicht Eigentum,
im Duden =
leib|ei|gen <Adj.> [aus der mhd. Formel: mit dem lībe eigen = mit dem Leben zugehörig] ...

wahrscheinlich kommt Höriger, auch von diesem mit dem Leben zugehörig und klingt nach Gefolgschaft.
Wobei dieses Folgen zumindest eine eigene Willensentscheidung darstellen könnte, jedenfalls von der Entstehung des Lehnswesen her betrachtet.

Eigentlich eine interessante, fast tagespolitisch philosophische Frage:
Wieviel freie Willensentscheidung blieb einem Hörigen, die freie Wahl zu verhungern oder sich de facto versklaven zu lassen
 
Entstehung des Lehnswesens ... Wieviel freie Willensentscheidung

In der Tat eine Frage, die in manchen Weltgegenden hochaktuell scheint...

Beim Nachlesen fiel mir auf, dass der Verfasser von Leibeigenschaft ? Wikipedia dem Ganzen auch eine positive Komponente abgewinnen kann, mit der er auf den Begriff des Lehnswesens rekurriert: "Die Leibeigenschaft ist grundsätzlich als gegenseitige Verpflichtung zu begreifen." (An sich ein ehrwürdiger Gedanke, der sogar noch bei der Genese des deutschen Berufsbeamtentums eine Rolle gespielt haben könnte...;))

Inwieweit und wann aus der gegenseitigen Verpflichtung eine einseitige wurde oder ob erstere von vornherein blasse Theorie in der Lebenswirklichkeit war, muss man anhand der Praxis beurteilen. Vielleicht lohnt sich sich, hierbei den Unterschied zwischen dem rechtlich-politischen Strang und dem wirtschaftlichen herauszuarbeiten:

  • Der eine Strang führt vom Sklaven über den Schutzbefohlenen zum Untertanen und endlich zum Staatsbürger,
  • der andere Strang vom Sklaven über die Zugehörigkeit zur "familia" bzw. zum "ganzen Haus" hin zum Arbeitnehmer bzw. Proletarier.
(Oder so ähnlich.)
 
Ich habe gerade noch einmal nachgeschaut - selbst das was wir unter Sklaverei verstehen, ist emotional gefärbt und - als Laie mußte ich mich mit Wiki begnügen - kann sehr vieles bedeuten...
Da ist die Differenz zwischen Leibeigenschaft und Hörigkeit ja noch relativ einfach zu begreifen.

Wieviel freie Willensentscheidung blieb einem Hörigen, die freie Wahl zu verhungern oder sich de facto versklaven zu lassen
Ich habe nur eine Ahnung, aber ich denke die Unterschiede zwischen Leibeigenen und Hörigen waren im täglichem Leben nur marginal. Insofern wirst du mit deiner Frage vielleicht gar nicht so falsch liegen.

Allerdings gebe ich eines zu bedenken.

Schwarze Südafrikaner hatten in den 80-ern einen höheren Lebensstandard als polnische Berarbeiter. Trotzdem war das Konfliktpotential deutlich größer. Was ich damit sagen will ist folgendes: Ich denke die Menschen waren damals nicht grundsätzlich anders als wir heute. Aber der Status ist uns wichtig (z.B. Auto oder "grünes Gewissen").

Die rechtliche Stellung spielt schon eine wichtige Rolle. Sklaven waren eben Sklaven, Leibeigene eben Leibeigene, Hörige, Hörige und Freie, Freie.

Vielleicht spielt auch die Quantität mit. Ein paar Sklaven, die einen Aufstand proben sind kein Problem. Dauernde Aufstände schon.

Ein Leibeigener, der denkt, er könne eigenes Vieh besitzen, ist kein Problem. Mehrere schon.

Na und so weiter.

Zurück zu deiner Frage.

QUOTE] Wieviel freie Willensentscheidung blieb einem Hörigen, die freie Wahl zu verhungern oder sich de facto versklaven zu lassen[/quote]

Wenn die Wahl sich nur auf diese beiden Möglichkeiten beschränkte, wäre die Antwort klar. Denn bevor ich verhungere, gehe ich wieder in die Sklaverei. Wenn man satt ist, kann man das immer noch ändern ... ;)

PS. Ich lass es stehen ... trotzdem OT und ein Bier zuviel =)
 
Zuletzt bearbeitet:
Beim Nachlesen fiel mir auf, dass der Verfasser von Leibeigenschaft ? Wikipedia dem Ganzen auch eine positive Komponente abgewinnen kann, mit der er auf den Begriff des Lehnswesens rekurriert: "Die Leibeigenschaft ist grundsätzlich als gegenseitige Verpflichtung zu begreifen." (An sich ein ehrwürdiger Gedanke, der sogar noch bei der Genese des deutschen Berufsbeamtentums eine Rolle gespielt haben könnte...;))

Das Lehnswesen muß auch nicht Ursprung der hierarchischen Strukturen gewesen sein. Ich sehe das eher als eine verbreitete Form, die so oder ähnlich weltweit vorkam.
Gefolgschaft verkürzt bedeutet für mich, ich folge und unterstütze einen Anführer, den ich für körperlich, verbal oder sonstwie stärker halte und erwarte von diesem Schutz im weitesten Sinne.

Inwieweit und wann aus der gegenseitigen Verpflichtung eine einseitige wurde oder ob erstere von vornherein blasse Theorie in der Lebenswirklichkeit war, muss man anhand der Praxis beurteilen. Vielleicht lohnt sich sich, hierbei den Unterschied zwischen dem rechtlich-politischen Strang und dem wirtschaftlichen herauszuarbeiten:

  • Der eine Strang führt vom Sklaven über den Schutzbefohlenen zum Untertanen und endlich zum Staatsbürger,
  • der andere Strang vom Sklaven über die Zugehörigkeit zur "familia" bzw. zum "ganzen Haus" hin zum Arbeitnehmer bzw. Proletarier.
(Oder so ähnlich.)

Mmh, da müßte man prüfen, ob vom Ursprung nicht beide Typen, Sklaven und Hörige nebeneinander bestanden. Als Beispiel im Röm. Reich gab es Klienten und Sklaven mW nebeneinander, das ist aber nicht früh genug.


Ich habe nur eine Ahnung, aber ich denke die Unterschiede zwischen Leibeigenen und Hörigen waren im täglichem Leben nur marginal. Insofern wirst du mit deiner Frage vielleicht gar nicht so falsch liegen...Schwarze Südafrikaner hatten in den 80-ern einen höheren Lebensstandard als polnische Berarbeiter. Trotzdem war das Konfliktpotential deutlich größer. Was ich damit sagen will ist folgendes: Ich denke die Menschen waren damals nicht grundsätzlich anders als wir heute. Aber der Status ist uns wichtig (z.B. Auto oder "grünes Gewissen").

Die rechtliche Stellung spielt schon eine wichtige Rolle. Sklaven waren eben Sklaven, Leibeigene eben Leibeigene, Hörige, Hörige und Freie, Freie.Zurück zu deiner Frage.

QUOTE] Wieviel freie Willensentscheidung blieb einem Hörigen, die freie Wahl zu verhungern oder sich de facto versklaven zu lassen

Wenn die Wahl sich nur auf diese beiden Möglichkeiten beschränkte, wäre die Antwort klar. Denn bevor ich verhungere, gehe ich wieder in die Sklaverei. Wenn man satt ist, kann man das immer noch ändern ... ;)
[/quote]

Mit den faktisch marginalen Unterschieden gebe ich dir recht bezogen auf die sehr späte Neuzeit.

Das ist eine spannendes Thema, leider habe ich bis nächste Woche keine Zeit mehr.:winke:
 
Ich halte für mich fest, dass man sich auch zum Sklaven machen kann, indem man sich sklavisch an bestimmten Definitionen festbeisst.

Außer Frage steht, dass "Sklaverei" einen Zustand beschreibt, in dem Menschen ohne persönliche Freiheit und Selbstbestimmung leben. Freiheit und Selbstbestimmung sind jedoch zentrale Aspekte der Menschenrechte, wer einem Anderen diese verweigert, der "versklavt" ihn.

Man mag sich in der Argumentation gefallen, dass bei nur teilweise fehlender Freiheit oder Selbstbetimmung ein Mensch eben nur ein "Halbsklave" oder auch nur ein "Viertelsklave" sei, oder sogar "Nichtsklave", da gewisse Freiheiten und eine gewisse Selbstbestimmung ja gegeben seien.

Aber auch bei teilweise fehlender Freiheit und Selbstbestimmung unterscheidet sich der "Sklave" vom "Freien".

Jeder Mensch hat Anspruch auf garantierte Menschenrechte und Freiheiten, ohne irgendeine Unterscheidung, wie etwa nach Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer und sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, nach Eigentum, Geburt oder sonstigen Umständen.

Man lebt in Freiheit und Selbstbestimmung, oder nicht. Man ist schwanger, oder nicht. "A bisserl schwanger" gibt es nicht ... "a bisserl unfrei" auch nicht.

Aber auch bei "der Schwangerschaft" werden sicherlich einige Menschen argumentieren wollen... Ja, ist das denn überhaupt eine Schwangerschaft ? Oder nur eine Scheinschwangerschaft ?

Wie gesagt, meine Meinung. Eine Meinung unter vielen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich behaupte, dass Freiheit eine Utopie ist, ebenso wie Frieden. Ein angenommes Grundrecht auf persönliche Freiheit und Selbstbestimmung ist zivilisatorisch ein sehr junger Prozeß, und jahrhundertelang wurde die Institution der Sklaverei als selbstverständliche Einrichtung akzeptiert, auch von den Sklaven selbst. Achilleus erscheint das Dasein eines Tagelöhners als das furchtbarste, nicht das eines Sklaven. Eumaios, der treue Sklave Odysseus erhofft sich von seinem Herrn eine Frau. Trimalchio stieg vom Lustsklaven seines Patrons zum reichsten Mann der Stadt auf, und Freigelassene wie Pallas und Narcissus unter Claudius, Parthenius und Sigerius unter Domitian waren mächtiger, als Könige.

Ich denke, es kommt darauf an, in welchem historischen und sozialen Kontext man Sklaverei oder Formen von Unfreiheit betrachtet. So viele Gemeinsamkeiten man auch zwischen wirtschaftlicher Abhängigkeit, Leibeigenschaft ausmachen kann, so ginbt es doch auch Unterschiede, die eine Differenzierung sinnvoll machen.

Für die neuzeitliche Sklaverei ist ein Charakteristikum, dass es sich um eine rassistisch motivierte handelt. Sicher, antike Schriftsteller schrieben Sklaven servile Eigenschaften und charakterliche Besonderheiten zu, besonders, wenn es sich um "Barbaren" handelte, doch ein Sklave galt nicht prinzipiell als minderwertig. Viele waren ihren Herren geistig überlegen, und dem Sohn eines Freigelassenen war der Aufstieg bis in den Ritterstand möglich. In Nordamerika und der Karibik aber begründete man die Sklaverei mit der Trägheit und geistigen Minderwertigkeit der Schwarzen, zu deren eigenem Nutzen man streng sein musste. Es war einem schwarzen Sklaven sogar verboten, lesen und schreiben zu lernen, und seinen Nachkommen blieb noch Generationen später die Benachteiligung wegen der Hautfarbe. Ehen zwischen Sklaven wurden natürlich nicht anerkannt, und ohne Rücksicht auf Familienbande wurden Familienmitglieder getrennt.

In Russland herrschten recht harte Formen der Leibeigenschaft, die erst 1867 aufgehoben wurden. Es gab nicht wenige Leute, die zu den Kosaken flohen, weil der Druck zu groß wurde. Dennoch machten z. B. unter Peter I. Leibeigene Karriere. Einer dieser Männer war mit Peter Tolstoi in Konstantinopel gewesen und hatte Italienisch und andere Fremdsprachen gelernt. Eines Tages machte er anonym den Vorschlag für bestimmte Dokumente amtliche Formulare zu verwenden. Der Zar ließ nachforschen, und der Mann machte eine steile Karriere. Ibrahim Petrovic Hannibal wurde Tolstoi vom Sultan geschenkt, der ihn zu Peters Kammermohren machte. Der Zar wurde sein Taufpate und er machte eine steile Karriere als Diplomat. Seine Tochter wurde die Großmutter Puschkins.
 
Zurück
Oben