Der Begriff 'leudes'

Barbarossa

Aktives Mitglied
Hallo Freunde, :winke:
im Zusammenhang mit Erhebung von König Theudebert I. (534-547) bin ich auf einen Begriff gestoßen, mit dem ich nichts anfangen kann. Es ist der Begriff die "leudes". Das ist sicher ein lateinisches Wort. Was heißt das auf Deutsch und wer waren sie?

Der entsprechende Satz, in dem der Begriff vorkommt, lautet:

>...Demnach hatten politische Faktoren bei dem Herrschaftswechsel von Theuderich auf Theudebert den entscheidenden Aussschlag gegeben. Gewichtigster politischer Faktor bei der Königsbestellung waren die leudes...<
:grübel:
 
Es ist der Begriff die "leudes". Das ist sicher ein lateinisches Wort. Was heißt das auf Deutsch und wer waren sie?
Dabei handelt es eher um "deutsches" als ein lateinisches Wort. ;)
Gerade im frühen Mittelalter entlieh sich die lateinische Sprache einige vor allem rechtliche Begriffe aus der germanischen Volkssprache.
Tatsächlich geht das heutige Worte "Leute" auf die "leude" zurück, dass s ist eine hinzugefügte lateinische Personalendung.
Eine Überblick über die Geschichte dieses Wortes liefert Grimms Wörterbuch.
Das kann leider so gut wie alles und nichts bedeuten: Volk, Menschen...
 
Der Begriff der Leudes ist sehr problematisch und auch in der Wissenschaft nicht klar abgeklärt. Eine genauere Eingrenzung wäre daher wichtig. Mir fallen mehrere Stellen ein in denen die Leudes eine größere Rolle spielen, aber durch die problematische Definiton schwer zu charakterisieren sind.
 
Kannst Du den Zusammenhang mal zitieren?
Ok. Hier der Anfang meiner neuen Homepage-Seite:
In den Jahren 532 und 533 war Theudebert I. mit Gunthari, dem ältesten Sohn Chlothars I., ausgezogen, um den Westgoten die südgallischen Gebiete wieder zu entreißen – der Feldzug führte zu einem vollen Erfolg - als ihn sein schwer erkrankter Vater schleunigst nach Hause rief. Kaum war sein Vater Ende 533 gestorben, da versuchten seine Onkel, ihm das Reich zu nehmen.
So wurde ihm in der Provence gemeldet, patrem suum graviter egrotare, et ad quem nisi velocius properaret, ut eum inveniret vivum, a patruis suis excluderetur et ultra illuc non rediret. Hals über Kopf eilte Theudebert zurück, fand seinen Vater Theuderich I. zwar schon tot (gestorben vor Ende 533) vor, kam aber gerade noch rechtzeitig, um vor den Oheimen mit Mühe seine Herrschaft zu behaupten.
Durch Geschenke gewann Theudebert seine Untertanen, so daß sie ihm mit den Waffen beistanden und er seine Herrschaft behaupten konnte. Er folgte somit seinem Vater zu Reims-Champagne und war neben Chlodwig I. markantester und bedeutendster Merowinger-König.
Hier standen sich bei dem erbitterten Streit um Theuderichs Erbe zwei verschiedene Rechtsansprüche gegenüber. Zum einen das auch von Theuderich begünstigte Eintrittsrecht des schon längst volljährigen und kampferprobten Sohnes - sofern es der eigene Sohn, zum anderen ein Anwachsungsrecht der Brüdergemeinde. Entscheidend wirkte sich bei diesen konkurrierenden Rechtstiteln aus, wer schneller handelte und sich die entscheidenden Machtvorteile herausarbeitete. Diese hätte der letzte Wille und der Einfluß des sterbenden Königs auf die Großen erreichen können, letztlich war es dann jedoch der Umstand, daß Theudebert gerade noch einen zeitlichen Vorsprung vor seinen Oheimen erjagt hatte, um als erster und erfolgreich die leudes des väterlichen Reiches mit Geschenken für sich zu gewinnen: Jetzt verteidigten sie ihn und "stabilisierten seine Königsherrschaft", das dürfte heißen, daß sie seinen Erbanspruch anerkannten und Theudebert förmlich zum König erhoben...
Da in dem Text auch der Begriff "Untertanen" vorkommt, denke ich, daß sie mit den "leudes" als weiteren Begriff bezeichnet werden, bin mir aber nicht sicher. Und vor allem: wer waren sie in dieser Zeit? Freie Bauern?
 
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Hast Du auch die Quelle parat, oder wird der Begriff schon in Deiner Bezugsliteratur isoliert zitiert?
 
Einfach nur die Untertanen kann es nicht bezeichnen, denn
[...] um als erster und erfolgreich die leudes des väterlichen Reiches mit Geschenken für sich zu gewinnen: Jetzt verteidigten sie ihn und "stabilisierten seine Königsherrschaft", das dürfte heißen, daß sie seinen Erbanspruch anerkannten und Theudebert förmlich zum König erhoben.
wenn er alle Untertanen hätte mit Geschenken für sich gewinnen wollen, hätte er wohl einiges zu tun gehabt.

Auch der Satz
[...] Gewichtigster politischer Faktor bei der Königsbestellung waren die leudes. [...]
deutet darauf hin, dass nicht das einfache Volk, die Untertanen gemeint sein kann.

Mein Althochdeutsch-Wörterbuch benennt für "Untertanen/Leute" das Wort "liut", allerdings ist ahd keine homogene Sprache über Jahrhunderte und ganz "Deutschland". Es ist vielmehr stets die Frage, aus welchem regionalen (Dialekt-)Bereich die Schriftquellen stammen, die einer Übersetzung (oder eben einem Wörterbuch) zugrunde liegen. In anderen Teilen des tiudisk-sprachigen Raumes und/oder in anderen Zeiten kann "liut" auch anders ausgesprochen/geschrieben worden sein. (Diese Vielfalt wird ja auch im grimmschen Wörterbuch erwähnt)
Interessant ist in meinem Wörterbuch allerdings der Hinweis auf einen Zweitgebrauch von "liut" als "alte liut", mit der Bedeutung "Älteste".
Ich denke, auch wenn der Zusatz "alte" hier fehlt, so ist der Sinn doch in dieser Richtung zu suchen.
"Leudes" dürfte in diesem Zusammenhang wahrscheinlich die "Ältesten", also die einflussreichen Führungspersönlichkeiten der Stämme, meinen, auf deren Unterstützung und Wohlwollen ein fränkischer König in hohem Maße angewiesen war.
 
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Die Quellen der Frankenzeit kennen zwei unterschiedliche Arten von Gefolgsleuten:
antrustionen und leudes. Während sich der der Antrustionen-Begriff recht gut eingrenzen läßt, stellt wie schon oben gesagt der Leudes-Begriff ein großes Problem dar.
Antrustiones bzw. Leute in der Trustis des Königs und der Königin stellten ihre engsten Gefolgsleute dar, oft die oberste Adelsschicht des Reichs, aus denen dann wichtige Posten besetzt wurden. (Bedeutung zeigt sich allein schon am 3fachen Wergeld das für einen getöteten Antrustionen gezahlt werden musste).

Leudes dagegen tritt in unterschiedlichen Zusammenhängen auf. In den Markulfformeln (I, §40) scheint der Begriff entweder alle Freien Menschen im Herrschaftsgebiet zu umschreiben. Möglicherweise jedoch bezieht er sich auch nur auf Wehrfähige oder Personen die der Heeresfolge verpflichtet waren. Das mit dem Begriff der Leudes nicht alle freien Personen gemeint sein konnten, ergibt sich aus der Lex Salica (107 &109) sowie dem Decretus Childeberto( I §2), aus dem eine Stellung als lokale Honoratioren abgeleitet werden kann.

Ich glaube viel mehr Quellen als diese 3 gibt es nicht zur Definition des Begriffs. Ansonnsten kommen die leudes nur in erzählenden Quellen vor, womit eine genaue Einfassung der Personengruppe nicht feststellbar ist.

Ich tendiere jedoch dazu, in den Leudes eher die lokalen Honoratioren zu sehen, die eben nicht die Machtfülle der Antrustionen erreicht hatten.
 
Das ihr aber auch immer so wissenschaftlich daherreden müsst.
Kann man denn nicht mal die einfachste Variante wählen?
Leudes sind ganz einfach Leute oder auch Volk.
 
Kann man leider nicht, denn Leudes sind eben keine einfachen Leute oder Volk sondern etwas anderes. Klingt doof, ist aber so.
 
Das ganze ist nicht einfach Volk einerseits Ja,
aber eher als Klienten oder Parteigänger ( oder die welche es werden sollten) sinngemäß zu übersetzen.

Ähnliche Schwierigkeiten gibt es bei Lebuin (http://de.wikipedia.org/wiki/Lebuin) und den Bezeichnungen der Versammelten beim Markloer Thing.
Wo man inzwischen bezweifelt das es eine „Volks“versammlung war.
 
Das ihr aber auch immer so wissenschaftlich daherreden müsst.
Kann man denn nicht mal die einfachste Variante wählen?
Leudes sind ganz einfach Leute oder auch Volk.

Vorsicht Flo, so einfach ist das nicht. Viele Begriffe erleben im Laufe der Zeit semantische Veränderungen (= Bedeutungsverschiebungen). Nur mal zwei Beispiele: Im Arabischen ist die Blume az-zahra. Daraus wurde im Spanischen azar, 'das Glück' (wovon sich das auch im Deutschen gebräuchliche französische Wort Hasadeur, 'Glücksritter' herleitet). Erhalten hat es sich außerdem als azahar, spanisch für 'Orangenblüte'.
Wie wird nun aus der Orangenblüte das Glück? Eigentlich ganz einfach: Die Araber hatten auf Würfeln keine Augen, sondern Orangenblüten. Viele Blüten waren somit gleichbedeutend mit viel Glück.

Das versprochene zweite Beispiel, wiederum aus dem Spanischen, diesmal aber mit einem lateinischen Etymon.

Im Lateinischen bedeutet Feind hostis. Im Spanischen wird seit dem 11. Jahrhundert das Wort ueste, etymologisiert hueste, für das 'Heer' gebraucht. Wie wird nun aus dem Begriff für 'Feind' der Begriff für 'Heer'? Wiederum ist die Erklärung ziemlich einfach. Aus dem Feind wurde das feindliche Heer und schließlich nur noch der terminus technicus 'das Heer', egal, ob feindlich oder eigen.

Während die Lautwandlungen relativ geringfügig waren, haben sich die Bedeutungen extrem verschoben. Deshalb sollte man nicht leichtfertig davon ausgehen, dass ein spätantikes oder frühmittelalterliches Wort, welches lautlich von dem aktuellen Gebrauch kaum zu unterscheiden ist, auch in seiner Bedeutung identisch sei. Nur, dass die semantischen Verschiebungen nicht immer so extrem sind, wie in den ausgewählten Beispielen.
 
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Deshalb frage ich ja.
Wenn man so etwas hört hat man immer eine Assoziation.
Ich glaube, bei einer Zeitreise in ein mittelalterliches Jahrhundert, würde ich auch kein Wort meiner Vorfahren verstehen.
 
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Ich habe ein Buch, bzw. einen Auszug daraus gefunden, der sich gerade mit den Begriffen "Leudes" und "Fideles" auseinandersetzt. Vielleicht hilft das weiter ...
Die fränkische Vasallität: Von den ... - Google Buchsuche

Ein anderes Wort für Leudes war Liten.

Und dann war da noch das "Reallexikon der germanischen Altertumskunde" ... http://books.google.de/books?id=A0R...X&oi=book_result&resnum=5&ct=result#PPA295,M1

Auf einen Nenner gebracht, sind mit Leudes wohl freie Untertanen und niedriger/einfacher Landadel gemeint. Fideles sind Angehörige der Kirche, also im besonderen Gläubige. Zu letzteren gab es im französischen die Bezeichnung "Les clercs, les fidèles et les saints".
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich denke auch, dass die "leudes" bei Erhebung Theudeberts die getreuen Untertanen des Königs waren. Wobei unklar ist, ob sich nur um das adelige Gefolge handelte oder auch um romanische Bischöfe oder gar um einfache freie Franken.
Mit der Verwendung der Originalbezeichnung zieht sich ein Historiker natürlich geschickt aus der Affäre sich auf eine Bedeutung/Übersetzung festzulegen.;)

Die unfreien bis minderfreien Liten hingegen waren sicher nicht an der Königserhebung beteiligt. (Trotzdem können auch sie natürlich unter dem Begriff "Leute" fallen.)
 
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Ich habe ein Buch, bzw. einen Auszug daraus gefunden, der sich gerade mit den Begriffen "Leudes" und "Fideles" auseinandersetzt. Vielleicht hilft das weiter ...
Die fränkische Vasallität: Von den ... - Google Buchsuche
Danke @Caro1 und auch alle anderen, ihr habt mir sehr geholfen. Unter den "leudes" muß man demnach Gefolgsleute/Angehörige des Volksheeres verstehen, welche auch stets den König in sein Amt einsetzten, wie ich es im Zusammenhang mit der Königserhebung von Chlodwig heraus gearbeitet habe: Chlodwig - deutsche geschichte jimdo page!
Das macht dann auch Sinn.

Danke!
Danke!
Danke!

:winke:

Übrigens:
Ein anderes Wort für Leudes war Liten.
Das scheint aus meiner Sicht allerdings nicht zuzutreffen, denn die Liten oder auch "Liti" waren Halbfreie, die wohl sicher nicht zu den "leudes" gehörten (auch in meinem Link nachzulesen).
 
Das scheint aus meiner Sicht allerdings nicht zuzutreffen, denn die Liten oder auch "Liti" waren Halbfreie, die wohl sicher nicht zu den "leudes" gehörten (auch in meinem Link nachzulesen).
Der Begriff "Leudes" hatte eine Aufwertung erfahren. In den Anfängen hiess es wohl wirklich "Leute" und war mit Liten gleichzusetzen. Dazu steht im Wiki folgendes:
Leudes, oft auch Liten, aus dem Althochdeutschen für "Leute", waren ursprünglich bei den Franken zur Zeit der karolingischen Hausmeier die Hauptlehensleute. Sie bildeten eine Art niedrigen Adel. Später verfiel dieser Stand zu Halbfreien. Noch in Preussen hatte er unter der Bezeichnung allgemeine Zinsleute Bedeutung.
 
Der Begriff "Leudes" hatte eine Aufwertung erfahren. In den Anfängen hiess es wohl wirklich "Leute" und war mit Liten gleichzusetzen. Dazu steht im Wiki folgendes:
Genau dem wiederspricht Kienast doch in seine Werk über die fränkische Vasallität. Anfangs dürften die Leudes eine Adelsgruppierung bzw. Gefolgsleute gewesen sein, die erst im Laufe des 7. Jahrhunderts in den proceres aufgehen. Einfache Kämpfer waren sie wohl nicht. Der Leudes begriff für Leute wird doch erst durch das Aufgehen in den proceres frei.
 
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