Die Weserknochen

Skald

Mitglied
[Mod]Thread geteilt, daher Kürzung vorgenommen. EQ[/mod]

Da ich gerade eine Hausarbeit über die altsächsische Sprache schreibe, stieß ich bei Recherchen über die Weser-Runenknochen. Es handelt sich dabei angeblich um Dolchgriffe aus Knochen, auf denen sich Runen und geritzte Szenen befinden, so z.B. die Jagd auf einen Hirsch, sowie ein Schiff. Bei meinen Recherchen stieß ich darauf, dass die Authenzität der Knochen lange umstritten war. Mein Professor meinte, da wären momentan wieder neue Erkenntnisse aufgetaucht, die diese belegen. Genaueres wusste aber auch er nicht. Sollten die Knochen echt sein, haben wir hier den ältesten Hinweis auf altsächsische Sprache. Kennt sich jemand mit diesen Artefakten aus und kann mir den momentanen Forschungsstand erläutern?
[...]

Danke für die Antworten!
 
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Also, @Skald, die Knochen wurden im Rahmen einer Dissertation von meinem Berufskollegen und Freund Pit Pieper (Düsseldorf) aufgearbeitet:

Peter Pieper, Die Weser-Runenknochen. Neue Untersuchungen zur Problematik: Original oder Fälschung. Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 2. Oldenburg 1989.

Neue Erkenntnisse, so es sie geben sollte, besprichst du am besten direkt mit ihm; bei ernsthaftem Interesse stelle ich den Kontakt gerne her!
LG Galgenpapst
 
Lieber @El Quijote,

ich bin in diesem Forum (und auch sonst) um Ernsthaftigkeit und Seriösität bemüht.

Das Buch liegt neben mir, weil ich das Zitat eben heraussuchen musste; es ist aber Jahre her, das ich es gelesen habe, und es ist nicht meine Art, jetzt aus den Erinnerungen heraus oder aus den Reminiszenzen an die langen Gespräche mit Pit zu dieser Thematik etwas zum Inhalt, zur Datierung usw. zu schreiben.

Lieber schweigen, als Quatsch zu schreiben, oder?

Aber: @Skald kann ich bei ernsthaftem Interesse helfen. Das ist doch etwas - oder?

LG an Dich, lese immer gerne deine Beiträge, Galgenpapst
 
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Lieber @El Quijote,

ich bin in diesem Forum (und auch sonst) um Ernsthaftigkeit und Seriösität bemüht.

Das Buch liegt neben mir, weil ich das Zitat eben heraussuchen musste; es ist aber Jahre her, das ich es gelesen habe, und es ist nicht meine Art, jetzt aus den Erinnerungen heraus oder aus den Reminiszenzen an die langen Gespräche mit Pit zu dieser Thematik etwas zum Inhalt, zur Datierung usw. zu schreiben.

Schade, denn ich hätte leider nur über Fernleihe Zugriff. Oder auf das zwei Jahre ältere Werk über die Oldenburger Runenknochen. Sind die vielleicht identisch?
 
So "ungeistreich" ist das gar nicht. Das Erste könnte wohl "latam ing hari kunni ing we hagal" heißen, wobei die in Klammern gesetzten Zeichen fraglich sind.

Das zweite: "lokom her", das Dritte eben : "ulu hari [Zwischenraum?] dede "

Irgendwas mit Wildanlockungszauber, wenn ich mich recht erinnere ...

Hoops: Reallexikon der germanischen Altertumskunde kann da weiterhelfen. Man geht dort von Fälschungen aus ...
 
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Da werd ich heute gleich mal im Hoobps nachblättern. In welchem Band finde ich denn den Artikel über die Runenknochen? Vielleicht ist der ja schon veraltet.

@Suedwester: Lieber würde ich direkt mit einem Experten sprechen, beim Reallexikon waren schon ein paar Fehlinfortmationen in älteren Bänden enthalten.
 
@Skald: Tja, zum einen ist Papier geduldig, zum anderen änder sich das, was wir gemeinhin als "Wissen" ansehen, ständig. Ich denke mal, zum Zeitpunkt der Publikation war das, was im Hoops steht, schon "up to date". Den Hoops gibt es ja auch schon seit Jahrzehnten. Hier geht es um Band 33 Waagen und Gewichte, wenn ich mich täusche (hab jetzt auch nur gegoogelt) aus dem Jahre 2006 und damit relativ frisch.
Ansonsten hast Du natürlich recht und solltest Dich einfach mal an Galgenpapst wenden ...
 
So, mir hat das Thema keine Ruhe gelassen. Da ich heute eh eine Vorlesung hatte, nutzte ich die Gelegenheit umgehend, und stattete zwecks Recherche unserer Departmentbibliothek einen Besuch ab. Die Ergebnisse:

Sowohl der Hoops als auch die sehr interessante Arbeit von P. Pieper kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Die Knochen, die tatsächlich Runen enthalten sind nach gründlicher Forschung als echt erwiesen, die restlichen Knochen, die nur bildliche Darstellung enthalten, als Fälschungen enttarnt. Der Fälscher traute sich wohl nicht, auch Runenritzungen zu entwerfen und kopierte deshalb nur die Bilder, wobei er diese fehlinterpretierte. Die Knochen scheinen aus einem kultischen Zusammenhang zu stammen und werden irgendwo zwischen RKZ und VWZ datiert. Der Knochen mit der Schiffsdarstellung ist ein Beweis für die piratische Aktivität der Sachsen gegen die Römer zu dieser Zeit. Bei dem Schiff handelt es sich um die Darstellung einer römischen Galeere, der Runenspruch ist ein Schadenszauber (auf eben diese?):

latum (ing) hari
kunni (ing) we
hagal

Lassen wir Inghari,
Geschlecht des Ingwe (-Freyr),
Hagel (Verderben)

Pieper sieht in diesem Spruch auch einen Hinweis auf die Stellung des Ingwe-Freyr bei den Sachsen, der sich schon bei Tacitus zeigt, der diese Stämme den Ingväonen zuordnet.

Die Darstellung des gehörnten Kriegers im Kampf gegen ei gehörntes Pferd/Fabelwesen kann entweder als Opferhandlung oder als Wodans-Darstellung im Kampf mit Unholden gedeutet werden.

Soweit der heutige Stand.
 
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Hallo "Galgenpapst",

bislang hat sich noch keiner der Interessenten an den Weser-Runenknochen bei mir gemeldet. Denen aber sei mitgeteilt, dass derselbe Autor des von Dir angegebenen -also meines- Buches (das inzwischen beim Verlag vergriffen ist) mit dem des Hoops-Artikels identisch ist. Es kann also nicht sein, dass ich in meinem Buch von Originalen, in meinem Hoops-Artikel aber von Fälschungen ausgehe, wie "Suedwester" kolportiert. Mittlerweile gelten die Texte, von sehr wenigen Immernochzweiflern einmal abgesehen, weltweit als authentisch und werden wieder eifrig diskutiert. Bis auf Klaus Düwel, den Göttinger "Runenpapst im Ruhestand", mit dem ich seit über 30 Jahren fast alle Runen-Neufunde (meist aus alamannischen Frauengräbern) untersucht habe, zeigen sich aber nur wenige von meiner neuen Lesung und Deutung der Texte angetan und lassen dabei meine runographische Interpretation der beiden ungewöhnlichen Trenner als Ing-Rune völlig außer acht. Kurz sei nun meine Transkription und Transliteration hier vorgestellt:

1. lokom : her ("Schauen wir hier[her]!), offenbar auf das röm. Handelsschiff bezogen,

2. latam : Ing : hari ("Lassen wir[,] Inghari" = historisch tradierter PN bei Förstemann)
kunni : Ing : we ("[aus dem] Geschlecht Ingwe" = nord. Hochgott, s. Thor u. Odin)
hagal ("Hagel!" = Verderben),

3. ulu : hari ("Uluhari" = wahrsch. ein 2. PN, m.E. wohl zum Gott Ull(r) gebildet)
dede ("tat" = "machte/führte aus", evtl. aber auch ein 3. PN, "Dede").

"Skald" hat demnach in seinem letzten Beitrag den Inhalt im Wesentlichen ganz richtig wiedergegeben. Interessanterweise hat das Englische für 1. mit "look here" und 3. mit "PN did" die voraltsächsischen Sprachformen noch gut nachvollziehbar konserviert.

(PN steht oben natürlich immer für "Personenname"). Für heute grüßt Dich herzlich

Dein "Moorleichenpapst"
 
Dir ein herzliches Willkommen im GF

Hallo Runen-Pieper,

du weißt, dass ich von Runen keine Ahnung habe, aber du erinnerst dich an die "Füßchen"-Runen in Rheinkieseln, die ich Britta und dir bei eurem Besuch hier gezeigt habe ;-)))

Dein umfassendes Fachwissen zu solchen und ähnlichen Themen (Moorleichen usw.) bereichern sicherlich dieses GF; deshalb herzlich willkommen auch im Namen aller Berufskollegen, die hier im GF mitmachen.

LG gp
 
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Hallo an alle,

Trotz der Vermittlung durch Galgenpapst konnte ich Herrn Pieper nicht erreichen, freue mich jetzt aber natürlich über das Erscheinen hier in der Diskussion und hoffentlich desweiteren über angeregte Diskussionen zum Thema Runeninterpretation.:)

Ich habe da gleich noch ein paar Fragen zur Thematik an Herrn Pieper:

Was sind die alternativen Erklärungsmodelle der Runeninschriften auf den Knochen? Was spricht gegen Ihre Interpretation, die ich beim Lesen der Publikation sehr schlüssig fand? Freut mich im Übrigen, dass ich hier einmal mehr mit Klaus Düwel übereinstimme, dessen Interpretation der Nordendorfer Fibel ich leider nicht folgen konnte.

Wie sehen Sie die figürliche Darstellung mit dem Speerträger? Ich habe sie als "Asen"-Darstellung, vielleicht mit Wodansbezug verstanden.

Mit freundlichen Grüßen aus der Uni Hamburg,

Julian I.
 
Weser-Runen und Nordendorf I

Hallo Julian,
die alten Lesungen und Deutungen sind in meinem Buch zusammengestellt, nach dessen Erscheinen sich Elmer Antonsen nochmals im "altgewohnten" Sinne äußerte. Zu Nordendorf I: Wer Klaus Düwel kennt, kann sicher sein, dass der kein Dogmatiker ist. Die Abschwörungsinterpretation macht auch mir Schwierigkeiten, denn was soll dann der "Weihedonar" dort? Und wer will gleich 3 "Teufelsnamen" auf einem solchen Schmuckstück haben? Von der Darstellung des Speerträgers habe ich leider kein Bild vor Augen. Evtl. kannst Du mir eine Abb. schicken? Ist sie eindeutig, würde ich Dir mit der Deutung als Wodan/Odin mit seinem Speer Gungnir zustimmen wollen. K.D. selbst hat zu Recht festgestellt, dass kaum eine Runeninschrift für uns eindeutig zu verstehen ist (3 Runologen=mindestens 6 Deutungsansätze).
Selbst wenn nur ein einziger PN auf einem Objekt ist, wissen wir nicht, ob es Träger/in, Schenker/in, Runenmeister/in usw. war. Freut mich übrigens, dass Dir meine Gedanken einleuchten, lieber Julian. Gruß pit pieper
 
Die Schwierigkeit bei der Interpretation von Inschriften liegt ja quasi auf der Hand. Auch hier müsste man ja quasi wieder mit "Ockhams Skalpell" arbeiten...z.B. die Frage stellen: Wie wahrscheinlich ist eine Abschwörungsformel auf der Rückseite einer Fibel? Naja, wollen wir das ruhen lassen.

Die Darstellung habe ich leider gerade nicht online zur Hand. Sollte ich sie finden, werde ich sie Ihnen zuschicken.

Interessant im Zusammenhang mit den Weserrunenknochen: Der User finalgo erzählte mir von der momentanen Wikingerausstellungen in Speyer, wo u.A. noch nie gesehene Fundstücke aus Russland ausgestellt sind...Leihgaben der St. Petersburger Eremitage. Darunter auch Knochen mit Schiffsritzungen. Vielleicht ein Zusammenhang? Ich müsste das mal selber sehen, kann ja auch genausogut Graffiti sein.

Besten Gruß,

Julian Islinger
 
Interessant im Zusammenhang mit den Weserrunenknochen: Der User finalgo erzählte mir von der momentanen Wikingerausstellungen in Speyer, wo u.A. noch nie gesehene Fundstücke aus Russland ausgestellt sind...Leihgaben der St. Petersburger Eremitage. Darunter auch Knochen mit Schiffsritzungen. Vielleicht ein Zusammenhang? Ich müsste das mal selber sehen, kann ja auch genausogut Graffiti sein.
Tut mir Leid, aber meine Erinnerung hat mich getäuscht. Ich habe das Stück nun doch im Katalog auf S. 127 gefunden.
Es handelt sich um ein Holzfragmant aus dem Hafen von Bryggen in Bergen. Das Stück gehört dem Historisk Museum in Bergen. Sigrid Kaland und Melanie Herget halten die Zeichnungen im dazu erklärenden Text für Graffittis. Auf der Rückseite ist ein einzelnes Schiff abgebildet mit der Runeninschrift "Hier kommt der Meerbezwinger".
Das Interessante für mich sind die Stevenverzierungen (Köpfe und sog. "Wetterfahnen" (die keine sind).
 
... fast ein Jahr später

Nix Neuses zu den Weserrunen, aber... ein neuer Runenstein vom Niederrhein:



Jost Auler, Peter Pieper und Britta Schlüter
Ein „Runenstein“ aus Dormagen-Stürzelberg, Rhein-Kreis Neuss: „Original“ oder „Fälschung“?

Der Niederrhein 1, 2010, 12-16
 
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