Warum werden Fundgegenstände gezeichnet?

Major Tom

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Bei wissenschaftlichen Katalogen über die Auflistung archäologischer Funde von Ausgrabungen (aktuell z.B. "Katalog der römischen Funde vom Oberesch - Kalkriese") fällt mir auf, das sämtliche Fundgegenstände gezeichnet veröffentlicht werden.
Das Einmessen der Gegenstände und die räumliche Darstellung beim Zeichnen muss doch sehr zeit- und auch kostenintensiv sein. Hat es bestimmte Gründe, warum die Fotografie nicht verwendet wird?
 
Bei wissenschaftlichen Katalogen über die Auflistung archäologischer Funde von Ausgrabungen (aktuell z.B. "Katalog der römischen Funde vom Oberesch - Kalkriese") fällt mir auf, das sämtliche Fundgegenstände gezeichnet veröffentlicht werden.
Das Einmessen der Gegenstände und die räumliche Darstellung beim Zeichnen muss doch sehr zeit- und auch kostenintensiv sein. Hat es bestimmte Gründe, warum die Fotografie nicht verwendet wird?

Ja, hat es.
Bei einem Foto sieht man nur ein Bild ohne Dimensionen.
Bei einer Zeichnung kann man dreidimensional arbeiten.
Also Dinge hervorheben, die so auf einem Foto nicht zu erkennen sind.
Das ist wichtig für die Archäologen.
zB ein Zahn, kann man so von allen Seiten beschreiben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auf einem Foto gehen schnell feine Unterschiede unter,, zumal dunkle, klumpige, schwer zu identifizierende Objekte werden in der Zeichnung "verklart". Unser subjektives Auge ist hochtrainiert darin, Formen und Zusammenhänge zu erkennen: feine Ornamente oder Ritzzeichnungen sind für das subjektive Auge sichtbar -- im Foto gehen sie unter, weshalb Umzeichnungen dieser Objekte allemal ratsam sind.
 
Es handelt sich bei den Tuscheumzeichnungen archäologischer Artefakte um technische Zeichnungen, die dem kundigen Betrachter z. B. auch Informationen mitteilen, die ein Foto nicht zu transportieren vermag. Ein Beispiel mag dies erklären: Bei einem gezeichneten Gerät aus Feuerstein, etwa einem Faustkeil, ist anhand der Schraffuren (die auf einer intern. Absprache im Fach beruhen) zu erkennen, aus welcher Richtung etwa der Schlag geführt wurde, der ein Abschlag- oder Absplissnegativ am Objekt hervorgerufen hat, wo genau der Auftreffpunkt von Schlagstein/Schlägel od. ähnl. Werkzeugen (Schlagpunkt) sich auf dem Objekt findet usw. Auch wird der Unterschied zwischen anthropogener Einwirkung auf das Objekt und Naturspielen (etwas einem Frostsprung) deutlich; letztere werden in der Umzeichnung nur umrissen, nicht aber schraffiert. Andere Phänomene, etwa Farbspiele oder Einschlüsse im Stein, die auf einer Fotografie ins Auge stechen, für die Herstellung und Funktion des Stückes aber ohne Relevanz sind, entfallen auf einer solchen Zeichnung. Es handelt sich also bei unseren Darstellungen von Bodenfunden um eine reduzierte technische Darstellung, die eine gewisse Vergleichbarteit von Fundstücken gewährleistet.

LG gp
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Sehr interessant! Wenn auch mir persönlich als ambitionierter Fotograf ein fotografiertes Objekt immer noch aussagekräftiger erscheint als ein gezeichnetes. Aber den wissenschaftlichen Aspekt der Wiedergabe den Galgenpast beschreibt, kann ich dann nachvollziehen.
Vielen Dank für die ausführlichen Informationen.
Gruß von MT
 
Sicherlich alles richtig, was da angeführt wurde.
Aber einen wichtigen Punkt habt Ihr vergessen.
Filme und vor allem Fotos sind nicht so dauerhaft wie Zeichnungen.
Fotos verblassen mit der Zeit und werden undeutlicher.
Auch kann man Zeichnungen problemloser vervielfältigen als Fotos.
Das war in der Vergangenheit, mehr ein Problem als heute, aber auch heute werden Funde noch gezeichnet.
 
Ich verstehe nun weshalb man die Funde in Zeichnungen wiedergibt, doch könnte es ja aufgrund anderer Fragestellungen hilfreich sein, auch die Dinge optisch zu sehen, die bei der Zeichnung aus von Galgenpapst beschriebenen Gründen wegfallen.
Deshalb die Frage: Beschränkt man sich heute bei der Archäologie nur auf Zeichnungen oder zieht man auch, wie man in Dokus öfter sieht, Fotos zur Hilfe heran? Sie können schließlich auch von allen Seiten eines Objekts gemacht werden und bieten bestimmt einige Vorteile bei der Arbeit.
 
Je nach Art des Objektes beides. Vor allem Metallfunde werden auch fotografiert.
Die Zeichnung bietet aber nach wie vor die beste Möglichkeit des Vergleiches mit anderen Objekten.
Mittlerweile gibt es auch von ein nicht kleinen Anzahl von Objekte 3D-Scans.
 
Beschränkt man sich heute bei der Archäologie nur auf Zeichnungen oder zieht man auch, wie man in Dokus öfter sieht, Fotos zur Hilfe heran? Sie können schließlich auch von allen Seiten eines Objekts gemacht werden und bieten bestimmt einige Vorteile bei der Arbeit.

Je nach Art des Objektes beides. Vor allem Metallfunde werden auch fotografiert.
Auch jeder Befund wird gezeichnet und fotografiert. Bei einer Grabung, an der ich teilnahm - ich glaube, es war bei meiner letzten, zwischen Examensarbeit und Examensprüfungen, - wurden sowohl bunt, als auch schwarz-weiß-Fotos gemacht und zwar mit analogen Kameras. Nun gut, das ist über anderthalb Jahrzehnte her, aber damals war die Aufffassung der Grabungstechniker, dass die analoge Spiegelreflexkamera besser sei, als die digitale Spiegelreflex. Die digitale Technik ist in den anderthalb Jahrzehnten vorangeschritten, wie das Grabungstechniker heute halten, weiß ich nicht.

Die Zeichnung bietet aber nach wie vor die beste Möglichkeit des Vergleiches mit anderen Objekten.
Mittlerweile gibt es auch von ein nicht kleinen Anzahl von Objekte 3D-Scans.
Auch hier ist ja seit diesem Beitrag vor bald 15 Jahren viel geschehen.
 
Ich denke, trotz moderner Dokumentationstechniken (Laserscanner, Structure from Motion etc.) behält die archäologische Zeichnung als Methode ihre Relevanz, weil sie zu einer reflektierteren Auseinandersetzung mit dem zu dokumentierenden Objekt zwingt.
 
Das ist der große Vorteil einer Zeichnung. Ich kann Wichtiges betonen, Unwichtiges weglassen, Nicht-Erhaltenes rekonstruieren und dabei auch noch deutlich zwischen erhalten, sicherer und unsicherer Ergänzung unterscheiden.
Und man setzt sich dabei mit dem Stück auseinander, wie du sagst. Aus gutem Grund beschäftigen wir keine eigenen Zeichner, sondern jeder kümmert sich selbst um die Stücke, die er/sie für die Publikation auswertet.

Außerdem ermöglicht es Vergleichbarkeit. Bei den Architekturfragmenten, die wir finden, zeichnen wir nur Unikate vollständig, aber bei massenhaft vorhandenen Stücken sind 1:1 Querschnittzeichnungen das beste Mittel zum Vergleich. Zeichnungen an die Wand hängen und Stücke dagegenhalten.
(50 randvolle Kisten Tegulae zu typologisieren ist trotzdem kein Spaß und dauert, aber mit Zeichnung in jedem Fall wesentlich einfacher und schneller als jedes Stück einzeln zu vermessen :D)
 
Auch hier ist ja seit diesem Beitrag vor bald 15 Jahren viel geschehen.
3D-Scans sind im Grunde eine gute Möglichkeit für die Dokumentation. Das Problem ist aber nach wie vor die Betrachtung ohne 3D-Progamme (d.h. mit einem Browser); die Änderung der Kamera- und Beleuchtungsposition, sowie die der Brennweite sind nicht möglich. Zudem werden die Texturen/Material-Eigenschaften sehr häufig falsch eingestellt, sodass bspw. die sog. Kontaktschatten (die unmittelbar am Objekt auftretenden Kernschatten) schlicht weggeleuchtet werden.(Der häufigste Grund, warum 3D-Animationen nicht real wirken.)

Bei sorgfältiger Sachfotografie ist hingegen der Aufwand bei den Aufnahmen sehr groß. Vor allem bei kleinen Objekten wäre eine Fachkamera mit verstellbaren Standarten erforderlich, um die Schärfentiefe in den Griff zu kriegen. Außerdem hängt bei der Beurteilung der Oberflächen sehr viel von der Beleuchtung ab, weshalb ein Studio von Vorteil ist.

Unter dem Strich ist das Zeichnen die leichteste Methode der Dokumentation, was auch dem Betrachter mehr vermittelt als schlechte Fotos oder 3D-Walkarounds mit dürftigen Einstellungen (bei denen die Texturen ebenfalls fotografiert werden müssen).
 
Oh ja, das wäre ein Traum gewesen! Leider hatten wir nicht die finanziellen Möglichkeiten dafür. Nach wie vor ist das alles einfach sehr teuer und selbst für eine Forschungsgrabung nicht immer finanzierbar. Ich baue darauf, dass sich das mit der Zeit ändert, das wäre wirklich schön.

Noch ein Vorteil von Zeichnungen: Sie sind billig.
 
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