Warum darf Arminius kein deutscher Held sein?

Ich habe mit beiden Aspekten keine Probleme.
Er war ein charismatischer Anführer (sonst hätte er nicht so viele Mitstreiter aktivieren können) und ein erfolgreicher Heerführer.
Nach üblichen Maßstäben reicht das für "Held".
Naja, charismatisch...
Ein großer Teil der Germanen nahm erst an seinem Angriff teil, nachdem er diesen bereits begonnen hatte und die Aktion gut verlief. Nicht Charisma, Erfolg.
Sein eigener "Stamm" stand nicht geschlossen hinter ihm, sein Bruder versuchte sogar ihn zu verraten.
Andere "große" Anführer der Zeit stellten sich offen gegen ihn: Marbod bekriegte ihn sogar.
Seine Ansprüche aus seinen Siegen stellten sogar Teile seiner Verbündeten in Frage.
Seinen Tod fand er aus der Hand anderer Germanen...

Mit seinem Charisma scheint es also bei weitem nicht so weit her gewesen zu sein :)
 
Naja, charismatisch...
Ein großer Teil der Germanen nahm erst an seinem Angriff teil, nachdem er diesen bereits begonnen hatte und die Aktion gut verlief. Nicht Charisma, Erfolg.
Sein eigener "Stamm" stand nicht geschlossen hinter ihm, sein Bruder versuchte sogar ihn zu verraten.
Andere "große" Anführer der Zeit stellten sich offen gegen ihn: Marbod bekriegte ihn sogar.
Seine Ansprüche aus seinen Siegen stellten sogar Teile seiner Verbündeten in Frage.
Seinen Tod fand er aus der Hand anderer Germanen...

Mit seinem Charisma scheint es also bei weitem nicht so weit her gewesen zu sein :)

Servus zusammen
Ich denke nicht das man Charisma rein positiv besetzen kann, oder mit positive Taten verknüpfen kann. (leider)

"Wer Erfolg hat hat viele Freunde, wer Misserfolg hat hat viele Spötter"

Mich hätte es sehr gewundert wenn sein Stamm geschlossen hinter Arminius gestanden hätte. In jeder Gesellschaft gibt es Traditionalisten oder Menschen die ehr bereit sind an die Möglichkeiten neuer Entwicklungen glauben und so ging diese Spaltung ja sogar durch die Familie von Arminius.
Das Marbod sich offen gegen Arminius stellte unterstreicht meiner Meinung nach ehr das Charisma von Arminius, da Marbod zu dieser Zeit bereits eine gewisse Vormachtsstellung hatte, von einem "Niemand" wäre für ihn auch keine Bedrohung ausgegangen.
Vorsicht jetzt kommt meine Interpretation:)
Ich könnte mir vorstellen das ihm letztlich seine römische Ausbildung das Genick gebrochen hat.
Auf der einen Seite kannte er die römische Kampfesweise und konnte die Legionen schlagen oder zumindest den Preis für Germanien so hoch treiben das es für das Imperium zu kostspielig wurde.
Auf der anderen Seite kannte er die Vorzüge einer absoluten Macht aus Rom und wollte er dann vielleicht zuviel. Er hätte dann gerne eine König gleiche Macht in Germanien ausgeübt, was für die damalige Gesellschaft vielleicht zwei Schritte zuviel waren und ihm dadurch die Feindschaft der alteingesessenen mächtigen Familien einbrachte, was ihm letztlich den Kopf kostete.
Ich denke nicht das ein Arminius ohne Charisma, eine Koalition in ein dermaßen existenziell gefährliches Unternehmen hätte führen können.
Letztlich setzten die Germanen alles auf eine Karte, wenns schief gegangen wäre upps!!
und die Legionen waren meines Wissens nicht für ihre Milde bekannt

nächtle Steffen :winke:
 
Arminius als Held

Also,...

nur zum Überdenken,...

was haben wir denn für Helden aus Sagen oder Geschichte, die reine Lichtgestalten sind? ..., na?...

Gar keine!!!

All unsere Helden haben einen Makel!

Die Schlacht im Theutoburger Wald hat die römische Expansion nach Germanien um 120 Jahre zurückgeworfen, und so erst möglich gemacht, dass freie Germanen weiter existieren und sich später zu Stammesverbänden zusammenschliessen konnten.

Eine grössere Heldentat ist kaum vorstellbar.

Für mich gibt es keine Frage, ob Arminius ein Held ist, wenn auch, ich seine Vereinnahmung als nationalen Helden, als falsch und politisch motiviert ansehe.

Wem es, unter derartigen Bedingungen von Übermacht, Anfeindung und Verrat gelingt, sein Volk zu befreien und diese Befreiung auch noch zu verteidigen, der ist ein Held und der bleibt ein Held, ganz egal, was ihm von nachfolgenden Generationen an dunklen Seiten angedichtet wird.
 
Servus zusammen
Ich denke nicht das man Charisma rein positiv besetzen kann, oder mit positive Taten verknüpfen kann. (leider)
Nunja, die Definitionen sind zwar nicht zu eng, aber in der Soziologie wird Charisma i.d.R. mit einer auf Ausstrahlung begründeten Form von Autorität "übersetzt", zu dem zwar

"Wer Erfolg hat hat viele Freunde, wer Misserfolg hat hat viele Spötter"
paßt, in der Praxis sich in meinen Augen aber gerade die "charismatischen Persönlichkeiten" dadurch kennzeichnen, dass sie auch ohne Erfolge bzw. nach Niederlagen wieder auf die Beine kommen oder ihre Gefolgschaften halten.

Mich hätte es sehr gewundert wenn sein Stamm geschlossen hinter Arminius gestanden hätte. In jeder Gesellschaft gibt es Traditionalisten oder Menschen die ehr bereit sind an die Möglichkeiten neuer Entwicklungen glauben und so ging diese Spaltung ja sogar durch die Familie von Arminius.
Das Marbod sich offen gegen Arminius stellte unterstreicht meiner Meinung nach ehr das Charisma von Arminius, da Marbod zu dieser Zeit bereits eine gewisse Vormachtsstellung hatte, von einem "Niemand" wäre für ihn auch keine Bedrohung ausgegangen.
Marbod führte eine große Reihe von Kriegen gegen andere germanische Fürsten. Das kann man weniger mit Charisma oder im Kehrschluß das Charisma mit diesen Kriegen begründen, als mit dem Verhältnis der Germanen untereinander. Auch scheint es eben keine persönliche Bedrohung aus dem erfolgreichen (der oben beschriebenen Logik zufolge also "charisamtischen" Arminius) für Marbod zu geben, denn er hält sich zum Zeitpunkt, als Arminius gegen die Römer erfolgreich ist, zurück und greift nicht zugunsten des Germanicus oder des Tiberius in die Kämpfe ein. Erst danach beginnt ja die Auseinandersetzung handfest zu werden. Hätte sich Marbod bedroht gefühlt, wäre er wohl früher mit den Römern vorgerückt.
Zudem sollte man die Bündnispolitik Marbods dabei nicht außer acht lassen.


Auf der anderen Seite kannte er die Vorzüge einer absoluten Macht aus Rom und wollte er dann vielleicht zuviel. Er hätte dann gerne eine König gleiche Macht in Germanien ausgeübt, was für die damalige Gesellschaft vielleicht zwei Schritte zuviel waren und ihm dadurch die Feindschaft der alteingesessenen mächtigen Familien einbrachte, was ihm letztlich den Kopf kostete.
Zwei Gedankenfehler:
1. Augustus war kein absoluter Herrscher und lebte dies nach außen auch nicht vor. Das Principat stellt sich für uns zwar de facto als Beginn der Kaiserzeit dar, Augustus profilierte sich aber als "primus inter pares", nicht als "le c'est moi" :)
2. Das Prinzip des Herrschers ist zumindest einzelnen Stämmen der Germanen nicht fremd noch ein Schritt zu viel. Der dux, also der Anführer, dass ist bei Marbod z.B. der Fall, aber scheinbar auch der rex, der König, wie Caesar seinen Gegner Ariovist nennt.

Ich denke nicht das ein Arminius ohne Charisma, eine Koalition in ein dermaßen existenziell gefährliches Unternehmen hätte führen können.
Das ist der Punkt. Wie gesagt stieß ein Großteil der "Koalition" erst dazu, als die Sache erfolgreich verlief, nicht als er dafür warb.

Letztlich setzten die Germanen alles auf eine Karte, wenns schief gegangen wäre upps!!
und die Legionen waren meines Wissens nicht für ihre Milde bekannt
Die anfängliche Zurückhaltung ist weit weniger risikofreudig. Man sah erstmal, ob es lief. Danach, im Verlauf der mehrtägigien Vernichtungsschlacht, stieß man nach und nach dazu. Das Krieg immer Risiko bedeutet, ist natürlich unbestreitbar, und die folgenden Rachefeldzüge haben es ja auch verdeutlicht.
Für die letzte Überlegung, die der Gnade, spielt es aber keine Rolle ob man als Germane gegen Germanen oder gegen Römer zu Felde zog. Eine Niederlage, zumal nach einem Abfall oder Verrat, zog und zieht bis heute i.d.R. harte Sanktionen nach sich.

Jürgen schrieb:
was haben wir denn für Helden aus Sagen oder Geschichte, die reine Lichtgestalten sind? ..., na?...

Gar keine!!!

All unsere Helden haben einen Makel!
Von Lichtgestalt willja keiner sprechen, und kein Mensch ist völlig ohne Makel, aber bei Arminius sprechen wir durchaus auch von moralisch diskutablem Verhalten. Es geht u.a. auch darum, dass er sich als Freund des Varus ausgab, dessen persönliches Vertrauen, eine scheinbar fast intime nähe ausnutzte.
Aber wenn wir uns umsehen in der dt. Geschichte, so gibt es einige Personen, über die wir zum einen deutlich besser informiert sind, die zum anderen deutlich näher zur deutschen Geschichte stehen und bei denen charakterliche Fehler nicht gleichzusetzen sind mit etwa einem Verrat zgunsten eigener Machtergreifung.

Ohne ein Fachmann mittelalterlicher Geschichte zu sein fällt mir bspw. der gute Karl der Große sein. Über dessen Sachsenkriege wird viel diskutiert und je nach Lesart fällt das Urteil über die Person insgesamt eher positiv oder negativ aus. Will man ihn positiv beurteilen bleibt als Kritikpunkt seine libido, und das ist nach heutiger Sicht (oder vielleicht auch nur nach meiner persönlichen Sicht), insofern alle Beteiligten freiwillig partizipieren, bei weitem nicht so verwerflich.
Was nicht heißen soll, dass ich für einen Karl den Großen als Helden oder gar deutschen Helden einstehe.
In meinen Augen ist der Gedanke einer personellen Verknüpfung des Einheitsgedankens längst überholt, gerade für uns Deutschen.
Kramt man sich dann weiter durch die Geschichte kommt sicher noch der ein oder andere "Vorfahre", der sich als Held und Gründer weit mehr eignet, als jemand, der 20 000 Menschen, die ihm vertrauen, in den Tod führt.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ein großer Teil der Germanen nahm erst an seinem Angriff teil, nachdem er diesen bereits begonnen hatte und die Aktion gut verlief.
Schon.
Aber wesentlicher ist doch, daß Arminius den anderen großen Teil der Germanen überzeugen konnte, sich seinem Plan anzuschließen.

Das ist m. E. nicht zu unterschätzen. Er mußte die Leute nicht nur zum Aufstand motivieren, sondern auch dazu, seiner Führung zu vertrauen.
Es war ja keine schlichte Hau-Drauf-Strategie, zu der man die Leute einmal ordentlich in Schwung bringen muß - soweit man den Schlachtplan überhaupt rekonstruieren kann, gehörte dazu eine Menge Koordination und Vorbereitung, sehr viele an Unabhängigkeit gewohnte Krieger und Anführer mußten sich an die Vorgaben von Arminius halten, mußten genau an dem Ort und zu dem Zeitpunkt den Part übernehmen, den er bestimmt hatte.

So etwas zu organisieren und viele tausende Menschen zum Mitmachen zu bewegen, das ist auf jeden Fall eine außergewöhnliche Leistung, und ohne Charisma wohl nicht zu schaffen.
 
Na, seinen Rang als Anführer will ihm wohl keiner streitig machen, von daher mache ich die vorrangige Gefolgschaft gemäß seiner "normal" erworbenen Autorität schuldig, was nicht heißen soll, dass er gar keinen Charme hatte.
Nur halte ich es eben nicht für unumstößlich, dass er deswegen gleich "charismatisch" war.
 
Na, seinen Rang als Anführer will ihm wohl keiner streitig machen, von daher mache ich die vorrangige Gefolgschaft gemäß seiner "normal" erworbenen Autorität schuldig, was nicht heißen soll, dass er gar keinen Charme hatte.
Nur halte ich es eben nicht für unumstößlich, dass er deswegen gleich "charismatisch" war.

Ein Anführer braucht Charisma, sonst wird ihm die Autorität versagt.
Das galt wohl früher mehr, als heute.
Die werden ja damals auch nicht, wie die Tiere ihre Macht ausgekämpft haben, nach dem Motto, ich bin der stärkste Leitbulle.
 
Zuletzt bearbeitet:
Na, seinen Rang als Anführer will ihm wohl keiner streitig machen, von daher mache ich die vorrangige Gefolgschaft gemäß seiner "normal" erworbenen Autorität schuldig,
Die "normale" Autorität eines germanischen Stammesführers reichte nicht, um einen Aufstand zu befehlen. Da wären ihm die eigenen Leute schon nicht gefolgt, geschweige denn die von anderen Stämmen.
"Befehlen" konnte er maximal die engere Gefolgschaft, ansonsten mußte er überzeugen.

Und dieses "überzeugen können" wird eben meist mit Charisma assoziiert.
Aber ich will nicht weiter auf diesem Begriff herumreiten.
Wesentlich ist, daß er deutlich aus der Gruppe der übrigen Adligen herausragte, daß er Ungewöhnliches bewerkstelligt hat.
Das macht ihn zu einer historisch wichtigen Figur, bzw. weil das mit militärischen Erfolgen verknüpft war, zum "Helden".
 
Hallo, Gemeinde!

Interssante Ausgangsfrage...

Grundsätzlich habe ich für "Heldenverehrung" große Sympathie. Jeder von uns hat seine Helden. Und mit den Personen (oder Vorstellungen von diesen Personen), denen wir Bewunderung/Hochachtung entgegenbringen, dokumentieren wir unsere eigenen Wertvorstellungen.

Genau deshalb zweifele ich auch, ob man Arminius als Helden einstufen kann, denn über ihn wissen wir einfach zu wenig, um sein Tun mit konkreten Werten zu verbinden. Mit dem Titel "Held" sind Konnotate verbunden. Wir billigen diesen Titel jemandem zu, der aus ehrenwerten Motiven etwas Gutes getan hat. Oder es zumindest versucht hat.

Hier habe ich bezüglich Arminius meine Zweifel.

Die Schlacht im Theutoburger Wald hat die römische Expansion nach Germanien um 120 Jahre zurückgeworfen, und so erst möglich gemacht, dass freie Germanen weiter existieren und sich später zu Stammesverbänden zusammenschliessen konnten.

Eine grössere Heldentat ist kaum vorstellbar.

Für mich gibt es keine Frage, ob Arminius ein Held ist, wenn auch, ich seine Vereinnahmung als nationalen Helden, als falsch und politisch motiviert ansehe.
Mit diesem Urteil vollziehst Du aber die Argumentation nach, mit der er zum Nationalhelden erhoben wurde. Konsequent weiter gedacht, besagt das, dass er sich einem Aggressor in den Weg gestellt, ihn zurückgeworfen und damit etwas Gutes erreicht hat und dass die Alternative (Sieg Roms, vollständige Provinzialisierung Germaniens) schlecht gewesen wäre. Dass er ein "Freiheitskämpfer" war. Aber waren die Germanen nach dem Sieg denn freier als vorher?

Ernennt man Arminius unter diesen Bedingungen zum Helden, sagt man damit, dass die Entwicklung "schlechter" verlaufen wäre, wenn er nicht so gehandelt hätte oder wenn er verloren hätte. Dem könnte man entgegenhalten, dass ein Sieg des Varus damals zur Schaffung einheitlicher Strukturen in ganz Germanien geführt hätte. Dann wäre schon 9 n. Chr. der Grundstein für die Herausbildung einer "Nation" gelegt worden. Dann wäre Deutschland nicht erst 1871 zum Nationalstaat geworden und hätte vielleicht nicht aus Mangel an Erfahrung mit diesem Status zwei verheerende Weltkriege vom Zaun gebrochen. Übrigens bin ich sicher, dass Deutschland nicht anders aussehen würde, wenn es Arminius nie gegeben hätte. Schau nach Westen. Stört es das Selbstbewusstsein der Franzosen, dass Gallien römische Provinz war?

Deshalb betrachte ich persönlich die Figur des Arminius zwar mit Sympathie, aber keinesfalls mit Heldenverehrung. Dazu bin ich mir auch zu sehr bewusst, dass Deutschland starke "römische" Wurzeln hat. Varus ist in diesem Sinne genauso Teil unserer Geschichte wie Arminius.

Und all das hat nichts damit zu tun, dass nur "Lichtgestalten" als Helden verehrt werden können. Beispiel: Leonidas. Der war ein "Herrenmensch" und erbarmungsloser Sklavenhalter. Trotzdem hat er heldenhaft gehandelt, als er aus Pflichtbewusstsein sehenden Auges in den Tod gegangen ist, um den "Erzfeind" Athen zu schützen. Bei Arminius sehe ich dergleichen nicht. Der hat bloß einen Sieg errungen.

Das ist der Punkt. Wie gesagt stieß ein Großteil der "Koalition" erst dazu, als die Sache erfolgreich verlief, nicht als er dafür warb.
Dieses Argument halte ich für fragwürdig. Märtin hat das zu einem Extrem geführt, indem er den Angriff auf Varus als Aufstand der Hilfstruppen eingestuft hat. Der Ansatz hat sicher seine Berechtigung, da die Hilfstruppen zweifellos beteiligt waren. Aber sie hätten das nie allein geschafft. Und die Stämme hätten nie die Gelegenheit gehabt, sich dem Aufstand anzuschließen. Der Kampf hat allen Quellen zufolge nur maximal vier Tage gedauert. Bis auch nur die Nachricht vom Beginn der Kämpfe die Chatten erreicht hätte oder bis die Brukterer ausreichend Truppen hätten zusammenziehen können, wäre alles vorbei gewesen. Es müssen viele Tausend Krieger in der Umgebung des Schlachtfelds bereitgestanden haben, als das Gefecht begann. Vielleicht haben sich einzelne Stammeskontingente da noch zurückgehalten und abgewartet, bis ein Sieg greifbar schien. Sicher bleibt aber: Das Ganze muss von langer Hand vorbereitet gewesen sein. Und als Vorbereiter kommt nur Arminius in Frage. Er war vielleicht nicht charismatisch, zumindest aber offensichtlich überzeugend.

MfG
 
Zuletzt bearbeitet:
Dem könnte man entgegenhalten, dass ein Sieg des Varus damals zur Schaffung einheitlicher Strukturen in ganz Germanien geführt hätte. Dann wäre schon 9 n. Chr. der Grundstein für die Herausbildung einer "Nation" gelegt worden. Dann wäre Deutschland nicht erst 1871 zum Nationalstaat geworden und hätte vielleicht nicht aus Mangel an Erfahrung mit diesem Status zwei verheerende Weltkriege vom Zaun gebrochen. Übrigens bin ich sicher, dass Deutschland nicht anders aussehen würde, wenn es Arminius nie gegeben hätte. Schau nach Westen.

Diese Sichtweise ignoriert imho einige Fakten bzw. die zweitausendjährige Geschichte seit der Varusschlacht.
a) sie ignoriert, dass Grenzen nicht natürlich sind, sondern Festlegungen von Menschen.
b) sie ignoriert, dass uns mit Franzosen, Belgiern, Niederländern etc. eine gemeinsame fränkische Geschichte verbindet.
c) sie ignoriert, dass die Geschichte bei einem Sieg des Varus in einer für uns unbekannten Weise einfach anders verlaufen wäre.

Die Liste ist sicherlich fortführbar.

Stört es das Selbstbewusstsein der Franzosen, dass Gallien römische Provinz war?

Es gibt sicher in der französischen Geschichtsbetrachtung des 16. - 20. Jahrhunderts Ansätze, die, zwar vom wissenschaftlichen Standpunkt nicht haltbar, das keltische Element betonen. Ich kenne jetzt pauschal nur Texte des 16. und 17. Jahrhunderts von Spaniern - es handelt sich allerdings um Minderheitsmeinungen - die meinen, die iberoromanischen Sprachen stammten nicht vom Lateinischen sondern vom Iberischen ab (die Mehrheitsmeinung war, dass es sich beim Spanischen um korrumpiertes Latein handele, was ja gewissermaßen auch stimmt.)
 
Genau deshalb zweifele ich auch, ob man Arminius als Helden einstufen kann, denn über ihn wissen wir einfach zu wenig, um sein Tun mit konkreten Werten zu verbinden.

Der Begriff "Held" ist ein wenig zu groß geraten und kein vernünftiger Mensch und schon gar nicht ein seriöser Historiker würde Arminius so bezeichnen.

Immerhin aber gibt es einige unabweisbare Tatsachen, mit denen sich der olle "Herrmann" zumindest unseren Respekt verdient hat:

Er bewog die Römer zum Verzicht auf die Eroberung des rechtsrheinischen Germaniens und damit auf die Romanisierung der meisten Germanen. Um dieses Ziel zu erreichen bewies er Mut, Hartnäckigkeit und taktisches Geschick.

Ob man die unterbliebene Romanisierung des freien Germanien in diesem Zusammenhang postiv oder negativ bewertet, steht auf einem anderen Blatt und wäre Gegenstand einer intensiven Diskussion.
 
Diese Sichtweise ignoriert imho einige Fakten bzw. die zweitausendjährige Geschichte seit der Varusschlacht.
a)...
Ich hätte dazuschreiben sollen, dass ich die "Gegenthese" provokativ gemeint habe. Mit der Formulierung "dass Deutschland nicht anders aussehen würde" meinte ich nicht die äußeren Grenzen sondern die innere Verfassung. Deutschland (wiederum sind nicht äußere Grenzen gemeint) hat sich nicht autonom aus "germanischen" Wurzeln entwickelt, sondern war immer Teil Europas und hatte immer die gleichen Wurzeln (zumindest überwiegend) wie zumindest die westlichen Nachbarländer - und nicht trotz sondern gerade wegen der Existenz und Ausdehnung des römischen Imperiums!

Deshalb habe ich ja Bedenken, Arminius als den Helden zu betrachten, der die germanische Freiheit, Sprache, Wurzel gegen mediterrane Einflüsse verteidigt haben soll. Ernennt man ihn zum Helden, deutet man damit an, dass sein damaliges Tun für uns heute noch Bedeutung hat - entweder in dem Sinne, dass es eine historische Kontinuität vom Jahr 9 n. Chr. bis heute gibt, oder in dem Sinne, dass man seinem Beispiel heute noch nacheifern sollte (so verstehe ich "Heldentum": als Vorbild!). Eine "Kontinuität" gibt es aber ganz sicher nicht. Die Varusschlacht war für unsere Kultur und Gesellschaftsstruktur bei weitem nicht so prägend wie Jahrhunderte später der vom "Heiligen römischen Reich deutscher Nation" vertretene und verfolgte Anspruch, "Rechtsnachfolger" des Römischen Imperiums zu sein und besagtes Reich zusammenhalten zu wollen. Und nacheifern will dem Arminius-Beispiel ja hoffentlich auch niemand mehr. Ich jedenfalls mag mich nicht mit Italienern oder Franzosen schlagen.

Aber ich gleite ab. Die Frage lautet: Verdient Arminius es, heute Held genannt zu werden? Darauf habe ich geantwortet.

MfG
 
Vielleicht könnten die Mods die Diskussion um das Charisma des Arminius mal rausholen, ist ja doch ein wenig off topic.
Lohnt sich offenbar darüber zu diskutieren.

Ach ja, lieber Rotbommler-Anonymus, sagt dir der Name Agrippa etwas? Ist nur ein Beispiel, der Rest läßt sich fortsetzen, gerne in einer Diskussion.
 
Immerhin aber gibt es einige unabweisbare Tatsachen, mit denen sich der olle "Herrmann" zumindest unseren Respekt verdient hat...
Respekt! Aber Verehrung? Ich zitiere mich mal selbst:

Deshalb betrachte ich persönlich die Figur des Arminius zwar mit Sympathie, aber keinesfalls mit Heldenverehrung.
Hier spielen Emotionen rein. Ich möchte die Geschichte "meines Volkes" aber möglichst emotionsfrei betrachten. Würde ich dem Arminius den Heldenstatus zubilligen, müsste ich gleichzeitig den Varus zum "schlimmen Finger" erklären. Sowas verstellt aber den Blick auf die Realitäten. Ebenso unabweisbar wie die Tatsache, dass Arminius sich Respekt verdient hat, ist nämlich die Tatsache, dass Rom Süddeutschland und das Rheinland (das sind heute auch Teile Deutschlands!) geprägt und den Obstbau, die Hühnerhaltung und und und in den "barbarischen Norden" gebracht hat.

Als einen Helden betrachte ich persönlich nur jemanden, der etwas getan hat, was für ihn selbst schwierig oder gefährlich war, aber aus Gründen der Moral oder der Ehre getan werden musste. Wo finde ich das bei Arminius? Meint Ihr die Tatsache, dass er für eine Überzeugung oder ein Ziel in den Krieg gezogen ist? Dann hat Europa Milliarden von Helden. Ich bin kein Pazifist. Aber nur Krieg zu führen, reicht mir nicht für die Bewilligung des Heldenstatus.

MfG
 
Ich hätte dazuschreiben sollen, dass ich die "Gegenthese" provokativ gemeint habe. Mit der Formulierung "dass Deutschland nicht anders aussehen würde" meinte ich nicht die äußeren Grenzen sondern die innere Verfassung. Deutschland (wiederum sind nicht äußere Grenzen gemeint) hat sich nicht autonom aus "germanischen" Wurzeln entwickelt, sondern war immer Teil Europas und hatte immer die gleichen Wurzeln (zumindest überwiegend) wie zumindest die westlichen Nachbarländer - und nicht trotz sondern gerade wegen der Existenz und Ausdehnung des römischen Imperiums!

Deshalb habe ich ja Bedenken, Arminius als den Helden zu betrachten, der die germanische Freiheit, Sprache, Wurzel gegen mediterrane Einflüsse verteidigt haben soll. Ernennt man ihn zum Helden, deutet man damit an, dass sein damaliges Tun für uns heute noch Bedeutung hat - entweder in dem Sinne, dass es eine historische Kontinuität vom Jahr 9 n. Chr. bis heute gibt, oder in dem Sinne, dass man seinem Beispiel heute noch nacheifern sollte (so verstehe ich "Heldentum": als Vorbild!). Eine "Kontinuität" gibt es aber ganz sicher nicht. Die Varusschlacht war für unsere Kultur und Gesellschaftsstruktur bei weitem nicht so prägend wie Jahrhunderte später der vom "Heiligen römischen Reich deutscher Nation" vertretene und verfolgte Anspruch, "Rechtsnachfolger" des Römischen Imperiums zu sein und besagtes Reich zusammenhalten zu wollen. Und nacheifern will dem Arminius-Beispiel ja hoffentlich auch niemand mehr. Ich jedenfalls mag mich nicht mit Italienern oder Franzosen schlagen.

Aber ich gleite ab. Die Frage lautet: Verdient Arminius es, heute Held genannt zu werden? Darauf habe ich geantwortet.

MfG

Also, wenn morgen Berlusconi hier einmarschiert und Deutschland zu einer Kolonie machen will, und einer seiner Offiziere, der als Kind aus Deutschland nach Italien entführt wurde um dort zu einem Italiener erzogen zu werden, sich gegen seine "eigenen" Truppen auflehnt um sein Heimatland zu befreien...dann wäre das auch in diesem Szenario eine Held. Auch wenn er danach Bundeskanzler auf Lebenszeit wird.'g'

Langer Satz.

Und ich mag Spaghetti. Und Lasagne. Und Bruschetta. Und Pinot Grichio.
Aber ich mag auch Weißbier. Und Knödel. Und Sauerkraut.

Ja...Faden verloren.
 
Also, wenn morgen Berlusconi hier einmarschiert und Deutschland zu einer Kolonie machen will, und einer seiner Offiziere, der als Kind aus Deutschland nach Italien entführt wurde um dort zu einem Italiener erzogen zu werden, sich gegen seine "eigenen" Truppen auflehnt um sein Heimatland zu befreien...dann wäre das auch in diesem Szenario eine Held. Auch wenn er danach Bundeskanzler auf Lebenszeit wird.'g'

die Frage ist doch wollte Arminius befreien oder lediglich selbst Herrscher sein:grübel:
 
Mit der Formulierung "dass Deutschland nicht anders aussehen würde" meinte ich nicht die äußeren Grenzen sondern die innere Verfassung.

Die Frage, ob Deutschland ohne die von Arminius verhinderte Romanisierung des rechtsrheinischen Germaniens andere Strukturen hätte, ist sehr spekulativ und lässt sich kaum beantworten.

Deutschland (wiederum sind nicht äußere Grenzen gemeint) hat sich nicht autonom aus "germanischen" Wurzeln entwickelt, sondern war immer Teil Europas und hatte immer die gleichen Wurzeln (zumindest überwiegend) wie zumindest die westlichen Nachbarländer - und nicht trotz sondern gerade wegen der Existenz und Ausdehnung des römischen Imperiums!

Die germanischen Wurzeln Deutscglands sind unbestreitbar, denn seit der Ethnogenese der Germanen Mitte des 1. Jahrtausend v. Chr. hat es nach Aussage der Archäologen keine nennenswerten außergermanischen Einflüsse oder Invasionen anderer Ethnien gegeben - abgesehen von den Kelten im süddeutschen Raum, die dort seit dem 6. Jh. (vielleicht auch schon zuvor) archäologisch fassbar sind.

Dass an der Entstehung Deutschlands nach dem Ende der germanischen Epoche auch andere Faktoren zentral beteiligt waren, versteht sich von selbst. So vor allem das Frankenreich und die Stammesherzogtümer, die den Übergang von den germanischen Stämmen zum Ostfrankenreich und später zum regnum teutonicae bewirkten.
 
Ganz nebenbei: wenn die "Rachefeldzüge" des Germanicus etwas erfolgreicher gewesen wären, wäre Germanien vielleicht doch noch römische Provinz geworden (und die "Rache" zu einer "Rückeroberung"). Wir verstricken uns beim "was wäre wenn" um Arminius einfach zu sehr ins wahrscheinlich-unwahrscheinliche; Tacitus schreibt zwar dass er der "Liberator Germaniae" gewesen sei, dass er aber auch gleichzeitig "aller Stämme König" hatte werden wollen. Befreiung? Eher ein germanisch-imperialer Gegenentwurf zum römischen Reich. Sowas ähnliches hat auch Civilis 60 Jahre später probiert, mit seiner batavisch-treverischen Armee und seiner römischen Ausbildung war definitiv die Versuchung zu groß. Aber das was-wäre-wenn bzw. wenn-nicht ist ein Elend, man kriegt so schwer los wie Hundekacke unter den Schuhen wenn man erst einmal reingetreten ist. Deshalb nicht mehr davon. Sondern mehr vom "Helden".

Das Schöne am Helden ist, wenn man nicht gerade von Heldentenören spricht, dass sich sein Bild mit der Gesellschaft wandelt. Heute ist Georg Elser ein Held, die Geschwister Scholl, Gandhi, Mandela, Leute, die die Menschheit weitergebracht haben. Das Heldenbild funktioniert auch rückwirkend und drückt Heldenlorbeer auf Häupter, die anderen erwartet haben: z. B. Ovid, Schiller. Sie haben entgegen aller Schläge Großes geschaffen und der Menschheit ein Licht angezündet. Beim "Hermann" kann man darüber diskutieren, inwieweit eins ausgelöscht wurde, aber ... da steigt schon wieder der Geruch des "Was wäre" in die Nase.

Die militärische Leistung eines Menschen wird heutzutage wertneutraler definiert über taktisches Geschick, logistisches Können, charismatische Führerschaft. Heldentum zeigt sich in der Sinnstiftung, in der Rettung, in Aufopferung, in Friedensstiftung und Aussöhnung. Und das ist gut so, denn wir brauchen mehr Helden auf der Welt und weniger gewalttätige, skrupellose Dummköpfe (wie sie sich früher dem obsoleten "Hermann"-Heldenbild verbunden gefühlt haben mögen).
 
die Frage ist doch wollte Arminius befreien oder lediglich selbst Herrscher sein:grübel:

Hier gibt jemand eine vielversprechende und noch ausbaubare Karriere im Dienste des römischen Imperiums auf um Herrscher über ein Land voller Dörfer und Langhäuser zu werden. Klingt irgendwie...hmm, ich weiß nicht.=)
 
Hier gibt jemand eine vielversprechende und noch ausbaubare Karriere im Dienste des römischen Imperiums auf um Herrscher über ein Land voller Dörfer und Langhäuser zu werden. Klingt irgendwie...hmm, ich weiß nicht.=)

manche Menschen sind lieber der Erste in einer relativ kleinen oder auch "rückständigen"Gruppe
als Zweiter in einer großen "fortschrittlichen Gruppe"
oder wie man bei uns sagt
lieber als Einäugiger König unter den Blinden statt Minister des Königs der Zweiäugigen
 
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