Die Varusschlacht - eine Erfindung um eine Massendesertion zu vertuschen?

Redscorpion sicherlich hätte das römische Reich Germanien erobern können, währen sie am Ball geblieben.

Wie die USA halt.
 
Die meisten Befürworter einer real stattgefundenen Varusschlacht in diesem Forum sind nicht der Idee des Freiheitskampfes verfallen. Das läßt sich sehr leicht nachlesen in den Diskussionen der letzten Wochen.

Wie gesagt sind die antiken Autoren nicht durch die Bank weg zeitfern einzuordnen, einige sind direkte Zeitzeugen, die meisten gelten eben nicht als "Klatschmäuler" sondern seriös berichtende, mit den damaligen stilistischen Mitteln arbeitende Persönlichkeiten.
Nebenbei bemerkt, die literarische Epoche des Realismus stimmt in diesen Merkmalen überein, und noch heute werden einige der Bücher dieser Zeit hoch gelobt wegen des in ihnen gezeigten, z.T. kritischen Realismus. Weil der Autor sich in Details Freiheit erlaubt, verfälscht das nicht zwangsläufig das Gesamtbild oder entlarvt dieses als Gesamtfälschung.

Die Aussage, dass die Niederlage in Vietnam rein politisch war will ich so auf keinen Fall unterschreiben, das wäre aber eine Diskussion im Neuzeitforum.

Junkelman trägt diese Größenverhältnisse nicht unbedingt. In "panis militaris" macht er sehr deutlich klar, dass die von Germanen in römischen Diensten gefundenen sterblichen Überreste z.T. nahe an den heutigen Körpergrößen sind, während zugleich ein Gardemass in antiken Schriften angegeben wird, dass nicht mit dem Bild des winzigen Römers übereinstimmt.
Generell gilt: aus der Archäologie ist da keine klärende Antwort zu erwarten. Die Römer waren bis ins zweite Jahrhundert und meist darüber hinaus Brandbestatter, hinterließen also wenig, was sich statistisch auswerten ließe. Wenn also nicht ein geheimer Friedhof gefunden wird...
 
Die meisten Befürworter einer real stattgefundenen Varusschlacht in diesem Forum sind nicht der Idee des Freiheitskampfes verfallen. Das läßt sich sehr leicht nachlesen in den Diskussionen der letzten Wochen.
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Ich zielte mit meinem kleinen Seitenhieb auch auf Leute wie Demandt z.B., nicht auf User hier.

Ich freue mich über 3ds wie diesen, jene über die Gründe der Varusschlacht und den grossen über Kalkriese,
und finde die Darstellung unter Herausstellung verschiedenster Aspekte sehr interessant.



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Wie gesagt sind die antiken Autoren nicht durch die Bank weg zeitfern einzuordnen, einige sind direkte Zeitzeugen, die meisten gelten eben nicht als "Klatschmäuler" sondern seriös berichtende, mit den damaligen stilistischen Mitteln arbeitende Persönlichkeiten.
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Schon richtig;

und allein der Umstand, weil sie oftmals ertappte Klatschmäuler mit handfesten eigenen Interessen sind, macht sie nicht a priori völlig unglaubwürdig.

Was ich an den Zeitgenossen wie Velleius Paterculus "verdächtig" finde, ist ihre Verstrickung in Palastintrigen und evtl. politische Winkelzüge.
Und da schliesst sich dann der Kreis mit Varus, Germanicus, Tiberius usw.



LG
 
Was mir sowohl von dir @Brittannicus, als auch von dir @RedScorpion fehlt, ist eine textbasierte Argumentation. Ihr disqualifiziert sämtliche antike Autoren (Zeitgenossen, wie Manilius, Velleius Paterculus und Strabo genauso wie spätere Autoren wie Frontinus, Sueton, Tacitus, Cassius Dio) als Lügner oder Klatschmäuler ab und nehmt das als Stütze für Eure Behauptung, die Varusschlacht habe nicht stattgefunden.
Unklar bleibt, warum sich so unterschiedliche Autoren, wie ein Sittenwächter, ein Hofpropagandist, ein Geograph, ein Militärstratege und verschiedene Autoren kaiserkritischer und kaserfreundlicher Natur, auf eine gemeinsame Geschichte haben einigen sollen, um diese für ihre exempla (Mnailius, Frontinus), ihre geographischen Beschreibungen (Strabo) etc. zu benutzen, zumal, Tib. Gabinius wies schon darauf hin, die Zeitgenossen ja gewusst hätten, dass sie lögen.

Es ist in der Geschichtswissenschaft durchaus zulässig gegen die Quellen zu argumentieren, aber dann sollte man bessere Argumente haben, als eine Pauschalverurteilung aller Autoren. Quellenkritik heißt, textimmanent zu arbeiten, das ist aber hier noch nicht geschehen.
 
Die Varusschlacht war doch wegen eine Desertion. Und zwar nicht von den 3 Legionen, sondern von den germanischen Auxilarien (Hilftruppen). Zusammen mit die mit ihnen verbündete Germanen besiegten sie die Römer bei Kalkriese, was deutlich archäologisch nachgewiesen ist.

Ich sehe absolut nicht ein, warum man eine Desertion mit eine Desertion vertuschen sollte. Was sol noch schmachvoller gewesen sein wie die Varusschlacht wie sie überliefert wurde?
 
Was mir sowohl von dir @Brittannicus, als auch von dir @RedScorpion fehlt, ist eine textbasierte Argumentation. Ihr disqualifiziert sämtliche antike Autoren (Zeitgenossen, wie Manilius, Velleius Paterculus und Strabo genauso wie spätere Autoren wie Frontinus, Sueton, Tacitus, Cassius Dio) als Lügner oder Klatschmäuler ab und nehmt das als Stütze für Eure Behauptung, die Varusschlacht habe nicht stattgefunden.
Unklar bleibt, warum sich so unterschiedliche Autoren, wie ein Sittenwächter, ein Hofpropagandist, ein Geograph, ein Militärstratege und verschiedene Autoren kaiserkritischer und kaserfreundlicher Natur, auf eine gemeinsame Geschichte haben einigen sollen, um diese für ihre exempla (Mnailius, Frontinus), ihre geographischen Beschreibungen (Strabo) etc. zu benutzen, zumal, Tib. Gabinius wies schon darauf hin, die Zeitgenossen ja gewusst hätten, dass sie lögen.

Es ist in der Geschichtswissenschaft durchaus zulässig gegen die Quellen zu argumentieren, aber dann sollte man bessere Argumente haben, als eine Pauschalverurteilung aller Autoren. Quellenkritik heißt, textimmanent zu arbeiten, das ist aber hier noch nicht geschehen.

Ich behaupte ja gar nicht, dass die Schlacht, so wie sie bisher (?) oft dargestellt wurde/wird, nicht stattgefunden hat,

ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Quellenlage dünn ist, leider;

und dass die Gründe für eine Darstellung, wie sie Velleius Paterculus, Tacitus oder Sueton liefern, sehr vielseitig sein können;

und dass das Naheliegende nicht eine Aufgabe Germaniens aus eben den von den "Autoren" geschilderten Gründen ist, sondern wahrscheinlich aus wirtschaftlichen oder politischen Motiven.

Darüberhinaus ist es sehr schwierig, etwas zu beweisen, was es möglicherweise nicht gegeben hat.


Richtig ist aber bestimmt, dass sich in vormoderner Zeit, eben nicht gekennzeichnet durch Kommunikationsmittel, welche nur Mittel sind, und Funktionssysteme, ohne Prästation und nicht-kontrollierte Kommunikation,

Verheimlichungen jedwelcher Art ohne weiteres oft möglich waren bzw. sind, so dass wir heute oftmals im Dunklen tappen, imho.

Licht ins Detail kann da natürlich die Archäologie bringen, aber eher nicht Quellen wie Tacitus oder Sueton, m.E., oder nur, wenn man sie mit spitzen Fingern anfasst.



LG
 
ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Quellenlage dünn ist, leider
Naja, die Quellenlage ist doch eigentlich recht gut, vor allem im Vergleich zu den Schlachten des frühen Mittelalters. Schau einmal wieviele Quellen es zum Beispiel zur "Bekehrungsschlacht" Chlodwigs bei Zülpich gibt. Aber natürlich kann man nie genau wissen was wirklich vorgegangen ist, egal wieviele historische Quellen überliefert sind. Das ist eben das Problem der philosophischen Wissenschaften wie Geschichte.

Licht ins Detail kann da natürlich die Archäologie bringen, aber eher nicht Quellen wie Tacitus oder Sueton, m.E., oder nur, wenn man sie mit spitzen Fingern anfasst.
Das sehe ich allerdings deutlich kritischer, außer wenn dabei schriftliche Quellen gefunden werden. Gräber, Waffenfunde usw. kann man immer auf unterschiedliche Arten interpretieren. Die Archäologie ist auf die historischen Quellen angewiesen und kann sie nie ersetzen. Die archäologischen Funde können die Spekulationenen die man aus den historischen Quellen zieht höchstens stützen bzw. ergänzen (wie bei der Lage des Schlachtfeldes zum Beispiel).

Man kann sich nicht einfach die Textstellen heraussuchen, die die eigene Spekulation stützen, man muss immer alles betrachten!
 
Zuletzt bearbeitet:
und dass die Gründe für eine Darstellung, wie sie Velleius Paterculus, Tacitus oder Sueton liefern, sehr vielseitig sein können;
Wie gesagt, es gibt mehr als diese Quellen. Und von diesen dreien sind nur zwei Autoren verdächtig, dass sie pro Kaiserhaus fälschen würden, wenn wir sie noch um Cassius Dio erweitern, vielleicht drei. Velleius Paterculus (VP) hat es sich z.B. zur Aufgabe gemacht, die Taten des Tiberius zu lobpreisen. Tacitus dagegen steht dem Kaiserhaus kritisch gegenüber.

Augustus selbst verschweigt in seiner Autobiographie von 13 n. Chr., den Res_gestae_divi_Augusti, die Niederlage ganz und behauptet, dass er die Atlantikküste von Cádiz bis zur Elbe unter römische Herrschaft gebracht habe. Jeder Bericht zur Varusschlacht ist also prinzipiell erst einmal - wenn man von VP absieht - nicht im Sinne des Kaiserhauses.

und dass das Naheliegende nicht eine Aufgabe Germaniens aus eben den von den "Autoren" geschilderten Gründen ist, sondern wahrscheinlich aus wirtschaftlichen oder politischen Motiven.

Dass man Germanien nach der Varusschlacht aufgegeben habe, ist eine Fehleinschätzung, dies passiert eigentlich erst unter den Flaviern. Noch Josephus Flavus berichtet - wenn auch sehr schwammig -, dass die Römer die Germanen besiegt hätten (er lässt das in eine Rede des Herodes Agrippa gegenüber aufstandswilligen Judäern einfließen, er versucht die Judäer durch den Vergleich mit den Germanen vom Aufstandsgedanken wegzubringen). Auch Ovid berichtet in seinen Tristessen vom Feldzug des Tiberius im Jahre 10 n. Chr., wenn er auch kaum verwertbare Daten dazu liefert.
Selbst nach der flavischen Aufgabe der rechtsrheinischen germanischen Provinzen schlägt Rom Schlachten in der Germania libera (siehe etwa Kalefeld). Wir haben für das ganze 1. Jahrhundert Zeugnisse von römischen Aktivitäten im rechtsrheinischen Germanien, sei es der Bataveraufstand, oder der Eingriff in die innercheruskischen Kämpfe, die mit der Einsetzung des Arminiusneffen Italicus als König der Cherusker enden.
 
Wir könnten sogar soweit gehen, dass erst Trajan wirklich auf Germanien verzichtet hat und können dies auch schön bei Tacitus nachvollziehen. Die Germania ist durchaus noch unter dem Aspekt der Hoffnung auf einen Germanienfeldzug des zu dem Zeitpunkt am Rhein stehenden neuen Kaisers Trajan geschrieben worden. Nachdem sich diese Hoffnung nicht erfüllt hat und Trajan sein Betätigungsfeld an der Donau suchte und fand, bewertet Tacitus in den Annalen die Germanienpolitik Roms neu und erst dann gewinnt Arminius und - sekundär - die Varusschlacht an Bedeutung, die Bedeutung einer Zäsur der römischen Politik, einer Aufgabe der Eroberung Germaniens.
 
Ich sehe absolut nicht ein, warum man eine Desertion mit eine Desertion vertuschen sollte. Was sol noch schmachvoller gewesen sein wie die Varusschlacht wie sie überliefert wurde?
Die Legionen haben einige dunkle Kapitel in ihrer Geschichte. Auf Anhieb fallen mir drei ein: Während der punischen Kriege hat sich eine Legion dem Feind ergeben. Das wurde in Rom als so schmachvoll empfunden, dass man die Gefangenen nicht ausgelöst hat. In den Bürgerkriegen um die Nero-Nachfolge haben sich Legionen im eigenen Land aufgeführt wie mordende und plündernde "Barbaren". Kurz danach im Bataveraufstand haben sich die Rheinlegionen dem Feind ergeben und sich von den Siegern wie Schafe durch die Gegend schubsen und landauf, landab vorführen lassen. Alles noch schmachvoller (insbesondere die Bataver-Sache). Und alles haben römische Geschichtsschreiber überliefert. Ich kann keinen Anhaltspunkt dafür erkennen, dass die Römer das Bedürfnis gehabt hätten, eine Meuterei zu vertuschen. Deshalb stimme ich Dir zu: Die Idee von der Phantom-Schlacht ist abwegig und alles andere als naheliegend.

Ich denke, Brittannicus' Sicht der Dinge spiegelt das Naheliegende wieder.

Ich will die Existenz der "Varusschlacht" nicht völlig ausschliessen;

allerdings ist es imho verwegen, aufgrund von Schilderung antiker Klatschmäuler, die grossteils keine Zeitzeugen sind, in romantischer bzw. wilhelminischer Tradition die Kämpfer der "Freiheit" hier im Kampf mit der militärischen Dampfwalze zu sehen, die gottlob den Kürzeren gezogen hat.
Wie schon gesagt wurde: Niemand hat hier "patriotisch" argumentiert. Die römischen Autoren waren zwar keine Zeitzeugen, aber sie konnten sich auf Berichte stützen, die dem Senat gegeben und in Archiven fixiert worden waren. Uns fehlen die heute leider. So bleiben nur Tacitus und Co. Und was die geschrieben haben, hilft uns heute bei der Interpretation archäologischer Funde, die sonst völlig beziehungslos dastehen würden. Nur durch die Schriftquellen wissen wir, dass es Germanen gab. Sogar dass es Römer gab, wissen wir nur durch die Schriftquellen. Und solange diese Quellen und Grabungsbefunde nicht "in Widerspruch" zu einander geraten, muss man den schriftlichen Quellen zumindest in groben Zügen vertrauen. Dass da natürlich auch künstlerische Freiheiten drin stecken, ist unbestritten. Wenn Tacitus zum Beispiel die anfeuernde Ansprache des Arminius vor der Schlacht bei Idistaviso in wörtlicher Rede schildert. Weder Tacitus noch irgendein anderer Römer war dabei. Und sicher hat kein Germane die Rede mitstenographiert und per Post nach Rom geschickt. In solchen Passagen "interpretiert" Tacitus natürlich. Er nutzt dieses literarische Mittel, um seinen Lesern auf spannende Weise Hintergründe zu den Beweggründen der Beteiligten zu liefern. Das hat sich so sicher nicht abgespielt, aber es ist deshalb noch lange keine Lüge.


Warum es bei dem damalig vorhandenen militärischen Material von Vorteil gewesen sein soll, wenn einige "einheimische" (?) Kämpfer das Gelände kannten (die übrigen Zigtausend naturbedingter Lage jedoch nicht), erschliesst sich mir auch nicht.
Weil die paar ortskundigen Einheimischen die vielen nicht ortskundigen Kampfgefährten führen konnten? Weil ein nackter Barbar, der nur einen Schild und einen Speer trägt, in matschigem Gelände besser voran kommt als ein mit 40 Kilo Gepäck beladener Legionär?

Nach allem, was wir wissen, haben die Germanen ihre Gefechtstaktik konsequent nach dem Gelände und der Witterung ihres Landes ausgerichtet. Nur so war es möglich, dass sie von der von Dir zitierten "Walze" nicht überrollt wurden.

Bez. des Vietnamvergleichs: Die USA hätten den Konflikt militärisch relativ leicht gewinnen können; die Niederlage war politischer Natur.
Okay, das gehört hier nicht hin, aber ich kann das auch nicht unkommentiert lassen: Die USA haben in Vietnam mehr als eine Million Einheimische umgebracht und selbst 50.000 Mann verloren. Nach "relativ leicht" sieht das nicht aus. Sie haben den Konflikt militärisch verloren und sie waren mit ihren Konzepten völlig außerstande, ihn zu gewinnen. Die Behauptung, die Niederlage habe politische Gründe gehabt, basiert auf einer US-Version der "Dolchstoßlegende".

MfG
 
Licht ins Detail kann da natürlich die Archäologie bringen, aber eher nicht Quellen wie Tacitus oder Sueton, m.E., oder nur, wenn man sie mit spitzen Fingern anfasst.
Witege schrieb:
Das sehe ich allerdings deutlich kritischer, außer wenn dabei schriftliche Quellen gefunden werden. Gräber, Waffenfunde usw. kann man immer auf unterschiedliche Arten interpretieren. Die Archäologie ist auf die historischen Quellen angewiesen und kann sie nie ersetzen. Die archäologischen Funde können die Spekulationenen die man aus den historischen Quellen zieht höchstens stützen bzw. ergänzen (wie bei der Lage des Schlachtfeldes zum Beispiel).
Nach dieser These würde es keine Geschichte in vorschriftlicher Zeit geben. Dem widerspreche ich. Sehr wohl können wir einen gesellschaftlichen Wandel (zum Beispiel Hallstatt zu Latene) fassen oder religiöse Veränderungen (zum Beispiel in der Art der Bestattungssitten) erkennen.

Die Hoffnung, dass wir zu unseren Lebzeiten eine Ausgabe von Plinius' "Der nordische Krieg" auffinden werden, ist minimal. Viel eher wird man das Sommerlager des Varus ausgraben und uns dadurch wichtige Informationen liefern. Oder die Archäologie findet ein zweites Waldgirmes, was dann die Provinzialisierung des rechtsrheinischen Gebietes besser beweisen würde.

Die Archäologie kann zudem schriftliche Quellen widerlegen. Manche Baugeschichte von Gebäuden sind nach archäologischem Befund wesentlich älter als die schriftlichen Quellen berichten. Die Archäologie ist für mich keine Hilfswissenschaft für Historiker, sondern hat ihren eigenständigen Wert.
 
Nach dieser These würde es keine Geschichte in vorschriftlicher Zeit geben. Dem widerspreche ich. Sehr wohl können wir einen gesellschaftlichen Wandel (zum Beispiel Hallstatt zu Latene) fassen oder religiöse Veränderungen (zum Beispiel in der Art der Bestattungssitten) erkennen.
Naja eine Geschichte in vorschriftlicher Zeit ist irgendwie ein Widerspruch in sich selbst. Geschichte kann es nur geben, wenn man schriftliche/historische Quellen findet. Man spricht nicht umsonst von "Vorgeschichtlicher Archäologie".

Ein gesellschaftlicher Wandel lässt sich natürlich zeigen, aber wodurch dieser entstand kann man nicht sagen. Der Wandel der Bestattungssitte kann viele Gründe haben (Einwanderung, Missionierung, Modeerscheinung...).

Die Hoffnung, dass wir zu unseren Lebzeiten eine Ausgabe von Plinius' "Der nordische Krieg" auffinden werden, ist minimal.
Eine kleine Inschrift oder eine Münze würde vielleicht auch schon reichen...

Viel eher wird man das Sommerlager des Varus ausgraben und uns dadurch wichtige Informationen liefern. Oder die Archäologie findet ein zweites Waldgirmes, was dann die Provinzialisierung des rechtsrheinischen Gebietes besser beweisen würde.
Klar, das würde aber doch nicht den gesamten Wert der historischen Quellen widerlegen.

Die Archäologie kann zudem schriftliche Quellen widerlegen. Manche Baugeschichte von Gebäuden sind nach archäologischem Befund wesentlich älter als die schriftlichen Quellen berichten.
Da muss ich dir wohl Recht geben. An Baugeschichte habe ich nicht gedacht.

Die Archäologie ist für mich keine Hilfswissenschaft für Historiker, sondern hat ihren eigenständigen Wert.
Der liegt aber nicht darin politische Ereignisse zu konstruieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Selbst nach der flavischen Aufgabe der rechtsrheinischen germanischen Provinzen schlägt Rom Schlachten in der Germania libera (siehe etwa Kalefeld). Wir haben für das ganze 1. Jahrhundert Zeugnisse von römischen Aktivitäten im rechtsrheinischen Germanien, sei es der Bataveraufstand, oder der Eingriff in die innercheruskischen Kämpfe, die mit der Einsetzung des Arminiusneffen Italicus als König der Cherusker enden.
Wir dürfen jetzt nicht alles vermischen.
Bezüglich der römischen Aktivitäten im rechtsrheinsichen Germanien (von Provinzen zu sprechen halte ich nach wie vor für unangebracht) muss man zwischen direkten militärischen Operationen und indirekten politischen Einflussnahmen unterscheiden.
Weder mit den Flaviern noch mit Trajan endete das direkte militärische Engagement im rechtsrheinsichen Germanien. Die Markomannenkriege unter Marc Aurel stellen ein Beispiel dar.

LG Nicole
 
Eine kleine Inschrift oder eine Münze würde vielleicht auch schon reichen...

Zur Varusschlacht:
Auf dem Caelius-Stein ist zumindest bezeugt, dass es einen "bellum varianum" , also einen Varianischen Krieg, gegeben hat, in dessen Verlauf ein Centurio der XVIII. Legion fiel.

Zu den Feldzügen des Germanicus:
Auf einem Dupondius (geprägt unter Claudius um 42 n.Chr.), wird Germanicus gezeigt, wie er die Hand zum Gruß erhebt und ein wieder erbeutetes Feldzeichen präsentiert.
Durch die Inschrift SIGNO RECEPTI - DIVICTIS GERM kann ein Bezug zum Germanienfeldzug (nach den Angaben des Tacitus) hergestellt werden.
 
Weder mit den Flaviern noch mit Trajan endete das direkte militärische Engagement im rechtsrheinischen Germanien. Die Markomannenkriege unter Marc Aurel stellen ein Beispiel dar.

Nichts anderes habe ich geschrieben: "Selbst nach...".


(von Provinzen zu sprechen halte ich nach wie vor für unangebracht)

Provinz kommt von pro vincere - 'zu besiegen'. Irgendwann haben die Römer den Anspruch, das rechtsrheinische Germanien unterworfen zu haben oder noch unterwerfen zu können, aufgegeben. Zu diesem Zeitpunkt hört die Germania libera auf eine Provinz (im ursprünglichen Wortsinn) zu sein. Das heißt aber nicht, dass die Römer dort nicht weiter aktiv waren.
 
Selbst nach der flavischen Aufgabe der rechtsrheinischen germanischen Provinzen schlägt Rom Schlachten in der Germania libera (siehe etwa Kalefeld).

Ich will nicht zu lange darauf rumreiten. Aber nach heutigem Kenntnisstand wäre es verfrüht, das Ereignis von Kalefeld auf iregndeine Art und Weise in die römische Expansionspolitik einzuordnen. Die Beweggründe für den Vorstoß dieser Heeresgruppe im 3.Jh.n.Chr. ins Innere Germaniens und die Umstände des erfolgten militärischen Konfliktes sind weiterhin nebulös. Wir brauchen ganz einfach noch etwas Geduld. Man sollte deshalb keineswegs dieses Ereignis, was immer dort auch stattfand, in den Kontext der "Rachefeldzüge" im Anschluss an die Varusschlacht einordnen. Die Zeitspanne (9 n.Chr. - ca. 235 n.Chr.) ist einfach zu groß.

Die Umstände der Markomanenfeldzüge des Marc Aurel sind dagegen besser bekannt und können geopolitisch eingeordnet werden.

Gruß Nicole
 
Aber nach heutigem Kenntnisstand wäre es verfrüht, das Ereignis von Kalefeld auf irgendeine Art und Weise in die römische Expansionspolitik einzuordnen.

Du liest zum wiederholten Male etwas in meine Beiträge, was dort nicht steht.
Ich schrieb: "Selbst nach der flavischen Aufgabe der rechtsrheinischen germanischen Provinzen schlägt Rom Schlachten in der Germania libera (siehe etwa Kalefeld)." Von Expansionspolitik oder gar erneuter Expansionspolitik nada!
 
Hallo El Quijote,

es war auch nicht gegen dich gerichtet, sondern allegemein formuliert. Wer sagt, selbst nach den Feldzügen des Germanicus bzw. Domitian waren die Römer im rechtsrheinsichen Germanien militärisch präsent, der fühlt sich durch das Beispiel Kalefeld bestätigt. Vordergründig ist dem auch so. Bei eingehender Betrachtung ergibt sich allerdings ein differenzierteres Bild. Die Zeitspannen zwischen Varusschlacht und beispielsweise Kalefeld sind einfach zu groß, um noch in einen strategischen Zusammenhang gebracht zu werden. Die Provinzialisierung des Gebietes, in deren Kontext nicht zuletzt auch die Varusschlacht einzuordnen ist, und spätere politische Einflussnahme, durchaus auch militärisch unterstützt, sind zwei verschiedene Sachverhalte, die strikt voneinander zu trennen sind.
"Rom schlägt Schlachten in der Germania libera" klingt für mich vor diesem Hintergrund einfach zu pauschal. Es war aber keine grundsätzliche Kritik an deinem ansonsten guten Beitrag.
Gruß
Nicole
 
Hallo El Quijote,

Die Zeitspannen zwischen Varusschlacht und beispielsweise Kalefeld sind einfach zu groß, um noch in einen strategischen Zusammenhang gebracht zu werden. Die Provinzialisierung des Gebietes, in deren Kontext nicht zuletzt auch die Varusschlacht einzuordnen ist, und spätere politische Einflussnahme, durchaus auch militärisch unterstützt, sind zwei verschiedene Sachverhalte, die strikt voneinander zu trennen sind.
Nicole

Was diese zu große Zeitspanne angeht stimme ich dir zu.
Wahrscheinlich liegt der Offensive im 3. Jahrhundert nicht einmal eine größere politische Einflussnahme zugrunde, von einer Expansionsbestrebung gar nicht zu reden. Vielleicht handelt es sich auch nur um einen Rachefeldzug, der sich auf einen kurz zuvor erfolgten Germaneneinfall bezog.
 
...vielmehr läge dann kein ethnischer Konflikt, sondern eine echte Meuterei vor, also ein Abfall der Legionen vom Kaiser

Ich gehe mal nicht auf die ganzen Postulate und Behauptungen ein, die ja bereits von Anderen kommentiert wurden. Aber hier ein für mich absolut entscheidender Punkt:

Meuternde Legionen, vor allem wenn sie zusammen ein beachtliches Heer bildeten, tendierten in der römischen Geschichte nicht dazu zu desertieren und sich aufzulösen. Stattdessen riefen sie regelmäßig eigene Kaiser aus und stürzten das Imperium in einen neuen Bürgerkrieg. Warum hätte eine derart starke, 3-Legionen-Armee diese Möglichkeit nicht ergreifen sollen? Das wäre deutlich wahrscheinlicher, als das zigtausende Menschen mit privilegiertem Stand (römisches Bürgerrecht, regelmäßige Soldzahlungen) sich in alle Winde zerstreut haben sollten. Wohin hätten sie auch gehen sollen...?
 
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