"Die Säulen der Erde" Historische Grundlagen korrekt?

Wie beurteilt ihr den Umgang mit Angehörigen gestürzter Grafen?
Der Burg des Grafen Bartholomäus von Shiring wird von einem anderen Grafen erobert. Bartholomäus wird GEFANGENGENOMMEN (?), seine Kinder (Aliena [17] und Richard [14]) werden FREIGELASSEN (?).

Eine unkomplizierte Hinrichtung des Grafen und seiner (womöglich Rebellierenden) Angehörigen läge nahe.
Gab es eine Tendenz bezüglich des Umgangs mit solchen Personen (evtl durch Regeln festgelegt?), oder ist zu erwarten, dass die Lage ganz individuell gehandhabt wurde?

Gnade war eine zentrale Eigenschaft, die im Mittelalter von Herrschern erwartet wurde. Diese mussten sich ihrem Verhaltenskodex nach immer fragen: Was hätte Jesus getan? Eine Zusammenstellung solcher Gnadenbezeugungen findest Du bei Gerd Althoff in Die Macht der Rituale und Spielregeln der Politik im Mittelalter.

Natürlich war nicht jeder Herrscher tatsächlich zur Mäßigung fähig, teils wegen des Charakters, teils, um sich nicht vorführen zu lassen. Aber auch dann waren verschiedene Grade der Bestrafung möglich. Z.T. eben die symbolische Bestrafung. So berichtet Althoff von einem Fall, wo nach einer Rebellion eine Burg zerstört werden sollte. Da dies aber einen zu großen Gesichtsverlust für den besiegten Rebellen bedeutet hätte, einigte man sich darauf, nur eine Mauer der Burg einzureißen. Die konnte schnell wieder aufgebaut werden, die Zentralgewalt hatte die Ordnung wieder hergestellt und der besiegte Rebell konnte sich erhobenen Hauptes in der Öffentlichkeit zeigen.


Zudem ist von einem "Massaker von Kingsbridge" die Rede.
Hier wird eine Stadt von dem neidischen Sir William überfallen. Wahllos wird Feuer gelegt, und viele Menschen niedergemetzelt.

Welche Narrenfreiheit genoss ein damaliger Adeliger?
Konnte man ungestraft mit so etwas davonkommen? Keine höheren Instanzen? Keine Hemmschwelle?

In Südfrankreich hatte die Kirche Anfang des 11. Jahrhunderts genau wegen solcher Übergriffe die Gottesfriedensbewegung ins Leben gerufen. Diese sollte eigentlich auch auf England im 12. Jahrhundert ausgestrahlt haben, zumal sie ein wichtiger Meilenstein in der Entstehung des Rittertums war. Der Überfall auf Kingsbridge wäre vom zeitgenössischen Standpunkt aus äußerst unritterlich gewesen. Die Militia Sancti Petri wäre eine kirchlich sanktionierte Aufstellung gegen solche Frevler gewesen, ob es eine solche Einrichtung in England gab, weiß ich nicht, denn die Militia Sancti Petri sprang ja gerade dort ein, wo das frz. Königtum zu schwach war, Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten.
 
Zudem ist von einem "Massaker von Kingsbridge" die Rede.
Hier wird eine Stadt von dem neidischen Sir William überfallen. Wahllos wird Feuer gelegt, und viele Menschen niedergemetzelt.

Welche Narrenfreiheit genoss ein damaliger Adeliger?
Konnte man ungestraft mit soetwas davonkommen? Keine höheren Instanzen? Keine Hemmschwelle?

Freue mich über Antworten!

Wird in dem Buch nicht darauf hingewießen, dass es einen Thronkampf gibt und somit kein starker Herrscher gegen Tyrannen und Co eingreifen kann. Natürlich durfte kein Adliger voller Willkür herrschen, es gab ja immer noch mächtigere Personen, in dem Fall der König.
Im Buch selbst wird ja sogar geklärt warum niemand gegen William einschreitet.
Zum Grafen: Er wurde ja des Verrates angezeigt

Gruss :winke:
 
Es ist schon länger her, daß ich dieses ausgezeichnete Buch gelesen habe. Generell hatte ich damals den Eindruck, daß Follett hervorragend recherchiert hat und man grundsätzlich erst einmal davon ausgehen kann, daß seine Schilderungen stimmig sind.

Zur ersten Frage: Da paßt schon. Als "Aufrührer" schuldig gemacht hatte sich nur der Graf, und der wird dann auch belangt. Frauen und Kinder werden normalerweise nicht bestraft (wenn sie nicht in unüblichem Maße selber aktiv mitgemacht haben).
In vielen Fällen wäre es sogar so, daß der Sohn Burg und Lehen seines Vaters übernehmen darf, obwohl dieser Verräter war (meist nach Zahlung einer Geldstrafe für diesen).


Ein Massaker wie in Kingsbridge ist selbsverständlich hochkriminell, auch ein Adliger darf so etwas nicht.
Daß William straflos davon kommt liegt alleine an der Bürgerkriegssituation des Hintergrunds, die Obrigkeit ist nicht in der Lage das zu ahnden.
 
zu 1.: Ich bin mir nicht mehr sicher, hab das Buch vor langer Zeit gelesen, aber wurde Bartolomäus of Shiring nicht im Auftrag König Stephans verhaftet weil er zu Mathilde hielt? Soviel ich weis konnte ein König nicht die Familie in Sippenhaft nehmen wenn sich deren Oberhaupt des Verrates schuldig machte. Die Familie des Verräters büste in der Regel mit Ansehens und Machtverlust durch den Entzug von Besitz wie ja auch im Buch zu lesen ist.

zu 2.: Der historische Hintergrund der Geschichte spielt während des Thronkampfes zwischen Mathilde (Tochter König Heinrich I.) und Stephan de Blois (Neffe von Heinrich I.). Diese Zeit wird auch als "the Anarchy" bezeichnet, da es eine allgemeine Ordnung in England aufgrund Stephans Schwäche nicht gab. Er stützte seine Herrschaft hauptsächlich auf den Klerus was ja auch im Buch durch den Prior Philipp tematisiert wurde. Die Barone des Landes wechselten damals mehrmals die Seiten, je nachdem wo sie sich die meisten Vorteile (Freiheiten) versprachen. Das also ein William Harmleight eine Stadt angriff die sich ihm nicht beugen wollte ist durchaus realistisch. Übrigens auch eine Darstellung des Konfliktes zwischem den Landadel und der Städte die sich von den Baronen emanzipierten.
 
Danke für eure ausführlichen Antworten.
Ihr habt mich enorm weitergrebracht, hier sitzen richtige Spezialisten, was? ;)

Wie realistisch ist es eigentlich, dass Jack als Sohn einer Vogelfreien zu einem anerkannten Architekten wird, bzw dass seine Schwester Aliena ebenfalls im Wollgeschäft Karriere macht.

Ist das Mittelalter nicht für seine festen, unverschiebbaren Schichten bekannt? Sollte es nicht enorm schwer gewesen sein, anerkannt zu werden (vorallem als alleinstehende FRAU?).
 
Danke für eure ausführlichen Antworten.
Ihr habt mich enorm weitergrebracht, hier sitzen richtige Spezialisten, was? ;)

Wie realistisch ist es eigentlich, dass Jack als Sohn einer Vogelfreien zu einem anerkannten Architekten wird, bzw dass seine Schwester Aliena ebenfalls im Wollgeschäft Karriere macht.

Ist das Mittelalter nicht für seine festen, unverschiebbaren Schichten bekannt? Sollte es nicht enorm schwer gewesen sein, anerkannt zu werden (vorallem als alleinstehende FRAU?).

Aliena hatte doch schwer zu kämpfen mit ihrem Schicksal, u.a. dass sie nur den halben Preis für ihre Wolle erhielt. Die beiden sind ja in einer festen Gemeinde integriert, wo sie sich Ansehen erarbeitet haben. Ich würde das aus dem Blickwinkel betrachten
 
Wie realistisch ist es eigentlich, dass Jack als Sohn einer Vogelfreien zu einem anerkannten Architekten wird, bzw dass seine Schwester Aliena ebenfalls im Wollgeschäft Karriere macht.

Ist das Mittelalter nicht für seine festen, unverschiebbaren Schichten bekannt? Sollte es nicht enorm schwer gewesen sein, anerkannt zu werden (vorallem als alleinstehende FRAU?).

Zu Jack:
Da Tom Builder - der Baumeister - ihn faktisch adoptiert, ist dies durchaus nicht ungewöhnlich, daß er dessen Beruf übernimmt.

Zu Aliena:
Bezüglich der Probleme, auf die sie stieß, hat Balduin bereits etwas geschrieben. Allgemein läßt sich bzgl. Frauen in der Gesellschaft des europäischen (Hoch-)Mittelalters sagen, daß sie zwar den Männern nicht gleichgestellt waren, aber dennoch durchaus ihren Weg machen konnten.
Anm.: Außerdem darf nicht übersehen werden - unabhängig von der Diskussion um den Roman -, daß Frauen in verschiedenen Bereichen bzw. unter verschiedenen Aspekten andererseits auch eine Hochachtung erfuhren: als Jungfrau, als Mutter, als Witwe oder auch als Ideal der hohen frouwe im Minnesang.

Noch ganz allgemein zu den "festen, unverschiebbaren Schichten im Mittelalter": sicherlich blieb die Mehrzahl der Menschen zeitlebens in jenem Stand, in welchen sie hineingeboren waren. Dem widerspricht jedoch nicht, daß das (Hoch-)Mittelalter dennoch auch eine soziale Mobilität kannte: in nicht wenigen Fällen wurden aus Bauern Städter, in manchen Fällen aus Unfreien Halbfreie oder Freie, aus Freien Unfreie, aus Rittern Mönche, in Einzelfällen sogar Priester einfacher Herkunft Äbte oder Bischöfe u. dgl. m.; in diesem Kontext darf - vom Klerus einmal abgesehen - gerade auch die Bedeutung von Eheschließungen als Möglichkeit des sozialen Aufstiegs nicht unterschätzt werden.

Diese Ausführungen sind zusammengefaßt nach http://www.geschichtsforum.de/f178/europa-im-hochmittelalter-1050-1250-a-2571/
 
Ich habe inzwischen auch den Fortsetzungsroman von Ken Follet gelesen (Habe ne signierte Ausgabe als Geburtstagsgeschenk bekommen, strike!). Der heißt "Die Tore der Welt", hat ähnlichen Umfang und spielt ca. 200 Jahre später. Ebenfalls sehr spannend und gut geschrieben.
 
Ich habe inzwischen auch den Fortsetzungsroman von Ken Follet gelesen (Habe ne signierte Ausgabe als Geburtstagsgeschenk bekommen, strike!). Der heißt "Die Tore der Welt", hat ähnlichen Umfang und spielt ca. 200 Jahre später. Ebenfalls sehr spannend und gut geschrieben.
Entschuldigt, dass ich das noch mal aufgreife.
Mr. Follet hat gesagt, das der Erwartungsdruck für eine Fortsetzung zu gross war. Die "Tore der Welt" erfüllten in keiner weise meinen Erwartungen.
Da wird etwas über einen Brückenbau und einer Liebe geschrieben. Auch Morde sind dabei.
Nein, dieses Buch hat mich wirklich enttäuscht.
Ist gar nicht zu vergleichen mit den "Säulen der Erde".
Das war wohl eher eine Notlösung des Schriftstellers.
 
Entschuldigt, dass ich das noch mal aufgreife.
Mr. Follet hat gesagt, das der Erwartungsdruck für eine Fortsetzung zu gross war. Die "Tore der Welt" erfüllten in keiner weise meinen Erwartungen.
Da wird etwas über einen Brückenbau und einer Liebe geschrieben. Auch Morde sind dabei.
Nein, dieses Buch hat mich wirklich enttäuscht.
Ist gar nicht zu vergleichen mit den "Säulen der Erde".
Das war wohl eher eine Notlösung des Schriftstellers.

Gut zu wissen, ich habe die "Säulen der Erde" auch gemocht und wollte mich für den Nachfolger in der Bib. schon eintragen lassen.
Follet schreibt ja sonst Krimis und zeitgenössische Romane, wahrscheinlich hat ihn sein Verlag zur Fortsetzung der Säulen gedrängt, weil die Verkaufszahlen der Säulen höheren Profit versprachen, entsprechend wurde es auch als Nachfolger vermarktet.
Wäre auch ein schönes Literatur-Thread-Thema, welcher historischer-Roman-Schriftsteller schreibt nach Erfolg mit Erstlingswerk in gleicher Qualität weiter?
 
Wäre auch ein schönes Literatur-Thread-Thema, welcher historischer-Roman-Schriftsteller schreibt nach Erfolg mit Erstlingswerk in gleicher Qualität weiter?

Da fallen mir doch spontan Josef Nyary und Rebecca Gablé ein.

Follet dagegen hat nie wieder an die Erfolge seiner Romane "Säulen der Erde" und "Die Nadel" anknüpfen können. Ich habe jetzt im Urlaub sein Buch "Eisfieber" gelesen. Besser gesagt: Ich habe mich durchgequält, weil nichts anderes mehr da war. Dagegen ist Konsalik literaturnobelpreisverdächtig.

Aber bitte, das ist meine ganz persönliche Meinung.
 
Gut zu wissen, ich habe die "Säulen der Erde" auch gemocht und wollte mich für den Nachfolger in der Bib. schon eintragen lassen.

Er hat sogar in der Buchhülle geschrieben, dass er so einen Roman nicht mehr fertigbringen würde. Es sollte nicht das gleiche sein, aber er musste an die Säulen anknüpfen.
Sowas funktioniert nicht.
Das spielt 200 Jahre später und alle sind stolz, Toms Vohrfahren zu sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da fallen mir doch spontan Josef Nyary und Rebecca Gablé ein.

Mir fallen da zuerst immer Michener und Leon Uris ein.
Bei Michener erfüllten eigentlich nur "die Kinder von Torremolinos" nicht meine Erwartungen.

Er hat sogar in der Buchhülle geschrieben, dass er so einen Roman nicht mehr fertigbringen würde. Es sollte nicht das gleiche sein, aber er musste an die Säulen anknüpfen.
Sowas funktioniert nicht.

Kennst du Sarum: Amazon.de: Edward Rutherfurd: Bücher ? Muß ich in der gleichen Zeit wie die Säulen gelesen haben und damals fand ich es gleichwertig. Rutherford hat mit "London" auch einen ordentlichen Nachfolger geliefert, fand ich damals. Ob ich das heute noch so sehen würde, weiß ich nicht, so einen richtig packenden historischen Roman habe ich lange nicht mehr gelesen.
 
Entschuldigt, dass ich das noch mal aufgreife.
Mr. Follet hat gesagt, das der Erwartungsdruck für eine Fortsetzung zu gross war. Die "Tore der Welt" erfüllten in keiner weise meinen Erwartungen.
Da wird etwas über einen Brückenbau und einer Liebe geschrieben. Auch Morde sind dabei.
Nein, dieses Buch hat mich wirklich enttäuscht.
Ist gar nicht zu vergleichen mit den "Säulen der Erde".
Das war wohl eher eine Notlösung des Schriftstellers.


Ganz meine Meinung. Aber für 49 Millionen Euro Vorschuss - wer ließe sich nicht dazu überreden, eine Fortsetzung zu schreiben.
 
ich hab das buch vor nem jahr gelesen und hab mehrere sachen danach gegoogelt
die personen und orte wie shirig sind erfunden, aber die wichtigen historischen ereignisse sind echt
das gleiche gilt auch für den zweiten band "tore der welt" der mich vom geschichtlichen hintergrund noch mehr interessiert hat, weil ich das thema pest sehr interessant finde, vom inhalt her war aber der erste besser
 
Das mit der Pest war allerdings sehr gut beschrieben. Gut recherchiert.
Natürlich überleben die guten und die bösen sterben.
 
naja von den guten hat es ja leider auch einige erwischt, was ja logisch ist bei den menschenmassen die die pest ausgerottt hat
vor allem das in florenz hat mich schockiert, ich hab davor nicht gewusst wie schlimm das war 4/5 is schon ne krasse menge
aber klar merthin uns lolla haben es überlebt
 
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