Sabotageunternehmen

admiral

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In dem Buch "Weltkriegsspionage" auf Seite 264 beschreibt der monarchistische Militärschriftsteller Hugo Kerchnawe, Sabotageoperationen der Marine und wertet allgemein als Unglücksfälle eingestufte Zerstörungen von Schiffen (Schlachtschiff Bulwark am 26.11.1914 in Sheerness, Hilfskreuzer Prinzeß Irene am 27.05.1915 in Sheerness, Panzerschiff Natal am 3.12.1915 in Cromerthy, Vanguard am 08/09.07.1917 in Scapa Flow) als Aktivitäten von Sprengkommandos. Er meint sagar, dass den verdeckten Operationen der Mittelmächte im Gesamten etwa ein Geschwader zum Opfer fielen (er nennt 153.400 Tonnen Verlust der Aliierten und nennt als Vergleichszahl die Verluste der Engländer vor dem Skagerrak, 115.000 Tonnen).

Hierzu meint Silesia:
Kerchnawe (wer ist das in der Marinehistorie?) - und sollte er das von den Sprengkommandos geschrieben haben - ist ein Fall für die Tonne. Die VANGUARD explodierte zB nach Breyer ungeachtet der Legendenbildung durch Brand nach Zündung der Munitionskammern:
http://de.wikipedia.org/wiki/HMS_Vanguard_(1909)
 
Das Buch „Weltkriegsspionage“ ist eine Sammlung diverser Artikel hoher Militärs (der bekannteste ist Colmar von der Goltz), das für die breite Masse geschrieben wurde und etwas reißerisch aufgemacht ist (z.B. mit dramatischen Zeichnungen). Hugo Kerchnawe war ö-u Generalstabsoffizier (Generalmajor, immerhin der dritthöchste Rang), Mitarbeiter und Anhänger von Conrad von Hötzendorf. Er hat einige seinerzeit bekannte militärhistorische (vermutlich populärwissenschaftliche) Bücher und Romane geschrieben. Die angeblichen Sabotageakte werden m.W. auch nicht im Marinearchiv angeführt (dort werden wohl ohnehin keine Sabotageakte beschrieben, obwohl Marineoffiziere in den USA tätig waren; angeblich sind doch derartige Akten ohnehin von der Marine vernichtet worden).

Es werden in #22 vier Schiffe genannt, die in englischen Häfen während des Krieges explodiert sind. Nach englischen Untersuchungen soll es sich immer um innere Explosionen (meist Erhitzung von Kordit) gehandelt haben und nicht um Sabotage. Die Frage drängt sich auf, ob sich bei der Navy innerhalb eines gewissen Zeitraums vor oder nach dem Krieg ähnliche Unfälle ereigneten. Wäre das nicht der Fall, läge schon ein bemerkenswerter Zufall vor.

Sabotageunternehmen gegen Schiffe, Fabrikanlagen durch die Mittelmächte gab es viele. Eine Aufzählung deutscher Aktivitäten in den USA nach Landau, The Enemy within, S. 305 Appendix: Feuer bei der John A. Roebling Comp. 01.01.1915, Explosion S.S. Orton im Erie Basin 03.01.1915, Versuch der Sprengung der Vanceboro Bridge in Machius, Maine im Februar 1915, Bombe in der Fracht der S.S. Hennington Court gefunden am 03.02.1915, Feuer auf S.S. Carlton Ende Februar 1915, Explosion bei DuPont in Haskell, N.J. am 05.03.1915, Explosion Equitable Powder Plant in Allon, Illiois am 01.04.1915, Explosion im New Jersey Freight Depot, Pompton Lakes am 04.04.1915,, Feuer auf der S.S. Cressington Court am 29.04.1915, zwei Bomben in der Fracht der S.S. Lord Erne und eine Bombe im Frachtraum der S.S. Devon City gefunden, beides im April 1915, Explosion bei Anderson Chemical in Wallington, N.J. am 03.05.1915. Die Aufzählung ist nicht vollständig, weitere Beispiele bei Jeffrey T. Richelson, A century of spies, S. 28 ff.), auch mit einer Beschreibung der Black Tom Explosion.

Piekalkiewiczs, Weltgeschichte der Spionage, beschreibt die filmreifen – und tatsächlich verfilmte - Kommandoaktionen der Österreicher in Italien und die italienische Gegenwehr. Anschläge auf Kriegsschiffe haben die Österreicher auch in Russland verübt.
 
Es werden in #22 vier Schiffe genannt, die in englischen Häfen während des Krieges explodiert sind. Nach englischen Untersuchungen soll es sich immer um innere Explosionen (meist Erhitzung von Kordit) gehandelt haben und nicht um Sabotage. Die Frage drängt sich auf, ob sich bei der Navy innerhalb eines gewissen Zeitraums vor oder nach dem Krieg ähnliche Unfälle ereigneten. Wäre das nicht der Fall, läge schon ein bemerkenswerter Zufall vor.
Zufälle sind der Feind jeder Statistik, aber dieser Logik kann ich nicht folgen.


Der Schluss ist wohl nicht möglich, so aus der Hand u.a. wegen
- den technischen Entwicklungen/damit verbundenen Reduzierungen oder Erhöhungen von Gefahrenlagen (Kordit, Kohlenstaub etc.)
- unterschiedliche Handhabungen in Kriegs- und Friedenszeiten
- Einwirkungen auf das Handling der Besatzungen (Streß, Gammel, usw.)

Dabei sollte man zugrunde legen, dass - mit Bezug auf die Vanguard etc. - Kriegsschiffe gigantische "Pulverfässer" sind und in Kriegszeiten Ladungen tragen, die für eine mehrfache Versenkung ausreichen. Um ein promimentes Beispiel für ein Großkampfschiff noch nach Jahrzehnten technischem Fortschritt zu nennen:
Japanese battleship Mutsu - Wikipedia, the free encyclopedia

nebenbei und abseits von Kommandounternehmen: Diese explosive "Ladung" ist letztlich auch Kalkulationsbestandteil in den Artilleriegefechten (-> Trefferfolgen und Wirkungsketten) auf der einen Seite und den Panzerungs-Philosophien bzw. verwendeten Schemata auf der anderen Seite. Noch ein Anschaungsbeispiel für die interne Zündung der Gefechtsladungen und die Explosionskraft (mal abseits von HMS Queen Mary, Indefatigable ind Invincible): IJN Yamato -ein recht berühmtes Foto der US Navy
http://www.designcowboys.net/Yamato/Images/Yamato-goes-down.jpg
(Explosion der Munitionskammer für die vorderen Türme nach dem Kentern, die daneben liegenden "Schiffchen" sind Zerstörer. Ein weiteres Anschauungsbeispiel ist USS Arizona nach Fliegerbombe)
Diese Beispiele sollen nur dazu dienen, die auf Großkampfschiffen getragenen Explosivladungen plastisch zu machen, gleich wie die Explosion nun verursacht worden ist.

Ein anderer Aspekt, ich will da auch mal munter für die Vanguard spekulieren: zünden die im Schiffsinneren getragenen Ladungen (im Gegensatz zur Beschädigung der Bordwand und anschließendem Sinken - HMS Audacious), wären zunächst einmal bei einem äußeren Anschlag zwei Explosionen erforderlich, da Explosivstoffe durch Panzerung geschützt sind (im Prinzip gilt das auch für den Einsatz schwerer panzerbrechender Kaliber, dort wäre aber die Explosion - siehe zB MS Invincible, Queen Mary - wegen des geringen zeitlichen Abstands schwer auseinander zu halten)


Legenden kann man natürlich immer stricken. Bei den akribischen deutschen Aktenlagen - ach ja, hier wird dann natürlich Vernichtung unterstellt - würde ich nur glauben, was belegt ist. Veröffentlichungen 1919-1945 mit solchen Themen (Landau 1937 etc.) sollte man Skepsis entgegen bringen, wenn von "Mysterious explosion", "caught fire" und "a bomb was found" berichtet wird. Aber ich will dir nicht weiter den Spaß nehmen, über die Vanguard nachzudenken, bei der ich mich lieber an Standardwerke zur Thematik halte.
 
Mal ohne Nachweis gesponnen:

Die Explosion in einer Munitionskammer muß verursacht worden sein, z.B. Selbstzündung oder durch Nachlässigkeit der Matrosen, sprich, menschliches Versagen (damals gab es wohl noch keine UVV:cry:).

Wenn jetzt aber dieses menschliche Versagen keine Nachlässigkeit oder Schlamperrei war, sondern Vorsätzlich verursacht wurde? Dann könnte man es doch auch Sabotage nennen, oder?

:grübel:
 
Sabotageunternehmen gegen Schiffe, Fabrikanlagen durch die Mittelmächte gab es viele. Eine Aufzählung deutscher Aktivitäten in den USA nach Landau, The Enemy within, S. 305 Appendix: Feuer bei der John A. Roebling Comp. 01.01.1915, Explosion S.S. Orton im Erie Basin 03.01.1915, ...

Vor dem Wort "Explosion" der SS Orton fehlt übrigens "mysterious". :grübel:
Eine weitere Darstellung der SS Orton bei Landau ist im Index nicht zu finden.
 
Die Frage war, ob sich bei der Navy innerhalb eines gewissen Zeitraums (ich sage mal fünf Jahre) vor oder nach dem Krieg ähnliche Unfälle ereigneten oder ob es solche Unfälle nur im Krieg gab.
 
Mit ähnliche Unfälle meine ich Explosionen von Kriegsschiffe, wobei ich mit dem Adjektiv ähnlich keine zu enge Eingrenzung erreichen möchte um einen wirklichen Überblick zu erhalten.
 
Mit ähnliche Unfälle meine ich Explosionen von Kriegsschiffe, wobei ich mit dem Adjektiv ähnlich keine zu enge Eingrenzung erreichen möchte um einen wirklichen Überblick zu erhalten.

Also die "mysterious explosions".

Fangen wir mal mit der recht übersichtlichen Liste der Explosionen von Kriegsschiffen 1914-1918 aller Nationen an: CB 1515 (24): The Technical History and Index, Volume 2, Part 24 "Storage and Handling of Explosives in Warships" (October, 1919)
Explosions in Warships During the War

Für die Friedenszeiten davor (sagen wir mal 1904 - 1914) kannst Du bei einem Handling-Faktor betr. Kordit und scharfer Munition von 1:1000 (allein schon wegen des Verbrauchs, Gefechte sind dabei nur ein Bruchteil) oder darunter von einem Bruchteil ausgehen. Für die Friedenszeiten dann gilt gleiches, hinzu kommz zur Beachtung die Masse der stillgelegten Großkampfschiffe (die natürlich nicht mehr explodieren können).


Nachtrag:
In dem Buch "Weltkriegsspionage" auf Seite 264 beschreibt der monarchistische Militärschriftsteller Hugo Kerchnawe, Sabotageoperationen der Marine und wertet allgemein als Unglücksfälle eingestufte Zerstörungen von Schiffen (... Hilfskreuzer Prinzess Irene am 27.05.1915 in Sheerness...) als Aktivitäten von Sprengkommandos.

Hierzu noch ein wichtiges Detail zue Explosion dieses Minenlegers (was in Friedenszeiten als Tätgikeit ja eher unüblich ist):

The cause of the disaster was thought to have been due to a faulty primer (pistol)although evidence at the Official Enquiry showed that the work of priming the lethal mines was being carried out a) in a hurry and b) by untrained personnel. The lower decks and keel of the Princess Irene remain more or less intact ...

Quelle: John Hendy: Blown to Eternity - The Princess Irene story
Loss of HMS PRINCESS IRENE
Nichts mit Sprengkommando. Kerchnawe ist daher ein Fall für die Tonne. Ein schönes Beispiel, vorsichtig mit der heroischen Literatur der Nachkriegsjahre umzugehen (Scheer, Jellicoe & Co. gehören natürlich auch zu dieser ;) ).
 
Zuletzt bearbeitet:
In dem Buch "Weltkriegsspionage" auf Seite 264 beschreibt der monarchistische Militärschriftsteller Hugo Kerchnawe ...

Hierzu meint Silesia: Kerchnawe (wer ist das in der Marinehistorie?) - und sollte er das von den Sprengkommandos geschrieben haben - ist ein Fall für die Tonne.

@ silesia: Du kennst Hugo (von) Kerchnawe nicht?:weinen::winke:
Der war freilich nicht von der Marine und obendrein Österreicher, aber immerhin 1921-1938 Vorsitzender der dortigen Gesellschaft für Heereskunde.

Ich schließe aus dieser Tatsache zunächst mal, dass alles, was er in seinem kleinen Artikel im "Spionage"-Werk schreibt, aus zweiter Hand oder dritter Hand stammt; Belege gibt er keine. Überhaupt darf man in Werken wie diesem nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, und zwar schon wegen der "didaktischen" Komponente, wie sie Lettow-Vorbeck im Vorwort so treffend skizziert: "Ich kann nicht sagen, ob alles, was in den folgenden Blättern dargestellt wird, [...] auch wirklich richtig ist. [...] Es kommt nicht so sehr darauf an, zu erkennen, wie ein Vorteil, ein Nachteil tatsächlich entstanden ist, als vielmehr einzusehen, wie und wodurch der entstehen könnte"!

Ein bißchen Phantasie ist in der Spionage-Branche immer dabei. In Kerchnawes Text etwa wird Bezug genommen auf eine besonders tückische Art der Sabotage, die sog. "Kohlentorpedos": Große Kohlenstücke werden angebohrt (siehe Illustration S. 263 unten!), und in die entstehenden Löcher werden Sprengladungen eingeführt, und wenn das Schiff dann die Kohlen gebunkert hat, werden die Ladungen - wie auch immer - gezündet und schwupps zerreisst es das unglückliche Schiff. (So kommen besagte 153.400 t zusammen.)

Das hat nach Kerchnawe sogar eine philosophische Komponente: "Dieser Kampf ist kein offener Kampf, er mag auch heimtückisch genannt werden, aber er ist der vollendetste Sieg des einzelnen über die Masse und über die Materie" (S. 264)!

Es gibt übrigens eine ausführliche Seite über die Vanguard (Loss of HMS VANGUARD), wo auch die Sabotage-Frage geprüft und als die unwahrscheinlichste Variante bezeichnet wird. (Siehe auch die Diskussion in Seite drucken - Sabotagetätig Deutscher auf britischen Kriegsschiffen während des 1.WK.)
 
Ein bißchen Phantasie ist in der Spionage-Branche immer dabei. In Kerchnawes Text etwa wird Bezug genommen auf eine besonders tückische Art der Sabotage, die sog. "Kohlentorpedos": Große Kohlenstücke werden angebohrt (siehe Illustration S. 263 unten!), und in die entstehenden Löcher werden Sprengladungen eingeführt, und wenn das Schiff dann die Kohlen gebunkert hat, werden die Ladungen - wie auch immer - gezündet und schwupps zerreisst es das unglückliche Schiff.

:D=):rofl:

Du hast vielleicht einen Humor. Leider kann ich nicht schon wieder grün geben! Ich stelle mir gerade die Explosion von 387 - sehr großen - Kohlenstücken (natürlich gleichzeitig per Funk oder gar verdrahtet?) in einem Kohlenbunker eines Dreadnoughts ala Vanguard vor. Das hätte die Mannschaft vermutlich nicht mal bemerkt.

P.S. die Zeichnung von Kaerknave kenne ich natürlich nicht (die links kenne ich), :weinen:

ging es da um atomare Sprengköpfe?
 
Ich verstehe die Antwort in #10 (Frage in #9) so, dass es etwa fünf Jahre vor und fünf Jahre nach dem Krieg keine Explosionen englischer Kriegsschiffe gab. Die Begründung ist wohl so, dass im Frieden weniger mit Sprengstoff hantiert wird (woher kommt der Faktor 1 : 1000?).

Die Aufstellung zeigt zwei Sabotagefälle (Benedetto Brin und Leonardo de Vinci, geleite über einen österreichischen Agentenring in der Schweiz, der in Italien für eine Reihe weitere Anschläge verantwortlich war). Imparatriza Maria war wohl auch Sabotage (es ist in diesen Fällen das erhebliche Interesse der geschädigten Partei zu sehen, Sabotageakte nicht zugestehen, das ist innenpolitisch schlicht nicht tragbar - gerade in Russland.

Die japanischen und den chilenischen Fall kenne ich nicht.

In England fliegen vier Kriegsschiffe in die Luft, in Frankreich - die sich ebenfalls im Krieg befinden und auch eine große Flotte besitzt - nicht eins. Die obigen Argumente müssen aber auch für Frankreich gelten. Das finde ich schon merkwürdig. Ich will damit aber nicht sagen, dass es tatsächlich Sabotageunternehmen waren, sondern nur, dass es Ungereimtheiten gibt. Geheimdienstaktivitäten sind nunmal geheim. Wenn man meint, dass solche Dinge in die Tonne gehören, kann ich dem nicht zustimmen. Übrigens: Es ist eine alte Geheimdienstechnik Mülltonnen zu durchsuchen, da findet man viel über Zielpersonen.
 
Nach den Kriegen gab es auch reichlich Leute die sich fälschlicher Weise erfolgreiche oder angeblich erfolgreiche Sabotageunternehmen id die Tasche logen .
Nach dem ersten Weltkrieg gab es zum Beisspiel leute in Südamerika die behaupten sie hätten die USS Cyclops mit Zeitzünderbomben vernichtet .
 
Eine Sabotage dürfte nur in Ausnahmefällen, oder gar nicht Ursache für Schiffsverluste sein. Für die jeweilige Propaganda war es natürlich simpler, dies auf die "5.Kolonne" zu schieben statt auf eigene Schwächen und Schlendrian.
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Hier wird von einer von russischen Gefangenen auf der Werft plazierten Bombe ausgegangen. Offenbar war es aber ein Minentreffer.
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