Westfränkisch

Die Franken waren ja ursprünglich -wie so viele Akteure der Völkerwanderung - auch kein Stamm, sondern ein Stammesverbund aus mehreren germanischen Stämmen.
Inwieweit hatten die denn zu Beginn überhaupt effektiv eine gemeinsame Sprache?
 
Die Franken waren ja ursprünglich -wie so viele Akteure der Völkerwanderung - auch kein Stamm, sondern ein Stammesverbund aus mehreren germanischen Stämmen.
Inwieweit hatten die denn zu Beginn überhaupt effektiv eine gemeinsame Sprache?

Nach Wenskus, der diesen Begriff prägte, spricht man in der Frühzeit der Franken oft von einem Stammesschwarm, der sich Mitte des 3. Jh. ausbildete und zu dem u.a. Chamaven, Brukterer, Chattuarier und Amsivarier zählten. Die Bezeichnung Franken taucht 258 n. Chr. erstmals auf, d.h. spätestens ab dort existiert eine fränkische Identität.

Da es sich bei diesem Zusammenschluss um benachbarte, westgermanisch sprechende Kleinstämme handelte, kann man davon ausgehen, dass rund 250 Jahre später - zu Beginn der fränkischen Expansion in Gallien unter Chlodwig - die Franken eine einheitliche Sprache sprachen, die sich höchstens durch dialektale Färbung in den verschiedenen Regionen unterschied.
 
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Das griechisch beeinflusste Kirchenlatein hatte sehr viel mehr Einfluss auf die Sprache, neben dem Lehnwortschatz wurden durch christliche Texte auch grammatische Strukturen des Griechischen ins Italienische, Französische oder Spanische eingebracht.

Deinen letzten Satz finde ich spannend: um welche grammatischen Strukturen handelt es sich dabei zum Beispiel? Es interessiert mich vornemlich in bezug auf die Entstehung des Französischen.
 
Nach Wenskus, der diesen Begriff prägte, spricht man in der Frühzeit der Franken oft von einem Stammesschwarm, der sich Mitte des 3. Jh. ausbildete und zu dem u.a. Chamaven, Brukterer, Chattuarier und Amsivarier zählten. Die Bezeichnung Franken taucht 258 n. Chr. erstmals auf, d.h. spätestens ab dort existiert eine fränkische Identität.

Das es sich bei diesem Zusammenschluss um benachbarte, westgermanisch sprechende Kleinstämme handelte, kann man davon ausgehen, dass rund 250 Jahre später - zu Beginn der fränkischen Expansion in Gallien unter Chlodwig - die Franken eine einheitliches Sprache sprachen, die sich höchstens durch dialektale Färbung in den verschiedenen Regionen unterschied.

Also das mit der fränkischen Identität würde ich in Frage stellen, diese setzt du viel zu früh an; das muß freilich nicht der Annahme widersprechen, daß die frühen Franken oder diejenigen germanischen Stämme, die man dafür hält, trotzdem eine eine Art "frühfränkische" Sprache hatten, aber es handelt sich dabei lediglich um eine Annahme. Es wäre nun interessant, ob es dazu Studien gibt, die zu einem positiven Ergebnis hinsichtlich der Existenz einer gemein frühfränkischen Sprache gibt und wie deren Einfluß auf das Altfranzösische über das von El Quijote erwähnte ausfällt:

Den Einfluss der germanischen Sprachen auf die romanischen Sprachen sollte man allerdings nicht zu hoch ansetzen - das ist der zweite Grund meines Widerspruchs -, sie waren im Wesentlichen bloß für einen mehr oder weniger großen Lehnwortschatz verantwortlich.

Ich meine zu erinnern, daß durchaus Hypothesen entwickelt wurden, die Differenz die zwischen den den Dialekten der Langue d'oil und der Langue d'oc auf eben einen solchen germanischen Einfluß zurückgeführt wurde; ich schaue, wenn ich wieder zu Hause bin einmal nach; war es vielleicht von Wartburg, der solch eine These lancierte, die sich in der Romanistik aber freilich nicht durchgesetzt hatte?
 
Also das mit der fränkischen Identität würde ich in Frage stellen, diese setzt du viel zu früh an;

Wenn Mitte des 3. Jh. erstmals der Begriff "Franken" fällt, hat 250 Jahre später - also zur Zeit Chlodwigs um 500 - mit Sicherheit eine fränkische Identität bestanden. Und darum geht es ja hier, d.h. um ein relativ einheitliches fränkisches Idiom zu Beginn der fränkischen Expansion in Gallien.
 
Wenn Mitte des 3. Jh. erstmals der Begriff "Franken" fällt, hat 250 Jahre später - also zur Zeit Chlodwigs um 500 - mit Sicherheit eine fränkische Identität bestanden. Und darum geht es ja hier, d.h. um ein relativ einheitliches fränkisches Idiom zu Beginn der fränkischen Expansion in Gallien.

1. hast du nicht behauptet, daß Mitte des 1. Jts. n. Ztr. eine fränkische Identität bestand, sondern eben mind. 200 Jahre früher:

Nach Wenskus, der diesen Begriff prägte, spricht man in der Frühzeit der Franken oft von einem Stammesschwarm, der sich Mitte des 3. Jh. ausbildete und zu dem u.a. Chamaven, Brukterer, Chattuarier und Amsivarier zählten. Die Bezeichnung Franken taucht 258 n. Chr. erstmals auf, d.h. spätestens ab dort existiert eine fränkische Identität.

Und das habe ich eben in Frage gestellt!

2. Für deine These, die im übrigen über vorherige Behauptung hinausgeht, nämlich die eines allgemeinen Gebrauchs einer fränkischen Sprache in Gallien hätte ich gerne Belege!
 
Deinen letzten Satz finde ich spannend: um welche grammatischen Strukturen handelt es sich dabei zum Beispiel? Es interessiert mich vornehmlich in Bezug auf die Entstehung des Französischen.

Umdirekt mal ein westfränkisches Beispiel zu nennen, so z.B. das in den Straßburger Eiden als cadhuna nachgewiesene, im heutigen Französischen aber nicht mehr existierende vulgärlateinische (vlt.) cataunus, welches allerdings einen Hybrid darstellt aus Griechisch und Latein: Katá (gr. 'je nach') und unus (lat. 'einer'). Heute noch erhalten im Spanischen cada uno und im Italienischen cadaùno, 'ein jeder'. (Kiesler, Einführung in die Problematik des Vlt, S. 93 f.)
"Durch Kontamination von vlt. CATAUNUS und *QUISCUNU(S) entstanden afr. chascun(s), fr. chacun, it. ciascuno 'jeder'." (Ebd., S. 94)

"Bei der Herausbildung des neuen vlt. Futurs mit habere, debere, velle + Infinitiv kann die griechische Parallele des Typs écho eipein (etc.) verstärkende gewirkt haben. [...] Auch bei der Entstehung des romanischen periphrastischen Futurs der nahen Zukunft [...] je vais chanter 'ich werde gleich singen' gibt es im klass. Latein kein Vorbild, das Griechische hatte dafür aber seit altersher einer periphrastische Bildung." (Ebd.)
Es folgen noch weitere Bsp. für periphrastische Bildungen.

"Objektsätze nach verba dicendi haben im klass. Latein AcI, im GR gab es neben dem AcI schon immer die Möglichkeit der Konstruktion mit hóti 'dass' mit finitem Verb. Im Lateinischen ist quod 'dass' erst kaiserzeitlich bzw. christlich [...] die romanischen Sprachen haben nur den Typ mit quod." (Ebd. S. 95)

Weiter werden erwähnt (und mit Bsp. untermauert) indirekte Satzfragen und indirekte Fragesätze etc.
 
Ja, im 3. Jahrhundert mag es ein einheitliches fränkischen Idiom gegeben haben, aber nach der althochdeutschen Lautverschiebung gab es keine einheitliche fränkischen Sprache mehr. Zu Zeiten Karls des Großen gab es ganz sicher keine einheitliche fränkische Sprache. Das Altniederfränkische am Niederrhein ist ja dem altsächsisch näher als dem althochdeutschen fränkisch weitersüdlich. Gerade dieses Gebiet am Niederrhein (heute belgisch und niederländisch) war aber das alte Kernland der salischen Franken, das Ursprungsgebiet der Merowinger.
Beim Westfränkischen wäre nun zu prüfen, ob es ebenfalls ab 600 hochdeutsch verschoben wurde.

Das interessante bei den Straßburger Eiden ist, dass beide Sprache als Volkssprachen daher kommen. "lingua theodisca" bedeutet ja bekanntlich nicht anders Volkssprache, bzeichnete aber keineswegs nur die Sprache der Franken sondern auch die anderer germanischer Stämme. Gerade im Westfrankenreich wären ja noch burgundische und westgotische Reste vermutbar.
"lingua romana rustica" bedeutet aber ebenfalls "bäuerlich", römische Sprache.
Aus der Bezeichnung sind daher beide Sprachen als Sprachen des gemeinen Volkes erkennbar.

Das Problem mit der kleinen Schicht des westfränkischen Adels, ist aber nicht nur ihre geringe Kopfzahl. Im Westfrankenreich, besonders im Süden, gab es auch noch einen romanischen Adel, der aus gallo-romanischen Senatoren-Geschlechtern hervorging und in der frühen Merowingerzeit die Bischöfe stellte. Dieser vermischte sich mit dem fränkischen Adel, bald waren die Adeligen zweisprachig. Germanische Namen blieben erhalten, die germanische Sprache nicht. Bei den aquitanischen Herzögen finden sich aber noch bis ins 8. Jahrhundert auch solche mit romanischen Namen.
Im Norden des heutigen Frankreich dominierte ein fränkisch stämmiger Adel, der aber aber die romanische Sprache annahm. Die Region wurde später als Herzogtum Francien bekannt, die Sprache der Bewohner als französisch.
Aus dem Chlodwig wurde also ein Ludwig und ein Louis.
 
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Das Problem mit der kleinen Schicht des westfränkischen Adels, ist aber nicht nur ihre geringe Kopfzahl. Im Westfrankenreich, besonders im Süden, gab es auch noch einen romanischen Adel, der aus gallo-romanischen Senatoren-Geschlechtern hervorging und in der frühen Merowingerzeit die Bischöfe stellte. .

Diese Tatsache hatte ich weiter oben bereits erwähnt. Als die Franken nach der Schlacht bei Vouillé im Jahr 507 Frankreich weitgehend erobert hatten und wenig später noch das Reich der Burgunder und schließlich das westgotische Septimanien besetzten, hatten sie das Land bis zu den Pyrenäen erobert.

Da Frankreich bzw. Gallien komplett romanisiert war, kann man davon ausgehen, dass die Menschen einen gallo-römischen Dialekt sprachen, d.h. ein Vulgärlatein, das sich unter Absorbierung des Westgermanisch-Fränkischen später zur (alt)französischen Sprache entwickelte.

Das trifft aber nur bedingt auf alle Landesteile zu, denn unter anderem wurden die Varietäten des Südens im Gegensatz zu denen des Nordens kaum vom fränkischen Superstrat beeinflusst. Sie veränderten sich auf lautlichem Gebiet weniger schnell und behielten so größere Ähnlichkeit mit den übrigen romanischen Sprachen. Das bedeutet also, dass bereits Karl der Große dreihundert Jahre später im Süden eine sehr viel andere Sprache vorfand als im Norden, nämlich das, was man später als langue d'oc oder Okzitanisch bezeichnete.
 
Das trifft aber nur bedingt auf alle Landesteile zu, denn unter anderem wurden die Varietäten des Südens im Gegensatz zu denen des Nordens kaum vom fränkischen Superstrat beeinflusst. Sie veränderten sich auf lautlichem Gebiet weniger schnell und behielten so größere Ähnlichkeit mit den übrigen romanischen Sprachen. Das bedeutet also, dass bereits Karl der Große dreihundert Jahre später im Süden eine sehr viel andere Sprache vorfand als im Norden, nämlich das, was man später als langue d'oc oder Okzitanisch bezeichnete.

Das würde ich so nicht unterschreiben wollen. Nicht umsonst nennt man das Katalanische eine lengua puente oder langue pont, also eine 'Brückensprache' zwischen den ibero- und den galloromanischen Sprachen. Ibero- und Galloromanische Sprachen sind zwar zunächst geographische Zuordnungen, aber diese spiegeln durchaus auch Verwandtschaftsverhältnisse der Sprachen untereinander wieder. Das Katalanische kann sowohl der ibero- als auch der galloromanischen Gruppe zugeordnet werden.
 
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