Es ist nicht zu beanstanden, dass die Engländer später versuchten das für sie katastrophale Ereignis zu ihren Gunsten zurechtzurücken. Das ist aber Politik, nicht Geschichte.
Worin lag die britische Katastrophe?
In der „nur“ strategischen deutschen Niederlage, die als Trittbrett für den forcierten Eintritt in den uneingeschränkten U-Boot-Krieg (und damit den der USA) diente und das kaiserliche Hochseespielzeug fortan fast nur im Hafen vermodern ließ, bis 5 Minuten vor der tugendhaften last stand-Opferung der Mannschaften dieselben nicht mehr mitspielten?
Oder im Verlust eines halben Dutzends – wie die Dreadnought - veralteter Panzer- und Schlachtkreuzer (Ausnahme Queen Mary)?
Die Katastrophe kann man dennoch phantasievoll umschreiben: Scheers völlige Vernichtung nach der Papierlage hätte mit einer kleinen Wahrscheinlichkeit ein Kriegsjahr der europäischen Katastrophe erspart. Den Briten hätte im Sommer 1916 die Ostsee offen gestanden, damit die Versorgung Russlands. Die Erzzufuhr ins Deutsche Reich wäre abgeschnitten gewesen, und die Revolution wäre vermutlich in blockierten und beschossenen Küstenstädten ausgebrochen.
Mit den Straftatbeständen ist es nun mal so, wenn der Wortlaut erfüllt ist, ist er nun mal erfüllt.
Etwas holprig, aber ich verstehe, was Du meinst.
Nun ja, Scheer hätte sich 1925 sicher auf Verjährung für den Unsinn berufen.
Ansonsten diente die Darstellung der Motive für die 2. Wende seiner Exkulpation, der Verwirrung der Zeitgenossen und ist Unsinn.
Die im Marinearchiv als 3. Phase bezeichnete Schlacht lief hervorragend für die Engländer. Die Engländer standen extrem günstig, die Deutschen extrem ungünstig (zB Marine-Archiv S. 269 „So feuerte Derfflinger nach seiner Schießliste von 6:42 Uhr bis 7:16 Uhr keinen Schuss.“). Rahn in seinem Artikel…zählt in dieser Phase (18 Uhr GMT – 21 Uhr GMT) folgende Trefferwirkungen: 49 schwere Treffer bei deutschen Schiffen (davon 31 bei Hipper‘s Kreuzern), 38 schwere Treffer bei englischen Schiffen (davon 33 bei Warspite, Invincible, Warrior, Defence).
Das ist zB eine der Enttäuschungen, weil Rahn als angesehener Marinehistoriker Äpfel mit Birnen (nämlich 3 Phasen!) vergleicht, er hätte besser den Ko-Referenten Brooks befragt, der hat das zutreffend dargestellt.
Was sind „schwere Treffer“ – ich vermute, es sind Treffer „schwerer Kaliber“ 11-inch-aufwärts gemeint. Sollten „schwere Schäden“ durch schwere Kaliber gemeint sein, wäre das Wertungssache. Dazu:
1. die Zeitdauer der drei Stunden und 18 -21 Uhr GMT (vermutlich ist GMT +1 gemeint, richtig ist 16.54 – 19.45 Uhr GMT für drei völlig unterschiedliche Phasen)
ist wegen der wechselnden nachteiligen Situationen Unsinn.
2. die Zusammenfassung der insgesamt erzielten schwer-kalibrigen abgestellt auf Wirkungstreffer durch die deutsche Seite ist ein
unsinniger Vergleich, weil davon 22 auf das Zusammenschiessen der sinkenden Panzerkreuzer Warrior und Defence entfallen und die deutsche Statistik schönen.
Zu den Treffern der "big guns" auf den "capital ships", aus denen wir noch gerne „schwere Wirkungstreffer“ filtern können, der Zeitabschnitt 16.54 Uhr bis 19.45 ist dreifach zu unterteilen:
A) 16.54 – 18.15: run-to-the-north
19 Treffer auf deutschen Schiffen (Lüt. 5, Der 3, Sey 6, Kön 1, GrK 1, Mar 3)
18 Treffer auf britischen Schiffen (Lio 4, Tig 1, Bar 4, War 2, Mal 7)
B) 18.15 – 19.00: die 1. und 2. Wende
23 Treffer auf deutschen Schiffen (Lüt 10, Derf 3, Sey 1, Kön 8, Mar 1)
20 Treffer auf britischen Schiffen (Inv 5, PrR 2, War 13)
C) 19.00 . 19.45: zur 3. Wende und danach
37 Treffer auf deutschen Schiffen (Lüt 5, Derf 14, Sey 5, vdT 1, Kön 1, GrK 7, Mark 1, Kais 2, Helg 1)
2 Treffer auf britischen Schiffen (Colo 2)
ABC macht 79 zu 40. Such Dir welche aus.
Wenn man das nun vergleichen will, sollte mehr Sorgfalt angebracht sein, als bei dieser Aussage, die einfach und sinnfrei aus dem Marinearchiv abgeschrieben worden ist:
Die Engländer standen extrem günstig, die Deutschen extrem ungünstig (zB Marine-Archiv S. 269 „So feuerte Derfflinger nach seiner Schießliste von 6:42 Uhr bis 7:16 Uhr [entspricht 17.42 Uhr – 18.16 Uhr GMT] keinen Schuss.“)
Angesprochen ist hier die Verfolgungsjagd nach Norden unter A). Dabei hielten Beatty und Evan-Thomas (aufgrund der überlegenen Geschwindigkeit) die deutschen Schiffe in den letzten 30 Minuten auf beliebigem Abstand, während der langsame Scheer – noch begrenzt durch die mitgeschleppten Prä-Dreadnoughts/10-Minuten-Schiffe – immer weiter zurückfiel. Die Sichtverhältnisse waren für die deutschen bei der Verfolgung gut – Schussrichtung nach W bis NW-, für die Briten nachteilig – Schussrichtung O und SO.
Ein schönes Anschauungsbeispiel:
warum schoss Derf. in diesen 30 Minuten nicht? - Teil 1, die Kursangaben:
Erstmal sind die Kursangaben (etwa S. 269:
um dieser Lage ein Ende zu machen führte Hipper … 6.42 Uhr … schärfer heran - "um zu" ist
sinnentstellend und mindestens verwirrend) im Marinearchiv
falsch (siehe Brooks, S. 251). Richtig ist 17.39 von NW auf N, dann 17.50 bereits NO (!), um 18.01 auf SO zu fliehen (wie der geneigte Leser dem Kartenband Marinearchiv 5 entnehmen kann, Karte 9 und 10. Hippers Wende nach NW war bereits um 6.27 deutsche Zeitrechnung, und hatte mit den 30-Minuten-Derfflinger nichts zu tun (Zitate nach Textband Marinearchiv 5, S. 269 und 270).
Warum schoss Derfflinger nun tatsächlich nicht, Teil 2: die Gründe? Schau Dir mal die Treffer im Vorschiff um 17.19 und 17.55 (GMT = 6.19 und 6.55 deutsch) sowie den Kurs an. Die deutsche Trefferbezeichnung in Karte 9 (6.30 zwei auf Derfflinger) im Marinearchiv ist
falsch, richtig sind drei Treffer auf Lützow, zwei um 17.25 (GMT = 6.25 deutsch) und einer um 17.30 (GMT=6.30 deutsch)