K.u.K Armee unterlegen?

Soralion

Mitglied
Ich beschäftige mich schon mein Leben lang mit Geschichte, hauptsächlich mit der Antike, doch in letzer Zeit hab ich entdeckt wie interessant, die jüngere Geschichte auch sein kann.

Nun also zum eigentlichen Thema (vergebt mir, falls ich Fehler mache, aber mit der Geschichte der Neuzeit bin ich weniger vertraut als mit der Antiken):

Vor einiger Zeit hab ich mir eine Doku über den 1. Weltkrieg angesehen. Darin wurde erwähnt die K.u.K Armee wäre technisch gesehen damals veraltet gewesen, und schlecht ausgerüstet.

Kann das sein? Ich dachte immer Österreich-Ungarn wär damals eine Weltmacht gewesen, immerhin hatten sie viele Siege in den Kriegen davor, gegen die schwächer werdenden Osmanen verzeichnet, und Bosnien erobert?

In der Doku ging es viel um die Westfront, beiläufig wurde aber erwähnt, dass die ersten Schlachten in Serbien geschlagen wurden, und offenbar unterlag 1914 die K.u.K Armee der serbischen (kann das stimmen? Serbien war doch damals ein wuzig kleines Königreich verglichen mit Österreich-Ungarn), erst in einer neuen Offensive 1915 soll die Eroberung Serbiens mit Hilfe des Deutschen Kaiserreichs und der Bulgaren gelungen sein. Stimmt das? Ich finde ur viel Material im Internet über die Westfront, aber über die Nebenschauplätze des 1sten Weltkriegs nur wenig.

War die Österreich-Ungarische Armee wirklich in so einem desolaten Zustand? Wieso wollten dann ihre Generäle laut einiger Historiker unbedingt einen Krieg gegen Serbien?
 
Die K.u.k Armee war 1914 keineswegs "desolat." Die Bewaffnung war genauso modern wie die der anderen Großmächte, sie stellte der deutschen Armee sogar die Skoda-Mörser zur Verfügung um die Lütticher Forts zu knacken. Zahlenmässig war sie auch nicht schwach, der Ausbildungsstandard wird aber sehr unterschiedlich gewesen sein und mit der Kampfmoral eines Teils der Truppen stand es auch nicht so gut, (wenn dieses sich jedoch eher mit der Zeit bemerkbar machte).

Die Probleme lagen eher in den Spannungen in der Gesellschaft Österreich Ungarns, so wie in der fehlenden Industriellen und Wirtschaftlichen Grundlage. Die Verluste die in der Anfangsphase des Krieges anfielen konnten weder personell noch materiell ausreichend ersetzt werden. Während andere Kriegsteilnehmer wie z.B. Russland erst einmal "hochfahren" mussten um ihr Potential auszuschöpfen, wurde Ö-U immer schwächer. Ab einem bestimmten Moment (im meine 1916) konnten sie nicht mehr ohne deutsche Kooperation offensiv werden.
 
Kann das sein? Ich dachte immer Österreich-Ungarn wär damals eine Weltmacht gewesen, immerhin hatten sie viele Siege in den Kriegen davor, gegen die schwächer werdenden Osmanen verzeichnet, und Bosnien erobert?
Österreich hatte Bosnien-Herzegowina nicht von den Osmanen erobert. Auf dem Berliner Kongress 1878 wurde es unter österreichische Verwaltung gestellt, blieb aber formal Teil des Osmanischen Reiches. Österreich besetzte das Land dann natürlich, wobei es allerdings bewaffneten Widerstand einheimischer Rebellen gab. Erst 1908 wurde das Land dann formell annektiert.
 
Es ist ne Tatsache dass die Österreicher am Anfang, als man pompös den fiesen Serben Rache schwor, als erstes einmal "einfuhren".
Es hat auch viele serbische Soldaten gegeben die den Märtyrertod wählten und sich blindlinks in die Kugeln und Bajonette der Österreicher warfen.
Das hat natürlich die ganzen Habsburger inkl. Vasallen ein bisschen überrascht, dachte man doch einfach so über Serbien hinwegzufegen.
Ich kann da noch nach näheren Infos suchen, wird aber seine Zeit dauern.
Anscheinend wollten die Serben halt nicht nach einer jahrhundertelangen Fremdherrschaft in die nächste schlittern.
Dann hat man die serbische Bevölkerung mittels Mord und Totschlag ein bisschen zermürbt und schlussletztendlich haben die Deutschen den Österreichern unter die Arme gegriffen und Belgrad niedergebombt und dann ist der Rest der serbischen Truppen mit König über den Kosovo nach Korfu geflüchtet.

Das war jetzt der Schnelldurchlauf :D
 
Es hat auch viele serbische Soldaten gegeben die den Märtyrertod wählten und sich blindlinks in die Kugeln und Bajonette der Österreicher warfen.

Und das glaubst Du?
Das ist doch eine der üblichen "Propaganda-Heldensagen"

Dann hat man die serbische Bevölkerung mittels Mord und Totschlag ein bisschen zermürbt und schlussletztendlich haben die Deutschen den Österreichern unter die Arme gegriffen und Belgrad niedergebombt
Müsste eigentlich umgekehrt gewesen sein. Wenn es so war....

und dann ist der Rest der serbischen Truppen mit König über den Kosovo nach Korfu geflüchtet
Der Kosovo ist noch ein ganzes Stück von der Adria weg.
Die Flucht ging durch Albanien, wo sie die Italiener "aufgenommen" haben. Die Masse der Truppen kam dann zur Orientarmee nach Saloniki.

Das war jetzt der Schnelldurchlauf
Da bin ich aber auf die Langversion gespannt.


ÖU hatte in der Tat Probleme mit der Motivation vieler Soldaten aus etlichen Ethnien.
Was aber zB an der Isonzofront überhaupt nicht galt. Insbesondere die Bosnier haben sich dort hervorgetan.
Die Verteidigung Kärntens und Tirols monatelang mit den Schützenvereinen zeigt ebenfalls ein sehr entgegengesetzes Bild.

Und, nicht zu vergessen, die Österreicher sind die einzigen, die im Kriegsverlauf den "Strategischen Durchbruch" geschafft haben.
 
Das hat natürlich die ganzen Habsburger inkl. Vasallen ein bisschen überrascht, dachte man doch einfach so über Serbien hinwegzufegen.
Zu Kriegsbeginn gab es noch keine "Vasallen". Die Türkei trat erst im November 1914 in den Krieg ein, Bulgarien erst im September 1915. Zunächst kämpfte Österreich also alleine gegen Serbien.
 
Vor einiger Zeit hab ich mir eine Doku über den 1. Weltkrieg angesehen. Darin wurde erwähnt die K.u.K Armee wäre technisch gesehen damals veraltet gewesen, und schlecht ausgerüstet.

Die Streitkräfte Österreichs waren sicherlich nicht veraltet und schlecht ausgerüstet, allerdings gab es ausrüstungstechnisch durchaus Schwachstellen. Das lag an der begrenzten industriellen Kapazität und auch an den extremen finanziellen Problemen der Donaumonarchie gerade vor dem Krieg. So verfügte die Feldartillerie beispielsweise bei Kriegsbeginn noch nicht über eine leichte Feldhaubitze mit Rohrrücklauf, erst im weiteren Kriegsverlauf wurde dieser Mangel abgestellt. Die meisten anderen Armeen hatten so etwas schon. Zahlenmäßig blieb die Kriegsproduktion an Waffen und Ausrüstung bis zum Schluß hinter dem Bedarf zurück. Andererseits waren die österreichischen Streitkräfte gerade im Vergleich zu ihren Hauptgegnern, d.h. Russen, Serben und später Italienern gut ausgerüstet. Die Waffenschmiede Skoda war (auch nach dem Krieg) weltweit bekannt und für die Qualität ihrer Produkte geschätzt. Die 30,5 cm-Mörser sind ja oben als Beispiel schon erwähnt worden. Insofern lautet ein ausgewogenes Urteil meiner Meinung nach: es gab Mängel in der Ausrüstung und Bewaffnung, sowohl zahlenmäßig als auch qualitativ, aber die Streitkräfte waren deshalb alles andere als veraltet oder schlecht. Außerdem sah es beim Gegner eigentlich nicht besser aus, insofern war man zwar nicht optimal, aber durchaus brauchbar aufgestellt.


In der Doku ging es viel um die Westfront, beiläufig wurde aber erwähnt, dass die ersten Schlachten in Serbien geschlagen wurden, und offenbar unterlag 1914 die K.u.K Armee der serbischen (kann das stimmen? Serbien war doch damals ein wuzig kleines Königreich verglichen mit Österreich-Ungarn), erst in einer neuen Offensive 1915 soll die Eroberung Serbiens mit Hilfe des Deutschen Kaiserreichs und der Bulgaren gelungen sein. Stimmt das?

Es ist richtig, den Serben gelang ein unerwarteter Abwehrerfolg. Anders als man sich das auf österreichischer Seite gedacht hatte, wurde der Feldzug gegen Serbien kein Spaziergang. Das lag nicht zuletzt daran, dass die Serben mit außerordentlicher Tapferkeit ihre Heimat verteidigten. Österreich wiederum konnte nur vergleichsweise schwache Streitkräfte für den Angriff auf Serbien zusammen fassen. Ich habe jetzt die genaue Gliederung der österreichischen Streitkräfte nicht im Kopf, aber wenn ich mich richtig erinnere, dann haben sie mit lediglich zwei Armeen im Herbst 1914 gegen Serbien losgeschlagen und diese hatten darüber hinaus von ihrer Stärke her eigentlich auch nicht die Bezeichnung Armee verdient. Die Masse der Truppe wurde an der Ostfront gegenüber Russland benötigt. Sehr bald zeigte sich dann an allen Fronten auch noch ein weiteres Problem, dass spezifisch österreichisch war: nicht alle Nationalitäten kämpften mit der selben Begeisterung wie das bei anderen Armeen der Fall war. Während sich Deutsche und Ungarn von Anfang an bewährten und auch auf Kroaten und Bosnier Verlass war, wurde sehr rasch klar, dass die Masse der tschechischen Truppenteile nur über begrenzte Kampfkraft verfügte. Es gab sogar zwei tschechische Regimenter, die wegen Feigheit vor dem Feind aufgelöst wurden (falls gewünscht kann ich die Nummern raussuchen). Im Laufe des Krieges desertierten derartig viele Tschechen, dass die Russen aus den Überläufern eine eigene tschechische Legion zusammen stellen konnten, die gegen die Österreicher kämpfte. Auch von den Italienern aus Südtirol war bekannt, dass sie mitunter unzuverlässig waren. Man wird diesen Staatsbürgern der Donaumonarchie, die von ihrer Nationalität her zu den benachbarten Nationalstaaten gehörten oder einen solchen für sich herbei sehnten, das wohl kaum verdenken können.

War die Österreich-Ungarische Armee wirklich in so einem desolaten Zustand? Wieso wollten dann ihre Generäle laut einiger Historiker unbedingt einen Krieg gegen Serbien?

Die Aktion sollte, nach allem was man heute weiß, eigentlich ein kurzer schneller Feldzug als Strafexpedition werden. Dass Rußland als Gegner in den Krieg eintreten könnte, hatte man leichtfertig übersehen. Ansonsten ist das Verhalten nicht erklärbar: Österreich wollte weder weitere slawisch besiedelte Gebiete erobern, die den Anteil der staatstragenden Deutschen und Ungarn an der Gesamtbevölkerung weiter verringert hätten noch wollte man angesichts der immensen inneren Probleme (Finanzen, Zusammenhalt des Vielvölkerstaates) einen jahrelangen Weltkrieg mit ungewissen Ausgang. Der greise österreichische Kaiser Franz-Joseph, der seit 1848 regierte und dann 1916 hochbetagt starb, wollte das auf seine letzten Tage wahrscheinlich am allerwenigsten von allen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich beschäftige mich schon mein Leben lang mit Geschichte, hauptsächlich mit der Antike, doch in letzer Zeit hab ich entdeckt wie interessant, die jüngere Geschichte auch sein kann.

Nun also zum eigentlichen Thema (vergebt mir, falls ich Fehler mache, aber mit der Geschichte der Neuzeit bin ich weniger vertraut als mit der Antiken):

Vor einiger Zeit hab ich mir eine Doku über den 1. Weltkrieg angesehen. Darin wurde erwähnt die K.u.K Armee wäre technisch gesehen damals veraltet gewesen, und schlecht ausgerüstet.

Kann das sein? Ich dachte immer Österreich-Ungarn wär damals eine Weltmacht gewesen, immerhin hatten sie viele Siege in den Kriegen davor, gegen die schwächer werdenden Osmanen verzeichnet, und Bosnien erobert?

In der Doku ging es viel um die Westfront, beiläufig wurde aber erwähnt, dass die ersten Schlachten in Serbien geschlagen wurden, und offenbar unterlag 1914 die K.u.K Armee der serbischen (kann das stimmen? Serbien war doch damals ein wuzig kleines Königreich verglichen mit Österreich-Ungarn), erst in einer neuen Offensive 1915 soll die Eroberung Serbiens mit Hilfe des Deutschen Kaiserreichs und der Bulgaren gelungen sein. Stimmt das? Ich finde ur viel Material im Internet über die Westfront, aber über die Nebenschauplätze des 1sten Weltkriegs nur wenig.

War die Österreich-Ungarische Armee wirklich in so einem desolaten Zustand? Wieso wollten dann ihre Generäle laut einiger Historiker unbedingt einen Krieg gegen Serbien?


Österreich- Ungarn war nur noch dem Namen nach eine Großmacht und hatte mit starken seperatistischen Strömungen zu kämpfen. Es war schon eine ganze Weile her, dass die k.k. Armee Siege auf dem Schlachtfeld vorzuweisen hatte. Die österreichische Artillerie war tatsächlich von sehr hohem Niveau und hatte durchaus auch militärische Begabungen vorzuweisen, doch in Punkto Taktik und Strategie war die k.k. Armee in vieler Hinsicht veraltet, und besonders das Kommunikations- und Verkehrssystem war mangelhaft. Die Truppe war unzureichend mit MGs ausgestattet. Von den europäischen Groß- und Mittelmächten war nur Italien militärisch noch schwächer.

Allerdings sollte man auch die Geheimdiensttätigkeit vor dem Krieg nicht unterschätzen. Der Oberst Alfred Redl hatte die Russen vor dem Krieg ausgiebig mit den österreichischen Aufmarschplänen versorgt, und es ist durchaus wahrscheinlich, dass diese Informationen erheblich zum Sieg der zaristischen Armee in Galizien beigetragen haben. Trotz Anfangserfolgen der Österreicher bei Krasnik und Komarow, waren die Russen in den Schlachten um Lemberg ( Zloczow, Grodek) erfolgreich, und die k.k Armee, die bis Krakau zurückgeschlagen wurde und die Großfestung Przemysl einbüßte, hat dabei im Grunde seine Friedensarmee geopfert und sich nie wieder von diesem Schlag erholt.

Im November stießen die Russen bis zu den Karpatenpässen, bis nach Ungarn vor, wo die Front im Stellungskrieg erstarrte.

In Serbien mussten die Österreicher ebenfalls ein Debakel hinnehmen, wo das kleine Serbien die k.k. Armee an der Drina stoppen konnte, die auch bei Gorni- Milanovic und Arangelovac Niederlagen einstecken musste. Erst 1915 konnten die Österreicher mit deutscher und bulgarischer Hilfe Serbien erobern. Das Versagen der örtlichen Führung führte im Sommer 1916 zum größten Sieg der Russen unter General Brussilow, der beinahe zum Zusammenbruch der Ostfront führte. Das Ansehen der Donaumonarchie litt dabei nicht nur unter den Gegnern, sondern auch bei den slawischen Völkern der Monarchie. Tschechische und ruthenische Einheiten liefen in Scharen zu den Russen über, darunter auch der Verfasser des "braven Soldaten Schwejk".

Wirklich überzeugend waren die militärischen Leistungen der Donaumonarchie eigentlich nur an der italienischen Front am Isonzo und in den Dolomiten, wo die Italiener in 11 Isonzoschlachten nur wenig Terrain gewinnen konnten, ehe die Österreicher, unterstützt von einer deutschen Armee am 24. Oktober 1917 zum Gegenangriff übergingen und die Italiener über den Tagliamento bis an die Piave zurückschlagen konnten.
 
Österreich- Ungarn war nur noch dem Namen nach eine Großmacht und hatte mit starken seperatistischen Strömungen zu kämpfen. Es war schon eine ganze Weile her, dass die k.k. Armee Siege auf dem Schlachtfeld vorzuweisen hatte.
Das lag aber auch daran, dass Österreich seit 1866 keinen echten Krieg mehr geführt hatte, und da hatte man zumindest noch die Italiener besiegt.
 
Serbienkrieg

Österreich hat in der Tat wohl hauptsächlich deshalb gegen Serbien Prügel einstecken müssen, weil man die Serben unterschätzt hat.
Der Feldzug gegen Serbien war natürlich in erster Linie als "Strafaktion" für den Thronfolgermord gedacht; den Generälen war aber sicher klar, dass aufgrund der Bündnispolitik Russland auf der Seite Serbiens in den Krieg eintreten würde.

Österreich hat sich auf dieses "Abenteuer" (Kriegserklärung an Serbien) auch nur deswegen eingelassen, weil es sich auf seinen Bündnispartner verlassen hat - auf das Deutsche Reich.
Die sogenannte "Kriegsschuldfrage" füllt mindestens 20 Bände einer historischen Dokumentation, und bis heute sind sich Historiker nicht einig, ob Österreich sich beim Deutschen Reich rückversichert habe, ob im Fall einer Kriegserklärung mit Bündnistreue zu rechnen sei, oder ob das Deutsche Reich unter der Hand Österreich motiviert habe, Serbien den Krieg zu erklären.

Fakt ist nur, dass die deutschen Generäle ihre militärische Streitkraft zielstrebig aufgebaut haben (zu Wasser und zu Lande), um sie auch einzusetzen, während in Österreich diese Zielstrebigkeit gefehlt hat - auch, weil man zu sehr mit dem inneren Nationenkonflikt beschäftigt war.
Ausserdem war auch den deutschen Generälen bestimmt klar, dass eine Kriegserklärung Österreichs an Serbien weitere Kriegserklärungen nach sich ziehen würde: weder die Beteuerungen österreichischer noch deutscher Generäle, diesen Krieg nicht vorhergesehen noch gewollt zu haben, können ernstgenommen werden.


Eigentlich hätte die österreichische Regierung (nicht der Kaiser, der war wahrlich kein guter Aussenpolitiker) erkennen müssen, dass das Ultimatum an Serbien keine gute Idee war. (Es war in jedem Fall jeden Politiker, der zumindest ein bisschen Hirn hat, völlig klar, dass schon das Ultimatum nahezu eine Kriegserklärung war - an Serbien, was zur Kriegserklärung Russlands führen würde, was wiederum die Entente und somit Frankreich in den Krieg ziehen würde.)

Wie auch immer: selbst wenn Österreich erkannt hätte, dass Serbien nicht die erwartete leichte Beute werden würde, hätte man sich kaum leisten können, Truppen von der russischen Front abzuziehen: auch so sind die Russen im ersten Kriegsjahr tief auf österreichisches Territorium vorgestossen - die russische Armee war zwar technologisch der österreichischen Armee unterlegen, numerisch aber krass überlegen.

Übrigens: Kriegsziel Österreichs war, das Land im Inneren zu stabilisieren; Serbien ist als Hauptagitator des Panslawismus betrachtet worden (ob zurecht oder zu unrecht sei dahingestellt :)).
 
Eigentlich hätte die österreichische Regierung (nicht der Kaiser, der war wahrlich kein guter Aussenpolitiker) erkennen müssen, dass das Ultimatum an Serbien keine gute Idee war.
Was hätte die Alternative sein sollen? Die Ermordung des Thronfolgers war quasi unser 9/11. Da musste man einfach reagieren. Hätte Österreich nicht reagiert, hätte es nicht nur jegliches Ansehen verloren, sondern das wäre auch eine Ermunterung an alle Terroristen und ausländischen Geheimdienste gewesen, ähnliche Aktionen durchzuführen. Man musste demonstrieren, dass man sich so etwas nicht gefallen lässt - auch auf die Gefahr hin, dabei selbst draufzugehen.
 
Dann hat man die serbische Bevölkerung mittels Mord und Totschlag ein bisschen zermürbt.
Das war jetzt der Schnelldurchlauf :D

Der Krieg auf dem Balkan war tatsächlich ein überaus schmutziger, und es hat dort, ganz ähnlich wie in Belgien zahlreiche Kriegsverbrechen und Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung gegeben, die naturgemäß auch viele Unschuldige, darunter auch Frauen, Kinder und alte Leute getroffen hat.

In seinem Fotoband "Krieg dem Kriege" nahm der Pazifist und Kommunist Ernst Friedrich auch zahlreiche Bilder vom Balkan- Kriegsschauplatz auf, das u. a. österreichische Soldaten zeigt, die neben erhängten Zivilisten posieren. Auf einem Bild setzen die Soldaten den Opfern als "Spaß" Hüte auf. Bei der Armee des Erzherzogs Friedrich allein wurden 11.400 Galgen aufgestellt, nach einer anderen Statistik mehr als 36.000.

In seinem Anti- Kriegswerk "Die letzten Tage der Menschheit" lässt Karl Kraus die Leutnants Fallota und Beinsteller auftreten, die sich damit brüsten, wieviele serbische Zivilisten und "Katzlmacher" sie erschossen oder aufgehängt haben.
 
Was hätte die Alternative sein sollen? Die Ermordung des Thronfolgers war quasi unser 9/11. Da musste man einfach reagieren. Hätte Österreich nicht reagiert, hätte es nicht nur jegliches Ansehen verloren, sondern das wäre auch eine Ermunterung an alle Terroristen und ausländischen Geheimdienste gewesen, ähnliche Aktionen durchzuführen. Man musste demonstrieren, dass man sich so etwas nicht gefallen lässt - auch auf die Gefahr hin, dabei selbst draufzugehen.
Oh, es steht nicht ausser Frage, dass Österreich reagieren hätte müssen. :) (Entweder das, oder man hätte in der Tat völlig das Gesicht verloren.)

Das Ultimatum ist aber so formuliert worden, dass Serbien fast gezwungen war es abzulehnen - hätte Serbien akzeptiert, dann hätte man Österreich das Recht zugestanden, in die Gesetzgebung des Landes einzugreifen, denn Österreich wollte im fraglichen 6. Punkt erreichen, dass k.u.k.-"Organe" an der Bekämpfung von Aktivitäten mitwirken dürfen, die gegen die "territoriale Integrität" der Monarchie gerichtet seien: quasi also ein Freibrief für Untersuchungen der österreichischen Polizei auf serbischem Territorium. (Auch das Ultimatum selbst wird unter Historikern sehr kontrovers diskutiert. Die kurzen Erläuterungen in der Wiki -hier und bes. hier - deuten diese Diskussion nur an. :))

Natürlich sind solche länderübergreifenden Untersuchungen in unserem modernen Europa mittlerweile durchaus üblich - doch erstens gibt es in der EU dafür einen gesetzlichen Rahmen (im Schengen-Raum ist die überstaatliche polizeiliche Zusammenarbeit sogar ausdrücklich vorgesehen); dazumals jedoch, und erst recht, wenn das kleine Serbien dem riesigen Österreich-Ungarn gegenübergestellt wird, hätte Serbien wohl kaum ein derartiges "Angebot" des übermächtigen Nachbarn akzeptieren können (noch dazu ja auch - natürlich - einseitig polizeiübergreifende Tätigkeit).

Hätte Österreich das Ultimatum so formuliert, dass Serbien es ohne Gesichtsverlust akzeptieren hätte können, dann wäre durchaus vorstellbar, dass Serbien nachgegeben und Gavrilo Princip (und allenfalls weitere Rädelsführer) ausgeliefert hätte. Auch darüber sind sich die Historiker allerdings (natürlich) uneins - wie soll man auch beweisen, was passiert wäre, wenn die Geschichte anders verlaufen wäre?
 
Ravenik: Zu Kriegsbeginn gab es noch keine "Vasallen". Die Türkei trat erst im November 1914 in den Krieg ein, Bulgarien erst im September 1915. Zunächst kämpfte Österreich also alleine gegen Serbien.

Ach, ich rede von Bosniaken, Kroaten, Ungarn, ...
Vielleicht habe ich mich nicht richtig ausgedrückt, aber die waren irgendwie alle österreichische Untertanen, glaub ich :grübel:

Ravenik: Was hätte die Alternative sein sollen? Die Ermordung des Thronfolgers war quasi unser 9/11. Da musste man einfach reagieren. Hätte Österreich nicht reagiert, hätte es nicht nur jegliches Ansehen verloren, sondern das wäre auch eine Ermunterung an alle Terroristen und ausländischen Geheimdienste gewesen, ähnliche Aktionen durchzuführen. Man musste demonstrieren, dass man sich so etwas nicht gefallen lässt - auch auf die Gefahr hin, dabei selbst draufzugehen.

Das ist fast schon ein bisserl naiv das zu glauben, da ging es doch um ein bisschen mehr, oder?
Jeder Österreicher weiß doch "dass do unten eh a Ruah gebn darat, wenn des ois unter die Habsburger blieben warad, weil des eh ois österreichisches Land woar!".

Naja, reagiert haben die Österreicher, genau nach einem Monat, weil Serbien dummerweise ziemlich viele für ein Land nicht hinnehmbare Ultimaten erfüllt hat.

Etwas spät kam also diese Reaktion, die sein musste.
 
Österreich hat in der Tat wohl hauptsächlich deshalb gegen Serbien Prügel einstecken müssen, weil man die Serben unterschätzt hat....Der Feldzug gegen Serbien war natürlich in erster Linie als "Strafaktion" für den Thronfolgermord gedacht; den Generälen war aber sicher klar, dass aufgrund der Bündnispolitik Russland auf der Seite Serbiens in den Krieg eintreten würde.

Sollte man hier nicht die schwierige Entscheidung erwähnen, die die Kräfteverteilung gegen Rußland und Serbien betraf.

Die Vorkriegs-Planung war - jedenfalls nach Reichsarchiv Band II - zunächst auf Defensive festgelegt, da die Hauptkräfte gegen Rußland gesetzt wurden. Die Mobilmachung an dieser Front lief jedoch schneller als berechnet, für den September lag ein Anstieg von 35 auf 60 Divisionen vor.

Dagegen gab es aufgrund des Attentats politischen Druck auf die Feldzugleitung, nämlich die Forderung auf Offensive gegen Serbien. Für den August/Anfang September wurde ein Kräfteverhältnis von 13 1/2 öster.-ungarische Divisionen zu 11 1/2 serbische Divisionen angenommen, dass ist kein großer Unterschied.
 
Hätte Österreich das Ultimatum so formuliert, dass Serbien es ohne Gesichtsverlust akzeptieren hätte können, dann wäre durchaus vorstellbar, dass Serbien nachgegeben und Gavrilo Princip (und allenfalls weitere Rädelsführer) ausgeliefert hätte. Auch darüber sind sich die Historiker allerdings (natürlich) uneins - wie soll man auch beweisen, was passiert wäre, wenn die Geschichte anders verlaufen wäre?
Princip musste nicht ausgeliefert werden, der wurde unmittelbar nach dem Attentat verhaftet.

Im Übrigen ging es nicht darum, ein paar kleine Fische ausgeliefert zu bekommen, sondern die Verstrickung des serbischen Geheimdienstes aufzuklären. Man konnte wohl kaum von den Serben erwarten, dass sie ernsthaft gegen ihren eigenen Geheimdienst ermitteln würden. Da mussten freilich österreichische Beamte ran.

Ach, ich rede von Bosniaken, Kroaten, Ungarn, ...
Vielleicht habe ich mich nicht richtig ausgedrückt, aber die waren irgendwie alle österreichische Untertanen, glaub ich :grübel:
Ja, ein Untertan ist etwas anderes als ein Vasall.

Naja, reagiert haben die Österreicher, genau nach einem Monat, weil Serbien dummerweise ziemlich viele für ein Land nicht hinnehmbare Ultimaten erfüllt hat.

Etwas spät kam also diese Reaktion, die sein musste.
Da gab es ein Problem: Österreich hätte nicht sofort zuschlagen können, so schnell ging die Mobilisierung nicht. Es war mitten im Spätsommer, viele Soldaten waren nicht in ihren Garnisonen, sondern als Erntehelfer im Einsatz.
Hätte Österreich sofort ein Ultimatum gestellt und wäre dieses sofort abgelehnt worden, hätte es nicht gleich zuschlagen können. Wenn es dann erst nach ein paar Wochen zugeschlagen hätte, hätte das noch blöder ausgesehen als wenn es zuerst die Zeit mit Diplomatie zu überbrücken versucht.
 
Unabhängig von der Tatsache, dass es sicherlich im österreichischen Generalstab auch Stimmen gab, die die Gelegenheit in jedem Fall für eine Strafexpedition gegen Serbien nutzen wollten, muß man den Serben in erheblichem Maße eine Schuld am Kriegsausbruch zurechnen. Man muß sich das einmal unvoreingenommen vor Augen halten: der Geheimdienst eines anderen Staates (Serbien) organisiert die Ermordung des zweithöchsten Mannes eines anderen Staates innerhalb dessen Territoriums....
Wer ist denn da eigentlich für die Kontrolle des eigenen Geheimdienstes verantwortlich gewesen? Doch wohl die serbische Regierung. Da kann man den Österreichern vom Grundsatz her wohl kaum wirklich vorwerfen, dass sie entsprechend "robust" (um mal einen heutigen Begriff zu gebrauchen) reagiert haben. Wie hätte wohl Frankreich reagiert, wenn ein deutscher Geheimdienst den französischen Ministerpräsidenten ermorden lassen hätte? Oder die USA?
Und dass die Serben bei der Ablehnung des Ultimatums ebenso auf russische Hilfe hofften wie die Österreicher auf Deutsche dürfte wohl klar sein, sonst hätten sie nie den Versuch unternommen, das Ultimatum abzulehnen. So wie Österreich eine mögliche Ausweitung des Krieges leichtfertig dank der deutschen Rückendeckung in Kauf nahm, nahm auch Serbien dank russischer Rückendeckung eine große europäische Auseinandersetzung in Kauf.
 
Und dass die Serben bei der Ablehnung des Ultimatums ebenso auf russische Hilfe hofften wie die Österreicher auf Deutsche dürfte wohl klar sein, sonst hätten sie nie den Versuch unternommen, das Ultimatum abzulehnen. So wie Österreich eine mögliche Ausweitung des Krieges leichtfertig dank der deutschen Rückendeckung in Kauf nahm, nahm auch Serbien dank russischer Rückendeckung eine große europäische Auseinandersetzung in Kauf.

Mit dem kleinen Unterschied das Österreich ein Großmacht war und Serbien eigentlich keine Großmacht war.
Die Schwarze Hand war ein Projekt von "Apis" Dragutinovic und einem internen Machtkampf mit Pasic.

Alles andere als ein gesamtserbischer Plan um Österreich und Europa in den Krieg zu treiben.
Die die glauben, dass Serbien einen Krieg anstiften wollte, wollen die wahren Tatsachen nicht anerkennen und sich herauswinden.

Die ganze Sache in Sarajevo war so konstruiert, dass die "Attentäter" von den Österreichern hätten erwischt werden sollen, um Pasic in Serbien zu stürzen, welcher auch über verschiedene österreichische Kanäle durchblicken ließ, dass sich da was zusammenbraue.
Beeinflussen konnte er die Schwarze Hand nicht, später rächten sich seine Leute an Apis:
Dragutin Dimitrijević – Wikipedia
Die Serben haben praktisch den direkten Verantwortlichen für das Attentat selber gerichtet.

Dasselbe steht interessanterweise im Wikilink von Sokol, bittel lesen:

Als der serbische Regierungschef Nikola Pašić vorab vom Mordplan erfuhr, befand er sich in einer delikaten Situation. Wenn er den Plan zur Ausführung gelangen ließ, riskierte er wegen der Verbindung zur Geheimorganisation „Ujedinjenje ili Smrt“ („Vereinigung oder Tod“ oder auch „Schwarze Hand“) einen Krieg mit Österreich-Ungarn; wenn er den Plan verriet, riskierte er, von seinen Landsleuten als Verräter hingestellt zu werden. Pašić versuchte, Österreich-Ungarn mit vagen diplomatischen Aussagen vor dem Anschlag zu warnen, und betraute Jovan Jovanović, den serbischen Gesandten in Wien, mit dieser Aufgabe. Jovanović, der als Nationalist galt und in Wien selten herzlich empfangen wurde, konnte den als offen und umgänglich bekannten k. u. k. Finanzminister von Biliński in ein Gespräch verwickeln und offenbarte ihm bei dieser Gelegenheit, dass es gut und vernünftig wäre, wenn Franz Ferdinand nicht nach Sarajevo reiste, weil sonst „irgendein junger Serbe statt einer Platzpatrone eine scharfe Kugel nehmen und sie abschießen könnte“. Biliński war sich der Bedeutung dieser Worte nicht bewusst, erwiderte lachend, „lassen Sie uns hoffen, dass sowas niemals passiert“ und behielt den Inhalt des Gesprächs für sich.

Da war auch grobe Fahrlässigkeit am Werk!

Allein der Weg der Attentäter war um Vieles länger als er hätte sein sollen, anstatt Waffen aus Beständen der Schwarzen Hand in Bosnien zu holen, mussten sie ihre Pistolen und Granaten, die sie praktisch überall herzeigten, von Serbien über die Drina bis nach Sarajevo schmuggeln, mit Umwegen über Tuzla und andere Städte.
Daher gab es auch viele Hinweise, dass an diesem Tag etwas Schlimmes passieren werde.
Es gibt da viele Theorien, Tatsache ist, dass der Mord am österreichischen Kaiser in seiner Absurdität fast schon typisch für den Balkan ist, und sicher nichts mit weitreichender serbischer Kriegsplanung zu tun hat, einem Land das selber erst ein paar Balkankriege hinter sich hatte und genauso die junge Unabhängigkeit.
Der ganze Balkan war zu dieser Zeit durchsetzt von Konspiration und Gedanken junger Leute die irgendjemanden erschießen wollten, dieses Gebiet stand im Brennpunkt der Interessen der Großmächte.
Österreich hat nicht so reagieren müssen, es wollte kurzerhand so reagieren, ein Krieg war nicht zwingend nötig, das ist meine Meinung.
Etwas mehr Verantwortungsbewusstsein in einem so delikaten Gebiet, und etwas weniger die eigenen Ambitionen die kuk-Monarchie mittels Eroberung und Ausdehnung am Leben zu erhalten hätten nicht geschadet, wären aber diametral zu den eigentlichen Intentionen gewesen, die in den Habsburger Kellern schon Jahre und Jahrzehnte vorher wucherten, nämlich das zu kriegen was die Osmanen hergeben mussten.

Als dann die Idee Kaiser Wilhelms auftauchte, die Serben sollten einfach Belgrad als Faustpfand von österreichischen Truppen besetzen lassen, konnten die Österreicher garnicht schnell genug die Kriegserklärung verlautbaren, weil das eine Option gewesen wäre, die dieses ganze Blutbad verhindert hätte, und auf welches die Serben durchaus eingegangen wären.
 
Da gab es ein Problem: Österreich hätte nicht sofort zuschlagen können, so schnell ging die Mobilisierung nicht. Es war mitten im Spätsommer, viele Soldaten waren nicht in ihren Garnisonen, sondern als Erntehelfer im Einsatz.
Das war wohl der Knackpunkt.

Ich selber habe mich mit dieser Zeit nur am Rande beschäftigt.
Aber unser in dieser Epoche sehr fachkundiger Professor war der Meinung, mit einer schnellen Kriegserklärung hätte Österreich den Weltkrieg vermeiden können. Die übrigen Großmächte hätten seiner Meinung nach einen begrenzten Krieg gegen Serbien als direkte Reaktion auf das Attentat akzeptiert - schließlich war das ein ganz unerhörter Angriff.
Und eigentlich hätte die k.k. Armee einen Einsatz nur gegen Serbien auch mit den verfügbaren Truppen (d.h. ohne die Erntehelfer) gewinnen müssen.

Das lange Zögern aber hätte diese Legitimation kaputt gemacht - so viele Wochen später wurde die Kriegserklärung von den übrigen Mächten nicht mehr als legitime Reaktion gewertet, sondern als Versuch, die Gewichte auf dem Balkan zu verschieben, mit dem Mord nur noch als Aufhänger.
 
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